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Das Buch muss überwunden werden - Digitales Utopia oder eher El Dorado?

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Das Buch muss überwunden werden - Digitales Utopia oder eher El Dorado?
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132
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Wer hat nicht kurz zusammengezuckt, als die Nachricht kam, dass es in der Anna-Amalia-Bibliothek gebrannt hatte? Wer hat nicht kurz über das Kölner Stadtarchiv, die Manuskriptbibliothek in Timbuktu getrauert? Digitalisierung ist längst mehr als ein Prestigeprojekt weniger Bibliotheken. Digitalisierung ist politisch, ist damit doch die Forderung nach Teilhabe und Wissensfreiheit auf der einen Seite, der Wunsch kommerzieller Nutzbarkeit auf der anderen Seite verbunden. In diesem Spannungsfeld schreiben wir grade learning by doing Geschichte.Mathias Schindler (wikimedia), Ralf Stockmann (Staatsbibliothek zu Berlin) und Tina Lorenz (Kulturnerd) entwerfen eine wilde Vision der digitalisierten Zukunft.
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XMLLecture/Conference
DigitizingLengthInternetPlanningPerimeterMetadataMeeting/Interview
Process (computing)Constraint (mathematics)Product (category theory)InformationDigitizingPlane (geometry)MathematicsWritingGRADEALT <Programm>Meeting/Interview
PixelE-textGoogleRandGraph of a functionDigitizingLebensdauerGoogle BloggerHausdorff spacePort scannerOptical character recognitionPlane (geometry)FlachbettscannerExpert systemLecture/ConferenceMeeting/Interview
Content (media)ARCHIVE <Programm>EuropeanaCHART <Programm>Digital signalMicrosoftAgent <Informatik>InformationDecision theoryEvent-driven programmingWordDigitizingApple <Marke>Musical ensembleExecution unitRobotFactorizationFocus (optics)Larry <Programm>GoogleFile viewerLecture/ConferenceMeeting/Interview
Open sourceVisualization (computer graphics)EuropeanaGRADESoftwareInferencePlane (geometry)Content (media)Library catalogThumbnailDomain nameARCHIVE <Programm>List of anatomical isthmiDynamic rangeDigitizingMetadataAPIDigital librarySimilarity (geometry)Computer programmingMeeting/Interview
KommunikationComputing platformE-textInternetSoftware bugDistribution (mathematics)Apple <Marke>ACCESS <Programm>Version <Informatik>Function (mathematics)E-bookSound <Multimedia>Visualization (computer graphics)Large eddy simulationPixelDigital rights managementiTunesiPadLecture/ConferenceMeeting/Interview
ACCESS <Programm>Large eddy simulationFile formatWeb browserDigital RevolutionImplikationMoment (mathematics)Route of administrationSocial classMetadataFITTSupremumiPadMeeting/Interview
DigitizingParameter (computer programming)Digitale DatenComputer fileComputing platformHard disk driveDigital signalLecture/Conference
ToweroutputWEBNullEigenvalues and eigenvectorsPlane (geometry)CD-ROMDatenformatWeb pageHome pageUniform resource locatorMusical ensembleTape driveMeeting/Interview
Visualization (computer graphics)InformationDigital signalLecture/Conference
ZahlMoment (mathematics)iPadDigitizingMeeting/Interview
PDF <Dateiformat>Wireless LANMittelungsverfahrenLösung <Mathematik>MathematicsiBookMeeting/Interview
E-bookContent (media)iPadMeeting/Interview
WINDOWS <Programm>XML
Transcript: German(auto-generated)
Herzlich willkommen zum nächsten Talk.
Es geht gleich um Bücher und um Lesen. Die Abschaffung des Buches wurde mir gerade noch zugerufen. Und ich begrüße gleich drei Leute auf der Bühne, einmal Tina Lorenz, Kultur-Nerd, dann Matthias Schindler, Projektleiter bei Wikimedia und Ralf Stockmann, Referatsleiter für Innovationsmanagement an der Staatsbibliothek zu Berlin.
Ich wünsche viel Spaß beim nächsten Talk. Die Bühne gehört euch. Viel Spaß.
Drittes Mikrofon für drei Menschen oder? Danke, danke. Wollt ihr euch vielleicht noch mal ein bisschen genauer vorstellen?
Ralf und Matthias? Ja, Ralf Stockmann, Staatsbibliothek zu Berlin. Lange Jahre aber in Göttingen gewesen. Da habe ich das Göttinger Digitalisierungszentrum geleitet, unter anderem bekannt durch die Digitalisierung der Gutenberg-Bibel und eines der beiden großen Digitalisierungszentren von Deutschland. Und von daher also mit dem Thema Digitalisierung, Bücher, Zugriffsrechte usw. ganz gut bewandert.
Und in der Rolle war ich dann auch eigentlich vom Start weg mit in den Planungen für die Deutsche Digitale Bibliothek eingespannt. Und das befähigt mich quasi hier zu sitzen. Gute Überleitung. Mein Name ist Matthias Schindler, ich arbeite bei Wikimedia Deutschland seit einigen Jahren.
Ich war zuvor bei Wikipedia aktiv als Autor und habe vor Wikimedia-Zeiten in der Deutschen Nationalbibliothek gearbeitet. Und habe, glaube ich, in der ganzen Zeit ein einziges Mal ein Buch angefasst. Ich habe mit Metadaten und Normendaten beschäftigt. Coole Zeit.
Und habe den Aufbau der Deutschen Digital Bibliothek freundlich, konstruktiv, kritisch flankiert. Mehr kritisch als freundlich, aber das ist okay. Also freundlich können die selbst, aber kritisch fehlte noch.
Danke sehr. Wir fangen mal an mit einer Publikumsfrage, also ihr. Wer hat, also jetzt mal so Hand hoch, wer hat in diesem Jahr ein Buch gelesen? Das Buch nach der UNESCO-Definition ist eine nicht periodische Publikation im Umfang von 49 Seiten oder mehr.
Dieses Jahr. Aha, ja, schön, diesen Monat. Oh, aha, diese Woche. Immer noch ganz schön viele, Mann, ihr seid ja richtig vorwürdig. Aber nicht diese Woche fertig gelesen, seid heute früh. Das kann mir ja keiner erzählen.
Okay, und jetzt noch mal eine ganz kurze Einschätzung. Glaubt ihr, dass sich euer Leseverhalten in den letzten 10, 15 Jahren ungefähr verändert hat? Also seit, ja, seit dem Internet eigentlich. Ja, ja, ja, doch. Hat sich euer Leseverhalten verändert, okay.
Ungefähr 50 Prozent, ja. Na gut. Okay, ganz grundsätzlich unser Talk, unser Panel heißt Utopie oder El Dorado. Es geht darum, brauchen wir das Buch noch? Ist das Buch, hat sich das überlebt? Lesen wir überhaupt noch?
Ganz erste Frage, brauchen wir die umfassende Digitalisierung überhaupt? Oder stirbt damit auch das gedruckte Buch, Ralf? Na ja, wenn wir von Digitalisierung reden, muss man erstmal schauen, was dürfen wir digitalisieren, was digitalisieren wir, warum digitalisieren wir es. Und der Bereich, aus dem ich komme, ist halt der, wo vor allen Dingen
für Wissenschaftsszenarien verwertete Objekte digitalisiert werden. Und damit wir das Ganze auch dann der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen dürfen, aufgrund des Urheberrechts, 70 Jahre nach Tod des Autors, erst dann sind sie gemeinfrei, sind es natürlich vor allen Dingen alte Bücher, die wir digitalisieren. Also man kann so sagen, Pi mal Daumen, alles, was vor ungefähr 1920 erschienen ist,
darf digitalisiert werden. Pi mal Daumen, wie gesagt, es gibt da immer Ausnahmen. Und da gibt es natürlich dann Leute, die sagen, naja, das sind ja alles olle Kamellen, was nutzt mir das, ich möchte doch eigentlich die aktuelle Literatur haben. Dann ist aber ganz interessant, wenn man sich da mit ein paar Wissenschaftlern mal wirklich drüber unterhält, beispielsweise im Bereich der Mathematik, wenn ein Beweis und ein Satz einmal definiert worden ist, dann behält der Gültigkeit.
Und da ist es egal, ob das 200 Jahre alt ist oder zwei Monate her ist, genauso für den Bereich der Zoologie beispielsweise, die sogenannten Erstbeschreibungen. Das heißt also, wo irgendein Viech zum ersten Mal gesichtet worden ist und beschrieben worden ist, das ist die Grundlage von tagtäglicher Arbeit in dem Bereich. Dann gibt es andere Wissenschaftsdisziplinen, beispielsweise Medizin.
Als ich mal hier in der Charité war und die gefragt habe, hallo, was sollen wir euch digitalisieren, wollen wir irgendwie ein DFG-Projekt machen, war die Antwort von denen wirklich wortwörtlich, Herr Stockmann, sie sind wohl irgendwie geisteskrank, sie töten Menschen. Das heißt also, veralterte Medizinliteratur von irgendwie von anotobak,
wenn das Leute sich irgendwie durchlesen und meinen darauf, dann irgendwie Selbstbehandlung auf völlig veralteten Wissenstands machen zu müssen, ist natürlich nicht so angesagt. Also da lohnt es sich sehr genau hinzuschauen, was ist noch relevant und wobei der Relevanzbegriff natürlich auch beliebig dehnbar ist. Was glaubst du Matthias, Digitalisierung, sinnvolle Sache?
Im Zweifel ja, vor allem begreife ich das nicht als eine Entweder-oder-Geschichte. Es gibt Projekte, zum Beispiel Wikipedia, die haben komplett digital angefangen, da gab es nichts zu digitalisieren. Die Digitalisierung fand eigentlich nur in den Köpfen statt, weil man am Anfang bei Projekten wie Nupedia und Wikipedia noch die ganzen analogen Prozesse im Kopf hatte
und sich erstmal dann von diesen Beschränkungen lösen musste und irgendwann feststellte, okay, wir können einen Redaktionsprozess anders gestalten, wenn wir das analoge weglassen und die langen Umlaufgeschwindigkeiten, also die ganzen Abläufe, die uns lähmen und die uns bremsen, verändern, modifizieren. Wenn man einzelne Produkte neu digital denkt,
kommen spannende Dinge heraus, manche kommen auch harnedüchner Unsinn raus, aber meistens kommen irgendwie verwettbare Informationen raus. Und natürlich können wir sagen, wir digitalisieren alles, was da ist, dann haben wir die Variante 70 Jahre nach Tod des Auferhebers. Wir können uns engagieren für Gesetzgebungen, die es erlaubt,
auch Informationen und Bücher vor Ablauf dieser Zeit zu digitalisieren, zum Beispiel, wenn man sie als verwaiste Werke deklariert, was wir in Deutschland noch nicht tun können, was wir vermutlich in den nächsten drei Monaten tun können, weil ein entsprechendes Gesetz von der Bundesregierung jetzt gerade auf den Weg gebracht wurde. Wir können auch versuchen, die Variante vergriffenes Werk zu liefern
oder wir können uns mühsam auseinandersetzen mit den Rechteinhabern und dafür sorgen, dass jetzt die Rechte eingeräumt werden, die die Digitalisierung jetzt schon erlauben würden. In den meisten Fällen wissen wir, das klappt einfach nicht. Also egal, wie viel Zeit und wie viele Ressourcen wir haben, wir finden einfach nicht mehr die Rechteinhaber.
Das ist spannend. Ich bin auch dafür, die alten medizinischen Wochenschriften zu digitalisieren in einer Weise, die eben dann nicht dazu führt, dass Menschen sagen, oh, 1928 wollte jemand Krebs mit Benzol behandeln. True fact. Medizinische Wochenschrift aus 1927 macht das einfach.
Also digitalisiert ist das eben dann nicht für die Praktiker und nicht für das Leinenpublikum, sondern für die Medizinengeschichtler oder letztendlich auch halt irgendwelche Korpusanalysen. Kannst du uns ganz kurz mal verwaiste Werke nochmal definieren? Für die, die es nicht wissen.
Verwaiste Werke sind Werke, die noch urheberrechtlich geschützt sind, aber bei denen, bei denen keine oder nicht alle Rechteinhaber ausfindig gemacht werden können. Der Klassiker sind so Bücher, die nicht mehr gedruckt werden, bei denen die Verlageplatte gegangen sind, im Eigenverlag erschienene.
Alles, was in der Nachkriegszeit an Lexika auf den Markt kam, die Verlage gibt es eigentlich gar nicht mehr. Und dann irgendwie herauszufinden, wer hat nach der Insolvenz das Verlag irgendwelche Rechte geerbt oder übernommen. Das ist de facto nicht möglich. Also auch mit gutem Staff, mit guten Leuten kommt man da nicht weiter.
Dann hat man dann in Situationen, dieses Werk ist geschützt, man darf es nicht der Öffentlichkeit verfügbar machen. Im Gegenteil durch das Dokumentieren, das man recherchiert hat, dokumentiert man Unrechtsbewusstsein, weil man weiß, ich durfte es ja nicht, strafverschärfend. Aber es gibt niemanden, der davon profitiert, dass es gerade unfrei ist.
Das heißt, es ist totes Holz in Reinstform. Und jetzt ist die Frage, könnte das vielleicht der Grund sein, warum wir de facto vom 20. Jahrhundert so gut wie keine Digitalisator haben? Ja, zum Beispiel. Das heißt, ihr digitalisiert dann dementsprechend das 19. Jahrhundert. Weil es eigentlich ganz so...
Klaus Graf, einer der profiliertesten Blogger in diesem Bereich, hat einen Mitbewerb ausgerufen und gesagt, okay, findet mir in einem deutschen Bibliothekskanalog ein Werk, das möglichst vor langer Zeit erschienen ist, aber noch urheberrechtlich geschützt ist. Klassischer Fall, 70 Jahre nach Tod des Urhebers.
Das heißt, jemand schreibt mit 18, 19, 20. Abhandlung über die alkoholische Gärung und lebt dank Alkohole da ohne 90, 92 Jahre. Das heißt, wir haben jetzt die 80 Jahre Lebenszeit nach Publikation, bloß 70 Jahre. Ich meine nämlich dunkel zu erinnern, dass wir auf das Jahr 1875 gestoßen sind.
Das heißt, jedes Werk, das nach 1875 erschienen ist, hat in einer gewissen Wahrscheinlichkeit noch Urheberrechte. Es sei denn, ich habe positive Belege an den Lebensdaten des Urhebers, die mir sagen, okay, das ist möglicherweise inzwischen gemeinfrei. Und selbst dann habe ich Probleme, weil ich ja möglicherweise noch Bildrechte drin habe,
wenn Kupferstiche drin sind, von Menschen, die an anderen Lebensdaten gestorben sind. Und wie ist das? Wir halten fest, du kannst nur sozusagen olle Kamellen digitalisieren. Es gibt nur alte Werke. Was nützt uns das? Was bringt uns das, wenn wir das Kulturgut, das Schriftliche,
von an und da zu mal digitalisieren und verfügbar machen? Und mit welchem Aufwand und vor allen Dingen auch zu welchem Preis? Also zur Nützlichkeit muss man natürlich noch mal unterscheiden. Digitalisierung meint eigentlich zwei sehr unterschiedliche Facetten. Das eine ist die reine Image-Digitalisierung und das andere ist die eigentliche Volltexterkennung, sodass ich hinterher wirklich einen computerlesbaren Text habe.
Denn die erste Ebene, die Image-Digitalisierung, das eigentlich also das, was man auch als Scannen bezeichnet und was jeder mit seinem Flakbett-Scanner zu Hause produzieren kann, ist eigentlich ehrlich gesagt extrem unspannend. Und für viele wissenschaftliche Szenarien zwar dann irgendwie vielleicht besser als das analoge Buch, vor allen Dingen, wenn ich nicht dran kann,
aber ansonsten natürlich wirklich nur der notwendige erste Schritt. Ich habe hier dieses T-Shirt an I love Pixel. Das ist also eine brutale Lüge. Ich hasse Pixel. Die müssen also sowohl von unseren Displays alle verschwinden. Es ist also unsere oberste Aufgabe dafür zu sorgen, dass unsere Kinder in einer Welt ohne Pixel groß werden. Und ich hasse vor allen Dingen auch images, gescannte images von Büchern.
Weil das Entscheidende ist, zumindest bei 99 Prozent der Dokumente, eben der Text, der da drin steckt. Ja, der eigentliche Gedanke, die Argumentation. Das, was halt wirklich den semantischen Inhalt anmacht. Es gibt einige wenige Experten, die sich dann auf die Wasserzeichen kaprizieren
und in welcher Druckerei will das rausgehen und so weiter. Ja, die können auch immer noch mit den Digitalisaten arbeiten. Da habe ich gar kein Problem mit. Aber für die allermeisten Szenarien ist der Volltext entscheidend. Und an dem müssen wir ran. Und dann wird es auch wirklich spannend, was die Nutzungsszenarien angeht. Nutzungsszenario eins.
Ich möchte das Buch einfach nur mal so lesen. Genau wie ein anderes Buch zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt, das ich lesen möchte. Nutzungsszenario zwei. Ich möchte 20.000, 40.000 Bücher gleichzeitig nach Charakteristik analysieren. Ich möchte zum Beispiel eine Volltextsuche machen über die Stadt, in der ich groß geworden bin. Ich möchte eine Volltextsuche machen über die Stadt mit ihrem Namen
und den 15 Nebenschreibvarianten und den inzwischen eingemeideten Gemeinden, die ich habe. Ich möchte versuchen, etwas zu finden, so irgendwelche Reisebeschreibungen, irgendwelche Texte, die eigentlich nur am Rande zu dem Thema sich auseinandersetzen, mit dem ich jetzt habe, wo ich niemals, wenn ich das Analogewerk hätte,
auf Verdacht hin das ganze Buch lesen würde, in der Hoffnung, etwas zu finden, was man so in drei Absätzen kurz im Hand hat, was ich eigentlich suche. Variante drei. Ich möchte nicht die Texte rezipieren, so wie ich als Mensch rezipiere, sondern ich möchte analysieren, zum Beispiel Wortehäufigkeitsanalysen. Ich möchte hier wissen, ob in der Literatur in den letzten 200 Jahren
das Wortehäufigkeitsverhältnis von Krieg und Frieden sich verändert haben. Kurz jetzt eine Interaktion. Wer kennt die Google Book Search Engram Darstellung? Da gehen ein paar Hände hoch. Ja, ein paar kennen Sie. Stellt euch einfach vor, Google Book Search, das vielleicht mehr Leute kennen,
analysiert die Wortehäufigkeit und das Aufkommen von bestimmten Begriffen über den gesamten Buchbestand, segmentiert nach Jahreszeiten der Erscheinung und kann dann auf einem grafischen Darsteller sagen, wie häufig war ein Begriff, 1900, 1901, 1902, um Trends darzustellen. Kann zum Beispiel anhand solcher Grafen dargestellt werden,
dass zum Beispiel um das Jahr 2001 der Begriff Terror ein bisschen häufiger aufkam oder in den Jahren danach kann es sein, dass zum Beispiel zu anderen größeren Ereignissen, 89, 49 und ähnliches, andere zentale Begriffe überhand genommen haben oder andere ausgetauscht haben.
Solche Analysen sind bisher händisch auch möglich gewesen, auf einem viel schlechteren Niveau, auf einer viel schlechteren Datengrundlage und ehrlich gesagt, man sollte gewisse Aufgaben die Computer besser lesen, auch den Computer überlassen und dann einfach sich Zeit nehmen für die intellektuellen Arbeiten. Also Gregory Crane hat das ja schön zusammengefasst in What to do with a million books,
wenn wir sie mal haben und seine Antwort ist, wir werden sie mit Sicherheit nicht mehr lesen können, aber wir können halt sie analysieren und darüber quasi Big Data Analysen machen. Der Google Engram Viewer ist in daher aber auch ein ganz schönes Beispiel, weil man doch das Scheitern von Big Data, wenn man zu wenig nachdenkt, ganz gut zeigen kann. Also ein relativ beliebtes Szenario ist so Versus-Analysen zu machen, das heißt also Shakespeare versus Goethe.
Wann wäre also populärer als der andere und dann sieht man so Shakespeare während Lebzeiten eigentlich immer etwas populärer gewesen und irgendwann zieht dann Goethe also in einen Hohlball davon. So wenn man das Ganze jetzt aber macht für Apple versus Microsoft, bekommt man dann plötzlich einen Chart, der also auch bevor es tief zurückgekehrt ist oder vor seinem Tod, Apple immer irgendwie das hundertfache von Microsoft hat,
weil es halt einfach nicht normiert ist, dass es jetzt hier um Apple die Computerfirma geht, sondern halt ja um den ich reinbeiße. Das heißt also da habe ich eben nicht eine vernünftige Entitätenerkennung und das vernünftig auf sogenannte Normdaten zurückgeführt, wie sie beispielsweise dann in der GND, gemeinsame Normdatendatei,
sogar auch per API abrufbar liegen, sondern es ist halt einfach nur erstmal der Begriff. Aber das ist jetzt ein Zwischenstadium, in dem wir uns befinden und die Zukunft muss natürlich sein, dass das Ganze vernünftig strukturiert durchsucht werden kann. Das heißt ja auch, dass momentan können wir vor allen Dingen solche Analysen dann auch über das 19. Jahrhundert machen, das heißt das 20. Jahrhundert
ist eigentlich ein großer weißer Fleck auf der Landkarte. Das ist vor allem ein schwarzes Loch, wenn man bedenkt, dass halt eben auch Inhalte verschwinden. Also weil Archive... Einstürzen. Einstürzen, abfackeln, dicht gemacht werden. Ein Beispiel an dem ich jetzt mitgearbeitet habe, geht es nicht um Bücher, sondern um andere Textformen.
Eine Nachrichtangentur namens DAPD ist pleite gegangen. DAPD ist die Nachfolgerin einer Fusion von deutscher AP und DDP. Und die DDP hatte damals die DDR-Nachrichtangentur ADN gekauft. Die hatten 80.000 Mikrofische in ihren Kellanlagen.
Im Prinzip die verfilmte, also sozusagen das Digitalste, was die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zu bieten hatte, war die erste Variante dieses Archivbestandes. Die Originale waren nicht mehr verfügbar, aber eben 80.000 Mikrofische mit jeweils so 20, 30 Seiten da drin. Das Erste, was ein Insolvenzverwalter macht,
wenn er eine Firma versucht zu sanieren, ist halt irgendwie so Ballast wegzuwerfen. Und man kann es eben nicht vorwerfen, dass dieser Ballast eben auch das Archive designen kann, weil es nicht monetarisierbar ist, weil es eigentlich außer Archiven niemanden gibt, der sowas übernehmen kann. Ich bin froh, dass jetzt die physische, das Überleben dieser Mikrofische gesichert ist. Und wenn morgen ein Verlag pleite geht, ist das das Erste, was er machen wird,
sein Firmenarchiv aufzulösen. Weil es niemanden gibt außer öffentlichen, die ein Interesse haben, dass solche Inhalte bestehen bleiben. Ich würde gerne wissen, wo jetzt noch die ganzen ProcHouse Archivbestände und Firmenarchiv Inhalte sind, nachdem die Firma ProcHouse als solche nicht mehr existiert.
Das heißt, wir haben ein schriftliches Kulturboot, das momentan vor allen Dingen in Archiven, in Bibliotheken so ein bisschen versauert, auch langsam kaputt geht. Ist die Aufgabe der Digitalisierung, die ja tatsächlich auch betrieben wird jetzt von vielen Archiven, glaubt ihr das ist Staatsaufgabe oder sollte es, wie das momentan ja auch betrieben wird,
auch an Firmen ausgelagert werden, was sind da die Gefahren? Also auf jeden Fall kann man erst mal festhalten, was du schon gesagt hast, Bücher sterben. Die einen schneller, die anderen langsamer. Also gerade die richtig alten Bücher sind meistens noch auf dem richtig guten Papier gedruckt. Da ist es gar nicht so dramatisch. Beispielsweise alles, was so um 1946 bis 1950 ungefähr gedruckt worden ist,
extrem säurehaltiges Papier und so weiter. Da wurde halt auf allem gedruckt, was irgendwo zu kriegen war. Also das 20. Jahrhundert stirbt uns da auch sehr radikal weg in Teilen. Also da muss man langsam handeln. Zu deiner eigentlichen Frage. Ich habe mal damals für meinen Bibliotheksdirektor, die hatte ich die Aufgabe bekommen,
mal durchzurechnen, was würde es eigentlich kosten, wirklich komplett jeden Band, der also gemeinfrei ist und im deutschen Bibliotheken irgendwie habhaft gemacht werden kann, durchzudigitalisieren. Das war dann ein bisschen scharf gerechnet, damit das Ganze also für die Politik noch attraktiv ist. Und wir landeten so bei ungefähr 120 Millionen Euro.
Also 0,01 Banken. Ja, ich hatte das noch in der anderen Einheit dann umgerechnet, nämlich in Eurofighter. Wenn man sich das nämlich anguckt, ist das einer, genau. Es ist also exakt der Gegenwert von einem Eurofighter. Nur jeder, der ein bisschen mit Politik zu tun hat, weiß, dass das immer sehr unfair ist und sehr polemisch
und man dadurch die schnellen Punkte mitmachen kann mit so einer Argumentation. Aber es zeigt doch, auch wenn das damals sehr optimistisch war, das war so die Zeit, wo auch die ersten Scanroboter aufkamen, die dann also automatisch umgeblättert haben, da sind wir mittlerweile auch etwas auf dem Boden der Tatsachen zurück, dass das alles nicht ganz so automatisierbar ist. Aber sagen wir mal, es ist Faktor zwei oder es ist Faktor drei oder lass es eine halbe Milliarde sein. Das ist immer noch irgendwie eine völlig handhabbare Größe,
die man eigentlich ganz gut bewegen könnte. Und wir sind ja auch im Ausland, beispielsweise Frankreich, dass da durchaus ganz andere Geldbeträge in die Hand genommen werden. Also es muss nicht zwangsläufig über Firmen laufen. Also mein Eindruck ist, dass es einige Firmen gab, die in der Vergangenheit als Taktgeber funktioniert haben,
die in dem sie vorangeprescht sind, in dem sie tatsächlich auch gewisse Kompromisse in Sachen Qualität eingegangen sind und ihren Workflow sehr stark auf kurzfristige Zwischenergebnisse geliefert haben, es geschafft haben, die ganze Thematik, Digitalisierung
ins Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. Und das andere war, sie haben auch so ein bisschen den Erwartungsdruck der Öffentlichkeit an öffentliche Einrichtungen geweckt. Ich war 2004, bin ich durch einen ganz komischen Zufall in eine winzig kleine Halle von der Frankfurter Buchmesse reingerutscht,
da war eine Pressekonferenz mit 60 Tischen. So ein Larry und Sergey von Google kamen da und haben dieses Google Print, hieß es damals noch, vorgestellt. Das war eine Pressekonferenz, die war mir am Abend vorher angekündigt, war seltsam vorbereitet. Und irgendwie gab es sozusagen einen Tag vor dieser Konferenz
und einen Tag nach der Konferenz. Nach der Konferenz redeten alle irgendwie davon, von der Remonopolisierung von Büchern, was ich seltsam fand, von jetzt muss Europa nachziehen, jetzt wird sich das Gedächtnis der Menschheit verändern hin zu einem sehr US-zentristischen Blick darauf, logisch, bei den ursprünglichen Grundlagen.
Das ist alles schon eine sehr spannende Ausgangslage gewesen und plötzlich war eben auch von der Europäischen Kommission die Lust da, so ein Projekt wie Europeaner zu starten. Mit all seinen kritikwürdigen Zwischenergebnissen und Entscheidungen und komischen Lizenzpolitikern. Aber Europeaner ist tatsächlich entstanden,
weil es einen privaten Player gab, der eben vorangeprescht ist. Eine Panikreaktion. Ja, natürlich. Kannst du kurz erklären, was Europeaner ist, bitte? Geht auf Europeaner und schaut euch an, was die von sich sagen. Europeaner ist in Wirklichkeit ein digitaler Zettelkatalog.
Also Europeaner nimmt einfach nur die Bestandsinformation von einigen Kulturenrichtungen in Europa und packt sie zusammen und erlaubt es eine Volltextsuche oder größtenteils Volltextsuche über mehrere Zettelkataloge gleichzeitig durchzuführen.
Es werden Vorschaubilder einiger Digitalisator angezeigt. Und zwar, und das ist durchaus sehr spannend, nicht nur aus einer Domäne wie Bibliotheken und nicht nur Museen, sondern halt eben aus dem gesamten Spektrum europäischer Kultureinrichtungen. Bildarchive, Bibliotheken, Museen, sofern es halt irgendwie digitalisierbar oder digital darstellbar ist.
Ich würde da mal etwas harsch dazwischen gerätschen wollen. Europeaner ist doch ein bisschen mehr als ein Zettelkatalog. Ich habe in einem EU-Projekt beteiligt, wo wir genau auch ein Workpackage für die Europeaner gemacht haben. Das war beispielsweise die Visualisierung von beliebigen Daten gleichzeitig in Raum und Zeit,
wo man als Nutzer interaktiv dann durch die damals Europeaner Bestände durchgehen kann, um beispielsweise zu schauen, wie sind Brücken eigentlich, wo, wann in der Literatur irgendwie mal bearbeitet worden oder ähnliches. Also ich will die Europeaner eigentlich oder fast hauptsächlich als ein Software-Hub eigentlich begreifen für Open-Source-Entwicklung, die im Bereich digitale Bibliothek stattfinden derzeit.
Also alles, was im Bereich Europeaner an Software entwickelt worden ist, ist Open-Source. Das kann man sich alles runterladen, man kann nur selber kontributen. Also der Content, ja, der ist auch irgendwie da und es gibt vorne irgendwo ein schönes Schaufenster. Aber für mich als irgendwie Informationswissenschaftler findet das Spannende eigentlich eher hinten auf der Software-Ebene statt. Und da gibt es sehr schöne Sachen zu finden.
Kein Widerspruch von mir. Wie ist denn das zu bewerten jetzt die Europeaner im Vergleich zur deutschen digitalen Bibliothek? Was ist die deutsche digitale Bibliothek? Die deutsche digitale Bibliothek ist... Ein Zettelkasten. Ja, mal wieder ein Zettelkasten. Nein, es ist der deutsche Beitrag zur Europeaner, der, und weil es so unglaublich langweilig ist,
nur der deutsche Beitrag zu sein, Europeaner neu erfindet und viel, viel mehr sein möchte, was dazu führt, dass sie ihre Hauptaufgabe, nämlich den deutschen Beitrag zur Europeaner zu sein, derzeit nicht so richtig ausfüllen. Die Idee ist, und das hat Europeaner auch erlebt, es ist sehr, sehr schwierig über alle verschiedenen Domänen
und alle verschiedenen Länder hinweg mit Kultureinrichtungen zusammenzuarbeiten und die alle auf verschiedenen Entwicklungsstufen sind, was den Grad ihrer Digitalisierung angeht. Deswegen gab es seitens Europeaner den Wunsch, liebe Länder, aggregiert doch schon mal auf eurer Ebene, also aggregiert das europäische Filmerbe und aggregiert das, was in Deutschland vorhanden ist,
über die Domänen hinweg und liefert dann das Paket gebündelt an uns weiter, mit wir nur noch mit 27 Partnern zu tun haben müssen und nicht mehr mit 27.000 Partnern. Diese Arbeit ist wichtig und DDB sollte sie leisten und weil sie unglaublich schwer vermittelbar ist, hat man dann halt versucht, Dinge an DDB anzuflanschen
und hat dann ein paar Gutachten schreiben lassen gegen gutes Geld, hat dann Softwareentwicklung betrieben, auch gegen gutes Geld, die ihrerseits die Deutsche Digital Bibliothek zu dem deutschen Subset von Europeaner erscheinen lässt. Da kannst du bitte dazwischen grätschen, weil es noch mehr Aspekte gibt,
aber es gibt keinerlei Alleinstellungsmerkmale von DDB gegenüber Europeaner, wenn beide so funktionieren, wie sie sie ankündigen. Sprich, wenn die DDB ihren Job macht, dann Europeaner ihren Job macht, wird man auf ddb.de eigentlich nur das finden, was man in Europa auch finden könnte, minus die Beiträge aller anderen 26 EU-Staaten.
Die Geschichte der DDB ist schon eine etwas bewegte, das ist klar, aber das von dir jetzt gerade angesprochene, also es macht eigentlich genau dasselbe, das wird jetzt auch etwas konsequenter als Strategie verfolgt, also in dem Sinne beispielsweise, dass jetzt beide auf demselben Metadaten-Modell landen. Also auch die DDB hat jetzt das Europeaner-Data-Model übernommen,
was allerdings auch, naja, es geht zu senzetai, aber auch hier dieser Gedanke, den ich eben reingebrachte als Software-Hub, auch das will eigentlich die DDB sein, eine API wird jetzt freigeschaltet, das dauert, glaube ich, nur noch wenige Wochen, dann haben wir die, aber du kannst auch nicht alles zentralisiert irgendwie auf EU-Ebene halt regeln. Das heißt also, gerade wenn man mal mit Archiven und Museen spricht,
für jemand wie mich aus der Bibliothekszene, merkt man, dass die einen komplett anderen Blick auf Digitalisierung haben, als ich das als Bibliotheksmensch habe. Bibliotheken haben eigentlich als Preset, okay, A, natürlich der Nutzer ist unser Feind, weil er will das Buch lesen und dadurch wird es zerstört, aber Digitalisierung kann da ein bisschen lindern,
das ist schon mal gut, leider wird es dadurch dann auch zerstört, wenn man es nicht vernünftig digitalisiert, aber das können wir mittlerweile, das heißt also aus der Nummer sinnvoll einigermaßen raus, aber ansonsten, wenn wir es dann mal digitalisiert haben und es gemeinfrei ist, ist eigentlich unser Preset, hallo Welt, hier ist es. Das heißt also, um genau diesen Provenienzgedanken,
auch mal diesen Sammlungsgedanken ein bisschen abzulösen, so irgendwie die Bibliothek mit ihrem Bestand, sondern hinterher gibt es halt sowas wie eine Weltbibliothek und da kann auch aus der ganzen Welt ohne Gebühren und Ähnliches drin recherchiert werden, da will man ja eigentlich hin und in Teilen sind wir da schon. Bei Archiven und Museen sieht die Welt komplett anders aus. Museen haben dann sehr stark beispielsweise den Unterschied, dass sie sagen,
unsere Metadaten selber sind Forschungsergebnisse und sind Ergebnis von teilweise jahrelanger Recherche und wissenschaftlicher Forschungsarbeit, wohingegen Bibliotheken Metadaten sind frei und hier habt ihr sie, da sind Museen also schon ganz anders aufgestellt. Bei Archiven wiederum habe ich häufig Persönlichkeitsrechte drin,
die dann gar nicht was mit dem Autor zu tun haben, der 70 Jahre tot sein muss, sondern einfach da tauchen dann eben ganz persönliches Archivgeschichten drin auf, wo man wirklich ernsthaft nach dem Schutz der Persönlichkeitsrechte erstmal schauen muss. Da kann ich also nicht das Ganze durch einen Fieder laden und erstmal online stellen und dann hinterher quasi aller Google-Argumentation sagen,
wenn jemand was dagegen hat, kann er sich ermelden. Da lohnt es sich also schon da sehr im Detail hinzuschauen und sowas kann ich schwer machen, wenn ich nicht in die Einrichtung reingehe und mit denen mich auch wirklich unterhalte und ich glaube die DDB ist da dann auf der Ebene doch auch was Consulting und die verschiedenen Einrichtungen, die auch nicht so weit sind mit der Digitalisierung, etwas an die Hand nehmen und da einen sehr direkten Kommunikationskanal zu haben,
ist das schon eine notwendige Einrichtung, die Sinn macht. Ja, ja und des Weiteren glaube ich, dass es sehr wichtig ist, darauf hinzuweisen, welche Dynamiken und Eigendynamiken in so einem Prozess stecken
und eines der Probleme von solchen Projekten ist zum Beispiel, dass sie ein Eigenleben entwickeln, dass sie zum Beispiel in Deutschland, in einem sehr föderalen Staat, sehr häufig so erstellt werden, dass sie niemanden wehtun, dass alle, die jetzt schon etwas machen, mit dabei sein dürfen, dass es so gestaltet wird, dass es auch ja nicht Ressourcen und Leser und Sympathien abzieht
von existierenden Projekten und man deshalb zum Beispiel eine Deutsche Digital Bibliothek verhältnismäßig klein gehalten hat und verhältnismäßig viele Zugeständnisse gemacht hat zu den potenziellen Partnern in der Annahme, man könne dadurch Akzeptanz steigern
und könne irgendwie ein Projekt machen, das sowohl von Nutzern angenommen wird, als auch von den beteiligten Institutionen gleichermaßen ohne irgendjemandem wehtun. Mein Anspruch ist, das funktioniert nicht. Und die Frage, die man bei Digitalisierungsprojekten stellen möchte, ist, wem möchte man am meisten und wem möchte man am wenigsten wehtun. Weil irgendwas wird sich verändern, irgendwas wird sich verschieben, sei es Nutzungsverhalten,
sei es eine Art von Unabkömmlichkeit in einem bestimmten Betrieb und sei es halt nur die Fähigkeit einen Schlüssel zu haben und einfach dann selbst definieren zu können, dass man halt eben von 8 bis 12 Uhr den Laden aufmacht und danach wieder zumacht. Das ist eigentlich schon eine gute Überleitung zum eigentlichen Thema.
Nachdem wir jetzt den Status vorgeklärt haben, ist ja die Frage, die wir uns stellen wollen, muss das Buch überwunden werden, muss das weg? Ralf, du hattest vorhin in der Vorbereitung gesagt, Bücher tun weh. Das ist eine sehr steile These. Matthias wiederum sagt, Bücher werden schon noch gekauft, aber keiner liest sie mehr. Warum tun Bücher weh?
Der Ausgangspunkt für den Talk war in der Tat die These, die ich irgendwo reingeworfen habe, das Buch muss überwunden werden und zwar in seiner physischen Form. Das heißt also, ich glaube nicht, dass Bücher als Gesamtkonzept irgendwie überholt sind. Sagt der Bibliothek K? Ich bin kein Bibliothek K, ich bin Sozialwissenschaftler, ich arbeite da nur. Ich glaube also, das Konzept Buch als solches wird uns noch lange begleiten.
Ich glaube aber, dass, wenn man sich die Geschichte der Menschheit anguckt, ist sie relativ eng damit verbunden, wie wir mit Text und Schrift und Kommunikation umgehen. Das heißt also, zuerst haben wir die Sprache erfunden, danach haben wir die Schrift erfunden, dann haben wir manche Dinge abschreiben lassen, dann kam irgendwann der Buchdruck mit den beweglichen Lettern hinzu,
dann gab es die Massenmedien, Tageszeitungen, Distributionen, jetzt ist irgendwann das Internet dazu gekommen. Und es war immer ein Prozess, wo immer mehr Menschen mit erreicht werden konnten, was immer höhere Vernetzung anging. Und ich glaube, die nächste, um das mal etwas pathetisch auszudrücken, Evolutionsstufe der Menschheit kann eigentlich nur erreicht werden, wenn wir das physische Buch abschaffen.
Also nicht unbedingt abschaffen, man kann es noch irgendwie als nostalgischen Gründen irgendwo liegen haben, aber für seine eigentlichen Funktionen, die es haben könnte, ist es funktional kaputt. Es gibt ein paar Dinge, die sehr gut funktionieren, beispielsweise der Exzess ist natürlich prima, ich kann auch so schnell drin blättern und Ähnliches, aber alles, was in Zukunft meiner Meinung nach wichtig sein könnte, kann ein analoges Buch nicht.
Was ist das? Das fängt an mit Anstreichungen oder Kommentaren, die ich darin mache. Wenn ich also ein Buch lese, beeindrucken mich vielleicht manche Themen mehr als das andere tun, ich mache vielleicht Anschreibungen dran. Das findet man nie wieder. Man stellt das Buch danach in das Bücherregal und weiß noch, ich habe irgendetwas angestrichen.
Wenn ich aber irgendwie ein Jahr später mich frage, welche Passagen zum Thema Liebe habe ich eigentlich in sämtlichen Romanen angestrichen, die ich jemals gelesen habe? Das funktioniert einfach nicht, geht nicht. In einer digitalen Welt ist das relativ problemlos möglich. Das heißt also, da habe ich jetzt, ob das nun auf dem Kindle ist oder auf dem iPad oder mit ReadMill,
die Möglichkeit eben entsprechende Passagen zu kommentieren, zu markieren und finde das Ganze wieder. Das heißt, ich habe also irgendwann eine komplette Lese- und Rezeptionshistorie, wie ich mit Text eigentlich in meinem ganzen Leben umgegangen bin. Wenn wir das Ganze jetzt aber noch vernetzen und auf der Zeitachse uns betrachten, wären doch beispielsweise solche Themen mal interessant. Wie haben eigentlich meine Eltern dieses Buch gelesen, das ich gerade lese?
Was hatten die eigentlich für einen Blick da drauf? Wie haben meine Eltern das gelesen, als sie unterschiedlich alt waren? Das heißt also, man liest ein Buch ja durchaus anders, wenn man es mehrmals liest, das hatten wir auch kurz in der Vorbereitung, ob ich 16 bin, 26 oder 56. Ich habe teilweise einen sehr unterschiedlichen Blick auf dieses Buch. So etwas lässt sich aber relativ einfach abbilden.
Alleine mit zwei einfachen Werkzeugen, nämlich Unterstreichung, was ist irgendwie wichtig, was beeindruckt mich und kommentieren. Und wenn ich das Ganze nicht nur auf meine Eltern ausdenne, sondern auf meinen Freundeskreis, ich möchte wissen, wie hat mein Prof dieses Buch eigentlich gelesen? Wie lesen alle Deutschen dieses Buch versus alle Amerikaner? Wie haben die Deutschen es vor 45 gelesen versus wie haben sie es heute gelesen?
Und das Ganze verbinde mit einigermaßen pfiffigen Big Data Visualisierungen. Das kann man sich also relativ einfach vorstellen. Ich habe also quasi pro Buchseite ein Pixel, da sind sie wieder. Die Kapitel definieren quasi die Spalten und dann die Seiten fallen dann also so runter. Es kommt dann quasi ein DNA-Strang dabei raus. Und immer wenn ich auf einer Seite etwas unterstrichen habe,
wird das Pixel also etwas heller eingefärbt. So und wenn ich das dann millionenfach von Millionen Lesern übereinander lege, erhalte ich sowas wie quasi eben die Buch-DNA. Was hat die Leute an diesem Buch interessiert? Und wenn ich das dann auf der Zeitachse mobil mache, kann ich dann also sehen, wie sich also über die Jahrzehnte die Rezeption eines Buches verändert hat.
Zu solchen Funktionen möchte ich gerne hin. Dafür brauche ich aber eben mindestens zwei Voraussetzungen oder drei Voraussetzungen. Die erste ist, ich brauche den ganzen Volltext. Das heißt also, wir müssen eben wächst hiervon. Wir müssen weg von den Scans. Wir müssen hin zu den entsprechenden wirklich rein digital vorliegenden Büchern. Das zweite ist, wir brauchen die Lesegeräte, die das Ganze vernünftig machen.
Die haben wir im Prinzip jetzt schon. Die sind mittlerweile, glaube ich, auch schon angekommen. Was wir nicht haben in dem Punkt, ist Plattformneutralität. Das heißt also, es kann nicht angehen, dass jetzt die Unterstreichungen zwischen Kindle und Apple Books und ReadMill beispielsweise nicht kompatibel sind. Hier wird also Menschheitsbewusstsein aktiv verhindert.
Das heißt also, wir brauchen eine Infrastruktur, die eigentlich genau das macht, aber auf eine vernetzte globale Art und Weise, die unabhängig ist von Partikularinteressen von einzelnen Firmen. Und der dritte Punkt ist natürlich, das Ganze muss halt frei sein. Das heißt also, die DRMs müssen weg, auch von aktueller Literatur. Man kann sich hier sehr schön anschauen, was mit iTunes passiert ist.
iTunes, die die Lieder verkauft haben, haben ja irgendwann vor, ich glaube, vier oder fünf Jahren, dann auch DRM einfach mal abgeschaltet. Meine These wäre, sie haben dadurch keinen einzigen Song weniger verkauft als vorher. Warum sollte das mit Büchern nicht auch funktionieren? Ich glaube, es gibt keinen großen Tauschbörsen- und Klau-Markt für E-Pubs und digitale Bücher.
Wenn Amazon heute das DRM auf seine E-Box abschaffen würde, ich glaube, sie würden nicht weniger verkaufen. So, und wenn man diese Bedingungen zusammenbringt, dann ist die Menschheit bereit, ihre nächste Evolutionsstufe zu erkleben. Und da sollten wir hin.
Matthias, was ist denn dein Ansatz? Mein Ansatz ist, möglichst viel von dem, was Ralf sagt, umzusetzen und gleichzeitig zu schauen,
dass wir die darauf folgende gesellschaftliche Debatte, in welchem Kontext wir lesen wollen und ob dieses Lesen öffentlich geschieht, mit allen seinen Implikationen so der Normalfall sein sollte oder es gewisse Kompromisse gibt,
dass Leseverhalten vorher noch irgendwie so regiert wird, dass es nicht mehr auf eine einzelne Person runterführbar ist oder dass uns das auch egal ist. Natürlich, und das ist das Versprechen von Open Data, Menschen sagen, okay, sobald die Daten verfügbar sind, werden wir Anwendungen haben, an die wir vorher nicht denken, die irgendwie gesellschaftlichen Mehrwert liefern.
Ein gesellschaftlicher Mehrwert, der sehr praktisch ist, ist zum Beispiel, kann ich in mein OkCupid-Profil meine Lesegewohnheiten so einbauen, dass ich auch vielleicht anderen Leuten sage, okay, unser Lesegeschmack ist irgendwie kompatibel, nicht identisch, sondern kompatibel. Oder wenn ich mal die Weltherrschaft oder die Herrschaft über eine bestimmte Region erreiche,
kann ich mir alle Leute ausgeben lassen, die bestimmte Literatur gelesen haben und die sie potenziell gefährlich machen für meine Ambitionen. Ich wollte praxisnah bleiben. Ich glaube, das sind sehr praxisnahe Szenarien. Das würde ich also überhaupt nicht als unrealistisch irgendwie titulieren wollen.
Genau so etwas wird passieren. Aber die Menschheit muss damit klarkommen. Also, das quasi irgendwie willentlich eine natürliche Entwicklung einzugrenzen nach dem Motto, naja, es wird irgendwo auch Böses damit geschehen, das ist, glaube ich, nicht der Weg. Im Moment ist, finde ich Lesen, ein extrem egoistischer Prozess. Ich bin nur mit mir selber beschäftigt.
Und Dück hat das heute in seinem Talk auch gebracht. Wir müssen mehr hin zur Innovierkultur. Und ich glaube, dieses kollaborative, soziale Lesen, wenn ich es denn will, hat insgesamt so viel mehr Chancen, als es Risiken hat. Man sollte das Experiment einfach mal wagen.
Es tröpfelt jetzt etwas. Wobei das ja dann wieder auch eine Rückbesündung ist auf die alte Kulturtechnik Lesen. Bevor wir alleine gelesen haben, haben wir in Gruppen laut vorgelesen. Das ist ja etwas, was wir sozusagen viel früher schon gemacht haben. Aber was bringt mir diese ganze Metadatenschlacht mit Big Data,
wenn ich mich einfach nur in der Geschichte verlieren will? Und jetzt ganz banal gesagt Harry Potter lesen. Ja, schauen wir uns doch mal Harry Potter Teil 6 an. Das ist insofern wirklich ein ganz schönes Beispiel. Weil da ist es ja so, dass der Harry ja ein altes Schulbuch bekommt. Und er ist ja eigentlich nicht so der Fitte im Zaubertränke zusammenbraun.
Er hat dann da aber irgendwo die ganzen Kommentare von einem vorherigen Schüler drin, der eben sagt, wie diese Zaubertränke eigentlich optimaler und besser zu brauen sind. Und wird dann also das Top aus seiner Klasse dadurch. Also von daher gerade Schulbücher. Wir können ja gleich auch mal in die etwas offenere Debatte einsteigen. Gerade Schulbücher finde ich, wenn sie verliehen worden sind von einer Schülergeneration zur nächsten.
Ich fand das immer sehr faszinierend zu gucken, wie also quasi Leser vor mir damit umgegangen sind. Und dieses klinische, hier ist das neue Buch, wo noch kein anderer Geist irgendwie drüber gegangen ist. Vor allem dem gegenüber dann immer eher so ein bisschen ermüdend. Wollen wir an dieser Stelle das vielleicht auch mal zu euch öffnen?
Wie ist das für euch? Wo seht ihr die Zukunft des Lesens? Wie lest ihr heute schon? Wie würdet ihr sagen, möchtet ihr in Zukunft lesen? Wir haben jetzt mein Mikrofon, glaube ich. Das gebe ich einfach mal rum. Ah, da ist sogar jemand zum Rumgeben. Super.
Ja, hallo Martin. Alles, ich stimme allen, was du sagst, reif zu. Das ist extrem sinnvoll. Du hast aber eine Sache vergessen.
Die Sache hast du am Anfang erwähnt. Und zwar ist das Access. Wenn du vom gedruckten analogen Buch weggehst, hin zu Kindle, iPad, whatever. Den Browser, wo ich das Buch digital lesen kann. Dann entkoppelst du den Access vom Inhalt. Musst dafür sorgen, dass es aber trotzdem zugänglich sein wird. Das Verleihen von Büchern von einer Schulgeneration zur anderen Schulgeneration ist sinnvoll und sozial verträglich.
Das passiert aber mit einem iPad nicht. Und du verlierst, wenn du dich darauf konzentrierst, digitale Formate zugänglich zu machen. Ohne dich darauf zu konzentrieren, wie du sie tatsächlich, also wie du sie auch Menschen, die sich möglicherweise ein Kindle, ein iPad nicht leisten können, zugänglich machst.
Verlierst du die ganze Bevölkerungsschicht. Und darüber müssen wir uns gesellschaftlich auch Gedanken machen. Das ist grundsätzlich ein Problem, wenn wir über digitale Revolution reden, dass es auch ein soziales Problem, einen sozialen Gap gibt, den wir oftmals vergessen. Das wollte ich nur mit einwerfen. Man kann nicht davon ausgehen, dass alles besser wird, weil wir dann alle Kindle benutzen,
weil wir nicht alle Kindle benutzen können werden, wenn das nicht irgendjemand finanziert oder wir alle Arbeit haben. Da hätte ich jetzt zwei Wiederargumente zu. Das erste ist, guckt man sich die Kindle-Preise mal an.
Dann ist, glaube ich, jetzt die Grundausstattung. Das günstigste liegt jetzt irgendwie bei 80 oder 90 Euro. Das ist schon nicht mehr so rasend viel. Man kann das natürlich jetzt interpolieren. Okay, was wird es in fünf oder zehn Jahren kosten? Der zweite Punkt ist ja, wir haben auch subventionierte Schulbücher. Warum gibt es dann nicht subventioniert ein Kindle oder ein anderes Device?
Ich bin mit dem Kindle extremst unglücklich, was z.B. Typografie angeht und ähnliches. Es ist schrecklich zu lesen eigentlich darauf. Aber, ja, dann sind wir ja aber doch on the same page. Also jeder bekommt ein vernünftiges Lesegerät, mit dem diese Art von sozialem Lesen möglich ist. Da sind wir völlig beieinander.
Ein plattformneutrales, danke, genau. Ja, hier vorne. Ich möchte dem Skeptizismus ein bisschen eine Stimme geben, auch wenn ich persönlich die Digitalisierung auch vorangetrieben sehen möchte. Aber einen Punkt, der hat mich dann doch etwas erschrocken,
nämlich die Abschaffung des Buches quasi zu propagieren. Dann möchte ich doch nochmal auf die Kürze der digitalen Entwicklung eingehen, dass das gerade mal die letzten 50 Jahre betrifft, dass Bücher bzw. Papier schon viel länger existieren und dass sie auch als Wissensträger oder als Informationsträger sehr gut funktioniert haben.
Dass man diese Funktion nicht ganz vergessen darf. Also wenn ich bedenke, dass manche Dateien auf meinem Computer, die ich vor fünf Jahren erstellt habe, schon jetzt nicht mehr öffnen kann. Das ist vielleicht eine Frage des Formats. Gut, aber wir wissen auch nicht, wie es weiter sich entwickeln wird. Und dass es auch der physische Speicher, Festplatten gehen kaputt.
Kurzes Stichwort. Also das erfordert auch eine ständige Weiterbearbeitung der digitalen Daten. Es reicht nicht, jetzt einmal zu digitalisieren und wir denken, für alle Zukunft ist das jetzt gesichert, sondern immer weiter müssen wir daran arbeiten, diese Daten verfügbar etc. zu halten.
Völlig richtig. Digitale Langzeitarchivierung ist ein großes Thema, was aber auch, da kann ich für den Bereich der Bibliotheken sprechen, seit vielen, vielen Jahren auch schon sehr intensiv angegangen wird. Also kann man sich beispielsweise mal Nest Tower anschauen. Das ist quasi ein Zusammenschluss diversester Einrichtungen innerhalb von Deutschland,
die nichts anderes machen, als sich mit dem System der digitalen Langzeitarchivierung zu beschäftigen, wo es sehr schnell sehr kompliziert wird. Von daher, da könnten wir ein eigenes Panel drüber machen. Aber beispielsweise ist es so, dass ich noch nichtmals den Bitstream vernünftig präservieren kann. Also dass die Nullen und Einsen wirklich in exakt der richtigen Reihenfolge sind.
Schon das ist höllen schwierig. Geschweige denn, dass ich dann auf diese zweite Ebene komme, was die Datenformate angeht. Also wenn man sich mal anguckt, wie viele JPEG-Iterationen gibt es. Oder das PDF-Format beispielsweise ist auch schön oder Word halt sowieso, die dann zueinander inkompatibel sind. Ich glaube aber, wir haben mittlerweile, was genau dieses Thema angeht, so viel Aufmerksamkeit und so viel Selbstreflektion,
dass das ein technisch doch relativ gut lösbares Problem ist, gegenüber den vielen anderen Problemen. Also nein, wir dürfen es nicht vergessen, aber es ist eigentlich schon zumindest in der Szene, in der ich unterwegs bin, im Bewusstsein voll da. Es gibt bei der Langzeitarchivierung inzwischen schon genug konkrete Beispiele,
wo es hemmungslos schiefgeht. Und das sind so die Varianten, wo es um Mischformen von CD-ROM und Online-Geschichten geht. Der Pock-House-Multimedial auf CD-ROM ist als physisches Objekt natürlich der Pflichtablieferung der Nationalpolitik unterworfen. Das heißt, die haben die CD dort bei sich.
Und wenn sie Glück haben, hält die auch noch 10 bis 15 Jahre, bis dann irgendwann der Fraß anfängt. Und vielleicht machen sie bis dahin auch entsprechende Kopien. Was sie nicht haben, sind die eingegangenen Online-Updates für den Aktualisierungszeitraum der nächsten 12 Monate, die ihrerseits auch wieder verschrieben wurden.
Wir haben unglaublich große Lücken. Wir können zum Beispiel nicht mehr rekonstruieren, wie sahen die Webseiten von Spiegel Online am 11. September aus. Wir wissen es in Bruchstücken. Nicht, weil es ein deutsches Instrument gab, sondern es gab eben Brewster Kalen und das Webarchive, die es einfach gemacht haben.
Vermutlich wären die in Deutschland... The Wayback Machine. Da gibt es tolle URL. Aufrufen, die es nicht kennen. The Wayback Machine ist der Suchbegriff. Und da kann ich quasi in der Zeit zurückreisen. Wir haben Homepages zum Zeitpunkt X ausgesehen. Web.archive.org. Großartiges Projekt. Wenn ihr noch ein bisschen Geld übrig habt und das nicht Wikimedia spenden wollt, spendet es dem Webarchive.
Bitte, nein ernsthaft. Spendet den Leuten, denn die machen das freiwillig. Sie machen das anstelle von den Plänen, die es eigentlich machen müssten. Zum Beispiel der DNB oder anderen Unternehmen oder Entitäten.
Ja, hallo, ich bin der Moritz. Ich habe noch einen wichtigen Input. Ich unterstütze eigentlich das meiste, was ihr gesagt habt, aber das kulturelle Gut des gedruckten Buches. Ich weiß nicht, wie viele von euch E-Pops sammeln. Ich sammle Bücher und seit ich E-Pops entdecken kann, kaufe ich mir immer mehr physikalische Bücher.
Und dieses Grundbedürfnis, etwas zu sammeln, das teilen ja viele von uns. Und das geht einfach digital nicht so schön. Das ist etwas Wichtiges, finde ich noch. Kurze Frage an dich. Sammelst du sie oder liest du sie auch? Nein, ernsthaft. Ich finde mich oft in der absurden Situation,
dass ich ein Buch digital anfange, analog weiterlese und dann digital wieder beende. Ich lese gerade mein Buch fertig auf dem iPad, dass ich aber analog angefangen habe zu lesen. Das kommt ganz auf meine Situation davon. Und ich denke, das ist auch etwas, was ihr ausgeklammert habt.
Mittelfristig wird die hybride Form die Gewinnende sein. Ich brauche für die Entspannung das Buch in Printform und ich brauche es für die Arbeit in digitaler Form. Und der Witz daran liegt, eine perfekte Verbindung zu machen. Es kann gut sein, dass du die Zielgruppe für elektronische Tinte
oder ähnliches bist, die tatsächlich das ganze, auch dieses haptische, was man in allen Diskussionen führt, noch mitretten kann in dem digitalen Kontext. Genauso wie es genug Menschen gibt, die die Bücher bei sich besitzen, nicht um sie als Instrumente einzusetzen,
nicht um daraus gezielt Informationen zu extrahieren, sondern tatsächlich ein sinnliches Element damit haben. Das Romantische soll etwas als Visualisierung von einer abschmitten Geisteshaltung. Das gibt zum einen die Bibliophilen, die Regale in mühsamer Kleinarbeit langsam befüllen durch das sorgsame Ankaufen von den Werken,
die ihnen was bedeuten. Und dann gibt es eben diese Kunden wie solche Kanzleien, die die Bücher in Ledereinband im Regalmeter kaufen. Ich meine, es gibt immer noch Anbieter tatsächlich von diesen gebundenen, ledergebundenen Büchern ohne Inhalt, weil das, was da drin steht, keinerlei Funktion hat
für eine Kanzlei, die einfach nur ein Regalband optisch schön gestalten möchte. Wenn Bokhaus seine Telefonbücher ledereingebunden veröffentlicht hätte, sie hätten einen Grundstock von 200, 300 Kunden gehabt, die auch das gekauft hätten. Und ernsthaft jetzt,
ich meine, dass Bokhaus mal irgendwann auch die Zahl veröffentlicht hat, dass sie die Käufer ihrer 3000-Euro-Encyclopädie nach einem Jahr nach einem Kauf befragt haben, wie das konkrete Nutzungsverhalten war und etwa 50 Prozent dieses Buch in den letzten 200 nicht mehr angefasst hatten. Das heißt nicht, dass es bei 50 Prozent irgendwie Fehlern Platz war,
sondern einfach nur 50 Prozent nutzten dieses Buch auf andere Weisen als es zu lesen. Und das ist okay. Also ich kann eben durchaus etwas abgewinnen, wenn man dann sagt, dass ein E-Pub nicht so viel hermacht wie ein physisches Buch.
Ja, weil wenn ich Bücher oder Literatur als Distinktionsmerkmal begreife, um mich irgendwie vom unbesenem Pöbel abzugrenzen und darum meine Willi-Regale also dann voll schaufel, ohne aber auch nur ein Drittel gelesen oder einen Zehntel verstanden zu haben, sind mir dann diejenigen, die dann das Ganze irgendwie digital machen, vielleicht dann lieber. Aber das nur als etwas polemischer Einwand.
So, es gibt aber noch Meldungen, zumindest da hinten in der Mitte. Ihr habt relativ viel über Altdaten-Digitalisierung berichtet. Das ist ja Gott sei Dank ein Übergangsphänomen, weil irgendwann so für die 70er-, 80er-, 90er-Jahre mal die Zeit losgeht, wo die Verlage selber sehr viele digitale Datenbestände haben
und im Moment ja auch sehr viel Anstrengung unternehmen, um auch Retro zu digitalisieren. Wie seht ihr das aus Bibliothekssicht? Ist es eher die paradiesische Vorstellung, wenn man dann irgendwann diese Bestände auch nutzen kann, weil es es dann sowieso vorliegend gibt? Oder glaubt ihr, dass eventuell Tendenzen beginnen werden,
dass Verlageinvestitionen stärker schützen wollen oder müssen und man die Daten einfach auch nicht mehr ohne Weiteres benutzen kann? Wie seht ihr das, wenn so die echten genuinen digitalen Bestände losgehen? Wenn ich jetzt zynisch wäre, würde ich sagen, naja, das ist dann ja die Zeit, über die wir da reden, in der es auch keine Verlage mehr gibt.
Aber auch da vielleicht eine kleine Anekdote. Wir haben mal mit Springer, also nicht Axel Springer Verlag, sondern der Wissenschaftspringer Verlag ein Kooperationsprojekt gehabt, wo es darum ging, dass wir mathematische Zeitschriften, war das zu dem Zeitpunkt, bei uns online stellen. Und die haben uns dann PDFs geschickt
und die sahen auch wirklich gut und solide aus, aber da fragt man natürlich doch mal nach, das ist doch Mathematikliteratur, die habt ihr doch bestimmt im Tech-Original bekommen von den Wissenschaftlern, bevor ihr die dann durch PDF georgelt habt. Und da meinten die dann, ja klar, die haben wir als Tech bekommen. Ja, die hätten wir gerne, weil damit kann man noch ganz andere schöne Sachen machen. Ja, die haben wir alle weggeworfen.
So, und genau so was passiert da draußen. Das heißt also, wenn wir jetzt gerade so über die 70er, 80er, 90er Jahre reden, so ganz paradiesisch ist das noch nicht, was da auf uns zu rollt, aber auf der anderen Seite bin ich dann auch immer optimist genug zu sagen, da werden wir uns dann auch schon die nötigen Werkzeuge und Mittel für holen. Also wenn man sich wirklich mal anguckt, beispielsweise die OCR in einem extrem komplizierten Bereich wie Frakturschriften,
wo ich also eigentlich als Mensch schon kaum eine Chance habe, eine S von einem F zu unterscheiden, wenn es kleingeschrieben ist. Und mit der neuesten Engine von einem Anbieter, den wir getestet haben, kommt man selbst da schon auf über 99 Prozent Erkennungsrate. Also die Technologie wird da uns unterstützen auf jeden Fall dabei.
Wurde uns signalisiert? Eine letzte Frage gibt es noch, wurde uns. Ja, passt jetzt zwar nicht mehr ganz dazu, aber in manchen Bundesländern ist es durchaus üblich, dass die Schüler da von der Schule die Bücher gestellt bekommen und nach dem Schuljahr halt wieder zurückgeben müssen. Und ich denke, da müssen wir auf jeden Fall auch hin,
dass sie dann halt zum Beginn von ihrer Schulzeit ein E-Book-Reader, schön plattform neutral bekommen, dass überall WLAN Zugang ist und so weiter und dass sich das dann unterladen können und wenn die Schüler Bücher, wenn sie es brauchen. Und da haben sie dann plötzlich auch die Möglichkeit, dass sie dann auch ihre Notizen machen können, weil das haben sie mit den bisherigen Lösungen da eben nicht.
Es steht unter Strafe, da irgendwas in das Buch zu schreiben. Das ist die perfekte Überleitung für die Empfehlung für sämtliche Sessions, die das Thema OER zum Gegenstand haben. Denn es geht weniger um den Wandel des Distributionsmediums, als um die Frage, wenn wir Sessions digital haben
und wenn wir schon die Verbreitung von Inhalten zu nahezu Nullpreis hinbekommen, können wir nicht auch gewisse andere Aspekte dieses Schulbuchmarktes verändern, hin zum Beispiel zu einem Lizenzmodell, das die freiere Nachnutzung, die bearbeitende und die remixende Nachnutzung erlaubt. Ich glaube, dann landen wir jetzt schnell bei auch einem sehr spannenden Weg,
Menschen sehr früh in ihrer Sozialisation beizubringen, dass sie neben der rezipierenden passiven Haltung noch ganz andere Möglichkeiten haben, mit Inhalten umzugehen und dann am Ende selbst welche beizusteuern. Aber wie gesagt, wenn wir die OER-Debatte,
wenn wir die Digitalisierungsdebatte nutzen können, um die Menschheit auf die nächste Evolutionsstufe zu heben, und das, ich glaube, kein geringeres Ziel kann man durchaus mal formulieren, dann sollten wir lieber heute als morgen anfangen. Und vielleicht gibt es ja auch ein Bundesland oder ein Stadtstaat oder ähnliches,
der bereit ist mal zu starten, der halt auch sexy sein möchte. Dann würde ich sagen, vielen Dank an dieser Stelle für euch, dass ihr so geduldig zugehört habt. Und ja, wenn ihr das nächste Mal ein Buch lest oder ein E-Book oder euer iPad aufschlagt oder so,
denkt drüber nach, wie ihr in 10, 20, 50 Jahren lesen wollt. Vielen Dank.