Betriebssystem Buch
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Formal Metadata
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Title of Series | ||
Number of Parts | 126 | |
Author | ||
License | CC Attribution - ShareAlike 3.0 Germany: You are free to use, adapt and copy, distribute and transmit the work or content in adapted or unchanged form for any legal purpose as long as the work is attributed to the author in the manner specified by the author or licensor and the work or content is shared also in adapted form only under the conditions of this | |
Identifiers | 10.5446/33419 (DOI) | |
Publisher | ||
Release Date | ||
Language |
Content Metadata
Subject Area | ||
Genre | ||
Abstract |
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00:00
MicrosoftOperating systemLattice (order)Mach's principleComputer animationLecture/ConferenceMeeting/Interview
01:08
File formatOperating systemComputer animationLecture/ConferenceMeeting/Interview
01:55
Block (periodic table)TwitterMilitary operationBlogSource codeComputer animationLecture/ConferenceMeeting/Interview
03:05
Operating systemComputer networkInternetSource codeComputer animationLecture/ConferenceMeeting/Interview
03:55
Operating systemComputer networkTwitterDigitizingForm (programming)Computer animationDrawingMeeting/InterviewLecture/Conference
05:26
TwitterEckePrint <4->Computer animationMeeting/Interview
06:50
Operating systemVirtual realityFunction (mathematics)Virtual realityOperating systemOperating systemLecture/ConferenceComputer animationMeeting/Interview
07:54
Logic gateTotal S.A.Virtual realityMeeting/Interview
08:52
Operating systemInsertion lossMobile appSimilarity (geometry)Lecture/ConferenceComputer animation
09:58
TwitterOperating systemZusammenhang <Mathematik>Meeting/InterviewComputer animationLecture/Conference
11:04
Operating systemOperating systemComputer animationLecture/ConferenceMeeting/Interview
12:17
Operating systemMeeting/InterviewComputer animationLecture/Conference
13:21
Operating systemPrint <4->Lecture/ConferenceMeeting/InterviewComputer animation
14:13
Operating systemOperating systemForceTwitteriBookE-bookMeeting/InterviewComputer animation
15:09
Operating systemComputer hardwareOperating systemComputer hardwareComputer animationMeeting/Interview
17:02
Operating systemComputer programmingComputer animationMeeting/Interview
17:50
Operating systemMenu (computing)Computer animation
18:44
LADY <Programmiersprache>Meeting/InterviewComputer animation
19:31
Meeting/Interview
20:59
Computer programmingOperating systemOperating systemComputer animationMeeting/Interview
22:05
TwitterSet (mathematics)Series (mathematics)Computer animationMeeting/Interview
23:01
TwitterComputer animationMeeting/Interview
23:55
Operating systemOperating systemiBookComputer animationLecture/ConferenceMeeting/Interview
24:59
Operating systemOperating systemPhysical quantityKonstruktion <Mathematik>Source codeComputer animationLecture/ConferenceMeeting/Interview
26:32
TwitterFacebookOperating systemiBookPixelHerleitungLecture/ConferenceMeeting/Interview
27:22
Moment (mathematics)Parameter (computer programming)DataflowComputer animationLecture/ConferenceMeeting/Interview
28:17
Operating systemCelestial sphereOperating systemDiscrepancy theoryMoment (mathematics)Digital signalComputer animationMeeting/Interview
29:28
Content (media)Run-time systemGraphics tabletSmartphoneDigital mediaWirkung <Physik>Computer animationLecture/ConferenceMeeting/Interview
30:33
Operating systemComputer animationLecture/ConferenceMeeting/Interview
31:27
Operating systemOperating systemE-bookComputer animationMeeting/InterviewLecture/Conference
32:31
Meeting/Interview
33:20
Operating systemMISSRoute of administrationSource codeComputer animationMeeting/Interview
34:06
FacebookFarmvilleSource codeComputer animation
35:02
Operating systemMoment (mathematics)LoginStudent's t-testLecture/ConferenceMeeting/InterviewComputer animation
36:15
Computer networkLoginInternetDisk read-and-write headMeeting/Interview
37:04
Operating systemKommunikationLecture/Conference
38:18
Operating systemInformationContent (media)Computer animationMeeting/Interview
39:27
Lecture/Conference
40:21
Operating systemDigital signalMeeting/InterviewLecture/Conference
42:17
Operating systemLecture/ConferenceMeeting/Interview
43:16
Operating systemOperating systemLecture/ConferenceComputer animation
44:10
Ablenkung <Physik>SmartphoneGraphics tabletLecture/ConferenceMeeting/Interview
45:00
Direction (geometry)Lecture/ConferenceMeeting/Interview
45:51
DataflowTwitterMeeting/InterviewLecture/Conference
46:42
Moment (mathematics)Similarity (geometry)Lecture/ConferenceMeeting/Interview
47:31
Sanitary sewerMeeting/Interview
48:35
KommunikationOperating systemDecision theoryDigital signalSmartphoneOperating systemLecture/ConferenceMeeting/Interview
50:04
Plane (geometry)CalculationWorld of WarcraftSocial classDirection (geometry)ForceKonzentration <Wahrscheinlichkeitsverteilung>DataflowPROBE <Programm>Lecture/ConferenceMeeting/Interview
51:34
Computer wormInternetTwitterLecture/Conference
52:24
NoiseMoment (mathematics)Carry (arithmetic)Meeting/InterviewLecture/Conference
53:17
Operating systemPlane (geometry)InternetSound <Multimedia>Lecture/ConferenceMeeting/Interview
54:27
FacebookLecture/ConferenceMeeting/Interview
55:32
Operating systemOperating systemComputing platformKritischer Punkt <Mathematik>Algebraic closureTwitterCarry (arithmetic)SequenceMeeting/InterviewLecture/Conference
56:49
Port scannerWordSet (mathematics)Statement (computer science)Computer networkiBookComputer animationLecture/Conference
57:48
InternetDigital signalMeeting/Interview
58:37
Operating systemAlgebraic closureWINDOWS <Programm>Computer animationLecture/ConferenceMeeting/Interview
59:36
MicrosoftComputer animation
Transcript: German(auto-generated)
00:22
Hallo! Neben dieser wahnsinnig ungewohnten Akustik, die durch das Nicht-Verstärken zustande kommt, haben wir, weil das für uns schwieriger ist, gleichzeitig auch ein Vortragsformat gewählt, was für euch schwieriger ist. Ihr werdet es gleich noch erleben, hoffentlich.
00:44
Vorher möchten wir uns noch mal ein bisschen ausführlicher und mit der richtigen Bezeichnung vom Börsenverein vorstellen. Machst du vielleicht, Doro? Mein Name ist Doro T. Werner vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Der Börsenverein ist der Verband der Verleger und Buchhändler in Deutschland.
01:00
Und für diejenigen, die damit vielleicht nicht so viel anfangen können, zu uns gehört zum Beispiel die Frankfurter Buchmesse, wir verleihen den Friedenspreis oder den Deutschen Buchpreis, das ein bisschen zu definieren, was wir machen. Ich bin beim Börsenverein zuständig unter anderem für die Weiterentwicklung von Themen und Formaten.
01:21
Und deshalb bin ich auch heute hier mit Sascha auf der Bühne. Wir haben uns gedacht, wenn man uns schon zumutet, unter diesen merkwürdigen technischen Bedingungen zu euch sprechen zu müssen, dann möchten wir, wie eingangs schon erwähnt, die Zumutung auch an euch weiterleiten. Und wir haben gleichzeitig versucht, ein bisschen aufzubohren, was wir überhaupt machen möchten.
01:43
Nicht nur so eine Art Frontalunterricht, was wir jetzt für das Betriebssystem Buch halten oder nicht halten oder was das überhaupt ist, sondern wir möchten eine öffentliche Untersuchung in vier Teilen gemeinsam mit euch machen. Die werden zwar wir schon führen, diese öffentliche Untersuchung, aber ihr könnt euch beteiligen.
02:04
Diese vier Teile sind wie folgt aufgebaut. Die ersten drei sind relativ gut strukturiert. Wir werden da mit verschiedenen Folien jeweils etwas zu euch sagen. Innerhalb dieser Zeit könnt ihr euch beteiligen.
02:21
Diese Beteiligung ist entweder über Twitter möglich mit dem Hashtag OS-Book für Operations System Buch. Das habt ihr euch wahrscheinlich schon gedacht. Oder mit der von uns ersonnenen Kulturtechnologie des Live-Hashtags. Wir haben uns gedacht, wenn es schon mal ruhig ist, wenn 478 Leute in einem Raum sind,
02:42
dann können wir den Live-Hashtag so verwenden, dass ihr, um euch zu einem bestimmten Blog zu beteiligen, zum Beispiel zu dem Blog Was ist das Buch? Einfach Stichworte in den Raum ruft. Und da geht es so ein bisschen der Lautstärke-Dawinismus. Ich will sagen, meine Aufgabe ist es eher, die Online-Hashtags auf Twitter rauszufiltern
03:05
und das Gespräch dann live damit einzufüttern. Und Dorotys Aufgabe ist es eher, eure Live-Hashtags, die ihr in den Raum ruft, zu versuchen, zu verarbeiten. Ihr merkt, das Ganze hat so einen gewissen Experimentalkarakter.
03:23
Wir wollen das auch deshalb experimental machen, weil wir glauben, dass das Betriebssystem Buch ebenfalls gerade ziemlich dekonstruiert wird, neu aufgesetzt wird, sich weiterentwickelt. Und wir hatten deswegen das Gefühl, und das ist im vierten Teil der Fall, wir hatten deswegen das Gefühl, dass man eigentlich das Betriebssystem Buch,
03:42
was macht das Internet, was macht das Netz mit dem Betriebssystem Buch, die digitale Vernetzung, so steht das auf der Folie, dass man das versuchen muss, gemeinsam weiterzuentwickeln. Die ersten drei Teile sind ungefähr die ersten 30 Minuten und im vierten Teil, wenn alles gut läuft und meine Eingangsrede nicht sowieso schon eine halbe Stunde dauert,
04:01
wird ebenfalls eine halbe Stunde dauern. Nachdem ihr jetzt zu einem guten Drittel verstanden habt, was wir ungefähr wollen, machen wir es dann etwas einfacher, denn vor jedem Teil kommt so eine Folie, Call to Action, die euch nicht nur nochmal die Überschrift sagt, wozu sollt ihr jetzt Stichworte, kurze Kommentare twittern,
04:22
und wozu sollt ihr jetzt Stichworte in den Raum rufen, sondern die auch nochmal so ein bisschen ordnen, was da passiert. Springen wir einfach direkt in den ersten Teil. Was ist das Buch überhaupt? Ja, da wollen wir nochmal mit euch gemeinsam, wir wollen vorher ein paar Überlegungen zusammenstellen.
04:42
Was hat sich mit der Erfindung des Buchdrucks eigentlich verändert? Was war eigentlich vor dem Buch? Gab es schon etwas buchhaftes, buchiges vor dem Buch? Und wozu hat sich das Buch durch die Digitalisierung entwickelt? Und gibt es die Idee Buch unabhängig von der Form? Und welche Rolle spielt eigentlich die Autorschaft?
05:02
Sie wollen also so eine eine Art Definition nochmal versuchen, um zu starten. Ich habe gerade festgestellt, dass tatsächlich das auch in Netzweise funktioniert und die ersten Tweets mit OS Book durchkommen. Also, dass sie geschehen, war uns klar, aber dass sie durchkommen,
05:21
ist für mich auch ein bisschen eine positive Überraschung. Nachdem Technik, Republika und ich ein kompliziertes Dreiecksgeschichte sind über die Jahre. Sollen wir jetzt nochmal vorher fragen, am Anfang? Call to Action? Diesen Call to Action zum Thema, was ist das Buch, kann man jetzt also in den nächsten 10 Minuten sowohl live, was ihr bis jetzt noch gar nicht getan habt, was aber an euch liegt und nicht an uns,
05:43
wie auch auf Twitter versuchen zu verarbeiten. Es wäre ganz schön, wenn ihr dieses neue junge und mutige Konzept nicht gleich daran sterben lässt, dass ihr Kopfhörer aufhabt und nicht mitmacht. So, ja, also, gibt es schon, gibt es irgendwelche ersten, bevor wir überhaupt gestartet haben,
06:04
gibt es irgendwelche live Hashtags zum Thema, was ist ein Buch? Sonst würde ich mal anfangen und dann können wir zwischendurch das immer einfließen lassen. Ja. Hätte ich nicht gedacht, dass du da Ja sagst, aber...
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Ja, aber. Ja, aber Sascha, was wolltest du sagen? Ich hätte jetzt gesagt, dass es dafür, dass ungefähr 2% des Umsatzes vom Buch noch digital gemacht werden, ist tot. Bei 98% Umsatz, jetzt in Deutschland speziell, ein sehr mutiger Begriff.
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Aber wir sind ja gerade dabei, zu versuchen, diese Transition herauszukitzeln. Und da können wir von dem Punkt kommen, nicht Print ist tot, sondern was war denn, als Print noch gar nicht geboren war. Wir haben hier nämlich die Folie aufgezeigt, das, was vor dem Buch stattgefunden hat. Also so basale Funktionen vor dem Buch. Das Buch ist ja nicht entstanden einfach aus dem Nichts, sondern das wollte etwas Besonderes.
07:06
Und wir haben daraus definiert die Erinnerungsfunktion, die Dokumentation und die Festschreibung. Und wir haben uns auch versucht, diesem Thema virtuelle Realität zu nähern. Das ist die Erzählung, das ist die Funktion des Buchs und des Betriebssystems Buchs, eigentlich der Transport einer virtuellen Realität bedeutet.
07:23
Es ist eine Transporttechnologie. Das Bild hier übrigens ist eine Handschrift von Cicero, die eine spezielle Szene beschreibt. Nämlich eigentlich die Erfindung der virtuellen Realität, wenn man das noch ganz bisschen aufbohrt.
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Es ist eine Szene um den Dichter Simonides, der als Erfinder der Mnemotechnik gilt im alten Griechenland. Der hat an einem Festmahl teilgenommen mit vielen anderen Leuten in einem Tempel. Und kurz bevor er, ich muss anders anfangen, die erste Hälfte des Festmahls,
08:06
wo Simonides ein Gedicht vorgetragen hat, verlief ganz normal. Und die zweite Hälfte, da wurde er kurz rausgebeten von zwei Männern, die sich später als Götter herausgestellt haben. Während er draußen war, stürzte der Tempel ein.
08:23
Und weil er alle Leute, die da drin waren, zerquetscht hatte, hat sich Simonides angefangen daran zu erinnern. Und dazu hat er die Mnemotechnik benutzt, indem er Bilder in seinem Kopf konstruiert hat von diesem Festmahl. Und so den Überlebenden von diesen Verwandten oder den Verwandten von den Toten genau erklären konnte, wo die einzelnen Leute saßen.
08:46
Er hat also eine Art Leichenidentifikation per virtueller Realität, Mnemotechnik versucht so anzuwenden. Wenn wir also von diesen basalen Buchfunktionen auskommen, so Erinnerungsfunktion, Dokumentation und Festschreibung, dann ist die nächste Frage auch, wir befinden uns immer noch vor dem Buch, was will das Buch überhaupt?
09:05
Genau, da haben wir uns ein Bild rausgesucht, was eine Weltkarte ist, die aus 30 Pergamentblättern sozusagen zusammengesetzt war. Das ist die sogenannte Eppsdorfer Weltkarte, die aber in einer buchähnlichen Art versucht zu dokumentieren, wie man sich die Welt damals vorgestellt hat.
09:22
Und zwar nicht nur, wie man sie sich vielleicht geografisch oder topographisch vorgestellt hat, sondern auf den einzelnen Blättern werden dann auch immer in den einzelnen Regionen Geschichten erzählt. Und es wird so eine Art Weltentwurf dadurch festgehalten. Und wir sagen eben, dass das auch eine Intention des Buches, ganz abgelöst von der jeweiligen Materie ist,
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so etwas wie ein Weltentwurf zu sein, zu dokumentieren, was war. Das haben wir hier gesagt, sich mit der Vergangenheit zu befassen, erklären, was ist, was ich gerade mit diesem jeweiligen verbinde, also es zu kontextualisieren. Und das letzte ist eben in die Zukunft gerichtet, auch eine Art Wegweiser zu sein.
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Und deswegen haben wir halt gerade diese Weltkarte genommen, weil sie auch eine Form von Orientierung bedeutet. Hier kommt gerade ein Hashtag über Twitter rein, das jemand, das Luhmann zitiert, das Zeitalter des Mythos benutzt hat, um zu sagen, was war vor dem Buch. Das war es ziemlich auf die Erzählung hin, die wir eben hatten.
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Die Erzählung, dass tatsächlich das Betriebssystem Buch eine Methode war, um diese Erzählung, den Mythos, den man weiter transportiert hat, in ein Ding zu gießen. Also wir haben halt auch irgendwie gesagt, vielleicht kann man das schon mal an dieser Stelle sagen, das kann man im Zusammenhang mit Weltentwurf sagen, mit Dokumentation und all diesen Dingen,
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dass es halt auch ein Instrument ist, sich Welt anzueignen. Richtig. Wir haben uns natürlich zu jedem Bereich nur ein paar Stichworte herausgesucht. Wenn man also, was ist das Buch, weiterdenkt, haben wir auch noch die Autorenebene für relevant gehalten, beim Betriebssystem Buch und haben da verwiesen auf, wer macht das Buch.
11:06
Herausgesucht haben wir uns einen, da passt jetzt wieder Lühmann von eben ganz gut, einen Mythos, der überhaupt entstanden ist in der Sturm- und Drangzeit, nämlich das Originalgenie, der Schriftsteller, den wir heute kennen, und der zum Beispiel was Debattenbücher angeht, mit diesem Betriebssystem Buch ganze Debatten anzetteln kann.
11:27
Dieser Schriftsteller, der sich zurückzieht und die Weltidee ausbrütet und dann der Menschheit beiträgt, das ist überhaupt erst im Sturm und Drang richtig entstanden. Das Originalgenie war so ein Leitbild des schöpferischen Menschen.
11:42
Dieser Begriff selbst ist zuallererst in einem Essay von Ron Woods erschienen, 1769, und zwar war es auf Homer bezogen, spannenderweise. Und seitdem haben wir überhaupt diesen Schriftsteller, der mit seinem Buch in die Gesellschaft hineinwirkt.
12:00
Und wenn man sich häufig fragt, warum heute ein Schriftsteller gebeten wird, einen großen Essay in einer Zeitung oder ein Magazin zu schreiben, um seine Sicht der Dinge auf die Ukraine-Krise zu ketteln, oder warum jemand anfängt, sich in der Öffentlichkeit dazu zu äußern,
12:20
wie jetzt mit einem Gedicht über Israel umgegangen wird, dann liegt das vor allem daran, dass man im Sturm und Drang dieses Originalgenie versucht hat zu manifestieren. Das ist also eine vergleichsweise junge Entwicklung, dass mit diesem System Buch als Absender jemand in die Gesellschaft tritt.
12:42
Hinter ihm steht sozusagen die Aura, ich habe schon mal ein Buch geschrieben, also kann ich mich im Prinzip zu allem äußern. Ich möchte das nicht zu schlecht machen, weil ich selbst auch davon profitiere. Wir auch. Ach, ihr auch? Ich verstehe. Hier auf der Folie sieht man übrigens das Cover im Deutschen, das 1773 rausgekommen ist.
13:08
Da zum ersten Mal dieses Wort Originalgenie von dem Übersetzer Christian Friedrich Michaelis. Die Sturm und Drangzeit hieß ja übrigens auch Geniezeit. Und diese Verknüpfung mit dem Autor, die ist da ziemlich gut auf den Punkt gebracht.
13:22
Wenn wir jetzt also angefangen haben zu sagen, was das Buch ist bzw. was es macht, müssen wir natürlich gleichzeitig fragen, wie wirkt das als Betriebssystem? Genau. Also wie passiert es eigentlich, dass eben das, was wir z.B. bei der Ebstorfer Weltkarte versucht haben, zu sagen, dass es zu einem Weltentwurf wird, also etwas, was wirkmächtig ist, was bleibt, was verändert.
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Wie entscheidet es da für der Inhalt, wie entscheidet es da für der Autor, das was Sascha gerade dazu gesagt hat, dass eben zur Zeit der Ebstorfer Weltkarte oder Mittelalter gab es ja diese ganz klare Zuschreibung von Autor zu Werk überhaupt nicht. Ist die Form entscheidend? Das ist natürlich eine Frage, die wir uns ja auch heute wieder stellen,
14:02
eben wenn wir vorhin den Einwurf hatten, Print ist tot. Was ist mit der Rezeption? Wie hat sie einen Anteil an diesem Betriebssystem Buch? Was ist mit dem Diskurs, der Debatte darüber? Wofür brauchen wir das eigentlich? Das ist ja das, warum wir hier heute stehen, um darüber zu reden, was wir sagen, was dieses Instrument eigentlich für eine Kraft hat und braucht die Gesellschaft Bücher, um sich weiterzuentwickeln.
14:26
Also hier immer Bücher als losgelöst von der Materie gemeint. Also wir legen uns hier nicht fest auf Print, E-Book oder sonstiges. Wir können allerdings einen Hashtag aufnehmen, jetzt direkt aus Twitter. Jemand, der ganz kritisch fragt, ist das Buch nicht einfach nur ein Medium?
14:43
Wir haben selbst die Andeutung einer Eigenkritik mit hineingebracht in die unterste Frage. Ist Betriebssystem überhaupt eine richtige Metapher? Darüber kann man tatsächlich streiten und ich glaube es lohnt sich zu streiten. Aber warum Betriebssystem gar keine schlechte Metapher ist,
15:00
kann man direkt in Anknüpfung an diesen Live-Hashtag, ist das nicht bloß ein Medium, vielleicht am besten auf der nächsten Seite sehen. Wir haben nämlich das Buch als Betriebssystem ganz naheliegende Beispiele versucht zu finden. Und zwar diejenigen, die euch auch sofort eingefallen wären. Erstmal haben wir von Wikipedia uns geborgt den Aufbau, was ein Betriebssystem überhaupt ist, schematisch gesprochen.
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Wir haben also die Hardware, das wäre in unserem Fall bei dem Buch die Welt. Wir haben dann das Betriebssystem, das ist bei uns das Buch. Wir haben dann die Anwendung, das wäre dann jeweils der Inhalt des Buches, wenn man diese Metapher so ernsthaft durchzieht, wie wir das gerade wollen.
15:44
Und schließlich den Benutzer, das wäre dann der Leser oder die Öffentlichkeit. Und da kann man ganz gut sehen, dass tatsächlich so etwas wie die Bibel oder das Kapital etwas gemacht haben mit der Welt. Gerade das Kapital ist ein ziemlich fantastisches Beispiel dafür, dass Bücher zumindest als Betriebssystem wirken können.
16:07
Das Beispiel meinem Kampf ist uns da einfach so reingeraten. Aber vielleicht ist es deswegen gar kein so schlechtes Beispiel, weil es im späteren Verlauf auch noch diskutiert wird, muss denn ein Betriebssystem überhaupt von allen gelesen werden, damit es wirkt,
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was zumindest bei das Kapital und mein Kampf so einigermaßen in Frage zu stellen wäre. Aber trotzdem sind das Bücher, wo relativ klar ist, da hat jemand die Gesellschaft radikal oder weniger radikal, aber sehr wirkmächtig, wie du vorher gesagt hast, geformt nach einem Buch. Das heißt, wir benutzen diese Metapher, um zu sagen, dass man sich Welt, hier die Hardware, aneignen kann.
16:46
Das müssen wir auf jeden Fall diskutieren. Man kann ja zum Beispiel sagen, wäre die Bibel so entstanden, wenn es das Netz schon gegeben hätte, wenn es eine Zusammenwirkung von vielen ist, kann man dann noch diese Metapher so anwenden. Das ist natürlich alles diskutierbar.
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Nachdem die Live-Hashtags von euch wahnsinnig schlecht genutzt werden, vielleicht habt ihr die Kulturtechnik des Rufens noch nicht so verinnerlicht, muss ich jetzt nochmal einen Twitter-Hashtag mit hineinbringen. Und zwar eine sehr, sehr spannende Frage von Modomiro. Schreibt der Schriftsteller ein Buch oder programmiert er einen Inhalt?
17:24
Ich glaube, dass diese Analogie ziemlich genau auf das weist, was wir mit dem Betriebssystem Buch meinen. Nämlich eine Programmierung, die der Autor oder die Autorin oder der Verfasser eines Buchs der Gesellschaft anbietet. Ob dann das zu einem Programm wird, dem man folgt, oder ob man das völlig zweckentfremdet, also hackt,
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ist noch eine zweite Variante. Aber diese Analogie, dass die vorhanden ist, das zeigt allein schon diese Frage. Und wenig überraschend... Und es sagt, dass das Buch etwas programmatisches ist, was ja auch unsere These ist. Neben den naheliegenden Beispielen wollen wir natürlich auch hinweisen auf die weniger naheliegenden Beispiele.
18:02
Und die liegen uns besonders am Herzen, weil sie eben, ja, erst mal, weil es oft so, glaube ich, so ein bisschen in dieser Debatte nicht so berücksichtigt wird. Und zwar haben wir lauter nicht so nahelie... Alle naheliegenden Beispiele, die gewählt werden, wie wir gewählt haben, haben eins gemeinsam, sie sind fiktional.
18:24
Und zwar haben wir hier Onkel Tom Sütter ausgesucht. Das ist ein Buch, was als Buch unheimliche Macht entfaltet hat. Und zwar hat die Autorin es geschafft, mit diesem Buch oder durch dieses Buch, die Haltung gegenüber der Sklaverei, was dann im Sezessionskrieg eine ganz große Rolle gespielt hat,
18:43
kurz nach Erscheinen dieses Buches, die Auseinandersetzung damit, die kritische, ganz, ganz stark zu fördern. Abraham Lincoln hat die Autorin Bicher Stove mal getroffen und zu ihr gesagt, ach, du bist die Kleine, oder sie sind die kleine Lady, die diesen Krieg verursacht hat. Und es ist wirklich so, dass die Wahlen, nachdem dieses Buch erschienen ist,
19:04
und dieses Buch gelesen wurde vor allen Dingen von Müttern, von Teenagern, die dann eben später gewählt haben, ihre Meinung beeinflusst hat. Das ist vielleicht etwas, was hier gar nicht so bekannt ist, aber wir finden, dass es ein ziemlich sprechendes Beispiel ist. Dann, vielleicht kannst du was sagen zu Ein Tag im Leben des Ivan Dinizovich.
19:22
Ein Tag im Leben des Ivan Dinizovich von Alexander Solzhenitsyn, der relativ fast distanziert, aber eindrücklich trotzdem beschreibt, wie ein Tag in einem Gulag aussieht und der nachweislich dazu beigetragen hat,
19:40
dass, obwohl es ein Robin ist, die Darstellung von den Gulags in der damaligen Sowjetunion in die Köpfe im Westen geraten ist. Es gibt Leute, die sagen, dass das mit entscheidend dazu beigetragen hat, dass nicht nur das System Gulag zurückgedrängt wird, sondern dass schließlich auch ein Zersetzungsprozess der Sowjetunion
20:01
dadurch ausgelöst worden ist. Auch hier zeigt sich, dass eine Geschichte, eine erzählte Geschichte, also ein Nichtsachbuch in die Köpfe dringt und dort eine Haltungsänderung bewirken kann oder zumindest jemanden aufwecken kann. Das jüngste Beispiel, kannst du noch mal erzählen?
20:20
Die satanischen Verse, ich glaube, das ist allen bekannt von Salman Rushdie, hat dazu geführt, dass er bis heute dafür verfolgt wird, dass die Fatwa über ihn ausgesprochen wurde. Das heißt, ein Buch und das, was dort geschrieben ist, Gedankengut dazu geführt hat, dass es ganz schlimme politische Konsequenzen hat,
20:42
auf der anderen Seite aber auch ganz viel kritisches Potenzial hatte und Leute dazu gebracht hat, über bestimmte Dinge anders zu denken. Und das allein durch ein Buch. Ich glaube, dass man sich das nochmal ganz klar vor Augen führen muss. Deswegen haben wir das hiermit als Beispiel aufgenommen, weil wir ein bisschen festgestellt haben, als wir unsere Beispiele zusammengestellt haben, was waren eigentlich die aktuellsten Beispiele für so etwas?
21:04
Wir haben hier noch zwei Twitter-Hashtags, die ich mit einbrinden möchte. Zum einen die Frage, ist die Programmierung die Intention des Autors? Dem möchte ich genau gegenüberstellen. Die zweite Frage, wie groß ist der Anteil an Büchern,
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die wirklich programmatisch sind, bezogen auf alle Bücher? Ich glaube, diese beiden Fragen kann man nicht eindeutig beantworten. Die Intention des Autors ist, glaube ich, relativ oft etwas zu bewirken oder zu verändern. Ich habe mit vielen Autoren darüber gesprochen. Bei mir selbst ist es auch ganz ähnlich.
21:43
Aber ob man es schafft, ist natürlich noch eine zweite Frage. Verbunden mit der anderen Wortmeldung würde sich aber direkt ergeben, ob nicht eine unglaubliche Vielzahl von Büchern geschrieben werden muss, damit es überhaupt einige schaffen, genau den Punkt zu treffen, der dann eine Gesellschaft verändern kann.
22:01
Also den Anteil an Betriebssystemen mit einzubringen. Ich würde das sogar noch ergänzen, dass vielleicht auf der einen Seite stimmt, diese Frage, die da bei Twitter gestellt wurde, wie viele programmatische Bücher gab es denn? Auf der anderen Seite gibt es eine Menge Studien aus den letzten 20 Jahren, die z.B. mit Kindern zusammen untersucht haben,
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also an Kindern, die bestimmte Geschichten gelesen haben, das Lesen dazu beiträgt, dass man besser Intentionen anderer verstehen kann, dass man empathischer ist, dass man Handlungszusammenhänge besser verstehen kann. Das heißt, das Lesen von Fiktionen, von Geschichten bringt eine Kompetenz, dass man sich besser mit Welt auseinandersetzen kann.
22:42
Das heißt, es muss nicht nur um programmatische Weltentwürfe gehen, sondern auch das Lesen von Geschichten, die wir vielleicht nicht als Weltentwürfe empfinden, bringt eine Kompetenz, sich mit der Welt auseinanderzusetzen. Es wurde gefragt, was wir mit Welt meinen,
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ob wir damit Gesellschaft meinen, das kann man so sagen. Es wurde per Twitter wiederum aufgefordert, dass wir endlich Butter bei die Fische bringen sollen. Ich kann da direkt überleiten zu unserer steilen These. Ich empfinde steile Thesen als sehr Butter bei die Fische. Die steile These?
23:21
Dass wir sagen, was wir versucht haben, vorher mit den Beispielen deutlich zu machen, dass Sachbücher dazu beigetragen haben, etwas zu konstruieren, etwas zu bauen, etwas zu verändern, etwas zu bilden. Und dass wir sagen, Billetristik trägt dazu bei. Billetristik trägt zu einer Dekonstruktion bei. Das heißt hier, aber wir meinen das so, dass Fiktion dazu taugt,
23:44
kritisch zu sein, Dinge, wie wir gesagt haben, mit den satanischen Fersen oder anderem auseinanderzunehmen, zu hinterfragen und eine skeptische Haltung, die wir der Welt gegenüber brauchen, zu kultivieren. Das ist eine unserer Thesen. Genau, und diese Dekonstruktion durch Billetristik, da haben wir, wie ihr sehen könnt, das Beispiel des Jungwerters gewählt.
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Ein Buch, dem sich sehr viele junge Männer dekonstruiert haben. Also ein relativ eindeutiger Beweis für unsere steile These. Wenn man aber davon ausgeht, dass sich dieses Betriebssystem Buch zum Beispiel in Sachbuch und Billetristik von ihrer Funktionsweise so teilen lassen,
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dann kann man die Frage stellen, warum ist es eigentlich im E-Book-Bereich so, dass wir ungefähr 85 Prozent Marktanteil bei Billetristik haben und nur 15 Prozent, wenn nicht mal 15 Prozent Marktanteil, was das Sachbuch angeht, ist einfach keine Zeit für Konstruktion oder interessiert es die Leute nicht oder wandert vielleicht ein Teil der Konstruktion aus dem Betriebssystem Buch
24:43
hin in andere Medien, welche auch immer das sein mögen. Wir haben vorher schon die Frage gestellt, was ist denn mit dem Buch, das eigentlich niemand so richtig liest? Denn tatsächlich sind diese drei Bücher, die wir vorher erwähnt haben,
25:02
diese großen naheliegenden Beispiele, ja zumindest zwei darunter, die selten gelesen werden. Wir glauben, dass die Bücher, dieses Betriebssystem Buch, auch gedacht werden müssen mit dem ganzen Drumherum. Mit der Rezeption der politischen Debatte, mit der Symbolik,
25:27
die dieses Buch auch mitbringt. Wir haben auch eine Art Transmissionsriemen und jetzt ist das Spannende am Betriebssystem Buch, dass es, was diese großen Konstruktionen angeht, sogar völlig ohne Buch funktioniert.
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Es bleiben dann eigentlich nur noch so einzelne Kristallisationspunkte übrig. Zitate, Narrative in öffentlichen Debatten, Handlungsanleitungen und auch Gefühle. Ein Großteil der Wirkung von Büchern, auch von diesen großen Büchern, die wir da vorher vorgestellt haben, findet eigentlich nur über ein Gefühl statt, was drin stehen müsste.
26:02
Und gar nicht so sehr über das konkrete Buch selbst mit allen seinen Buchstaben, Zeilen und Kapiteln, die da drin sind. Das würde aber einen sehr nahen Anknüpfungspunkt bringen an die sozialen Medien. Denn natürlich sind Zitate, Narrative, die man so daher erzählt, und auch Gefühle gleichzeitig auch so eine Art Antrieb der sozialen Medien.
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Wir glauben eben, dass dieses Betriebssystem Buch deswegen noch viel weiter aufgebohrt werden muss. Und weil das so ist, weil hier eine Verknüpfung ist zwischen dem, was weiß man von einem Buch und dem, was schreibt man auf Twitter und Facebook so, um es so ganz platt zu sagen, da gibt es diese Verknüpfung
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zum Beispiel über Zitate, überspringen wir einfach den langweiligen Teil, nämlich das gegenwärtige E-Book, das praktisch nicht viel mehr macht als Pixel durch Druckerschwärze zu ersetzen, und fragen sofort, wie wirkt denn das Netz aufs Buch und da speziell auf das Betriebssystem Buch? Genau, wenn es heißt, Butter bei die Fische,
27:02
das ist eigentlich für uns der wichtigste Teil von dem. Wir haben gesagt, das vorher brauchen wir einfach als Herleitung, um das zu untermauern, aber wir sagen eben, wir wollen diese Technik, dieses Instrument, dieses Betriebssystem muss noch stärker ins Netz verlängert werden und es wird bisher noch nicht genug für unser Verständnis gemacht.
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Und wir wollen uns halt fragen, wie das Netz bisher auf das Buch wirkt. Wirkt es gar nicht auf das Buch, weil es einfach das Buch ablöst oder verändert sich einfach nur die Form. Wie sieht ein Buch aus, wenn es digital vernetzt ist? Welche Wirkung hat das Netz auf das Buch?
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Ein wichtiger Punkt ist uns, dass wir in der Diskussion, als wir uns gefragt haben, wie wir unsere Thesen rüberbringen wollen, kamen wir immer so auf das Buchgefühl. Gefühl ist ja so ein bisschen, naja, da wird immer gesagt, das ist ja so nicht so richtiges Argument, aber wir kamen doch immer wieder auf dieses Flow-Erlebnis, das Versinken, dieses Text oder diese Konzentration auf etwas
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sich versenken in etwas ohne Ablenkung. Und das widerspricht erst mal im ersten Moment ganz stark diesen digitalen Situationen, wie wir sie kennen. Und wir fragen uns halt, wie dieses Flow-Erlebnis, die Bücher auslösen können, ins Netz übertragen werden.
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Werden Sie das schon? Und wir fragen nicht nur uns, sondern wir fragen auch euch. Wir haben jetzt eine kurze Zwischenreitung, wo wir drei, vier Leute bitten, sich zu melden, die sagen wollen, ob und wie sie das Versinken auch in der digitalen Sphäre sehen. Hier vorne gleich.
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Also, was ich letztens gelesen habe und was ich auch ganz interessant fand, war eben, dass dieses digitale Erlebnis dem Buchgefühl sozusagen widerspricht. Also es gibt wissenschaftliche Studien, die belegen, dass Menschen, die viel digital lesen, sehr große Schwierigkeiten haben, in einem Buch zu versinken oder richtig zu lesen.
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Und dass man sich das selbst wieder beibringen muss erst. Deswegen sehe ich da eine ziemlich große Diskrepanz im Moment. Danke für die Wortmeldung. Diese Diskrepanz haben wir auch so gesehen. Für das Betriebssystem Buch könnte das heißen, dass man kürzer, prägnanter und serieller werden muss.
29:20
Wir werden auch gleich darauf kommen. Vorher noch mal andere Wortmeldungen zum Thema Versinken in Digitale. Sascha, ich widerspreche meiner Vorrednerin, weil ich sehr häufig beobachte, dass die Menschen wohl sehr tief versunken sind in ihre Tablets, in ihre Smartphones. Ob es nur in U-Bahnen ist oder auch hier auf dieser Konferenz,
29:42
wie wir beobachten können, offensichtlich üben dort Inhalte magische Anziehungskraft aus und erlauben es uns trotz turbulenter Umgebung, in diese Inhalte zu versinken. Nichts anderes passiert beim Buch. Ich würde gerne das aufnehmen, was Sie gerade gesagt haben. Ich glaube, dass dieses Phänomen zu beobachten ist
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auch in digitalen Medien. Ich würde aber über das Versinken hinaus noch mehr dieses Flow-Erlebnis betonen. Ich kann dann immer nur mit Beispielen kommen, wenn man früher, als man noch mehr Zeit hatte, ein ganzes Buch von hinten nach vorne durchgelesen hat und so eine wirklich entthusiasmierende Wirkung gespürt hat, so ein bisschen wie eine Droge.
30:21
Ich glaube, das ist noch mal was anderes als das bloße Versinken. Da frage ich mich eben schon, ob das, also ich meine Frage, ob das über das Netz und Texte im Netz wirklich möglich ist. Wir würden jetzt einfach noch die dritte Wortmeldung nehmen. Ja, hallo, ich bin Britta Freit oder auch Sharaz. Ich wünsche mir seit Jahren Bücher, die immer mehr in die Tiefe gehen.
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Also digitale Bücher, die kaskadenartig funktionieren, dass ich auf einen Begriff klicken kann im Buch und immer weiter vorstoßen kann. Also Bücher, die sich auffächern und mir Filme bieten und immer neue Wege, die für jeden anders sind und die darum auch ein komplett digitales Erlebnis abbilden
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und nicht eben nur ein einliniges Buch. Vielen Dank für diese Wortmeldung. Als wärst du gecastet und hätten wir dich aufgefordert, genau das zu sagen, ist tatsächlich das Thema von diesem Teil, wie wirkt das Netz auf das Betriebssystem Buch. Und da ist natürlich naheliegend das technische Limitation,
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wie z.B. Autorenschaft und Abgeschlossenheit. Und Abgeschlossenheit ist auch diese inhaltliche Dichte der fehlenden Verlinkungen, die sie gerade beleuchtet hat, wie das auf das Betriebssystem Buch wirkt. Ja, ich glaube, das ist ja eine Diskussion, die noch ganz häufig geführt wird. Das Netz auf der einen Seite als niemals abgeschlossenes Instrument
31:43
und für einige das Buch in diesem Fall hier als E-Book oder als Printbuch immer noch in seiner Abgeschlossenheit. Und das ist eben diese Abgeschlossenheit entgegen dessen, was Sie gesagt haben, Bedarf, um sich irgendwie mit einer Situation auseinanderzusetzen.
32:00
Und wir sagen, dass es im Grunde nur eine Form von Zuschreibung ist. Und dass man sich überlegen muss, was eigentlich mit dieser Abgeschlossenheit verbunden ist und wie man diese Abgeschlossenheit ins Netz übersetzen kann. Beziehungsweise wie man die Abgeschlossenheit überhaupt digital, schon allein dieses Wort, dieses Begriff, dieses Verständnis davon digital übersetzen müsste. Weil irgendwie, das hat dieses Buchgefühl vorher gesagt, etwas dran ist.
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Auf der anderen Seite aber, dass Netz natürlich unheimlich viele Möglichkeiten bietet und wir uns was verstellen würden. Konkret gibt es da die Möglichkeit der Versionierung, wenn man das digital denkt. Aber auch das ist ja eigentlich eine Zuschreibung. Denn Auflagen gibt es ja auch schon im gedruckten Buch. Wir haben also diese Neudefinition von Autorenschaft und Abgeschlossenheit
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eigentlich schon häufiger gehabt. Denn ein neues Buch zu drucken, was man dann in einer neuen Ausgabe lesen kann, ist viel einfacher als zum Beispiel eine neue Marmorplatte zu behauen. Das gehe ich jetzt erst mal davon aus. Ich habe das noch nie getan. Wir haben zu dem Kontext aber eine ziemlich gute Meldung,
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was die sozialen Medien angeht, eben gehabt. Nämlich jemand meinte, dass, ich glaube, Praxis 2.0, wenn ich das richtig gesehen habe, kann ich aber irren. Jemand meinte, dass Social Media eigentlich Mündlichkeit im Gewand der Schriftlichkeit ist. Dass es also eher ein schriftgewordenes Gespräch ist. Das Spannende, was wir hier dran sehen,
33:22
ist, dass das Gespräch mit hineingerät in das Buch. Und da stellen wir als nächstes die naheliegende Frage, was jetzt eigentlich mit dem Social Reading passiert. Und zwar explizit nach dem Misserfolg von ReadMill. Ich hätte das gar nicht so als Misserfolg gesehen, aber die Leute, die das selber gemacht haben,
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haben es so oder so ähnlich bezeichnet. Ich fand das die beste Social Reading-Applikation, die am Markt zu bekommen war. Aber irgendwas muss ja gefehlt haben, denn es hat sich recht offensichtlich nicht durchgesetzt. Wir glauben, dass die soziale Leserfahrung sehr alt ist. In ganz vielen Bereichen kann man das sehen. Der Salon ist ein ganz klassisches Beispiel. Dass aber eine neue Form gefunden werden muss,
34:03
und deswegen bin ich dankbar für diesen Hashtag, von der Vermählung vom Gespräch mit dem Buch. Ich glaube, dass dafür eigentlich die sozialen Medien in das Buch hineinwandern müssen. Oder, Alternativthese, das Buch in die sozialen Medien hineinwandern.
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Die Frage wäre, warum so wahnsinnig viele Leute auf Facebook Farmville spielen, aber so wahnsinnig wenig Leute, die auf Facebook ein Buch gemeinsam lesen. Das Buch als Facebook-App wäre vielleicht eine Antwort darauf, warum ReadMill als Einzelapplikation, die da im Raum stand, nicht funktioniert hat,
34:42
weil da die kritische Masse gefehlt hat, als dass man den sozialen Anteil auch wirklich als Mehrwert wahrnimmt.
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Das ist fantastisch, dass du das dazu sagst. Das ist wiederum, als wärst du gecastet. Ich würde das nämlich vorziehen. Wir haben identifiziert als ein ganz wesentliches Moment. Was hat er gesagt? Er hat das Beispiel Tatort-Twittern, also die Gleichzeitigkeit mit nach vorne geholt.
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Tatsächlich gehen wir da, wenn wir vom Social Reading ausgehen, vom Einloggen ins Buch aus, das Gefühl der Gleichzeitigkeit, was allerdings überhaupt nicht so wahnsinnig neu ist. Wir haben hier ein Beispiel rausgesucht, was schon ganz, ganz alt ist, was aus dem 17., 18. Jahrhundert stammt,
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wie jemand, Christian Friedrich Hohenholdt, Bücher geschrieben hat und sich dann mit Studenten vornehmlich Frauen getroffen hat und Seminare zu diesen Büchern gegeben hat und auf der Basis der Gespräche und wahrscheinlich nicht nur der Gespräche über Bücher, sondern auch dem Sex und dem Flow, der durch Bücher entsteht,
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Fortsetzungsromane geschrieben hat, was dann dazu geführt hat, dass immer mehr seine Bücher gelesen haben und sozusagen in das Geschehen mit einbezogen waren, weil sie schon ein Teil dieser Community und dieses Buches waren. Es ist ein ganz altes Phänomen. Dem Einloggen ins Buch muss natürlich zwingend etwas fehlen,
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was wir versuchen, bei Buch und Vernetzung zu betrachten und erklären mit einer Anekdote von Max Gold. Denn im Prinzip ist es mit Büchern heute genau wie mit dem, was Max Gold über Hatshops gesagt hat. Er meinte nämlich, ich paraphrasiere etwas, in Hatshops gibt es alles, was man zum Kiffen braucht,
36:42
außer dem einzigen, was man wirklich zum Kiffen braucht, was ich eine wahnsinnig geniale Erkenntnis finde. Und mit Büchern und dem Internet ist es eigentlich ganz genauso. Denn rundum, jedenfalls aktuelle Bücher, gibt es eigentlich alles drumrum. Den Text des Buches selbst gibt es aber nur in den wenigsten Fällen wirklich einfach konsumierbar im Netz.
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Wir halten das für schwierig, beziehungsweise eigentlich für nicht wirklich durchhaltbar. Insofern ist das Wandern des Buchs ins Netz, also ein Verschmelzen von Betriebssystem Buch und Betriebssystem Netz für die Gesellschaft zumindest in meinen Augen,
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relativ zwingend. Daran knüpft sich dann direkt auch die Sichtbarkeit an. Denn tatsächlich ist die Sichtbarkeit eines Buches und auch die Vermarktung oder das Marketing eines Buches essenziell für einen großen Teil, den wir vorher skizziert haben, von einem Betriebssystem Buch, nämlich die Kommunikation drumrum.
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Ohne die Sichtbarkeit wird das alles nichts. Wie aber werden einfach Bücher sichtbarer oder überhaupt erst sichtbar? Da gibt es zum einen einen alten, schon lange bestehenden Teil, nämlich die gesellschaftliche und mediale Inszenierung. Und das Spannende ist, dass die jeweils den Medien ihrer Zeit folgt.
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Auch hier wäre also die These, dass das Buch zwingend ins Netz wandern muss und dass es eine Vermählung gibt von Betriebssystem Buch und Betriebssystem Netz. Ein ziemlich naheliegender Gedanke. Was wir hier als Bild dafür die Erklärung haben, ist eines der wichtigsten belittristischen Bücher des 18. Jahrhunderts besonders.
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Nämlich Robinson Crusoe. Das wurde damals regelrecht inszeniert. Hier sehen wir die Titelseite der Zeitung, in dem Robinson Crusoe entstanden ist, der Ur-Abenteuer-Roman. Das wurde halb augenzwinkernd als Tatsachenbericht
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auf der Titelseite einer Zeitung inszeniert. Mit dem damaligen Medium. Obwohl es natürlich das gedruckte Buch so schon gab. Das war für uns ein sehr starker Hinweis darauf, dass die Sichtbarkeit und die Vermarktung und das Tragen von Informationen sehr intensiv den jeweiligen Medien der Zeit folgen kann.
39:02
Wir glauben also, dass sowohl technisch als auch mimetisch, also von der Verbreitung des Inhalts her, das Buch gar nicht anders kann als früher oder später zu einem Teil ins Netz zu wandern. Wobei zu einem Teil eine Formulierung ist, die du eher sagen würdest. Ich würde sagen eigentlich fast ganz. Science-Fiction.
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Fan-Fiction. Fan-Fiction ist ein sehr schönes Stichwort. Weil dadurch, dass das ins Netz wandert, auch ganz andere Mechaniken der Beteiligung möglich sind. Das Spannende ist aber auch da wiederum, dass Fan-Fiction etwas unfassbar Altes ist.
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Wir haben eines der großen Bücher des 16. Jahrhunderts, nämlich von Miguel de Cervantes, den Don Quixote. Der hat den ersten Teil geschrieben. Alle waren wahnsinnig begeistert. Das war eigentlich eine Parodie auf einen damals sehr bekannten Ritterroman, den heute niemand mehr kennt. Diese Parodie wurde bekannter als alle Ritterromane zusammen.
40:03
Der hat aber nur den ersten Teil geschrieben. Dann gibt es zumindest das Gerücht, dass Lope de Vega gesagt hat, es muss langsam ein zweiter Teil her. Und sich mit einer Autorengruppe zusammengetan hat und völlig unautorisiert selbst einen zweiten Teil geschrieben hat. Worauf Cervantes reagieren musste und einen eigenen zweiten Teil rausgebracht hat.
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Diese Art von Fan-Fiction, dieses Verschwimmen zwischen Autor und Schriftsteller, das ist etwas, was mit dem Netz auch sehr viel einfacher möglich ist. Aber mein Beispiel zeigt, dass es schon immer eine gewisse Vermischung gab.
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Es wurde jetzt gesagt, das Netz, wenn ich es richtig verstanden habe, bietet keine Konsistenz, keine Permanenz. Keine Ruhe. Das ist etwas, was wir vorhin unter dem Begriff abgeschlossenheit und Konzentration versucht haben anzureißen. Dass wir sagen, das ist etwas, was man noch übersetzen muss ins Digitale, was vielleicht noch nicht so gelungen ist.
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Oder wenn ich das aufnehme, was der Herr da hinten gesagt hat, vielleicht gar nicht mehr nötig ist, weil man eine andere Art gefunden hat. Das ist offen. Zwei Hinweise zum Digitalen. Ein wichtiger Hinweis. Der Fortsetzungsroman hat schon Impulse der Leser aufgenommen. Das war eine Mischform aus Leseraktivität und Autorenschaft.
41:22
Der Fortsetzungsroman entstand auf der Seite einer Zeitung. Der wurde jeden Tag oder regelmäßig fortgeschrieben. Der hat darauf reagiert, was Leute gesagt haben. Weniger auf klassische Leserbriefe, die es damals noch nicht gab. Sondern eher auf direktes Feedback. Und natürlich auch auf die Verkaufszahlen.
41:41
Wenn sich etwas häufiger verkauft hat, wurde klar, dass es verlängert werden muss. Und nicht so erfolgreiche Bücher wurden schnell wieder eingestellt. Das zweite ist, hier wurde noch mal die These gebracht, dass das Buch ein individuelles Erlebnis ist. Das ist unsere Abgeschlossenheitsthese von vorhin. Der kann man entgegenstellen. Bei der Verschmelzung von Betriebssystem Buch und Betriebssystem Netz.
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Dort vorne kam die Wortmeldung. Die sagen, es gibt Kontemplation im Digitalen. Man kann sich ins Digitale viel tiefer hineinbegeben. Aber das kam von dir, man muss es lernen. Es kann sehr gut sein. Damit wollen wir jetzt auf die Schlussviertelstunde kommen. Was kommt, wo ihr noch intensiver mit hineingezogen werdet,
42:25
als bisher schon? Es kann sehr gut sein, dass bei dieser Vermischung von Betriebssystem Buch und Betriebssystem Netz überhaupt erst mal gelernt werden muss, wie man damit umgeht. Es ist nicht unüblich für solche Kulturtechnologien, dass man rausfinden muss, wie sie für eine Gesellschaft wirken.
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So wie das Klassische zum Beispiel, was ich in Interviews schon 17 Mal gesagt habe, dass am Anfang das Kino als abgefilmtes Theater betrachtet wurde. Bis sowohl das Publikum als auch die Macher begriffen haben, dass es mit einer Kamera
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andere Möglichkeiten gibt, als nur eine Bühne abzufilmen, hat es viele Jahre gedauert. Bis sich das in der Gesellschaft durchgesetzt hat, hat es 2 Dutzend Jahre gedauert. Bei dieser Diskussion, was kommt, möchten wir die versuchen, nicht nur noch weiter zu öffnen über die Stichworte hinaus, sondern auch in Form einer geführten Diskussion
43:22
mit dem Publikum zu bauen. Und zwar möchten wir jetzt diese Einzelbeiträge von euch haben und haben einen Spoken Tweet festgelegt, als Einzelbeiträge von euch, die nicht länger dauern sollten als 60 Sekunden. Wir sind immer noch auf dem experimentellen Eis
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des Gesprächs, dass die Einzelbeiträge nicht länger dauern als 60 Sekunden. Und dann antworten 2 Parteien drauf, nämlich wir auf der Bühne, auch 60 Sekunden. Und dann wollen wir aus dem Publikum auch noch mal eine Antwort haben auf diesen Wortbeitrag. Und jetzt wäre die Frage, wer bringt den ersten Spoken Tweet
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zu dem, was kommt. Zu dem, was, so unsere These, wenn das Betriebssystem Buch verschmilzt mit dem Betriebssystem Netz, was kommt dabei heraus und vor allem, wie wirkt es? Ich glaube nicht, dass das Netz
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dieselbe Qualität von Immersion bringt wie z.B. den Roman. Ich spreche so laut, dass du es hörst. Ich habe es ausgemacht. Ich fange noch mal an.
44:42
Ich glaube nicht, dass das Netz dieselbe Qualität von Immersion bringt, wie z.B. was weiß ich, wenn ich Herr der Ringe lese, weil das Netz eher eine Sequenz von Ablenkungen ist, was wir auch selber am Smartphone oder Tablet sehen, und weniger so eine Immersion in so eine Art Gesamtwelt.
45:01
Da sehe ich Schwierigkeiten. Wenn man das digital emulieren will, geht es eher in Richtung Second Life, auch wenn es als Witz gilt, aber das Ding hat immer noch ziemlich viel User. Das waren genau 60 Sekunden. Wir haben vorhin versucht, das aufzunehmen.
45:24
Das ist unsere Frage, die wir stellen. Was muss passieren, um diese Fähigkeit der Konzentration im Netz zu gewährleisten? Einen Ansatz haben Sie schon selber gesagt. Das ist eine zweite Welt, in der man sich bewegt geschaffen werden muss.
45:42
Die Netzwelt, die jetzt da ist, ist noch nicht genug, um sich darin zu versenken. Den dialogischen Teil haben wir leider nicht vorgesehen. Ich kann noch einen Punkt mit reinbringen, der sehr wichtig ist. Der Flow ist kein Alleinstellungsmerkmal
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vom Buch. Das hat hier jemand über Twitter mit reingebracht. Da wollte jemand genau darauf antworten. Hier auf Oliver antworten. Hier vorne, bitte.
46:21
Ich denke, dass Social Reading eine super Idee ist. Und dass es bestimmt irgendwann kommen wird. Und dass es durch diese vielen Möglichkeiten eine Lösung ist, das zu kombinieren. Das einzige Problem, das wir momentan noch haben, und was diesen Flow verhindert, ist eine technische Geschichte.
46:42
So wie die E-Ink-Technologie notwendig war, um digital lesen zu können, fehlt etwas, das den Menschen fesselt. Hört sich ein bisschen doof an. Es hört sich gar nicht so doof an, bis auf die Tatsache, dass ich digital vor E-Ink gelesen habe. Ich glaube, ich bin fast sicher sogar.
47:03
Es gibt hier noch eine Antwort dazu. Innerhalb von 60 Sekunden. Ich denke, wir können uns einiges anschauen über das, was wir vor allen Dingen im vergangenen Jahr gesehen haben, im journalistischen Bereich bei den Multimedialen Erzählungen. Da hat man sehr deutlich gemerkt,
47:20
dass man sehr wohl in der Lage ist, zu ganz verschiedenen Themen. Das können geschichtenorientiert sein, es können aber auch sachbuchähnliche Themen sein, dass man da sehr gut multimedial erzählen kann. Wenn man bewusst kombiniert, die Stärken dieser jeweiligen Ausspielkanäle.
47:42
Meine Annahme wäre, dass wir nicht in eine entweder-oder-Situation geraten werden, sondern dass es hoffentlich relativ bald erste multimediale Books geben wird. Ob man die noch als Book bezeichnen muss, ist eine andere Frage. Aber eher in der Ergänzung. Es gibt bestimmte Geschichten, die lassen sich wunderbar erzählen.
48:01
Man kann auch sehr gut das interaktive Element mit reinbringen. Ich denke, wir müssen es in der Ergänzung sehen. Danke. Das wäre auch noch eine Frage, ob tatsächlich so etwas wie diese Erzählungsform im Netz, die vor einiger Zeit aufkam, ob der Marxismus des 21. Jahrhunderts zurückgeht
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auf so eine Snowfall-Erzählung. Da wird man sich, glaube ich, darüber streiten können. Wir haben da vorne noch eine Wortmeldung. Der Mythos wurde ja erwähnt. Man weiß, dass früher Geschichten einfach reproduziert werden konnten durch Merken. Menschen konnten sich eine Stunde Geschichte
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oder eine Stunde Fortschritte machen. Wir haben das verlernt. Eine Hypothese wäre, dass wir auch das Buch verlernen werden. Das, was kommt, wäre die Auflösung des Buches. So wie heute niemand mehr 35 Telefonnummern auswendig weiß. Und wahrscheinlich auch nicht eine Stunde Vortrag reproduzieren kann.
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Vielleicht verlernen wir auch das Buch zur Gänze. Das finde ich einen extrem spannenden Ansatz. Dass man vielleicht eine Kulturtechnik oder eine Technik, wie das Buch verlernen kann. Was die Aufmerksamkeit angeht. Wir haben hier eine Antwort darauf. Fabian Kern hat gesagt, wie gewährleistet man Konzentration im Netz? Die Antwort selbst, üben, üben, üben.
49:22
Kognitive Gewöhnung an Kommunikation geht nicht automatisch. Das bedeutet, wenn man das auf dich bezieht, man muss in Zukunft sowohl das Handling des Betriebssystems als auch das Buch ins Netz holen, beides lernen. Ich glaube, das ist keine schlechte Antwort.
49:42
Mir gefällt das sehr, dass man nicht davon ausgeht, dass das alles automatisch passiert. Sondern dass es willentliche Entscheidungen sind, ein Medium so zu benutzen. Zu dieser These würde auch passen, dass wir unterschiedliche Betrachtungen davon hatten, ob man im Digitalen sich total super konzentrieren kann.
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Wie da jemand sagte, er sieht Leute, die in der Smartphone über Stunden reingucken und sich nicht bewegen. Oder wenn man das noch auf einer anderen Ebene betrachtet. Es gibt Leute, die sitzen tagelang vor einem Rechner und spielen dann halt bloß World of Warcraft. Was die Definition des Buches sehr weit aufbohren würde.
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Aber ich finde, dass man diese Kulturtechnik lernen muss und dass man sie auch verlernen kann. Ein extrem spannender Ansatz, gerade im Bereich, was kommt. Das würde für uns nämlich heißen, ich würde jetzt nicht vom Schulfachbuch reden, weil jeder Depp immer sofort für seinen Bereich einen Schulfach...
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Entschuldigung, habt ihr das schon mal gefordert? Tatsächlich könnte man einen Schulfach der Rezeption dafür, wie man mit Texten umgeht, sehr gut gebrauchen. Ich glaube, der deutsche Unterricht in der sonst so fehlenden Klasse geht schon ein bisschen in diese Richtung. Medienkompetenz. Ich kenne mich mit Unterricht nicht aus.
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Das eine ist ja die Kulturtechnik, als Konzentrationsmöglichkeit, als Auseinandersetzung. Aber ich würde gerne noch mal wieder ein bisschen zu diesem, weil ich vielleicht zu wenig darüber weiß, zu diesem Flow, zu diesem Gefühl zurückkommen. Gibt es das? Ist das übertragbar? Vorhin hieß es Fanfiction und solche Sachen.
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Oder ist das ein ganz anderes? Ich würde gerne noch mal eine Antwort zu diesem Flow-Erlebnis wissen. Ob das übertragbar ist oder gar nicht muss und sich anders anfühlt. Hat dazu jemand einen Spoken Tweet, der, wie auf Twitter schon gesagt wurde, eigentlich nur eine Wortmeldung ist, aber mit diesem Trick Spoken Tweet können wir so tun, als dürfte das nur 60 Sekunden lang sein.
51:43
Nicht nur mal vorne, sondern auch mal da in der Mitte. Ich denke, wir haben schon erste Ansätze da, zum Beispiel Keitel und Co. Vielmals ist das Blättern, dieses nicht wissen, was passiert auf der nächsten Seite, das macht auch ein Buch aus. Wenn ich mir aber im Internet Sachen ansehe,
52:03
dann kann ich sofort ganz schnell querlesen und auf verschiedene Stichpunkte. Die Spannung, die entsteht in einem Buch, kann ich aber mit einem Keitel aufbauen. Die hat eine Papierfarbe. Es wird das Buch digital impliziert.
52:21
Ist das nicht ein Anfang? Ja, das ist sicher ein Anfang. Das ist ein Punkt oder eine Annäherung, aber wir haben versucht zu zeigen, im Moment sind wir noch ein bisschen in der Phase der Imitation. Ich finde es süß, wenn dann so ganz stolz gezeigt wird, man kann das Blättergeräusch imitieren.
52:40
Das kann man süß oder bekloppt finden. Ich glaube, die Frage ist noch ein Stück weiter. Nicht nur eine Imitation, ein ähnliches, sondern etwas Übertragen auf ein ganz anderes. Ob das möglich ist bei diesem Flow-Erlebnis. Das ist für mich ein bisschen die Frage. Ich würde auch diese These, die eben ins Raum gestellt würde,
53:01
man könne so ein gedrucktes Buch nicht blättern. Also nicht wissen, was auf der nächsten Seite kommt. Das stimmt nicht, das ist falsch. Aber das soll jetzt nicht ein direkter Angriff sein, sondern eher ein indirektes Sagen. Wir haben natürlich diese Mechanik, dass man schnell vorscrollen kann, z.B. bei digitalen Texten.
53:21
Aber schnell vorblättern ist bei mir auch relativ üblich. Ich glaube, wenn man vom Betriebssystem Buch ausgeht und der Vermählung mit dem Netz, was unsere Zielrichtung ist, dann ist es richtig, was Dorothee gesagt hat, nämlich, dass wir in einer global gesehenen Ebene der Imitation sind. Was extrem interessant ist, ist, dass es beim Buch,
53:42
obwohl das Internet von Anfang an ein Textmedium war, viel früher als ein Bild oder ein Tonmedium, hat sich das, was Text angeht, im Buchbereich am langsamsten weiterentwickelt. Das normale Buch wird heute runtergeladen in Form von einer Datei,
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die sich dann nicht mehr verändert und sieht auch fast noch genauso aus wie ein gedrucktes Buch. Das ist reine Imitation. Und die tollen Möglichkeiten, das Netz bietet, z.B. eine situative Versionierung, eine Anpassbarkeit, eine Vernetzung, da kam vorher das Beispiel, dass man ein Buch nicht mehr ganz linear baut. Das könnte man alles im Digitalen machen.
54:21
Und für den Massenmarkt wird das bis jetzt überhaupt nicht getan. Das spricht dafür, dass die These, wir sind in der Ära der Imitation und müssen langsam erst diese neue Ära zusammenentwickeln, dass die richtig ist. Immer wenn ich solche Diskussionen über Vergangenheit und Zukunft und Sinn und Zweck von Büchern verfolge,
54:44
habe ich das Gefühl, dass es diesem leidig zitierten Artikel über Digital Native und Digital Immigrants genauso geht wie dem Marxischen Kapital oder Hitlers Mein Kampf, dass es auch niemand gelesen hat. Da wird ja schon 2001 genau das bebängelt, was hier jetzt auch immer noch offensichtlich für Unmut sorgt.
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Die Jungs und Mädels von heute können sich nicht mehr konzentrieren. Sie sind nicht mehr in der Lage, einen abgeschlossenen Text von 580 Seiten inklusive Fußnoten zu rezipieren. Die Frage ist aber auch, warum sollten wir denn? Denn es stimmt ja nicht, dass niemand gemeinschaftlich auf Facebook liest. Die Leute haben andauernd gemeinsame Leseerlebnisse.
55:23
Sie beziehen sich eben nur auf Artikel. Das, was ihr gesagt habt, dass solche Geschichten medialen Aufmerksamkeitszyklen unterworfen sind, das stimmt ja. Die Frage ist, wenn das Buch als Betriebssystem für uns relevant ist,
55:41
um gesellschaftliche Debatten anzustoßen, warum können wir es dann nicht substituieren durch 3 YouTube-Videos, 2 Artikel und vielleicht irgendeine Plattform, auf der man all das sinnvoll sammeln kann, sodass jeder zu jedem Zeitpunkt darauf zugreifen kann, der sich gerne in ein Thema vertiefen möchte? Warum brauchen wir so ein abgeschlossenes, von einem Autor abgesegnetes Buch noch?
56:06
Ich finde, das ist eine absolute sinnvolle Frage, die wir uns natürlich auch stellen. Wir haben ja auch nicht gesagt, das muss es geben, Abgeschlossenheit, sondern wir haben gesagt, wie kann man das definieren, was Abgeschlossenheit ist, wie kann man das übertragen oder soll man das übertragen.
56:21
Du hast das total gut an diesen kritischen Punkt geführt. Das ist ja auch unsere Frage, die wir stellen, ob es diese Immersion, wie es vorhin, geben muss. Das können wir gar nicht so ad hoc beantworten, sondern das müssen wir leben und weiterentwickeln. Ich würde das gerne als Abschluss nehmen von unserer Diskussion und nochmal natürlich das Wort zum Abschluss an Sascha geben. Ich gebe das Wort noch viel natürlicher
56:41
und würde gerne eine Beteiligung an Twitter geben. Um genau zu sein, möchte ich 3 Punkte herauskristallisieren, die sich gut als Schlusspunkte eignen. Die beziehen sich allesamt auf die Zukunft. Der erste ist von Modomiro. Der sagt, der nächste Schritt, Qualitätsgäuomorphen. Da steckt eine ganze Menge drin.
57:01
Nämlich, dass man die Buchqualität, die tatsächlich bei der Herstellung von gedruckten Büchern heute auf vielen verschiedenen Gründen immer noch ernsthafter hochgehalten wird. Ich formuliere das absichtlich so als bei digital und nur digital veröffentlichten Werken. Dass wir also diesen Schritt, das sagt Modomiro, qualitativ auch gehen.
57:21
Dass eben ein E-Book, selbst wenn es technisch möglich ist, nicht mehr nur einfach so schnell hoch veröffentlicht wird, wie das leider häufig der Fall ist. Ich finde, dass Modomiro sogar von ernsthaften Verlagen, die dann ein ganz grauenhaftes Schriftweg und seltsame Befehle und beim Scannen entstandene komische Worte in Bücher hineinbringen, die sie in gedruckten Büchern niemals zulassen würden.
57:42
So verstehe ich Modomiro als 1. Punkt. Als 2. Punkt würde ich sagen, kommt hier Time-Drop dazu. Der Autor muss aber erst mal neue Erzähltechniken entwickeln. Ich finde, das ist ein extrem wichtiger Punkt, der in dieser Session so ein bisschen in den Rand gedrängt wurde,
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aus dem einfachen Grund, weil wir nur eine Stunde haben, will sagen, natürlich passiert hier ganz viel von der Autorenschaft, von den Autorinnen und Autoren aus. Und wenn die anfangen, Geschichten so zu erzählen, dass sie die Medien, die man im Internet, im Digitalen überhaupt zur Verfügung hat, auch ausnutzen,
58:21
denn das über Buchlänge passiert, dann kann das Publikum überhaupt erst den nächsten Schritt geben. Vorher wird das relativ schwierig. Und das Interessante ist, dass es in der Buchwirtschaft so ist, dass es immer mehr Hit-driven wird, dass also aus wirtschaftlichen Gründen immer weniger Titel häufiger verkauft werden müssen,
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damit die Verlage, die heute existieren, überhaupt noch ihre Umsätze und Gewinne machen können. Und das würde für mich heißen, denn dieser nächste Schritt muss von großen, bekannten, prominenten Autoren gegangen werden. Die müssen anfangen zu experimentieren und die müssen anfangen, in ihre digitalen Werke diese neuen Erzähltechniken einzubauen.
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Und dann haben wir auch einen nächsten Schritt in dem, was das Zusammenwachsen von Betriebssystem Buch und Betriebssystem Netz geht. Und das Abschlusstweet, der, glaube ich, für sich selbst steht, mit dem wir dann auch die Veranstaltung beschließen wollen, der ist nochmal von Fabian Kern, der nämlich vollkommen richtig
59:20
diese absolute Zwischenzeit, in der wir gerade sind, auf den Punkt bringt, in dem er sagt, das Problem am digitalen Lesen ist, glaube ich, dass das Betriebssystem Buch noch eher Windows 3.11 ist als iOS 7. Vielen Dank für eure Diskussion.