#rp15 revisited: Sascha Stoltenow und Thomas Wiegold im DCTP.TV-Interview über IS
This is a modal window.
The media could not be loaded, either because the server or network failed or because the format is not supported.
Formal Metadata
Title |
| |
Title of Series | ||
Part Number | 145 | |
Number of Parts | 177 | |
Author | ||
License | CC Attribution 3.0 Unported: You are free to use, adapt and copy, distribute and transmit the work or content in adapted or unchanged form for any legal purpose as long as the work is attributed to the author in the manner specified by the author or licensor. | |
Identifiers | 10.5446/31826 (DOI) | |
Publisher | ||
Release Date | ||
Language | ||
Production Place | Berlin |
Content Metadata
Subject Area | ||
Genre | ||
Abstract |
|
00:00
MultimediaContent (media)Computer animation
00:20
Video gameAPPELL <Programm>Computer animation
00:42
APPELL <Programm>Meeting/InterviewComputer animation
01:03
Google BloggerWEBBlock (periodic table)Computer animationMeeting/Interview
01:53
Content (media)Content (media)Meeting/Interview
02:49
CladeVideo gameSanitary sewerTwitterFacebookTrailMeeting/Interview
03:49
Video gameFile formatWINDOWS <Programm>Meeting/Interview
04:12
SmartphoneMeeting/Interview
04:32
Content (media)Outline of industrial organizationInternetYouTubeMeeting/Interview
05:30
Professional network serviceComputing platformWeb browserParameter (computer programming)Meeting/Interview
05:56
Meeting/Interview
06:36
Meeting/Interview
07:22
Visualization (computer graphics)Meeting/Interview
07:50
Meeting/Interview
08:17
Mathematical structureSpring (hydrology)Liste <Informatik>Gebiet <Mathematik>Meeting/Interview
09:38
MultimediaMeeting/Interview
10:06
Product (category theory)Meeting/Interview
10:32
Meeting/Interview
11:01
iBookMeeting/Interview
11:20
E-bookPlane (geometry)ParallelenWordMeeting/Interview
12:04
ParallelenMeeting/Interview
12:29
Strategy gamePlot (narrative)Meeting/Interview
13:19
Gebiet <Mathematik>Atomic nucleusSeries (mathematics)CountingMeeting/Interview
15:08
Content (media)KommunikationMeeting/Interview
15:57
Meeting/Interview
16:18
Meeting/Interview
17:23
Meeting/Interview
17:48
Meeting/Interview
18:34
Video gameMeeting/Interview
19:47
Perspective (visual)Link (knot theory)YouTubeMoment (mathematics)Meeting/Interview
20:47
Meeting/Interview
21:29
YouTubeMeeting/Interview
21:58
Link (knot theory)FacebookMeeting/Interview
22:48
Meeting/Interview
23:14
Meeting/Interview
23:40
Meeting/Interview
24:06
InternetDigitizingPlausibilitätMeeting/Interview
25:24
Meeting/Interview
Transcript: German(auto-generated)
00:02
Ja, was wir hier sehen, was so aussieht, als sei es irgendwie Al-Jazeera-Sendelogo, ist das Logo des Al-Hayat Media Center, gewissermaßen der Propaganda-Abteilung des ISIS, das eigene Media-Haus, die verantwortlich sind, um verschiedene Inhalte von Corporate Publishing-Magazinen bis hin zu solchen Web-Videos zu produzieren.
00:21
Und dieses Video ist mit einem Najid, einem sozusagen Kriegsgesang unterlegt und hat so das Ziel, junge Leute für den Jihad zu begeistern. Die Stimme dort kommt vermutlich von Dennis Cuspert, dem Rapper Dezo Dogg. Die ganze Machart erinnert sehr stark auch an Videospiele wie Call of Duty und der innere Appell da drin ist ähnlich wie bei
00:47
Unternehmen, die junge Menschen ansprechen, komm zu uns und verwirkliche dich. Hier allerdings mit dieser Zeile Brüder, steht doch auf, holt euch euren Sieg, kommt in den Jihad und unterlegt mit brutalen Bildern teilweise.
01:05
Und da gehen wir jetzt noch mal raus, weil das wird zu viel sonst. Jetzt wird es zu schmutzig. Sascha Stoltenow und Thomas Wiegolt, ganz herzlich willkommen. Thomas, Fachjournalist für Verteidigungs- und Militärfragen, Blogger unter Augen geradeaus und Sascha Stoltenow,
01:23
ja PR-Berater und auch Blogger unter bändlerblogger.benderblog.de, auch ein Blog, was sich vor allem mit der Bundeswehr, glaube ich, befasst. Ihr habt, man hat das gesehen, die Kommunikationsstrategie des IS oder ISIS, müssen wir noch drüber unterhalten, wie wir das nennen,
01:44
analysiert und was ist denn so die, wie habt ihr das gemacht? Fragen müssen erst mal so, wie seid ihr davor gegangen? Ja, wir sind einfach auf eine Reise durch das Web gegangen. Wir haben uns mit diesen Themen ja schon länger beschäftigt und irgendwann auch in den Gesprächen, die wir regelmäßig haben,
02:00
kam uns diese Ähnlichkeit mit dem, was Unternehmenskommunikation heute ausmacht oder auch solche Stichworte wie Content-Marketing, wo Unternehmen anfangen, eigene Medienhäuser aufzubauen. Prominentes Beispiel sicherlich Red Bull. Und das wurde so ähnlich wie das, was uns vertraut ist und der IS oder ISIS ist als terroristische Organisation, sind es die ersten,
02:24
die quasi weg von einem klassischen PR-Bild, wie das Al-Qaida noch gemacht hat, mit Großereignissen, Anschläge, 9-11 oder in Madrid oder in London angefangen hat, eigene Inhalte zu produzieren und die viral über das Netz zu verbreiten und das, da sind wir mal auf eine Reise gegangen, um das
02:40
mal anzuschauen und zu schauen, gibt es da eine Systematik, die uns hilft, das zu verstehen. Und Thomas, seid ihr auf eine Systematik gestoßen? Ja schon, eine gewisse, also das hat er schon gesagt, der Unterschied zu früheren Terrorismus, Stichwort 9-11 ist ja, da wurden Anschläge verübt, die wurden gefilmt,
03:02
aber für die Verbreitung war es eigentlich immer angewiesen auf die klassischen Medien. Die Bilder mussten im Fernsehen gezeigt werden, in Zeitungen gedruckt werden und entfalteten damit eigentlich erst ihre Breitenwirkung. Die Zeiten sind ja nur eigentlich vorbei, weil auch ISIS kann, wie jedes Unternehmen, wie jede Gruppierung, durch Facebook, Twitter,
03:23
YouTube, was auch immer, seine Kanäle überall aufsetzen, die werden gesperrt, aber werden wieder neu aufgemacht und die Videos selber verbreiten, das heißt, sie behalten sehr stark die Deutungshoheit, das ist das eine und das andere ist, sie lehnen sich in der Bildersprache, in der Erzählweise ganz stark an, an das, was junge Leute im Westen kennen, aus Computerspielen, aus Filmen,
03:47
aus allen möglichen Trailern. Was sind denn die Bilder, die wir hier sehen, wie so ein Trailer für ein Computerspiel oder auch wie ein Recruiting-Video für westliche Armeen ja eigentlich auch?
04:00
Also es gibt unheimlich viele Formate, es gibt teilweise auch wirkliche lange Produktionen, eine Stunde lang, bei der auch verschiedene militärische Operationen gezeigt werden. Du hast, wenn du es länger anguckst, eine sehr hohe Redundanz teilweise auch der Bilder, weil dort aus verschiedenen Einstellungen das gezeigt wird, aber du nutzt auch moderne Techniken, also solche
04:22
Blutdrohnen, mit denen du quasi von sozusagen mit einfachsten Mitteln per Smartphone gesteuert von oben Bilder machen kannst. Dann auch sehr webgerecht teilweise, kurze Webvideos, die dann eine Rolle spielen. Du hast dann aber auch
04:43
fast schon Gewalt, du hast Gewaltpornografie, die der gleichen Logik folgt wie eine amerikanische oder eine andere Pornoproduktion. Die werden die Protagonisten vorgestellt, dann gibt es im Porno bestimmte sexuelle Handlungen und zum Schluss hast du dann immer quasi den Höhepunkt, den Cumshot, den Moneyshot, also das, worauf dann auch ein stark männliches Publikum
05:00
Wert legt. Bei den Produktionen der ISIS hast du auch eine Exposition, dann hast du eine gewisse Handlungsstrang und am Ende werden die Opfer dann in der Regel enthauptet und das sozusagen als ganz normal. Diese Struktur und die Erzählweise ist ähnlich und anhand der Nutzungszahlen, die du teilweise nachvollziehst,
05:21
gibt es ein Publikum, dass sich das nicht aus einem, sag ich mal, eher professionellen Interesse wie wir anschaut, sondern das kursiert im Internet und du hast, obwohl YouTube solche Inhalte natürlich sperrt, auf verschiedenen Plattformen ist das zugänglich und du musst noch nicht mal in das Darknet gehen, auf irgendwelche P2P-Tauschbörsen oder sowas oder
05:41
torrenten Netzwerke, sondern über den Browser ist dir quasi diese Welt zugänglich. Und Thomas, mit welchen, sagen wir mal, Argumenten oder Emotionen, wer wirkt der ISIS denn für Argumente ist immer die Frage. Ja, die drücken schon auf die Knöpfe,
06:01
du kannst hier was tun, du hast hier irgendwie auch Macht, du kannst hier gegen die Ungläubigen vorgehen, also es wendet sich schon sehr stark gerade das, was auf Englisch, Deutsch, Französisch verfügbar ist, an Unterdrückte sozusagen. Im Westen bist du nicht ernst genommen, aber komm hierher, komm in den Dschihad,
06:22
da wirst du ernst genommen, da bist du wichtig, da kannst du einen Beitrag leisten und du kannst einen Erfolg sehen, indem du nämlich die Ungläubigen wegbombst. Wir haben hier noch ein Beispiel, Sascha, sag noch mal was dazu. Ja, das ist ein Teil einer Webserie, hat mittlerweile, glaube ich, acht oder neun Folgen, die sogenannten Mujatweets, das sind quasi der freundliche Gotteskrieger von nebenan.
06:43
Interessanterweise, wir haben jetzt hier, sehen wir einen deutschen ISIS-Angehörigen, der dann sozusagen, wie so ein kleines Follow-Me-Around-Video in einem Krankenhaus oder im Lazarett des ISIS zeigt dann dort auch, das ist typisch für die Sprache,
07:00
immer wieder arabische Floskeln, die die Alapreisen einfließen lässt, aber das, was rüberkommt ist, okay, ich bin ein Deutscher, ich bin hier, ich verwirkliche mich hier selbst, wir sind hier auch Kameraden, wir kümmern uns um uns selbst und das gibt es auch wirklich in ganz vielen verschiedenen Sprachen, auf Französisch, auf Englisch, du hast Menschen aus Indonesien,
07:21
sozusagen, das ist schon fast schon eine internationale Jugendbewegung, wenn es nicht so tragisch wäre. Also was ja da immer auffällt und der rote Faden, der sich auch bei euch durchzieht, ist, dass es eigentlich quasi eine mittelalterliche, sehr brutale Terrorbewegung ist, die sich aber westlicher Bilder, Visualisierungen, Erzählweisen, Mechanismen bedient.
07:44
Was ich mich natürlich frage, ist denen das bewusst? Na, den Machern, dass sie sozusagen ja die Ikonographie und die Erzählweisen der westlichen Welt benutzen? Also auf jeden Fall, also natürlich steckt die bei denen drin, weil die zum Teil ja damit groß geworden sind, die nehmen das auch wahr,
08:02
aber es ist teilweise so professionell gemacht, dass man sicherlich davon ausgehen muss, die sind sich bewusst, wie legt man eine Geschichte an, wie gestalte ich ein Video, damit die Zuschauer sagen, boah geil, finde ich toll. Und sie haben dabei einen strukturellen Vorteil, der Christoph Reuter,
08:20
Spiegelkorrespondent, der auch viel in Syrien unterwegs war, hat jetzt gerade ein neues Buch vorgelegt, auch eine Analyse und hat Dokumente gesehen, dass quasi die Strukturen und der Plan, wie diese, wie das Netzwerk der ISIS aufgebaut wurde, wirklich, wo auch die Gesellschaft infiltriert wurde, um diese Bewegung erst zu erzeugen,
08:40
professionell, generalstaatmäßig von einem ehemaligen Obers, glaube ich, der irakischen Armee geplant wurde und der Vorteil, den ISIS hat, ist, sie haben eine komplette Kontrolle über ihre Bilder, das heißt, wir in den westlichen Medien sind auch sehr interessiert an diesen Bildern, weil sie ja sozusagen uns erschrecken und auch uns helfen, das Böse dort zu modellieren, was aber dort definitiv nicht stattfindet, es gibt keine andere Quelle.
09:07
Das heißt, in unserem Mediensystem haben wir immer eine Quelle oder schenken mehrere Quellen, wir haben Zugang auch zu verschiedenen Bildern. Wir haben dort in Syrien und Irak aber keinen Zugang von neutralen, unabhängigen Journalisten und Journalistinnen
09:22
und dadurch schaffen sie es, ihre Erzählung geschlossen zu halten und wenn du da reingehen willst, dann musst du versuchen, die Glaubwürdigkeit ihrer Bilder in Frage zu stellen, das geht aber nicht, weil du in diese Gebiete ohne meditärischen Schutz gar nicht reinkommst und die Journalisten und Journalistinnen, die dort embedded arbeiten, sind dort unter voller Kontrolle und es war sehr interessant zu sehen, dass die ersten, die aus dem islamischen Staat, aus Raqqa, der
09:46
sogenannten Hauptstadt berichtet haben, ein Journalist von Weißmedia war, also quasi so ein Start-up, das sich auch so ein bisschen zu diesem Gonzo-Journalismus bekennt und diese strukturelle Kopplung zwischen unserer Schaulust und den Propaganda-Zielen der ISIS
10:04
fanden wir auch schon ziemlich interessant zu sehen. Du hast es erwähnt, diese ganze Bewegung, dieser ganze Staat, ISIS wurde generalstabsmäßig geplant. Wer initiiert denn diese Medienprodukte? Sind das so jeder darf mal? Das mit Sicherheit nicht, also die Machart zeigt ja eindeutig, das sind Leute, die ihr Handwerk verstehen.
10:25
Das sind nicht irgendwelche Jungs, die mal eine Videokammer in die Hand kriegen und einen Computer, sondern das sind Leute, die mit Medienproduktionen umgehen können und zwar auf dem Level, wie es auch im Grunde genommen in der Werbung, widersprich mir jetzt, aber mein Eindruck ist schon, wie es auch in der Werbung im Westen gefordert und
10:41
praktiziert wird. Also die könnten genauso gut für Red Bull oder andere Erfrischungsgetränke, sag ich mal, Reklame machen oder für irgendwelche Corporate-Media oder so, also da ist sicherlich schon sehr selektiert worden, weil man muss nicht jemand, der Videos schneiden kann,
11:01
mit einer Kalaschnik auf Antifront schicken. Das macht keinen richtigen Sinn. Ihr habt in einem Vortrag auch einerseits von diesem, sagen wir mal, eher so image-mäßigen emotionalen Film berichtet, von dem wir jetzt gesehen haben, aber auch über zum Beispiel E-Books, die ganz konkrete, wie sagt man so, Reisetipps oder sowas gibt es da. Wir haben es genannt in Lonely Planet für den Jihad.
11:25
Da gibt es dann eins, gibt es als E-Book zum Runterladen, wo drin schon auf dem Cover steht dann What to Pack, Where to Go, Stories und so weiter, aber es ist schon hier sowas wie Syria und Five Dollars a Day oder so. Und da sind dann ganz konkrete Tipps, was für einen Rucksack sollst du mitbringen, was für eine Taschenlampe
11:44
und vergiss nicht dein Handy und vielleicht noch ein Tablet, um den Koran zu lesen und Bruder Sawin noch gibt auf seinem Twitter-Account immer abgedatete Reiseempfehlungen, wo du langfahren sollst. Das ist schon sehr stark an, ja, junge Leute brechen auf mit Interrail orientiert.
12:01
Und ihr habt auch gezeigt, dass es auch Parallelen in der Optik von zum Beispiel Recruiting-Videos von westlichen Armeen gibt, niederländische, Bundeswehr, kennt man, sind sehr starke visuelle Parallelen. Die Frage ist so ein bisschen, was machen wir mit diesen Videos? Wie reagieren wir da drauf? Sollen diese Armeen ihre Optik verändern? Soll man irgendwie darauf reagieren? Wie ist da euer...
12:23
Ich glaube, die Form ist nicht entscheiden, sondern am Ende des Tages geht es geht es um eine Erzählung. Wir verstehen Wirklichkeit darüber, dass wir sie in Stories verpacken. Konkrete Handlungen auch erzählbar machen und dann denen wir uns orientieren. Und das, was unsere Story am stärksten macht, ist die Glaubwürdigkeit.
12:43
Deshalb, wenn wir uns gegen diese Erzählungen des Terrors wenden, dann müssen wir deren Glaubwürdigkeit angreifen. Was aber teilweise derzeit passiert ist, dass wir systematisch, auch gerade, sage ich mal, im Westen die Freiheitsrechte beschränken. Wir wollen eine Vorratsdatenspeicherung haben. Wir wollen Überwachung haben. In den USA teilweise noch stärker.
13:02
Und gerade in den USA, in der meditärischen Propaganda, hast du auch Entwertungsstrategien. Das heißt, du entpersonalisierst deinen Feind und machst ihn damit leichter tödbar. Das heißt, du lässt dich auf diesen Diskurs darauf ein und damit untergräbst du aber deine eigenen Wertvorstellungen. Und wenn wir uns überlegen, was wir tun können, wir können in Deutschland verhindern, dass Menschen erst mal überhaupt in diese Gebiete reisen.
13:26
Und wenn sie zurückkommen, dann können wir sie natürlich strafrechtlich behandeln. Aber vor allen Dingen sollte das Ziel sein, sie wieder zu reintegrieren. Allerdings, und dann sind wir wieder bei dem Thema Glaubwürdigkeit, durch die Art und Weise, wie wir derzeit unsere Flüchtlingspolitik gestalten. Dadurch, dass wir um Europa Mauern aufbauen, untergraben wir natürlich
13:44
unseren aufklärerischen Anspruch. Wir untergraben unsere eigene Glaubwürdigkeit und genau in diese Lücke, diese Glaubwürdigkeitslücke gehen die Erzählungen der Terroristen rein, die sagen nach dem Motto, ja, okay, wenn ihr bombt, dann gibt es bei uns tote Kinder. Ihr haltet euch selbst nicht daran. Wenn ihr es denn ernst meint mit euren Menschenrechten,
14:03
warum macht ihr das, das und das? Und genau diese Glaubwürdigkeitslücke nutzt diese Terrorpropaganda auf und findet natürlich auch, ähnlich wie Pegida, ein Publikum anhand der Fehler, die man meint, dem System nachweisen zu können. Dabei fällt völlig unter den Tisch, dass im Kern das
14:21
aufklärerische Projekt, der Journalismus, die Wissenschaft darauf angelegt ist, zu überprüfen, ob das denn eigentlich stimmt. Und das ist sozusagen eine Art asymmetrische Propagandakriegsführung, weil die Erzählung, die das ISIS anbietet, ist geschlossen. Unsere Struktur und unsere Erzählung ist offen und damit angreifbar. Und ein amerikanischer Berater hat mal gesagt, the future of warfare is Mad Man meets Game of Thrones.
14:45
Also Mad Man Propaganda-Werbestrategien verbunden mit einer Ästhetik auch dieser Serien, die wir so gerne sehen, in denen natürlich auch Gewaltdarstellung, sexualisierte Gewalt unheimlich populär ist. Und das meine Utopie ist, wenn wir uns damit
15:00
sozusagen Verstand und Ratio auseinandersetzen, dass wir die Fehler bei uns erkennen, aber noch viel mehr die Glaubwürdigkeit dieser anderen Erzählung in Frage stellen. Du hast es eben noch mal angedeutet, Thomas. Was waren denn so Inhalte dieser Kommunikation, die ihr sozusagen analysiert habt? Das eine ist, mach mit, so Recruiting. Das steht ganz vorne. Das steht ganz vorne.
15:20
Komm in den Jihad, der Jihad ist toll. Und der andere Inhalt ist natürlich der Anspruch von ISIS, wir sind nicht irgendwie eine Terrorgruppe. Wir sind ein Staat und wir möchten auch als solcher akzeptiert werden. Wir sind genauso ein Gebilde, das Recht auf Existenz hat wie euer Staat
15:41
mit hinterbliebenen Versorgungen, mit Krankenhaussystemen, mit Verwaltung und was weiß ich. Also schon dieser selbst ernannte Anspruch. Ihr könnt mit uns nicht umgehen wie mit irgendeiner hergelaufenen Terrorbande. Und gab es auch Drohungen, also direkte Drohungen gegen den Westen oder
16:01
Anschlägen, Ankündigungen von Anschlägen? Nein, das wäre so alte PR. Ja, aber es gibt ein aktuelles Video, wo ISIS konkret den USA mit Anschlägen droht. Und wenn ihr eure Soldaten hierher schickt, dann werden wir euch alle töten. Es wurden auch teilweise Namenslisten veröffentlicht von Militär- und Geheimdienstangehörigen.
16:24
Und das ist ein Teil dieser Erzählung und was uns vielleicht nicht so deutlich wird, wir reagieren darauf ja immer entsetzt, aber diese Berichterstattung kommt immer mal in Wellen. 80 Prozent dieser Propaganda richtet sich aber auch an Bevölkerungen in Irak und Syrien und hat
16:41
dabei eine Funktion, nämlich militärisches ISIS zahlenmäßig gar nicht so stark. Das hat man zuletzt gesehen an diesem Kampf um Kobane, die Stadt an der syrisch-türkischen Grenze, dass dort durch eine relativ entschlossene Luftschläge der Amerikaner und einen zähen Widerstand der Kurden ISIS dort wirklich militärisch zurückgetränkt werden können.
17:04
Aber Terror hat ja eine Funktion. Wenn ich in einem Dorf zehn Leute umbringe, spricht sich das rum, sodass sich dann in dem anderen Dorf die Leute nicht mehr wehren. Und das führte ja dann schließlich auch dazu bei der Flucht der Jesiden in das Sinjar-Gebirge, dass sie gar nicht versucht haben, sich zu verteidigen, sondern angesichts
17:20
dieser Horror-Geschichten die Beine in die Hand genommen haben und geflohen haben. Total verständlich. Aber das ist quasi eine militärische Funktion dieser Propaganda. Ihr sprecht jetzt immer von ISIS. Wir haben vorher darüber gesprochen, sollen wir jetzt IS sagen oder ISIS? Und da meint ihr, naja, wir müssten von ISIS reden, weil IS ist eigentlich schon ein erfolgender Propaganda. Inwiefern?
17:40
Es ist ja noch gar nicht so lange her, dass ISIS sich umbenannt hat in islamischer Staat. Also vorher stand es für islamischer Staat in Irak und Syrien oder es gibt auch ISIS in der Levante. Es gibt da noch ein paar verschiedene Varianten. Aber im Vergangenen, ich glaube es war voriges Jahr, ich habe es nicht genau im Zeitpunkt, haben die gesagt, wir sind der islamische Staat, verbunden damit den
18:05
Anspruch eines islamischen Reiches, das bis nach Nordspanien reicht, dass Ostwärts also weit größer ist als Syrien und der Irak zusammen, ganze arabische Welt umfasst. Also der Anspruch, der damit deutlich gemacht wurde, dem sind
18:24
viele ja verbal zumindest gefolgt, in dem auch in den westlichen Medien sehr schnell islamischer Staat daraus wurde. Und das kann man ja zumindest in Frage stellen. Also man versucht, diese Geschichte zu verändern und was über die Begriffe. Und wenn man sich aus Reiter wird jetzt Twix und IS hat sich mehrfach umbenannt
18:44
und wir haben auch deshalb unseren Talk The IS in Us benannt, weil das strukturell gekoppelt ist. Unser Mediensystem ist begierig teilweise nach diesen Bildern und übernimmt dann die Erzählung der anderen sehr schnell. Und das interessante dabei ist auch, dass es immer so wellenartig folgt.
19:03
Wir haben sehr lange immer diese Erzählung von Gewalt, extremer Gewalt, Enthauptungsvideos gehabt. Im vergangenen Jahr gab es dann zwei Wellen, die auch international zu verfolgen war, wo junge Frauen in nach Syrien gegangen sind. Und das ist nochmal eine interessante Beobachtung in der ganzen Propaganda,
19:20
die sehr stark auf Männlichkeit abgestellt ist, bedient männliche Erzählmuster, ähnlich wie Computerspiele das bedienen. Und ich würde sagen, als Teil dieser staatlichen Erzählung des IS oder von ISIS würde ich erwarten, dass wir in Zukunft noch stärker auch Bilder von Frauen und Kindern, die im islamischen Staat leben, sehen werden,
19:42
um diesen Anschein von Staatlichkeit und einer gewissen Normalität im Leben aufrechtzuerhalten. Du als Journalist und du als Kommunikationsberater, was empfiehlt dir denn für einen Umgang mit diesen Bildern? Also aus journalistischer, medialer Perspektive, aber auch als ich bin auf YouTube und kriege einen Link getwittert und hier guck mal
20:01
Propaganda Video. Also ich würde mir eigentlich bei Medien wünschen, dass sie dazu kämen, diese Bilder nicht zu verwenden. Das hat ja bei der Enthauptung des amerikanischen Journalisten James Foley einen Moment gedauert. Es haben sehr viele zwar nicht die eigentliche Enthauptung gezeigt, aber das Vorspiel sozusagen, wie dieser Jihadi John, dieser Islamist,
20:22
da steht mit dem Messer in der Hand und Foley gezwungen wird, sich zu äußern. Also teilweise, ich kann das verstehen, wenn man irgendwelche Bilder hat, dann nimmt man sie. Nur inzwischen ist auch, glaube ich, diese Phase ein bisschen überwunden, weil auch wenn man die Enthauptung nicht zeigt, diese Bilder transportieren
20:41
auch schon Terror, transportieren schon den Anspruch. Also ich würde mir wünschen, dass es ohne das geht. Genau in diese Kerbe würde ich auch rein gehen, weil diese Erzählung ist klar, worauf die hinausläuft. Das interessante ist, Journalismus, das Mediensystem, die Mediennutzungsgewohnheiten verändern sich.
21:00
Und du musst nicht immer auf die große Bühne kommen, also nicht auf die Titelseite der FAZ oder die Titelseite der Bild oder in den Abendnachrichten, um dein Publikum zu erreichen. Aber die beängstigende Wirkung, die diese Bilder haben, haben sie unter anderem deshalb, weil die Massenmedien immer noch eine große Masse erreichen. Interessanter finde ich dann auch zu untersuchen, wie wir uns das schaffen, quasi gegen diese Bilder abzuschotten,
21:24
weil technisch sind sie erreichbar. Ja, das wäre die Frage. Ja, das muss ich auch sagen. Das ist illusorisch. Auch das, was, glaube ich, das Bundesinnenministerium glaubt. Man könne diese Videos aus dem Netz verbannen. Das wird man nicht können. Aber YouTube sollte sie trotzdem weiter sperren. Sie werden nicht auf YouTube sein, aber dann sind sie auf Liveleaks
21:41
oder sonst wo. Also es ist einfach illusorisch zu glauben. Also wir haben ja für den Vortrag einige Videos gebraucht und uns besorgt. Die habt ihr auch gefunden. Die haben wir problemlos gefunden. Also es ist ja nicht so, als ob man verhindern könnte, dass es in Umlauf ist. Nein, aber man kann appellieren, Leute, wenn ihr so was seht,
22:00
ein Link darauf, klickt es einfach nicht an. Guckt euch einfach nicht an oder teilt den nicht. Ja, aber es geht hierbei auch klassischerweise um eine Medienkompetenz. Und ich glaube, dass auch Jugendliche kompetenter sind, als sich Menschen in den Medien- und Bildungszentralen vorstellen können, die dann immer sozusagen mit diesem scharfen pädagogischen Schwert rangehen. Jugendliche nutzen Facebook mittlerweile viel vorsichtiger.
22:23
Jugendliche machen sich auch im Netz kompetent bei diesen Themen. Wenn es einen konkreten Rat gibt, ist es tatsächlich so, dass wenn schon wir alle Bürger-Journalisten sein können, lasst uns journalistische Prinzipien anwenden. Also wer schickt mir denn das Video? Kenn ich den? Wer verbirgt sich denn dafür, dass das so ist?
22:40
Weil wenn ich dort kritisch hinterfrage, dann wird es mit der Zeit sowieso immer weniger werden. Ja, das führt aber zur letzten Frage, weil angenommen, das kommt so. Angenommen, die ES kriegt das mit oder ISIS kriegt das mit. Ah, diese offiziellen Propaganda-Videos verfangen zumindest in westlichen Medien, bei westlichem Publikum nicht mehr so.
23:02
Wäre ja der nächste aus Ihrer Sicht logische Schritt, Bilder zu produzieren, die aussehen, als seien sie von unabhängigen Bürgern in Syrien gefilmt und die nicht als Propaganda herkommen. Seid ihr auf sowas gestoßen auch schon? Na, es gibt immer wieder Ansätze jetzt bei ISIS nicht so direkt. Es gab in Syrien seit Jahren immer wieder solche Geschichten.
23:24
Und da gibt es ja Ansätze, typisches Beispiel wäre Bellingcat mit Elliot Higgins, dieses Debunking von Videos, dass man also Videos, da behauptet einer, er sei Bürger-Journalist und lädt jetzt was hoch. Aber gucken wir uns das mal an.
23:41
Da sind ja zwei Hügel im Hintergrund, in dieser Wüste. Oder dieser Typ, der da auftaucht, der war vorher schon mal in dem und dem Video. Also da gibt es inzwischen natürlich auch eine breite Szene, die sich forensisch quasi mit Videos befasst. Also insofern ist es inzwischen nicht mehr ganz so einfach zu sagen, ich bin untradukter Bürger, hier ist mein Video
24:03
und in Wirklichkeit ist ein Propaganda-Video. Ich glaube auch, dass die Möglichkeiten des Internets, die Vernetzung untereinander auch Kompetenzen auszutauschen, sie macht uns teilweise strukturell anfällig, auch für diese Propaganda, die sich dann viral verbreitet. Sie und das ist ein neuer Modus. Wir wissen, als die Bibel oder als die Druck,
24:23
Gutenberg seine Druckerpresse erfunden hat, wussten wir auch nicht, was das bedeutet. Das kriegen wir jetzt mal 100, 200 Jahre später, verstehen wir, was da passiert. Am Anfang haben wir nur Bibeln gedruckt und keine anderen Schriften. Ich glaube, bei der Vernetzung, bei der Digitalisierung wissen wir auch noch gar nicht, was das wirklich bedeutet. Wir können aber die Chance nutzen, uns untereinander zu vernetzen
24:42
und damit unsere Kompetenzen auszubilden. Insofern bin ich ja utopisch und nicht dystopisch. Ich glaube aber, es ist kein Weg, den Zugang zu diesen Medien irgendwie kontrollieren zu wollen, alles unter Beobachtung zu stellen wollen und auch wesentliche Freiheitsrechte dort in Frage zu stellen, sondern die Sicherheit werden wir nicht mehr haben.
25:03
Aber wir haben die Chance uns, indem wir uns mit anderen vernetzen, indem wir uns mit anderen austauschen, die Plausivität und die Glaubwürdigkeit dieser Institutionen, auch der Terrorinstitutionen, zu hinterfragen und dazu zu einem besseren, zu einem aufgeklärten Urteil zu kommen. Aber das ist ein Projekt, an dem man auch mitmachen muss,
25:22
bei dem man sich beteiligen muss. Sascha Thomas, vielen herzlichen Dank für eure Zeit. Gerne. DCTP von der Republika in Berlin. Mein Name ist Philipp Banzer. Das waren Thomas Wiegold und Sascha Stoltenow. Danke fürs Zugucken. Bis später.