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Komm mir bloß nicht mit Fakten. Die Tinderisierung der Welt

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Komm mir bloß nicht mit Fakten. Die Tinderisierung der Welt
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234
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Links oder rechts. Schwarz oder weiß. Du musst dich entscheiden. Zwei Felder sind frei. Es gibt kein Dazwischen. Keine Abstufungen. Entscheidungen werden in Millisekunden getroffen. Und sind unumkehrbar. Weitere Fakten unerwünscht. Soweit so schlecht. Und es wird nicht besser: je mehr ich bestimmte Dinge nach rechts wische (like), desto öfters gibt mir der Algorithmus ähnliche Dinge zu sehen. Mein Belohnungs-/Wutzentrum schlägt Purzelbäume, meine kongnitive Dissonanz schwenkt die weiße Fahne. Meine Weltbild wird untermauert, meine Filterbubble zementiert. Ich sags euch doch: Ich habe Recht!
Computer animationJSONXMLUMLLecture/Conference
Concurrency (computer science)Lecture/ConferenceMeeting/Interview
Meeting/Interview
Lecture/ConferenceVisualization
Lecture/Conference
InternetLecture/ConferenceMeeting/Interview
SimulationLink (knot theory)Lecture/Conference
TwitterComputer animationLecture/Conference
InternetLecture/ConferenceMeeting/Interview
Computer musicLecture/Conference
Easter egg <Programm>Lecture/Conference
Computer musicDOS
FacebookInternetMALAGA <Programm>Tangible user interfaceMilan <Programmiersprache>LoginInternetNumberMach's principleFacebookUpdateGoogleLecture/ConferenceDiagram
InformationComputer animationLecture/Conference
InformationMeeting/Interview
InternetGoogle BloggerContent (media)Lecture/ConferenceComputer animation
Lecture/Conference
HTTPInternet
InformationLecture/ConferenceMeeting/Interview
Computer animation
RhytidectomyLecture/ConferenceMeeting/Interview
FacebookComputer animationLecture/Conference
FacebookContent (media)Computer animation
Lecture/Conference
FacebookInformation Technology Infrastructure LibraryComputer animationLecture/Conference
Meeting/Interview
PoserBlock (periodic table)FacebookBlogLecture/ConferenceMeeting/Interview
Content (media)Lecture/Conference
InformationMeeting/Interview
Sound effectAlgorithmLecture/Conference
AlgorithmLecture/ConferenceMeeting/Interview
WordInformationLecture/ConferenceComputer animation
AlgorithmInformationSoftwareLecture/Conference
Lecture/Conference
Lecture/Conference
Computing platformInternetWebsiteLecture/ConferenceMeeting/Interview
SicComputer animation
Bewertung <Mathematik>Meeting/Interview
Content (media)GoogleFacebookLecture/Conference
FacebookHTTP cookieGoogleContinuous trackContent (media)HTTP cookieContinuous trackComputer animationLecture/ConferenceMeeting/Interview
AlgorithmComputer animation
InformationMeeting/Interview
CognitionLecture/Conference
Computer animationLecture/ConferenceMeeting/Interview
FacebookFacebookPhysical lawComputer animation
GoogleFacebookPhysical lawLecture/ConferenceMeeting/Interview
FacebookInternetAlgorithmGoogleGoogleInternetXML
FacebookGoogleInternetProduct (category theory)Lecture/ConferenceMeeting/Interview
Lecture/Conference
InternetLecture/ConferenceComputer animation
InternetLecture/ConferenceMeeting/Interview
Event-driven programmingLecture/ConferenceMeeting/Interview
Adobe PhotoshopComputer animation
CW-KomplexSpring (hydrology)Stress (mechanics)Meeting/Interview
Computer animationVisualizationLecture/ConferenceMeeting/Interview
InternetLecture/ConferenceComputer animation
Transcript: German(auto-generated)
dass ihr alle gekommen seid zu unserem Tinder-Vortrag, bei dem es gar nicht um Tinder geht. Ich bin Laura. Jo, hallo, hört man mich? Ja, schön, dass ihr alle den Weg hierher gefunden habt, trotz hochkarätiger Konkurrenz.
Unter anderem spricht Klaus Kleber parallel auf Stage 1 oder 2. Mein Name ist Jörg, ich komme aus dem Schwarzwald. Das hört ihr vielleicht, wir reden da ein bisschen komisch. Also wenn er mich nicht versteht, dann schreit gleich ganz laut los. Nehmen wir mal an, ihr plant euren nächsten Urlaub und ihr sucht ein Hotel.
Und ihr lest auf einer Reiseplattform eurer Wahl den folgenden Text. Verkehrsgünstig gelegenes Hotel in landestypischer Bauweise. Im Zentrum eines aufstrebenden Ferienortes. Direkt an der breiten Uferpromenade. Nur wenige Minuten vom naturbelassenen Meerufer entfernt.
Genießen Sie das lebhafte internationale Flair. Und die ungezwungene Atmosphäre dieses familiär geführten Geheimtipps. Welches Bild hättet ihr dann vor Augen? Dieses hier, und ich bitte jetzt um Handzeichen.
Naja, eher weniger. Eine Hand sehe ich. Oder ist es vielleicht das hier? Bei den Reisekatalogen waren jetzt viele von euch doch skeptisch, als sie den sehr plummigen Text gehört haben, zu Recht.
Denn oftmals bekam man, wenn man nach diesem Text, wir haben uns das erste vorgestellt, wir haben das vielleicht bekommen. Im Internet gibt es auch viele komische Dinge. Dem begegnen wir viele Menschen dann aber ganz anders. Und viel weniger misstrauisch. Warum das so ist und was man da vielleicht machen kann,
dazu laden wir euch ein in der nächsten halben Stunde. Denn im Internet, da gibt es Sachen, wenn man die sieht, dann denkt man sich, das kann alles irgendwie gar nicht wahr sein. Wir haben da mal eine kleine Auswahl mitgebracht. Auf der linken Seite, ich lese das einmal kurz vor, das kann man von da hinten vielleicht nicht so gut sehen,
hat jemand ein Foto von Cem Özdemir genommen, hat ein vermeintliches Zitat einfach draufgeschrieben, Migranten sind die neuen und besseren Deutschen. Sie sind fleißig, gebildet und sehr rechtsstaatlich eingestellt. Hat Cem Özdemir so gar nicht gesagt. Hat aber mit 914 Shares doch eine gewisse Reichweite erreicht,
obwohl es gar nicht so passiert ist. Die Leute haben sich aufgeregt, haben geteilt, ohne eben nachzudenken. Das auf der rechten Seite geht noch mal einen Schritt weiter. Da ist alles erfunden. Die ganze Person ist erfunden. Hat jemand ein vermeintliches Profil auf Twitter angelegt von einer grünen Politikerin, Petra Klam-Rothberger,
hat ein Foto von irgendjemandem vollkommen random aus dem Internet genommen, hat es dazu geklebt und hat dann dazu ein Zitat getwittert. Es ging in dem Fall um eine Vergewaltigung von einer Studentin. Das Zitat war, in der Heimat des Täters werden vergewaltigte Frauen zum Tode verurteilt.
Deshalb musste er sie nach der Vergewaltigung töten. Wir müssen Verständnis haben für diese kulturellen Unterschiede. Was ist natürlich passiert? Das Ding ist rundgegangen ohne Ende, weil sich alle maßlos darüber aufgeregt haben. Wenn es real gewesen wäre, zu Recht. Aber es ist vollkommen erfunden. Das gibt es gar nicht.
Dann noch mal so ein Mittelding. Auf der rechten Seite ist auch wieder ein Politiker der Grünen, und das ist die präferierte Zielpartei von diesen Dingern. Diesen Menschen gibt es wirklich. Sein Grünen Politiker aus Düsseldorf. Dem wird folgendes Zitat untergeschoben.
Gerade im Hinblick auf die andersgläubigen Flüchtlinge ist das jährliche Aufstellen einer Weihnachtszahne ein völlig unzeitgemäßes Ritual. Der Herr hat sich tatsächlich über Weihnachtsbäume geäußert. Er hat jedoch nur gesagt, Weihnachtsbäume finde ich unzeitgemäß. Diesem ganzen Ding, aber das in den Flüchtlingskontext zu setzen,
gibt dieser Aussage einen ganz anderen Spin hin von meiner persönlichen Überzeugung. Weihnachtsbäume finde ich doof, Ostereier suchen finde ich doof hinzu. Wir müssen das jetzt aber anders machen. Es hat also was Belehrendes. Gerade für die aus dem rechten Spektrum Leute
etwas, was die maßlos aufregt. Und zum Schluss noch ein Klassiker, eine Postillonsmeldung, bei der es ja regelmäßig vorkommt, dass Leute denken, das wäre jetzt real, wie jetzt hier am Beispiel Scheidung. Max und Erika Mustermann trennen sich und dann kommt beim Innenministerium die Anfrage an,
was das denn jetzt den Steuerzahler kostet. Die Frage ist, woher kommt denn das? Warum ist das so? Ja, ein Grund seht ihr hier. Ihr kennt dieses Bild alle. Es zeigt, was in einer Minute Internet so alles passiert. Aber auch als Profi, als jemand, der jeden Tag mit dem Internet arbeitet
und damit sein Geld verdient, sollte man sich diese Grafik ab und zu mal vor Augen führen, denn die Zahlen sind wirklich beeindruckend. Es gibt eine halbe Million Tweets pro Minute. Während der Republik war es eigentlich viermal so viel. 500 Stunden Video-Upload bei YouTube,
30.000 neue Fotos bei Instagram, 3,5 Millionen Suchanfragen bei Google, 40.000 Facebook-Status-Updates, 500 neue Blog-Posts und und und. Da kann es einem schon ab und zu mal schwindlig werden. Machst du weiter?
Das ist also schon die schiere Masse, die uns förmlich erschlägt. Es gibt einfach zu viel, ich kann gar nicht mehr darüber nachdenken. Ich kann nur noch überfliegen, ohne darüber nachzudenken, zu reflektieren oder zu bewerten. Dann kommt es letztendlich zum Attention-Crash. Das heißt, die Anzahl der Informationen übersteigt meine Aufnahmefähigkeit.
Und Menschen sind nun mal nicht skalierbar. Wenn ein Hirn nicht ausreicht, kann ich schlecht einfach ein zweites hinzuschalten. Meine Aufmerksamkeit springt also von einem Informationshäppchen zum nächsten. Vom Handy, zum Tablet, zum Smart-TV und wieder zurück. Second-Screen sind für die meisten von uns Alltag.
Wer von euch Scheid noch Tat hat am Sonntagabend, ohne die Twitter-Timeline im Parallel aufzuhaben. Das heißt letztendlich, Information ist eine Währung mit hoher Inflationsrate und mit kurzem Verfaltstatum. Das hat dann wiederum Konsequenzen für Medienschaffende,
für Journalisten, für Blogger, für Menschen, die im Internet ihr Geld verdienen. Denn irgendwie muss ja trotzdem jeder versuchen, aus diesem ganzen Wust rauszustechen. Jeder braucht ja diese Likes und Shares und einfach nur einen tollen Content zu erstellen. Und das war es dann und alles ist ganz toll. Die Zeiten sind leider vorbei. If it bleeds, it leads, sagt der Amerikaner.
Also Sex, Gewalt und Blut zieht immer. In demzufolge werden die Headlines immer reißerischer. Es gibt Clickbaiting im Stil von Heftig oder Focus Online. Oder man sieht es auch am Republikaprogramm. Ohne einen knackigen Titel, Tinder oder Snapchat drin vorkommt,
kommt man gar nicht mehr weit. Und das hat natürlich Konsequenzen für Leser wie für Autoren gleichermaßen. Wenn wir das aus Nutzerperspektive einmal sehen, haben wir hier ein Beispiel aus dem letzten Sommer mitgebracht. Dort wurde ein Blogpost erstellt mit der Überschrift, nächste Woche ist alles vorbei, Asteroid schlägt ein.
Ist auch im Internet gut eingeschlagen, 360.000 Shares. Muss man erst mal hinkriegen. Haben die auch geschafft. Die Sache ist nur, in dem Artikel selbst ging es natürlich gar nicht um einen einschlagenen Asteroiden, sondern darüber wurde geschrieben, dass 60% aller gescherten Links überhaupt nicht geklickt werden. Das heißt, die Überschrift wird gelesen.
Da sind ja meistens praktischerweise die Share-Buttons auch direkt neben dran. Klickt man mal schön auf Teilen, verteilt das Ding, ohne dass man es sich genauer angeschaut hat. Vielleicht auch, weil wir die Zeit gar nicht mehr haben, weil wir so von Informationen überflutet werden, dass wir uns diese Zeiten eben einfach nicht mehr nehmen können oder auch wollen.
Was heißt das jetzt für die andere Seite? Ich muss natürlich versuchen, gerade die Überschriften so zu bauen, dass die Leute dann eben doch klicken. Als Beispiel haben wir mitgebracht den Klassiker von Heftig. Als seine Frau ihn mit den Kindern allein lässt, wird ihm einiges klar. Man möchte unbedingt wissen, was denn jetzt dahinter passiert ist.
Heftig kennen jetzt vielleicht der eine oder andere schon, dass dahinter meistens nur ein Sack Reis umfällt. Aber wir haben erst mal den Drang, weil wir wollen wissen, was passiert. Ein bisschen anders machen es die Kollegen von Focus Online. Die haben versucht, das jetzt nicht ganz so reißerische Thema Schimmel in der Wohnung
etwas anders zu verpacken. So simpel kann es gehen. Mit einem einfachen Lüft-Trick hat Schimmel in ihrer Wohnung keine Chance. Ich habe es jetzt nicht geklickt, aber wenn, dann wird man es nur über sowas schaffen. Ich habe auch eine eigene Erfahrung dazu.
Thorben hat es vorhin gesagt, ich bin bei der FDP. Wir hatten letztes Jahr hier in Berlin Abgeordnetenhauswahlen. Da war ich Direktkandidatin im Wedding. Parallel zu meiner Kampagne hatte ich eine Facebook-Page, bei der ich über meine Kampagne berichtet habe. Und das auch zur Verteilung von meinen Inhalten genutzt habe.
Ich habe euch hier einmal die durchschnittlichen Impressionen mitgebracht, was so ein Post ungefähr hatte. Die Seite an sich zur Einordnung hat momentan ungefähr 1400 Likes. Was man eben sieht, das Thema, was eigentlich immer gelaufen ist, auch weil die Überschriften mittlerweile an sich schon so grotesk sind,
wo man gar nichts mehr machen musste, war der BER. Einfach nur so ein Tränendachendes Smiling noch dazu gesetzt, das Ding raus, und die Leute haben es geklickt, kommentiert, geteilt. Es ging unglaublich gut. Meistens waren es eben auch sehr einfache Überschriften, aber irgendwie kein Witz, die Wasserrohre sind zu dünn. Hat jeder irgendwie sofort verstanden, fand jeder lustig,
haben viele Leute eben einfach geklickt. Was auch sehr gut lief, waren meistens sehr bildstarke Dinge aus dem Wahlkampfalltag. Wir am Stand, wir beim Plakate aufhängen, wir beim Flyer verteilen. Meistens sehr bildstarke Bilder mit vielen fröhlichen Menschen, die Wahlkampf machen. Also auch das ging sehr gut. Auch da habe ich es geschafft,
über meine eigentliche Likes-Zahl rauszukommen. Es haben mehr Leute gesehen, als die Seite Likes hatte. Anders war es mit den anderen beiden, und insbesondere mit den inhaltlichen Dingen. Also das, weswegen man ja eigentlich da ist. Man möchte ja etwas verändern, man hat Themen, die man setzen möchte. Und da war es dann doch teilweise sehr, sehr schwierig, da eben mit rauszukommen,
weil das dann eben keine einfachen Dinge mehr waren, wie, oh man, sind die doof, die Wasserrohre sind zu dünn. Sondern es waren dann eben Sachen, wenn ich mich über die Wohnungspolitik geäußert habe oder über Bildung, was dann alles auch ein bisschen längere Texte waren, und wo man relativ schwierig rausgekommen ist. Und was ich hatte, ist verführt natürlich.
Wenn man jetzt sagt, okay, man kann jetzt irgendwie ein lustiges Bild posten oder mal wieder was zum BER. Oder man macht eigentlich das, weswegen man hier ist, und dann hat man nämlich so einen inhaltlichen Post zur politischen Lage. Und das war so die Balance, die glaube ich, die ich finden musste, und die auch jeder andere finden muss am Ende,
wenn er einen Blog betreibt, eine Facebook-Page, ein Instagram oder was auch immer. Jo, ich glaube, wir können davon ausgehen, dass die Menschen, die 1.400 waren es, glaube ich, die Lauras Facebook-Seite geliked haben, weil sie dann zumindest halbwegs politisch interessiert sind. Sonst hätten sie die Seite ja nicht geliked. Aber selbst bei so einer Zielgruppe ist es schwierig,
wie wir gehört haben, komplexe Inhalte zu vermitteln. Denn natürlich waren die Posts am erfolgreichsten, wo Laura eher polemisch über BER gesprochen hat und jetzt nicht sehr rational oder subjektiv über eine Rauchgasanlage oder was was immer gesprochen hat, sondern so nach dem Motto, ja, die sind ja eher und wir könnten das ja alle natürlich viel besser.
Und dieser Trend zur Oberflächlichkeit und zur Trivialisierung, den haben wir jetzt einfach mal den Tinder-Effekt genannt. Wir haben es gehört, es gibt viel zu viele Informationen, man kann gar nicht mehr alles lesen, das heißt, man guckt kurz auf die Optik, entscheidet dann, gefällt mir oder ich reg mich drüber auf. Bildlich gesprochen, wische ich halt entweder links oder rechts,
so wie ich es bei Tinder auch mache. Der ein oder andere kennt das ja vielleicht. Und durch diese Wischerei fütter ich natürlich den Algorithmus, der da im Hintergrund vor sich hin werkelt und versucht zu ranken und zu filtern und versucht zu verstehen, wie ich ticke und versucht mir,
versucht voraus zu sagen, was könnte mich als nächstes interessieren. Denn Algorithmen, die lieben das, wenn ihr euch aufregt, weil dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass geklickt wird, deutlich höher. Das heißt, wenn sie merken, dass uns ein Thema interessiert, dann setzen sie uns immer mehr davon vor und mehr vom Gleichen. Das heißt, unsere Filterbubble
wird gefestigt, unser Weltbild zementiert. Ich habe es doch schon immer gewusst, wenn es so viele Beiträge gibt, die meiner Meinung sind, dann muss das ja irgendwie stimmen. Mein Weltbild wird enger, meine Timeline wird weniger divers. Ja, jetzt haben wir heimlich still und leise
das große Wort ausgesprochen, die viel zitierte Filterbubble. Ihr wisst natürlich alle, was dahinter steckt. Ich sage trotzdem ein paar Worte dazu. Viel zu viel Information, also brauchen wir Tools und Hilfsmittel, die vorsortieren, die uns potenziell interessante Themen vorschlagen.
Das sind zum einen unsere Freunde und unsere Kollegen, die uns Links und Themen in unsere Timelines spülen. Und zum anderen ist es eben die Software, die versucht, aus unserem Verhalten Rückschlüsse darauf zu ziehen, was uns als nächstes interessieren könnte. Das ist ja per se erstmal nichts Schlechtes. Nur ist es leider so, dass Internetseiten, die solche Algorithmen verwenden,
dazu tendieren, dem Benutzer nur noch Informationen fortzusetzen, die sowieso schon mit seinen Überzeugungen übereinstimmen. Wir bekommen also immer mehr von demselben vorgesetzt. Der Blickwinkel engt sich ein, der Blick über den Tellerrand geht verloren. Und das ist natürlich tendenziell eher
so mittelmäßig gut. Denn wenn ich eine Sache wirklich verstehen will, muss ich sehr aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten, muss darüber nachdenken, muss diskutieren, muss andere Meinungen hören, um mir dann letztendlich selber eine Meinung bilden zu können. Und eben das geht in der Filterwabe verloren.
Dort sehe ich nur noch das, was ich sowieso schon weiß. Und eine Welt, die nur noch aus Bekannten besteht, ist eine Welt, in der ich nichts mehr lernen kann. Kreativität entsteht oft da, wo verschiedene Disziplinen, wo verschiedene Kulturen aufeinander prallen. So wie hier auf der Republika. Wo es Diskurs und Reibung gibt.
Aber wir brauchen uns da nichts vormachen. Dieser Geist der Personalisierung wird nicht mehr von allein in seiner Flasche verschwinden. Die Personalisierung ist eine Kernstrategie vieler großer Internetseiten. Denn je mehr eine Plattform, je mehr eine Site über mich weiß, desto zielgenauer kann sie Werbung ausspielen. Und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit,
dass ich klicke und letztendlich was kaufe. Und wenn wir uns das jetzt mal anschauen, wie das momentan auf Spotify und auch auf Netflix schon ist. Du hast vorhin gesagt, mit deiner Mix der Woche. Da gibt es mittlerweile schon die nächste Entwicklung. Die Mixtapes auf Spotify. Das ist eine Auswahl von zehn Songs,
die ihr liken oder disliken könnt. Und nachdem, wie ihr euch da verhaltet und agiert, klebt es unten dran wieder neue Songs, die ihr ebenfalls liken und disliken könnt. Ähnlich bei Netflix, wo mittlerweile eine Prozentangabe an jedem Film dran steht, die ausdrücken soll, dass ihr den Film vielleicht mögen könntet. Oder nicht auf Basis eurer bisherigen Bewertungen.
Wo auch das Bewertungsschema schon eingeschränkt wurde. Früher gab es eine Fünfer-Skala. Jetzt gibt es nur noch Daumen hoch und Daumen runter. Also noch mal einfacher. Ich muss mir weniger Gedanken machen, wenn ich einen Film bewerte. Es gibt nur noch Ja oder Nein. Wenn wir das jetzt mal umlegen und auf den Medienbereich gucken,
sehen wir heute, dass wir eine personalisierte Anzeige von Ergebnissen, die haben wir bei Facebook, wo unsere Timeline vorsortiert wird. Und die haben wir, wenn wir eingeloggt sind, bei Google und auch bei Amazon. Die haben wir bei klassischen Medien, was Inhalte angeht, noch nicht. Dort ist es lediglich Werbung über Cookies, Tracker usw., die dort für uns personalisiert wird.
Die Inhalte aber noch nicht. Die Frage ist, wird das so bleiben oder haben wir demnächst bald unsere eigene Bildzeitung mit Nachrichten aus unserem eigenen Spektrum? Wir haben uns hier einmal einen Vorschlag gemacht zum Thema Impfgegner bzw. Impfgegner Gegner. Wenn uns das interessiert,
ist es ein hoch emotionales Thema. Viele Leute klicken das, viele Leute kommentieren das. Sehen unsere Zeitungen vielleicht bald so aus? Tja, letztendlich untermauert all diese ausgeklügelte Technik, all diese Algorithmen und Filter und Bubbles
und was weiß ich alles, nur ein zutiefst menschliches Bedürfnis. Nämlich den Wunsch, das zu glauben, was uns gefällt und was wir uns wünschen. Genau aus diesem Grund rufen Menschen für 1,99 Euro die Minute bei Astro Hotlines an, weil sie eben wollen, dass jemand ihnen sagt und sie wollen daran glauben, dass sie die große Liebe bald treffen und dass sie reich werden oder was auch immer.
Und wir glauben, was unsere Freunde glauben, weil wir dazugehören wollen, weil wir ihnen vertrauen. Und wir glauben das, was unser Weltbild untermauert. Und dafür können wir nicht mal was, denn die menschliche Wahrnehmung tendiert dazu, Informationen zu bevorzugen,
die unsere Überzeugungen untermauern. Was nicht in unser Weltbild passt, muss ja falsch sein. Oder zumindest gelogen. Die Kognitionspsychologie hat sich in diesem Thema sehr intensiv beschäftigt. Man nennt dieses Verhalten auch Bestätigungsfehler. Da gibt es sehr viele interessante Bücher dazu,
die ihr im Nachgang bitte alle lesen solltet. Wir sehen etwas. Und wir wollen an das Gute und an das Schöne glauben. So wie jetzt hier an dem Beispiel von Britney Spears mit ihrem damaligen Freund Kevin Federlein. Es sieht so ein bisschen so aus, als hätte jemand die zufällig am Strand getroffen, die zufällig fotografiert.
Man denkt sich, die haben da einen entspannten Nachmittag. Man sieht das, man wünscht sich das. Wenn man sich aber anschaut, wie das gesamte Bild ist, dann sieht das ein bisschen anders aus. Nämlich, dass es ein bestellter Termin war
und für die ein ganz normales Business, wo man schöne Bilder produzieren wollte. Wie gehen wir jetzt mit all dem um? In Deutschland wird relativ schnell die Forderung nach Verboten oder Gesetzen laut. Brauchen wir also ein Gesetz, das Facebook dazu zwingt, ausgewogene Timelines auszuliefern?
Oder brauchen wir ein Gesetz, das Google dazu zwingt, neutrale Timelines auszuspielen, was immer neutral sein mag? Demnächst fängt der Bundestagswahlkampf an und ich könnte mal gut vorstellen, dass irgendwo in dieser Republik auf irgendeinem Marktplatz sich ein Politiker hinstellt und genau das fördert. Aber das ist natürlich Quatsch.
Wir brauchen keine Verboten, keine Gesetze. Was wir brauchen, ist mehr Bildung. Wir müssen die Leute aufschlauen. Wir müssen ihnen helfen, die Kompetenzen zu erwerben, die nötig sind, sich im digitalen Raum zu bewegen. Und dazu ist es nun mal unabdingbar, zumindest in Grundzügen zu verstehen,
wie das Internet tickt. Und wir müssen das Bewusstsein schaffen, dass vielleicht nicht immer alles so hundertprozentig stimmt, wie es im Internet geschrieben steht. Denn viele Leute wollen eigentlich gar nichts Böses, wenn sie sich im Internet bewegen. 80 Prozent der Leute denken,
dass Google das Internet ist, einfach weil sie es als Startseite haben und weil das für sie das Tor zum Internet ist. Viele Leute fragen auch vielleicht sich gar nicht, warum Facebook mir genau diesen Feed anzeigt und nicht den anderen. Und sehen vielleicht auch nicht, dass Google Ergebnisse gegen Bezahlung nach oben nimmt
oder Amazon gesponserte Produkte dort setzt. Das ist vielleicht ein bisschen anders markiert, aber viele vermuten dahinter erst mal keine Manipulation. Das heißt, es ist jetzt auch schwierig da, jemandem einen Vorwurf zu machen, einfach wenn er es eben nicht weiß. Und so sind sich die Leute eben ihrer Filterbubble.
Bei dem einen ist sie vielleicht größer, bei dem anderen vielleicht kleiner. Aber die Leute sind sich ihrer Filterbubble und sagen, ja, was tun wir jetzt? Wie schon gesagt, gehen wir jetzt mal davon aus, dass dieser Geist der Personalisierung
und diese Filterbubble nicht so einfach wieder verschwinden wird. Und wir gehen auch mal davon aus, dass das Internet an sich jetzt in den nächsten paar Jahren nicht auch einfach wieder verschwinden wird. Dann ist Bildung mit Sicherheit ein Schlüssel zum Erfolg. Wir müssen die Menschen dazu bringen, dass wir nicht so einfach und kritischer mit dem Internet umzugehen. Auch wenn wir uns da nichts vormachen sollten,
diesen omnikompetenten Bürger wird es nicht geben, der immer alles ganz rational bewertet und dann sich eine tolle Meinung bildet. Menschen agieren immer subjektiv aus einem Bauchgefühl heraus. Aber wir können ihnen Tools an die Hand geben, ein bisschen helfen, damit sie vielleicht Dinge auch mal hinterfragen.
Wir haben da mal 5 einfache Dinge zusammengestellt, 5 Fragen, die man sich vielleicht stellen sollte, wenn man eine Quelle hat, bei der man sich nicht ganz so sicher ist, ob das jetzt fake ist oder doch echt. Erst ist die Frage nach der Aktualität. Denn man hatte gerade bei einschneidenden Ereignissen,
ist es wichtig zu wissen, ist es jetzt davor, ist es danach gewesen? Welchen Wissenstand hatte man, als dieser Artikel erstellt wurde? Wie ist die Quelle? Wie glaubwürdig ist das? Bei Hallelix zum Beispiel, die wir vorhin hatten mit dem grünen Politiker und dem Weihnachtsbaum, da gibt es auch ein paar SPD-Politiker, die dort eine auffällig rote Nase reingefotoshoppt haben.
Wenn man so etwas schon sieht, denkt man sich so, na ja, da scheint ja irgendwie eine gewisse allgemeine Absicht dahinter zu stehen. Wenn man sich zum Beispiel fragt, ist dieses Zitat jetzt echt oder ist es vielleicht doch irgendwie fake? Dann die Frage, was sagen denn jetzt andere Quellen zu einem Thema? Quellen, denen ich vielleicht eher vertraue als der,
die ich jetzt dort liegen habe. Dann, wer ist der Autor des Ganzen? Was für eine Intention hat der, das genau so zu schreiben, wie es jetzt gerade tut? Und nicht zuletzt die einfache Frage, kann das überhaupt sein? Ist das realistisch? Das ist der gesunde Menschenverstand,
der am Ende dann doch zum Zuge kommt. Ja, ihr seht, das ist ein komplexes Thema. Es gibt keine einfachen Antworten darauf und auch kein Patentrezept. Und überraschenderweise haben auch wir kein Patentrezept. Denn wenn wir eins hätten, wären wir jetzt nicht hier bei euch,
sondern genau hier, weil dann hätten wir nämlich schon sehr viel Geld damit verdient. Deshalb wäre unser Wunsch eigentlich ganz einfach. Ja, bei den Reisekatalogen, da waren wir alle sehr skeptisch und haben hinterfragt, ob das denn wirklich so sein kann, wie das so ist. Und wenn das beim Internet auch so passieren würde, dass wir dort auch genauso skeptisch wären,
mit gesundem Menschenverstand, dann wären wir doch alle schon einen ganzen Schritt weiter. Dankeschön.