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#rp15 revisited: Friedemann Karig im DCTP.TV-Interview

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Formal Metadata

Title
#rp15 revisited: Friedemann Karig im DCTP.TV-Interview
Title of Series
Part Number
113
Number of Parts
177
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License
CC Attribution 3.0 Unported:
You are free to use, adapt and copy, distribute and transmit the work or content in adapted or unchanged form for any legal purpose as long as the work is attributed to the author in the manner specified by the author or licensor.
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Release Date
Language
Production PlaceBerlin

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Abstract
Unser Medienpartner DCTP.TV hat verschiedene Speaker während der re:publica 2015 zu ihren Themen interviewt. Anlässlich der Session "Die Abschaffung der Wahrheit" auf der MEDIA CONVENTION Berlin spricht Philip Banse mit Friedemann Karig.
Meeting/Interview
GoogleInternetTheoryFacebookMeeting/Interview
InternetMeeting/Interview
TheoryGoogleMeeting/Interview
TheoryMeeting/Interview
Newton's law of universal gravitationInternetSound <Multimedia>Numerisches GitterMittelungsverfahrenMeeting/Interview
Mach's principleBusiness reportingMeeting/Interview
Meeting/Interview
InformationMeeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
TheoryZusammenhang <Mathematik>Meeting/Interview
Zusammenhang <Mathematik>Moment (mathematics)Default (computer science)Meeting/InterviewLecture/Conference
ArmInstanz <Informatik>Meeting/Interview
LinieMeeting/Interview
QuoteSet (mathematics)Meeting/Interview
InformationProcess (computing)Meeting/Interview
MittelungsverfahrenMeeting/Interview
Direction (geometry)Meeting/Interview
Meeting/Interview
Hacker (term)Meeting/Interview
Insertion lossInequality (mathematics)Meeting/Interview
Total S.A.Plane (geometry)Hausdorff spaceDesire pathMeeting/Interview
Bewegtes BildMeeting/Interview
Group actionMeeting/Interview
ParallelenMeeting/Interview
Data typeGroup actionMeeting/Interview
Sound effectTOUR <Programm>Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Direction (geometry)Meeting/Interview
Moment (mathematics)Perspective (visual)Meeting/Interview
Johann Peter HebelMassMeeting/Interview
Johann Peter HebelState of matterMeeting/Interview
Physical quantityYouTubeMeeting/Interview
Meeting/Interview
Transcript: German(auto-generated)
Herzlich willkommen DCTP TV von der Republika. Mein Name ist Philipp Banzer und mein nächster Gast ist Friedemann Karich. Ganz herzlich willkommen, Friedemann. Hi Philipp. Wir haben ja so in den letzten Monaten sehr viel diskutiert über das Wort Lügenpresse, um ja im Rahmen auch der Pegida Verschwörungstheorien, die Medien würden manipulieren. Du erhältst
hier auf der Republika einen Vortrag zum Begriff Wahrheit versus Lügenpresse. Wie ist denn so deine Herangehensweise? Was hast du dir da rausgenommen? Also ich habe mich grundsätzlich gefragt, weil die Republika ja doch eine Netzkonferenz ist, was hat das Internet eigentlich damit zu tun? Also man hat ja immer so zumindest
gefühlt den Eindruck, dass das Netz schon diese Verschwörungstheorien, also zumindest die klassischen, schon erstmal so befördert, dass zum Beispiel auf Facebook, was die Impfgegner da machen, dass das für die so eine Echo-Kammer ist, dass das irgendwie viral geht und dann weiter Pegida, dass die sich sehr stark auch übers Internet eben organisiert haben und dass viel dieser ja schon übertriebenen Medienkritik irgendwo
aus dem Internet kommt. Und andererseits dachten wir ja auch eigentlich lange, wir Netzmenschen sozusagen, das Internet ist so ein Medium der Aufklärung, also Wikipedia und Google und was es da alles gibt. Und dann ist eben so die Frage, was ist jetzt das Internet eigentlich? Ist es jetzt befördert, ist jetzt eher diese Lüge und diese komischen Theorien oder doch eher die Wahrheit?
Und was ist dein Punkt? Ein klares Ja. Beides. Philipp, wie immer bei so zugespitzten Fragen gibt es natürlich nur eine Antwort, die lautet Ja. Es ist natürlich irgendwie ambivalent. Es befördert beides, Wahrheit und Lüge. Aber man kann schon mal genauer hinschauen, was denn Verschwörungstheorien zum Beispiel eigentlich sind und warum die im
Internet vielleicht ein bisschen mehr prosperieren. Denn Verschwörungstheorien sind ja als allererstes Mal heterodoxes Wissen im Gegensatz zu dem orthodoxen Wissen, worauf wir uns alle geeinigt haben, ist das Wissen, was noch nicht von der Mehrheit anerkannt ist. Mit Betonung auf noch, weil es gibt ja durchaus Verschwörungstheorien, Stichwort NSA, die werden dann irgendwann wahr. Und deswegen ist auch die Frage, finden wir das vielleicht gar nicht so
schlecht, dass man über Google alle möglichen Theorien findet, um sie dann nachher wieder an der Wirklichkeit zu überprüfen? Es gibt ja auch die, sagen wir mal, auch an der Praxis gestellte Theorie, dass die einen sagen, ja, es gibt einerseits diese wilden Behauptungen und Verschwörungen und nicht auf faktenbasierenden Theorien und
Verschwörungstheorien, aber es gibt eben auch denjenigen Raum, die dagegen argumentieren, gerade rücken, ja, und dass beispielsweise auch so Fehler, wie sie in den Medien ja offensichtlich passiert sind, unzweifelhaft eben auch ans Licht zerren und auch eine heilsame Wirkung vielleicht ausüben. Also dass sich das die Waage hält und ausgleicht, dass die Diskussion nur lauter viel stimmiger geworden ist,
aber im Prinzip die Kräfteverhältnisse schon gleich geblieben sind. Ja, das ist eine gute Frage und auf jeden Fall ein wichtiger Punkt. Ich glaube auch, die Sichtbarkeit hat sich natürlich erhöht. Der Ton ist auch rauer geworden. Das beobachten wir ja in allen möglichen Debatten, die online geführt werden, was manchmal unangenehm ist, aber manchmal vielleicht auch gar
nicht schlecht, weil es die Themen so ein bisschen vorantreibt. Und natürlich hat da eine Ermächtigung stattgefunden des gemeinen Users sozusagen, der jetzt selber ein bisschen besser recherchieren kann, der Sachen überprüfen kann. Es gibt ja so Bewegungen wie Open Data, wo eben jeder einzelne Bürger theoretisch nachschauen kann. Was sagen denn eigentlich die Daten? Und es gibt natürlich schon Punkte, wo Medienkritik total berechtigt
ist, beziehungsweise wo dann der Schwarm oder das Netz oder wie man auch immer es nennen will, dann den Job der Journalisten macht. Denken wir an Guttenberg. Das wäre natürlich vor dem Internet nicht möglich gewesen, dessen Lüge in seiner Doktorarbeit und die Lügen, die danach kamen, zu entlarven. Das geht natürlich nur mit den Mitteln des Netzes. Mach doch mal ein Beispiel.
Pegida-Verschwörungstheorie. Da gibt es sozusagen im Rahmen von Pegida oft die Argumentation, die Medien würden nur die Hälfte berichten, würden bewusst Unwahrheiten in die Welt setzen. Diese Argumentation wurde befeuert durch gravierende handwerkliche Fehler von Medien, von RTL, wo sich dann ein
Reporter getarnt hat und als angeblicher Pegida-Teilnehmer Interviews gegeben hat. Dergleichen im Rahmen gab es die Berichterstattung unter der Tagesschau von dem Charlie Hebdo Trauermarsch in Paris. Wir haben noch ein kleines Foto, wo die Tagesschau das so dargestellt hat zunächst, als würden die Staatschefs direkt zusammen mit
den Millionen durch Paris ziehen. Später hat sich herausgestellt, nein, die Staatschefs sind in einer Parallelstraße, mehr oder weniger alleine und bewacht gezogen. Die Millionen waren woanders. Das kam aber erst später raus. Das sind ja handwerkliche Fehler. Inwieweit, sagen wir mal, fördern die diese Verschwörungstheorie? Ja, was du sagst, ist völlig richtig. Es ist auch richtig und wichtig, dass diese handwerklichen
Fehler kritisiert werden und dass das transparent gemacht wird. Und da können wir alle froh sein, dass wir in einem Zeitalter leben, wo eben die Medien nicht von oben Sakros Sankt diesen Diskurs beherrschen konnten, sondern wo man auch ganz genau hinschauen muss. Zum Beispiel in der Ukraine-Krise. Inwieweit sind auch die Medien voreingenommen? Inwieweit suchen die auch immer nur Informationen, die ihren Standpunkt bestätigen?
In den Medien arbeiten Menschen wie du und ich. Natürlich machen die Fehler. Gefährlich wird es und da ist der Begriff schon richtig. Wenn es zur Verschwörungstheorie wird. Und das steckt ja in diesem Wort Lügenpresse. Pegida sagt ja in dem Wort Lügenpresse, dass alle Medien konzertiert, gesteuert die Bevölkerung belügen. Und das ist erstens eine astreine Verschwörungstheorie.
Zweitens wissen wir alle, dass es nicht stimmt. Und drittens und da gräbt es auch ein demokratisches Prinzip, was wir haben, nämlich das der freien Presse, dass wir versuchen, eine freie Presse zu haben, dass wir das fördern, dass wir die Presse und Meinungsfreiheit fördern, dass wir ihr aber auch glauben, dass wir grundsätzlich glauben, dass Journalisten versuchen, ihren Job gut zu machen. Wenn man das sabotiert durch diesen Begriff der Lügenpresse, durch diese Ideologie, dass die ja sowieso alle nur
von oben gesteuert werden, dann wird es antidemokratisch. Und da finde ich, da muss man schon sehr, sehr genau hinschauen und auch dagegen dann argumentieren. Das Entscheidende ist also dieser Schritt, Fehler legitimerweise zu offenzulegen und zu kritisieren. Und der nächste Schritt ist dann, diese Fehler
zusammenzusetzen zu einer Theorie der absichtsvollen Irreführung, der konzertierten Lügenpresse. Genau. Ist das nicht eine logische Folge, dass die Leute versuchen, sich rein auf eine komplexe Welt zu machen und da ist ein Fehler, die Tagesschau macht einen Fehler, RTL macht einen Fehler und die Süddeutsche und so und hier. Und immer schneiden wir irgendwie schlecht ab.
Und wir haben auch ein Problem, um das ganze Welt uns zu erklären, machen wir daraus eine Theorie? Ist das nicht eine völlig nachvollziehbare und logische Konsequenz? Total. Wir machen ja nichts anderes. Wir suchen ja auch Erklärungen und große Zusammenhänge. Und wenn dann 9-11 Flugzeuge in Hochhäuser fliegen und Tausende Menschen sterben, dann brauchen wir dringend eine Erklärung dafür, weil wir diese Welt
sonst nicht verstehen, weil sie auch sehr, sehr komplex geworden ist und weil wir sehr viel glauben müssen, ohne zu wissen. Wir leben ja eigentlich in einer Glaubensgesellschaft. Wir können das ja alles gar nicht wissen. Und dann gibt es verschiedene Erklärungen, die uns angeboten werden und völlig richtig. Manche machen sich dann eben in anderen Reihen drauf als andere. Wir müssen, glaube ich, nur vorsichtig sein gegenüber diesem Superwissen, wie ich es nennen würde.
Also es gibt Wissen und Erklärungen. Und dann gibt es Narrative, Geschichten, Theorien, eben Verschwörungstheorien, die vermeintlich alles erklären und die sind dann hyper rational und die vereinfachen sehr stark. Und da gibt es ganz klare Schema davon, gut und böse. Da springen natürlich Menschen drauf an. Das ist genau das, was wir Menschen brauchen. Das sind ja auch gewissermaßen Ersatzreligionen, weil dieses Gott, Satan, gut, böse Schema
haben wir ja nicht mehr. Und deswegen sind es dann, weiß ich nicht, die Bilderberger oder die Juden oder im Mittelalter die Hexen. Also das ist natürlich gefährlich, weil es sich sehr, sehr schnell zu so einem Wir-gegen-die-Ding wandelt. Und das ist natürlich, da muss man natürlich einschreiten. Auf der anderen Seite der Hammerbegriff. Also auf der einen Seite ist es Lügenpresse. Auf der anderen Seite finde ich, ist es Wahrheit.
Also dass Journalisten daherkommen und sagen, hier gibt es die Wahrheit. Und du führst diesen Begriff ja auch in deinem Vortragstitel an. Was verstehst du denn im Journalisten Zusammenhang unter Wahrheit? Ja, es gibt eine super Metapher von Bernhard Perxon. Er hat mal gesagt, es gibt keine epistemologische Also keine Schweiz der Beobachtung,
wo man lebt und man ist völlig neutral und schaut auf die Welt. Alles, was man wahrnimmt, ist gleichzeitig Wahrheit. Davon muss man sich natürlich lösen. Das ist eine Reflektion, die wir alle irgendwie betreiben müssen. Man ist immer von seinen eigenen Voreinstellungen eingenommen und man hat immer nur einen begrenzten Wahrnehmungsapparat. Wir können ja, keiner von uns kann die ganze Welt wirklich so komplex wahrnehmen,
wie sie ist. Keiner hat die perfekte Kausalität. Keiner hat die perfekte Erklärung. Ich glaube aber trotzdem, bei aller Kritik oder Reflektion an diesem Wahrheitsbegriff, was auch richtig ist, man darf auch nicht zu radikal werden. Die Konstruktivisten würden dann sagen, wir schaffen den Wahrheitsbegriff ab, weil der ist sowieso defizitär. Ich glaube, der Mensch braucht schon ein Stück weit einen Konsens, eine Wirklichkeit, auf die wir uns jetzt einigen,
um produktiv zu sein. Ich glaube, wir saßen immer noch auf den Bäumen, wenn wir uns nicht irgendwann mal geeinigt hätten, dass es vielleicht besser wäre, runterzugehen und sich zu zivilisieren. Also da braucht man einen Grundkonsens und vor allem hat es auch eine ethische Dimension. Wenn wir sagen, so wie die Welt jetzt ist, ist sie zwar ganz in Ordnung, aber wir wollen sie gerne verbessern, dann müssen wir uns erst mal darauf einigen,
was ist denn jetzt gerade die Welt und was ist denn ein Besser? Und dann sind wir sofort bei einem Wahrheitsbegriff. Den können wir ja relational begreifen, den können wir ja als eine Norm begreifen, die wir immer wieder verändern können. Nach Karl Popper, immer die letzte falsifizierbare These ist dann die Wahrheit. Da können wir ja kleine Fußnoten einbauen, aber wir müssen eben gegenüber den Leuten, die versuchen, die Wahrheit grundsätzlich zu sabotieren,
müssen wir doch in dem Moment dann stark sein und sagen, nein, wir einigen uns auf gewisse Werte und auf gewisse Vorstellungen der Welt. Was ist denn jetzt daraus die Lehre für, sagen wir mal, für uns, für die Medien? Ja, das ist immer schwierig. Ich versuche das auch im Vortrag in den letzten fünf Minuten wenigstens noch anzuschneiden. Ich habe vielleicht einen Punkt.
Ich glaube, wir haben verlernt zu sagen, ich weiß nicht. Ich glaube, wir sind wahnsinnig konditioniert durch die verschiedenen Instanzen, die wir durchlaufen. Schule, Ausbildung, Universität, später Beruf. Da wird uns so ein bisschen abtrainiert, auch mal fröhlich zu sagen, ich weiß es einfach nicht. Es gibt Studien, da werden Kinder gefragt, welche Farbe ist schwerer, gelb oder rot? Und schon Kinder sind schon so weit,
dass sie dann nicht sagen, was ist das für eine bescheuerte Frage oder ich weiß es nicht, sondern sie sagen gelb, weil gelb ist meine Lieblingsfarbe. Die reagieren also ganz klar nach ihren Präferenzen und geben eine Antwort, die eigentlich überhaupt keinen Sinn macht, nur um nicht zu sagen, ich weiß nicht. Vielleicht ist das ein erster Schritt, dass die Medien, aber auch jeder Bürger an sich, vielleicht ab und zu auch mal sagt, da gibt es eine Erscheinung,
da ist was passiert und wir können es noch nicht ganz erklären. Wir wissen es nicht und vielleicht macht das auch den Menschen Mut, die immer das ganz große Superwissen suchen und die ganz große Supertheorie, auch einfach mal diese Unsicherheit mal zum Armen und zu sagen, ich weiß es einfach nicht. Und was bedeutet das für, sagen wir mal, Bürger, Menschen, die Medien rezipieren in erster Linie, schon auch mal ihre Kommentare irgendwo abgeben,
aber schon in erster Linie Konsumenten sind von Medien? Ja, ich glaube skeptisch bleiben ist ganz wichtig. Also ich lieber einmal zu viel die Medien kritisieren als zu wenig, weil das macht sie besser. Das wissen wir ja als Journalisten. Im Endeffekt ist man ja froh drum, wenn einem jemand was nachweist und man kann irgendwie dann die Argumentation verbessern.
Das muss ich natürlich jetzt sagen. Nein, aber für die Bürger an sich, also Vorsicht vor solchen Supererklärungen. Vorsicht, wenn jemand, es ist immer das beste Zeichen, das Misstrauen angebracht ist, wenn jemand sagt, ich habe die absolute Wahrheit und alle anderen lügen, dann kann man eigentlich sicher sein, dass er nicht so ganz richtig liegt. Haben die Medien jetzt was gelernt aus diesen Fehlern,
die ihnen da in der Vergangenheit ziemlich extrem aufs Brot geschmiert wurden? Ich würde sagen ja. Die Frage ist, wie viel? Ich glaube, dass sich gerade die öffentlich-rechtlichen Medien, gerade die ARD und ZDF unheimlich viel Gedanken machen und dass da intern schon so ein gewisses Bewusstsein wächst, dass man da unheimlich aufpassen muss und dass die Menge da draußen eben sehr, sehr kritisch mit Dingen umgeht
und dass eben, wie du es vorhin ausgeführt hast, schon kleine Fehler dann wieder ein ganz großes Narrativ geben können. Ich glaube schon, dass die Medien was lernen, aber die Medien sind natürlich auch träger und gerade jetzt in der sogenannten Medienkrise unheimlich unter Druck. Das merkt man ja. Da müssen alle Auflage und Quote liefern und das widerspricht natürlich so einem Selbstreinigungsprozess. Was ist denn noch so ein Gedanke,
den du in deinem Vortrag ausführst, den wir jetzt noch nicht angesprochen haben? Ich spreche in meinem Vortrag schon auch über Propaganda, weil Propaganda würde ich jetzt mal aufbauen und auf den Verschwörungstheorien definieren als instrumentalisierte Verschwörungstheorien, also im Sinne einer Ideologie. Und da passieren momentan schon auch spannende oder besorgniserregende Sachen. Propaganda gibt es schon ganz, ganz lange.
Das kennen wir auch aus den letzten Kriegen und jetzt in der Ukraine-Krise ist es auch ein ganz großer Propagandakrieg. Was man schon als neu bestimmen muss, ist der russische Versuch und das muss man leider so klar lokalisieren, eben nicht nur eine alternative Wahrheit anzubieten, zu sagen, ihr seid böse und wir sind gut, im Gegensatz zu der Sicht, die wir vielleicht haben,
sondern den Wahrheitsbegriff eben an sich irgendwo zu sabotieren. Wir versuchen schon ganz explizit Informationen als Waffe zu benutzen, um uns zu verunsichern, um genau diese Medienkritikprozesse noch anzustrengen, damit wir irgendwann hier sitzen und sagen, also jetzt wissen wir auch nicht mehr Bescheid, was war und was falsch ist. Und dagegen müssen wir uns auf jeden Fall wehren. Und A, die Frage erst mal, bevor wir darüber reden,
wie man sich da wehren kann, aber erst mal die Frage, gib mal ein Beispiel. Kannst du so ein Beispiel geben von Propaganda, die genau das versucht und ein paar Mittel benennen? Ja, ein Hebel, den Sie versuchen, ist die gezielte Verwirrung von Begriffen. Zum Beispiel ist die Regierung in Kiew, die ukrainische Regierung, wie auch immer man zu ihr stehen mag und wie demokratisch man auch immer sie finden mag.
Für die russische Propaganda ist es die Nazi-Hunter. Da merkt man schon, das sind Begriffe, die eigentlich nicht passen und die das ganz stark in eine Richtung schieben. Oder alle, die online eine andere Meinung vertreten, haben nicht nur eine andere Meinung, sondern sind Trolle. Das heißt, sie sind aggressive Diskurszerstörer. Ist wieder eine Verwirrung der Begriffe. Andererseits ist Putin
nicht einfach nur gut oder im Recht, sondern er ist ein großer demokratisch gewählter Staatsmann, der nur den Frieden will. Daran merkt man schon, da werden Begriffe irgendwo auch entwertet. Und uns macht es natürlich schwer, dagegen zu argumentieren, wenn die andere Seite unsere Begriffe so missbraucht. Und das ist natürlich ganz, ganz schwer, dagegen vorzugehen. Gerade wenn, wie wir zuletzt gelernt haben,
das gezielt durch eine Trollarmee sozusagen online vorangetrieben wird. Und was ist dein Rezept? Wie kann man darauf reagieren? Also als erstes, indem wir uns das klar machen und dass wir, wie ich vorhin gesagt habe, unseren Wahrheitsbegriff zwar überdenken und reflektieren, aber am Ende des Tages doch auch dazu stehen und den verteidigen und uns nicht total verunsichern lassen,
dass es eine Wahrheit geben könnte. Wir müssen immer wieder sagen, wir haben diese Wahrheit, sie ist vielleicht nicht die beste, aber es ist so weit, wissen wir jetzt Bescheid. Und die lassen wir uns in dem Sinne auch nicht kaputt machen. Wir können über alles diskutieren, aber wir müssen auf einer gewissen Grundlage diskutieren. Jan Böhmermann hat ja so einen ganz coolen Hack gemacht, wie ich fand. Da ging es um den Stinkefinger
des griechischen Finanzministers, den er vor langen Jahren mal in einem Vortrag, sagen wir mal, sich selbst wiedergebend mit einer Aussage, die noch weiter zurückliegt, sozusagen gezeigt hat.
Und dann war die Empörung groß und Jan Böhmermann hat dann so ein Video veröffentlicht, in dem er behauptet, ah, wir haben das gemacht. Wir haben sozusagen das hin montiert. Dann kam man aber raus, nein, der Fake ist auch ein Fake. Wie fandest du das? Witzigerweise ganz zufällig saß ich in der Aufzeichnung.
Es war gleich ein Dienstag oder ein Mittwoch Abend, also einen Tag, bevor sie dann ausgestrahlt wird. Und ich fand das sehr gut. Ich fand das sehr unterhaltsam, muss ich sagen. Das ist ja vom ästhetischen Standpunkt her und handwerklich immer sehr, sehr gut gemacht, was die Jungs da machen. Dass das so weite Wellen schlägt, hätte, glaube ich, niemand gedacht und hätten die, glaube ich, selber nicht gedacht.
Aber es zeigt ja eine Sache ganz schön. Ursprünglich ging das Ganze ja von der Redaktion von Günther Jauch aus, die dieses Video genommen haben und das in einen Kontext gesetzt haben und den Mann überraschend damit so konfrontiert haben, dass er wirklich maximal schlecht aussah. Und die, wie Jan Böhmermann es auch gesagt haben, der deutschen Mutti und dem deutschen Vati zu Hause nach dem Tatort auf dem Sofa nochmal so eine richtige Aufreger gegeben haben,
dass der böse Grieche das Geld klauen will. Was natürlich dann Böhmermann und Co. gemacht haben, war, erstens das eben ad absurdum zu führen und aufzuzeigen, im Endeffekt, wie nah an einer Lüge es schon sein kann, wenn man nur etwas aus dem Kontext reißt und wieder in einen anderen Kontext setzt. Das ist die erste Ebene.
Und die zweite Ebene sind, glaube ich, ein paar Leute, und da würde ich mich auch nicht ganz ausnehmen, sehr, sehr gerne darauf eingestiegen, auf die neue Geschichte, die sich dann auch als Fake herausgestellt hat, dass die wirklich dieses Video gefaked haben und die Günther Jauch-Redaktion auf einen totalen Fake reingefallen ist. Also sie haben auch ein bisschen den Spiegel vorgehalten, dem als erstes mit der Medienkritik da sind und sagen, ach, das war ja klar, dass das gefälscht ist,
und der arme Finanzminister. Insgesamt, glaube ich, kann man daraus lernen, dass heute, wo Lüge und Wahrheit so nah beieinander liegen und wo zum Beispiel Bewegtbild, was man daran auch lernen kann, nicht mehr fälschungssicher ist, nicht mehr 100 Prozent fälschungssicher ist, dass man sehr, sehr vorsichtig sein muss mit schnellen Anschuldigungen. Dass Demut immer ein guter Ratgeber ist, vielleicht noch mal einen Schritt zurückzutreten und zu sagen,
wer weiß, was morgen wahr ist, ich lehne mich mal nicht zu weit aus dem Fenster. War die Aktion von Jauch auch Propaganda? Das ist eine gute Frage. Ich würde sagen, sie kratzt an der Grenze. Da wurde ein Narrativ oder ein Standpunkt bedient, dieser anti-griechische Standpunkt,
der ja auch in der Bildzeitung gerade in ganz klare Hetze umschlägt, der wurde mit diesem rekontextualisierten Stinkefinger-Video schon so weit bedient, das definiere Propaganda. Propaganda bedeutet immer, wir stellen uns über die anderen. Das ist eine ganz klare Dichotomisierung, ganz klare wir und die anderen, und eine Aufwertung des Selbst und eine Abwertung der anderen.
Und da könnte man über Bande schon von Propaganda sprechen. Ich würde auf jeden Fall sagen, dass es einen journalistischen Ethos, so wie ich ihn verstehe, definitiv verletzt hat. Weil es gibt ja so ein paar Parallelen. Also was ja schon bemerkenswert ist und finde ich unbestreitbares Phänomen ist, dass Medien in Deutschland zu einem bestimmten Sachverhalt
gemeinsam eine sehr entscheidende Position einnehmen. Griechenland ist das, wo über verschiedene Medien hinweg, ich sage nicht alle, aber schon ein paar große Medien, in dieser Geschichte einen ganz klaren,
meinungsbehafteten Standpunkt haben und vertreten. Beim ehemaligen Bundespräsidenten war es auch so, dass viele Medien der Meinung waren und da auch überhaupt keine Heer gemacht haben, der Mann muss weg, der ist untragbar. Jetzt gibt es keine Hinweise darauf, dass die Chefredakteure sich zusammengesetzt haben und gesagt haben, wir machen den Typen fertig.
Trotzdem ist der Eindruck entstanden, dass es schon so eine Art nonverbale, konzertierte Aktion gab. Ja, wir sind uns irgendwie einig, der Typ muss weg. Wie bewertest du das? Weil das Russische ist staatlich finanzierte, staatlich orchestrierte Propaganda.
Es gibt aber auch Phänomene, die im Effekt sehr ähnlich sind, wenn sie auch ohne Absprachen, Strukturen, Geld zustande kommen. Ein interessanter Punkt. Ich würde sagen, die Wolf-Geschichte und die Griechenland-Geschichte würde ich noch mal trennen,
weil hinter Wolf für mich keine Ideologie steht. Da ist kein theoretischer Überbau, da ist kein größerer Konflikt. Das war eine Personalie, korrupt oder nicht korrupt. Und wir sind uns, glaube ich, auch alle einig, wenn die Beweise klarer gewesen wären, dann wäre er völlig zu Recht aus dem Amt geschieden. So ist es irgendwo ein Grenzfall, den sicherlich die Medien mitentschieden haben.
Weil eben es nicht so ganz klar war, was war jetzt genau sein Vergehen. Er ist ja auch eigentlich eher über die Fehler im Umgang danach gestolpert. Was Griechenland angeht, da sehe ich ein übergeordnetes Narrativ dahinter. Eben wieder auch so eine Theorie. Der faule Grieche nimmt uns das Geld weg. Das sehe ich eben bei so einem Wolf nicht so gesellschaftlich relevant.
Deswegen finde ich das viel, viel schwieriger, wenn Medien sich in diesem Sinne irgendwie unter einer Decke stecken und so weiter. Ich glaube aber auch, wie du schon völlig richtig sagst, man muss das immer wieder relativieren und man darf da nicht zu viel Kausalität reinbringen. Man darf nicht sagen, die sind jetzt alle dagegen, weil die können ja gar nicht mehr anders
und die springen jetzt alle auf diesen Zug auf. Ich glaube, das liegt einfach auch daran, dass ein bestimmtes Milieu im Journalismus tätig ist, vor allem in den Medien, die da gerade eben agitiert haben. Und dass Griechenland auch so ein Stellvertreter ist für eine gewisse Euroskepsis oder eine Eurofrustration. Und dass dieses Milieu, was im Journalismus tätig ist,
dann eben sich dieses Thema rausgenommen hat, Griechenland, und da so in eine Richtung läuft. Ich glaube, da ist mehr Zufall oder Momentum dabei als vielmehr bedenkliche Theorie. Denn das ist ja auch aus seiner Perspektive betrachtet durchaus ein wichtiges Moment, wenn sich Medien, sagen wir mal, auf ein Thema einigen.
Also beispielsweise jetzt NSA, Untersuchungsausschuss. Ja, da kommen täglich neue Fakten auf den Tisch. Was hat der BND gemacht? Was wusste die Bundesregierung? Und es ist völlig klar, da wird sich, wenn überhaupt, nur was ändern, wenn der Druck von außen groß genug ist. Und der Druck von außen ist nur dann groß genug, wenn wesentliche große Medien ins selbe Horn blasen.
Definitiv. Also absolut. Das sage ich auch immer. Wir müssen überhaupt nicht verzweifeln, dass da noch nicht genug passiert ist. Der Druck ist einfach noch nicht hoch genug. Wenn das nächste Mal im ZDF Politbarometer 10.000 Leute angerufen werden und 1.000 davon sagen am Telefon, oh, dieser NSA-Skandal und Privatsphäre, das beschäftigt mich total,
da liegen diese Ergebnisse am nächsten Tag im Konrad-Adenauer-Haus, aber ganz oben. Und dann wird auch definitiv was passieren. So sind die Hebel. Und damit die 1.000 Leute das am Telefon sagen, klar, braucht es Medienöffentlichkeit. Und ich glaube, da ist schon viel passiert. Das dauert natürlich auch seine Zeit. Es gibt vergleichbare Bewegungen wie, weiß ich nicht, die Umweltbewegung. Das hat auch sehr lange gedauert und hat den einen oder anderen Gau gebraucht,
bis da wirklich ein gesellschaftlicher Bewusstseinswandel passiert ist, dass die Leute am Telefon sagen, da muss die Regierung was tun. Wir sind da schon auf dem Weg. Ich glaube, wir haben da schon auch ein Vermittlungsproblem. Wir haben immer noch nicht so richtig die Vokabeln, die Geschichten, die Beispiele, um das so der breiten Maße verständlich zu machen. Man merkt es, hier sind wieder Tausende von Leuten, die wissen alle Bescheid. Aber außerhalb dessen ist es
immer noch ein schwieriges Thema. Das wird uns ja auch vorgeworfen. Aber klar, natürlich, man muss da Druck geben. Dieser Hebel muss gezogen werden. Und das geht nur über die Medien. Okay, ich habe noch einen Gedanken. Das ist der Unterschied zwischen der russischen Propaganda staatsgesteuert und wenn du den deutschen Medien unterstellst, die würden sich bei bestimmten Themen auch sagen wir mal zusammenschließen, mehr oder weniger
ohne Absprache. Aber wäre das ja immer noch eine Funktion von freier Entscheidung und freier Presse und unabhängigen Individuen versus staatssteuert die Medien? Ja, genau. Da ist dann schon noch ein großer Unterschied. Da ist definitiv ein Unterschied. Man kann ihn ja nicht vorwerfen, dass neun von zehn Journalisten vielleicht Griechenland kritisch sind. Also das ist dann halt so. Okay, Friedemann, ganz herzlichen Dank. Vielen Dank. Mein Video gibt es auf YouTube.
Also das unser, aber auch deins von dem Vortrag. Ja, vielen Dank. Das war Philipp Banzel für DCDP TV von der Republika und Friedemann als Gast, der jetzt zusammen vortragen muss. Danke und Tschüss. Danke dir.