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ARCH+ features 7: Andre Santer über Metropol Parasol von J. MAYER H.

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ARCH+ features 7: Andre Santer über Metropol Parasol von J. MAYER H.
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Ein Raum öffentlicher Ereignisse Im Sommer 2004 gewann der Berliner Architekt Jürgen Mayer H. einen internationalen Wettbewerb für die Plaza de la Encarnación im historischen Stadtkern von Sevilla. Das Projekt beinhaltet die Errichtung eines Bauensembles auf einem Grundstück, das seit dem Abriss der Hauptmarkthalle im Jahr 1973 brachlag. Riesige Bogengitterwerke bilden einen Baldachin, der eine Reihe von Einrichtungen überdacht und zudem mehrere weitläufige, begehbare Plattformen trägt. In einem Gespräch mit dem Architekten verglich Terence Riley die schwammartigen Formen des Entwurfs mit Pilzen. So ist neben dem in der Projektbeschreibung angesprochenen Bild von einem riesigen Sonnenschirm des Öfteren metaphorisch von einem öffentlichen Raum die Rede, der wie Pilze aus dem Boden schießt. Ferner wurden die kurvigen Konstruktionen als „spekulative Wolke“ beschrieben, ein Begriff, der sich auf die instabile Wirkung bezieht, die von dem scheinbar viskos fließenden Bauwerk ausgeht. Die Idee, ein Gebäude als Wolke zu gestalten, wurde bereits in den 1920er Jahren von Künstlern des russischen Konstruktivismus formuliert. El Lissitzky entwarf 1924-25 das berühmte Projekt Wolkenbügel, in dem die Architektur „an den Wolken aufgehangen“ werden sollte. Allerdings sollte dieser horizontale Wolkenkratzer eine geringstmögliche Bodenberührung haben und gewissermaßen aufgestelzt über dem Moskauer Nikitskije Worota Platz schweben. In Schäume, dem dritten Band der Sphären-Trilogie, unterstreicht der Philosoph Peter Sloterdijk die „antigrave Tendenz des Neuen Bauens“, in der sich „Sowjetmacht plus Levitation“ verbinde. Für El Lissitzky bedeutete zukunftsgeleitetes Denken, „die Überwindung des Fundaments und der Erdgebundenheit … [dies] verlangt die Überwindung der Schwerkraft an sich. Verlangt den schwebenden Körper, die physisch-dynamische Architektur.“ Ein ähnlicher Luftbau, ebenfalls von El Lissitzky, war die Tribüne für Lenin von 1924 (Proun Nr. 85), ein weiterer Iwan Leonidows Projekt von 1927 für das Lenin-Institut nebst Bibliothek in Moskau, ein weiterer die Fliegende Stadt, die Gregori Krutikow in seiner 1928 an der Kunsthochschule „Wchutein“ vorgelegten Dissertation präsentierte. Doch das Projekt Metropol Parasol ist nicht bloß ein weiteres Beispiel von „Air Architecture“, wie sie etwa in Yves Kleins atmosphärischer Architektur Gestalt annimmt, oder im von Diller + Scofidio für die Expo 02 am schweizerischen Neuenburgersee entworfenen Blur Building oder in sonstigen Anläufen der Baukunst, sich in die Luft zu erheben. Ziel des Projekts ist vielmehr auch die Gestaltung eines öffentlichen Raums. Der Entwurf für die Plaza de la Encarnación ist keine rein formale und technische Übung, sondern folgt konkreten funktionalen und urbanistischen Vorgaben.
Vorlesung/Konferenz
Vorlesung/Konferenz
Verlorene SchalungVorlesung/Konferenz
BaugeschichteVorlesung/Konferenz
BaugeschichteBauwerkGlockenturmGewölbeBauausführungVorlesung/Konferenz
Anschluss <Stahlbau>Vorlesung/Konferenz
Vorlesung/KonferenzComputeranimation
Vorlesung/Konferenz
Vorlesung/Konferenz
GebäudeMegastrukturRaumstrukturVorlesung/Konferenz
RaumstrukturVorlesung/Konferenz
PlatzRaumstrukturVorlesung/KonferenzInnenraum
PlatzBurgVorlesung/Konferenz
PlatzVorlesung/Konferenz
PlatzBesprechung/Interview
InfrastrukturVorlesung/Konferenz
AusstattungVorlesung/Konferenz
BebauungVorlesung/Konferenz
RückbauKlosteranlageMarkthallePlatzWellblechVorlesung/Konferenz
BaugrubeGarageTiefgarageVorlesung/Konferenz
DachVorlesung/Konferenz
Vorlesung/Konferenz
MarkthallePlatzBohrinselVorlesung/Konferenz
VerkehrsstraßeFreitreppePlatzVorlesung/Konferenz
BaugrubeVorlesung/Konferenz
ArchitektBaubetriebVorlesung/Konferenz
PlatzRaster <Bauwesen>GebäudeStadtVisualisierungVorlesung/Konferenz
GebäudeSchaleVorlesung/KonferenzFassadeGebäude
Stadt
Vorlesung/Konferenz
ZugluftVorlesung/Konferenz
PlatzIglesia de la Asunción <Sierra de Fuentes>GebäudeStadtVorlesung/Konferenz
PlatzStadtVisualisierungVorlesung/KonferenzGebäude
FreitreppePassageMarkthalleGebäudeVisualisierungStadt
GebäudeStadt
GewölbeInnenstadtPassageTreppePlatzVorlesung/KonferenzGebäude
PassageArchitektInnenraum
StützeAufzug <Fördermittel>Vorlesung/KonferenzInnenraum
PlatzSchiebfensterInnenraum
Vorlesung/KonferenzStadt
Transkript: German(automatisch erzeugt)
Ich freue mich sehr, dass wir im Rahmen der Atlas-Features-Beanstaltung heute Jirg-Mai-Ha und André Santa begrüßen können.
Ich denke, der Grund, warum wir das Projekt, das ja eigentlich schon sehr breit vorgestellt worden ist, diskutiert und publizierbar wurde, nochmal hier mit einer anderen Fokussierung vorgestellt haben,
ist, dass das Projekt uns auch eine Art von Ausblick gibt, wie man einen anderen Zugang zu der Frage der Repräsentation auf der architektonischen, auf der journalistischen und auf der politischen Planungsebene finden kann,
was anscheinend derzeit in Deutschland nicht möglich ist. Ich bin da extra hingefahren nach Sevilla, um mich von dem Projekt zu überzeugen, weil das ja auch in unterschiedlicher Weise diskutiert worden ist. Das ist ja auch zum Teil auch kontrovers diskutiert worden im Hinblick auf die Konstruktion,
auf das Material und so weiter und so fort. Aber was uns an dem Projekt wirklich im Kern interessiert hatte, war dieser Punkt, den ich angesprochen habe, dass das Projekt sich eigentlich sehr stark verortet. Das ist mit der lokalen Tradition der Stadt Sevilla,
dass dieser Ort sofort von der Bevölkerung angenommen worden ist für solche traditionsreichen Veranstaltungen wie die Sevilla de Santa, als auch für die Proteste, die dort als spanisch-fröhlichen durch die Presse gingen.
Also dass hier eigentlich ein Ort von extremer Öffentlichkeit entstanden ist, der in seiner Fremdheit erst mal vielleicht auch erschreckt.
Aber wenn man dann durch die Stadt läuft und sich mit der reichen Baugeschichte Sevillas auseinandersetzt, wenn man in die Kathedrale hineingeht und dort die modischen Konstruktionen anschaut, die mächtigen Pfeiler, die weite Gewölbe ermöglichen,
wenn man den berühmten Mirador, den Aussichts- und Glockenturm der Kathedrale in einer Spiralbewegung hinauf bewegt und die Aussicht auf die Stadt genießt, findet man in einem komischen, umgekehrten Degevue-Erlebnis,
wenn man zuvor dieses Bauwerk besucht hat, mitten in der Geschichte der Stadt Vida. Und das war das, was mich davon sehr fasziniert hat. Dass es eben auf den ersten Blick sehr fremdartig erscheint, aber sehr stark verwurzelt ist mit der Stadt.
Und ich denke, diese Fragen wird Andrés Santa, der sieben Jahre lang das Projekt geleitet hat, auch durch schwierige Phasen auch ansprechen, auch im Hinblick darauf, wie eine Bürgerschaft es heute mit ihren demokratischen Strukturen schaffen kann,
die Menschen einzubinden, wie solche Planungsinstrumente aussehen können, in der Einmündung, um so etwas dann auch zu ermöglichen. Ich freue mich sehr auf den Vortrag von Andrés Santa.
Und wir werden später, anschließend, auch noch die Gelegenheit haben, vielleicht einige dieser Themen zu vertiefen.
Ich weiß nicht genau, ob ich jetzt schon in meinem Vortrag auf diese Punkte, die Anne-Lynn angesprochen hat, direkt eingehen werde. Ich will das Projekt erst mal generell noch mal beschreiben mit auch die Geschichte,
wie das alles so entstanden ist. Daraus wird schon so einiges klar werden über diese Parallelen, die man in der Stadt findet, auch über den Prozess, über den Prozess, wie das Ganze entwickelt worden ist. Und ich denke, dass diese Fragen, die speziellen Fragen über den demokratischen Prozess
eher nach dem Vortrag in den Gespräch herausgestellt werden. Das Projekt hat uns relativ lange beschäftigt. Die Wettbewerbsentscheidung fiel im Juni 2004, also vor mehr als sieben Jahren. Während dieser Zeit hat sich die Welt außenrum relativ stark verändert.
Wie immer hat sich gezeigt, dass durch die sich verändernden Rahmenbedingungen natürlich auch neue Interpretationsspielräume eröffnet werden. Was mich persönlich nach dieser langen Realisierungszeit,
als die Gerüchte endlich abgebaut waren, am meisten an dem Projekt beeindruckt hat, war eigentlich nicht das Objekt, Gebäude, Skulptur, Tragwerk, Struktur, Megastruktur oder was immer das eigentlich ist, sondern einfach der Raum, den es auch im Dialog mit den bestehenden Gebäuden erzeugt.
Ich hatte den Eindruck, als ob sich das fertige Objekt zugunsten dieses Raumes zurücknahm, das hier sozusagen die Figur, den Grund, den Vorraum einräumt.
Es ist offensichtlich, dass bei unseren Projekten die Form nicht unbedingt der Funktion folgt und auch nicht der Konstruktion oder ein bestimmtes Material. Vielmehr sind das für uns nur Kriterien unter vielen anderen, die den Raum bestimmen und damit unser Handeln beeinflussen.
Wir schauen hier sozusagen direkt in den neuen Salon von Sevilla, die Plaza Mayor auf der großen Plaza de la Encarnación, den Platz der Fleischwerder mitten im Zentrum der Altstadt. Die Größe und Großzügigkeit des Raumes erinnern an eine offene Kathedrale.
Die Bilder der Semana Santa, der Osterwoche, zeigen, dass die Sevillanas sich in ihrem neuen Wohnzimmer anscheinend wohlfühlen. Hier fühlen sie sich auf eine ganz andere Art wohl.
Die sogenannte Spanische Revolution hat sich sofort nach der Fertigstellung an dieser Stelle versammelt und den Ort zur Plaza de la Indignación, dem Platz der Empörung, umbenannt. Er wurde bereits vor einem halben Jahr zum zentralen Identifikationspunkt
der sevillanischen Protestbewegung gegen die Auswirkungen der Herrschaft der globalen Finanzmärkte. Un espacio asambleario, nannten die in die spanischen Zeitungen, ein Ort, der zu Versammlungen auffordert. In unserem Büro ist daraufhin schon die etwas bewagte These aufgestellt worden.
Democracy follows form. Auf jeden Fall identifiziert sich hier spontan eine Generation auf der Suche nach einer Zukunft mit diesem Ort. Dabei ist dieser Platz das Resultat eines mühsamen und langwierigen, von Kontroversen durchzogenen Prozesses, den nur durch permanente politische und auch konstruktive Improvisation fertiggestellt werden konnte.
Man könnte sagen, das Projekt wurde dabei zur politischen Verhandlungsmasse zwischen allen Beteiligten. Es drohte als proyecto impossible, mehrfach zu scheitern.
Außerdem konnte sich in Sevilla niemand so genau vorstellen, was da am Ende in ihrer schönen Stadt eigentlich gelandet ist. Als klassisches Highlight der europäischen Kulturstätten im Wettbewerb um den internationalen Kultur-Tourismus musste Sevilla zu Beginn dieses Jahrtausends seine städtische Infrastruktur grundsätzlich erneuern.
Um der Angleichung durch globale Trends zu entgehen, versuchte die Stadt, ein historisches Potential mit neuesten Mitteln zu aktivieren. In Sevilla hatte sich dieser Trend zu einem politischen Programm der radikalen Erneuerungen aller städtischen Einrichtungen verdichtet.
Die baulichen Auswirkungen wurden und werden in der Bevölkerung widersprüchlich davon. Metropol Parasol befindet sich in der größtmöglichen Spannung zu der historischen Bebauung. Genau im geometrischen Zentrum der Altstadt, dem Kreuzungspunkt des römischen Cadum Becomanus,
einem geschichtsträchtigen Areal. Nach dem Abriss einer mittelalterlichen Klustereinlage stand dort ab Mitte des 19. Jahrhunderts die zentrale Markthalle Sevillas. Sie wurde 1973 aus konstruktiven Gründen ebenfalls abgerissen
und der Markt in ein weltweiches Provisorium an den Platzrand verbannt. Fast zehn Jahre lang gibt der Ort einen Parkplatz bis unter zunehmendem politischen Umdruck 1982 an dieser letzten offenen Stelle der dichten Altstadt ein neues Marktprojekt mit Tiefgarage geworden wurde.
In der Baugrube fand man 2000 Jahre alte archäologische Funde aus dem Alltagsleben der Sevillaner. Das Projekt wurde gestoppt und das Gelände zum Ausgrabungsfeld. Erst ca. 20 Jahre später, im Jahr 2003,
beschloss die Stadt einen zweistufigen internationalen Ideenwettbewerb mit Bürgerbeteiligung per Internetforum durchzuführen. Zu dieser Zeit warteten die Markthändler bereits 35 Jahre auf ein neues Marktgebäude. Prämisse des Wettbewerbes waren, im Zentrum der Altstadt einen städtebaulichen Höhepunkt zu schaffen
und damit die angrenzenden Altstadtviertel im Rahmen eines übergeordneten Verbindungsnetzes der Kulturstätten Sevillas neu zu aktivieren. Dabei sollte die neue Markthalle und ein archäologisches Museum integriert werden.
Das Wettbewerbsprojekt schmiegt sich an die vorhandenen Seitentaschen des Platzes an und ist auf vier durchlässig angelegten und kontinuierlich miteinander verflochtenen Ebenen entwickelt. Die archäologischen Funde mit Besichtigungsplattform als unterste Ebene,
die Markts- und Gewerbeebene auf Straßenniveau mit den angrenzenden Platzbereichen, die Veranstaltungsebene über dem Markt, die über große Freiträten erreicht wird für Veranstaltungen wie z.B. Flamenco-Festivals
und die Parasolle als dominantes Element mit Panoramawegen und einem Restaurant. An dieser Stelle waren wir zum ersten Mal über die südspanische Mentalität etwas erstaunt.
Sie schwang zwischen traditionalistischem Ableben und geradezu evangelistischem Mut. Das Ergebnis des Ideenwettbewerbs sollte sofort realisiert werden. Es war natürlich klar, dass so ein Projekt in einem anderen europäischen Land und insbesondere in Deutschland nicht gebaut worden wäre.
Nach dieser Entscheidung begann man nach dem Prinzip der verendeten Tatsachen sofort mit sogenannten Notfallbauarbeiten zur Sicherung der Bauprobe. Im weiteren Verlauf wurde das Projekt komplett im Rahmen eines Public-Private-Partnership-Vertrages inklusive uns, d.h. die Architekten und die Bauleitung,
an die große spanische Baufirma Azazit Baigelmoso als Konfessionär verkauft. Für die Realisierung natürlich eine denkbar schwierige Konstellation voller Interessenskonflikte. Da wir die Chance hatten, den gesamten Platz zu gestalten,
wurden alle Bestandteile der Platzoberfläche in das Projekt einbezogen und einer formalen Grammatik unterworfen. Sozusagen als zeitgenössische Reflexion zur Sprache der archäologischen Funde unter der Erdoberfläche wurde eine Pixelmatrix als Grundlage gewählt, um die städtische Oberfläche zu formen.
Die Pixel konnten schrumpfen, wachsen, sich verbinden, sich konkaft oder konvext auf- oder abwölben oder aufbrechen, um die Parasäule zu bilden. So entstand eine elastische Deformierung der städtischen Oberfläche mit kontinuierlichen Übergängen zwischen allen ihren Bestandteilen.
Der kreative Code ermöglichte einen durchgängigen Dialog mit der bestehenden Umgebung, unabhängig von Strategien wie Kontrast oder Anpassung. Die formale Freiheit, die beim Entwurf beansprucht wurde, verlangte bei der Realisierung natürlich einen erheblichen planerischen
und herstellungstechnischen Aufwand, der nur mit neuesten digitalen Planungs- und Fertigungstechnologien zu bewältigen war. Letztendlich haben wirtschaftliche und politische Überlegungen zu der Entscheidung geführt, eine Struktur aus Furnierschichtholz mit einer polyurethanen Spritzbeschichtung zu wählen,
eine Technik, die wir bereits für die Mensa in Karlsruhe entwickelt hatten, um ein formal relativ freies und gleichzeitig materiell einheitliches Gebäude zu realisieren. Die Herausforderung für die Ingenieure bestand darin, eine komplexe dreidimensionale Holzgetterschale in einem Maßstabsbereich zu entwickeln,
für den keine Vorbilder existierten. Ca. 150 Meter Länge, ca. 75 Meter Breite und ca. 30 Meter Höhe. Auf die extrem komplizierte Entwicklung, Herstellung und Montage des Tragwerkes will ich jetzt nicht weiter eingehen, nur ganz schnell einen Blick auf diese innovative Verbindungstechnik
mit in die Holzquerschnitte eingeklehten Stahlstammeln. Wegen der Rundtemperaturen in Sevilla musste extra eine spezielle Klebtechnik entwickelt werden. Unerwartete Probleme bei der Entwicklung des Tragwerkes, neue archäologische Funde und natürlich die Finanzkrise
führten zu erheblichen Verzögerungen und Finanzierungsproblemen, die mehrmals die politische Unterstützung für das Projekt gefährdeten. Trotz dieser angespannten Lage wurde z.B. ein Baukran wegen seiner profanen Erscheinung für den Durchzug einer kräglichen Prozession für einen Tag abgebaut.
Solche Situationen ließen manchmal den Eindruck des Irrealen entstehen, der bei diesem Projekt paradoxerweise besonders in der konkreten Realisierungsphase aufkam. Heute wird man aus der dichten Altstadt kommend mit solchen Blicken
auf Teile der Parasolen empfangen. Fast überall auf dem Platz ist es wegen dem geringen Abstand zu bestehenden Baum schwierig, alles auf einmal zu sehen. Nur an der Südseite öffnet sich der Platz für den alten Baumgestand
und die mittelalterliche Iglesia de la Anunciazion, die hier ganz rechts auf dem Bild zu sehen ist. In Verbindung mit dem überall durchlaufenden Granitbelag wurden die verschiedenen Elemente des Platzes zu einer großen Einheit zusammengezogen. Dabei würde auch die ehemalige Straße imachen, die von der Parasolstruktur überquert wird,
in die Platzoberfläche integriert. Große Freitreppen führen zu der erhöhten Plaza Mayor in 5 m Höhe über dem Straßenniveau. Darunter erreicht man die neue Markthalle, Läden, Restaurants und Tapas-Bars durch eine interne Passage, die den südlichen mit dem nördlichen Platzteil verbindet.
Die Parasolstruktur ist typologisch nicht besetzt und hat dadurch den großen Vorteil, ein weites Feld an Liesarten zu eröffnen. Pilze, Sonnenschirme, Landschaft, Wolke. Auf jeden Fall stellt sie eine völlig neue und mehrdeutige skulpturale architektonische Identität in Sevilla dar.
Ohne besondere Anstrengungen bieten sich aber auch Chanel-Assoziationen zu traditionell sevillanischen Elementen an. Alte Baumstrukturen in der Innenstadt oder die Gewölbe der Kathedrale.
Das sich ständig verändernde Schattenspiegel im Verlauf des Tages und der Jahreszeiten fordert zum Beobachten und zu verschiedenen anderen Aktivitäten auf. Von der Nordwestecke des Platzes führt eine breite Treppe abwärts zu einer weiteren unterirdischen Passage mit Blickverbindung zu den Parasolen.
Sie führt zu den archäologischen Ausgrabungen in das sogenannte Antiquarium, dem archäologischen Museum, dessen innere Gestaltung an einen sevillanischen Architekten beauftragt wurde. Lediglich die Betonfüße der Parasole und die schwarzen, v-förmigen Stutzen einer 70 Meter weit spannenden Stahlrahmenkonstruktion
berühren diese historische Oberfläche so wenig wie möglich. Mit Aufzügen in den Parasolkernen gelangen wir von der untersten Ebene direkt auf die oberste,
wo die städtische Landschaft sich an der Oberseite der Parasole fortsetzt. Auf- und absteigende Rundwege mit einer Aussichtsplattform auf 30 Meter Höhe bieten imposante Ausblicke auf die gesamte Stadt. Schon in der ersten Woche nach der Eröffnung wurden ca. 20.000 Besucher gezählt.
Nach dem Prinzip der elastischen Verformung wird die Parasolstruktur ausgehöhlt und öffnen sich mit Panoramafenstern für ein Restaurant mit 300 Plätzen. Die letzten Regionalwahlen im Mai 2011 brachten einen Regierungswechsel in Sevilla.
Der neue konservative Bürgermeister hat bereits die komplette Umkehr aller städtebaulichen Programme und Projekte seines sozialistischen Vorgängers angekündigt. Zwischen all dem scheint das glücklicherweise gerade noch rechtzeitig fertiggestellte Projekt mit Rupul Parasol
wie ein provokativer Motor für den Wandel zu wirken. Wahrscheinlich, weil es nicht aufhört, Fragen nach der Zukunft zu stellen.