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Einfachheit ist ein Zeichen des Wahren

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Einfachheit ist ein Zeichen des Wahren
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Leben und Werk des Physikers Robert Wichard Pohl
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Release Date
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Production Year2005
Production PlaceGöttingen

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Abstract
Der Film behandelt das Leben des Göttinger Physikers Robert Wichard Pohl (1884-1976). Pohl war ein Pionier der Festkörperphysik und Urheber eines einflussreichen Lehrkonzeptes für die Vermittlung von Physik an Schule und Hochschule.
Keywords
BuildingArchitectureHochschulbau
Atmosphere of EarthYearEntwicklerAtomphysikQuantentheorieLecture hallPlatzExperimental physicsBorn, Max
YearPhysikstudiumQuality (business)Pol <Astronomie>YearAugustus, Count Palatine of SulzbachMeeting/Interview
Power cableX-rayPhotoelectric effectWarburg, EmilPhysicistYearLecture/Conference
Born, MaxQuantentheorieEinstein, AlbertPhysicistBass (sound)Roof
PhysikYearAtomphysikPhysicistQuantentheorieAtomBorn, MaxAtomic nucleusDekangestirn
YearMansard roofInstitutsgebäudeAgeingYear
SommerRopeMeeting/Interview
HousePhysicistPol <Astronomie>Experimental physicsLecture hallLecture/ConferenceComputer animationPendulum
Lecture hallPhysicistGenerationInterference (wave propagation)Light fixtureYearPol <Astronomie>LinenOpticsReflection (mathematics)Geometrical opticsLightList of light sourcesMeeting/InterviewLecture/Conference
MorningPhysicistRotor <Maschine>YearMeeting/Interview
Moscow Aviation InstituteClassical mechanicsGummibandStanding waveFeedbackWasserstrahlUnruhOscillationWatchAmplitudeErzwungene SchwingungDruckholzMeeting/InterviewLecture/Conference
DoughExperimental physicsDayLepus (constellation)ClockX-ray tubeX-ray crystallographyMeeting/Interview
PlatzElectronic visual displayHalyardX-ray crystallographySternhimmelMeeting/InterviewParticle
SaltStoreySingle crystalFuorn PassSalzschmelzeCrystalModellverbindungYearCondensed matter physicsPioniergerätMeeting/Interview
X-rayFirearmPol <Astronomie>ElectronWalther, BernhardVacuumEnergiePhotoelectric effectYearMoleculeAtomIndustrieelektronik
VacuumElectronElectrical conductorSolidElectric fieldMeasurementDiamondIndustrieelektronikMagnetPharmaceuticsMeeting/Interview
NanotechnologyMaterialCrystalIndustrieelektronikMeeting/Interview
ElektronentransportCloudCathodeElectric fieldElectrodeAtommodellTransistorOpen-loop controllerVerstärkerYearPol <Astronomie>Physikgeschichte <Fach>PhysicsCrystalAnodePhysicistMotteLecture/Conference
Integrated circuitEinspritzanlageElectronicsElektrotechnikAutomobileMeeting/Interview
JanuaryDruckwerkAprilPol <Astronomie>Moscow Aviation Institute
PhysicistMeeting/InterviewLecture/Conference
Heidelberg TunYearTheory of relativityLawn mowerBrownPaintPol <Astronomie>PhysicistAuflager
Juli FernándezPhysicistRootstockMeeting/Interview
Juli FernándezHalyardPol <Astronomie>Computer animationEngineering drawingDrawingMeeting/Interview
DrechslerYearPol <Astronomie>HouseMeeting/Interview
VisibilityGasspürgerätMeeting/Interview
HouseMonthGasspürgerätDayWeekJuli FernándezComputer animationMeeting/Interview
MonthElectrical contactsWolfsschanzeBombAktentascheDruckwelleConcrete cover
DayStänderJuli FernándezPower cableLecture/Conference
HourLecture/Conference
DayJanuaryAugustus, Count Palatine of SulzbachKnäpperGedenkstätte Plötzensee <Berlin>
DestroyerMoscow Aviation Institute
RoofSeptember (1987 film)Atmosphere of EarthPhysicistCondensed matter physicsPol <Astronomie>GasspürgerätTuesdayMoped
MechanicLecture hallGerätWorkshopLinsePol <Astronomie>Focal length
Rep (fabric)Wirkung <Physik>General relativitySpecial relativityGravitationPendulum
YearElevatorSwitchVelocityStoreyFirearmTheory of relativitySpeed of light
YearVelocityPower cableLecture hallBridge
Lecture hall
SchallwelleComputer animation
Atmospheric pressureNormalPhysicistLadderOrder of magnitudePol <Astronomie>YearComputer animation
AprilPhysicistPol <Astronomie>Condensed matter physicsAprilYearBorn, MaxMeitner, LiseJam <Turm>Heisenberg, WernerAula
Augustus, Count Palatine of SulzbachHahn, OttoPol <Astronomie>Meeting/Interview
YearPhysicistMeeting/InterviewLecture/Conference
PhysicistYearMeeting/Interview
GenerationPol <Astronomie>PhysicistMeeting/InterviewLecture/Conference
DayMeeting/Interview
YearAerial lift pylonAnregungMeeting/InterviewLecture/Conference
Juli FernándezPhysicistYearMechanische SchwingungAcousticsJuneHouseDruckholzMeeting/InterviewLecture/Conference
Lecture hallPhysicistAuflagerPol <Astronomie>Physikstudent
NeubauYearPol <Astronomie>Condensed matter physicsVacuumGasThin filmLecture/ConferenceMeeting/Interview
Substrate (printing)VacuumThin filmMeltingLiquidAtomAtomverteilungToughnessRoom temperatureIndustrieelektronikAtomWeißscher BezirkFließenMoleculeMagnetismLecture/Conference
TemperatureMagnetBassinetAgeingPol <Astronomie>PhysicistComputer animation
Transcript: German(auto-generated)
Die Universitätsstadt Göttingen, zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein wissenschaftliches Mecker für Mathematiker und Naturwissenschaftler aus aller Welt.
In der Bunsenstraße lehren damals in der Tradition des Mathematikers Felix Klein in diesem Gebäude seine Kollegen David Hilbert, Hermann Weil, Emy Nöther und viele andere. Gleich nebenan das Physikalische Institut. Die Architektur des roten Backsteinbaus ist
typisch für die zu Beginn des 20. Jahrhunderts hier errichteten Universitätsgebäude.
Dieses Physikinstitut mit seiner außergewöhnlichen Atmosphäre bereitet vor 80 Jahren
den fruchtbaren Boden für wesentliche Entwicklungen der modernen Atomphysik und Quantentheorie. Der Bau bietet genügend Platz für die Forschung und einen großen Hörsaal für die Lehre. Dieser Hörsaal wird zur Schaufläche für den seit 1919 in Göttingen lehrenden Experimentalphysiker Robert Wichert Pohl.
Gemeinsam mit seinen Kollegen Max Born und James Frank verhilft er der Göttinger Physik in den 20er Jahren zu Weltruhm. Pohl hat das von ihm geleitete erste Physikalische Institut durch seine
Ideen bis heute geprägt. Dies ist die Lebensgeschichte eines ungewöhnlichen Wissenschaftlers. Zunächst Schlaglichter auf Pols frühe Jahre. Am 10. August 1884 wird Robert Wichert geboren.
Sein Vater Eugen Robert Pohl arbeitet als Schiffsbauingenieur. Mit seiner Frau Martha fördert er früh die technischen Neigungen seines Sohnes. Gemeinsam mit seiner Schwester Margot wächst Robert in Hamburg auf. Robert besucht das Johannäum in Hamburg. Ein traditionsreiches Gymnasium mit einem sehr guten Physikunterricht.
Im Jahr 1903 macht er dort sein Abitur. Anschließend beginnt er ein Physikstudium bei Professor Quink in Heidelberg. Pohl schätzt dessen fachliche Qualitäten durchaus. Den Unterricht findet er jedoch enttäuschend. Etwas langweilig und wenig anschaulich.
Später wechselt er nach Berlin und studiert dort bei dem bedeutenden Physiker Emil Warburg. Ich habe von 1906 nach Beendigung meines Studiums größtenteils in Berlin und in den Ferien in Hamburg gearbeitet.
In Hamburg habe ich mich besonders unter der Leitung von Professor Walter mit Röntgenstrahlen beschäftigt. In Berlin habe ich mich vor allem um den äußeren Fotoeffekt von Alkalinmetallen gekümmert.
Pohl ist bereits als Schüler im Jahr 1895 von der Weltsensation der Röntgenstrahlen tief beeindruckt. Seine Begeisterung für wichtige Phänomene wie den Fotoeffekt hält sein Leben lang an.
Im Jahr 1911 habilitiert sich Pohl in Berlin bei Professor Heinrich Rubens und bleibt auch weiterhin im Kreise seiner Berliner Kollegen, darunter Wilhelm Westphal, Otto Hahn und auch sein alter Studienfreund James Frank, den er noch aus Heidelberg kennt.
1914, kurz vor Beginn des ersten Weltkriegs, trifft Pohl in Berlin auch Albert Einstein und redet mit ihm einen Abend lang über Physik. Die Begegnung mit dem genialen Physiker beeindruckt Pohl tief. In einem Brief an seine Mutter schreibt er, Einstein ist ein ganz ungeheuer bedeutender Mensch.
Er schwört jetzt, das jahrhundertealte Rätsel der Schwerkraft gelöst zu haben. Stimmt das, wird ihn die Nachwelt neben Galilei und Newton nennen. 1916 wird Pohl an das Physikalische Institut der Universität Göttingen berufen. Er kann die Stelle jedoch erst 1919, nach Ende des ersten Weltkriegs antreten.
Seit 1921 arbeiten unter diesem Dach neben Pohl zwei weitere Physiker, James Frank und Max Born. Der Theoretiker Max Born forscht auf dem neuen Gebiet der Quantentheorie. Er wird dabei von seinem Freund und Kollegen James Frank in experimenteller Hinsicht unterstützt.
Für ihre Arbeiten erhalten beide später den Nobelpreis. Das Göttinger Institut um Born und Frank ist in den zwanziger Jahren ein internationales Zentrum der Atomphysik. 1922 hält hier der dänische Physiker Nils Bohr weit beachtete Vorlesungen über seine neuen Ideen zur Quantentheorie des Atoms.
Auch der junge Werner Heisenberg, der bei Max Born studiert, ist unter den Zuhörern. 1931 hält Born eine Ansprache zu Ehren Ernest Rutherfords, des Entdeckers des Atomkerns. Unter der Amtsführung seiner Magnifizenz des Rektors Prof. Dr. Med. Erhard Rieke
ernennt die mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät der Georg-August-Universität durch ihren Dekan Prof. Dr. Phil Max Born und Dr. Rutherfords of Nesen in Cambridge, England zum Ehrendoktor der Philosophie. Ausgefertigt und mit dem Indiegel der Fakultät versehen.
Der Lord bedankt sich. I was very proud to be a foreign member of the Gertigan Academy. And my pride is still in more increase by me made an honorary doctor of this great university.
Dem wissenschaftlichen Ruhm folgen internationale Stiftungsgelder, unter anderem zur baulichen Erweiterung der physikalischen Institute. Die geräumige Dachwohnung im obersten Stock des Institutsgebäudes bezieht Pol zusammen mit seiner 17 Jahre jüngeren Frau Auguste Madelung, genannt Tussa.
Eine kluge und liebevolle Frau, die ihrem Mann den Rücken stärkt und auf eine eigene Berufskarriere verzichtet. 1924, zwei Jahre nach der Hochzeit, wird die älteste Tochter Otti geboren. Dann folgt 1926 Lorle, die zweite Tochter und schließlich im Jahr 1929 der jüngste.
Er heißt Robert mit Spitznamen Bobby. Gleich über dem Institut findet das polische Privatleben statt.
Die junge Familie Mitte der 30er Jahre, beim Mittagessen. Es gibt Fisch, eines der Lieblingsgerichte von Vater Pol, der sich den kulinarischen Genüssen des Lebens keineswegs abgeneigt zeigt. Im Sommer ist der Dachgarten nicht nur ein Mittelpunkt des Familienlebens, sondern auch ein Abenteuerspielplatz für den Jüngsten.
Der kleine Bobby lässt sich zwar noch gern bemuttern, doch er geht schon seine eigenen Wege und die führen ihn hoch hinaus. Vater Pol hat es nicht verboten, nur ein Seil muss angebracht werden, aus Sicherheitsgründen.
Ein sommerlicher Abend auf der Dachterrasse, ein Ort der Entspannung, ein Hort des Privaten. Doch für Pol gibt es keine wirkliche Trennung zwischen seiner Arbeit und dem Privatleben.
Ob bei Spaziergängen in Göttingen oder zu Hause während seiner freien Zeit, ständig ist Pol mit physikalischen Problemen beschäftigt. In Gedanken oder im praktischen Tun. Oft tüftelt er an neuen Experimenten für seine Vorlesungen und für seine Lehrbücher.
Pol ist begeistert von dieser Wissenschaft, seiner Physik. Er hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Physikalische Inhalte verständlich, anschaulich und klar zu vermitteln, das ist Pols wichtigstes Anliegen.
Pols Bühne als Lehrer war sein Hörsaal. Seine Vorlesungen waren eine für viele Hörer verschiedener Fakultäten beeindruckende Schaustellung der Experimentalphysik.
Aus diesen Vorlesungen erwuchs auch seine Einführung in die Physik. Ein dreibändiger Lehrbuchklassiker, den Pol bis an sein Lebensende überarbeitete. Pol hat, wie kein anderer, die Schattenprojektion von Experimenten als Stilmittel im Hörsaal benutzt und perfektioniert. Er hat im wahrsten Sinne des Wortes Vorführexperimente zur Bühnenreife gebracht.
Und so Generationen von Physikern in ihren Ansprüchen an eine verständliche Physikvorlesung geprägt. Denn das möchte ich deutlich sagen, wenn Pol immer als Didaktiker gelobt wird, so ist damit nicht das gemeint, was man heute immer unter Didaktik versteht,
sondern da ist nur gemeint die Klarheit des Ausdrucks, die brillante, glasklare Darstellung der Fakten und sonst nichts. Ein berühmtes Experiment ist der polsche Interferenzversuch mit Hilfe des kohärenten Lichts einer Dampflampe und mit einem als Spiegel dienenden hauchdünnen Glimmerblatt.
Würde man nun zwei Lampen ganz dicht hintereinander aufstellen und nacheinander leuchten lassen, dann ergäbe sich durch Überlagerung der Lichtwellen ein Interferenzmuster an einer Projektionswand. Doch Lampen mit wenigen hundertstel Millimetern Abstand aufzustellen ist ein Problem. Pols Lösung? Die von einer Lampe an der Spiegelvorderseite
reflektierten Lichtstrahlen ergeben in ihrer rückwärtigen Verlängerung eine virtuelle Lichtquelle. Dasselbe gilt für Lichtstrahlen, die an der Rückseite des Spiegels reflektiert werden. Es entstehen auf diese Weise zwei virtuelle, dicht beieinander stehende Lämpchen, die kohärentes Licht aussenden und auf einer Leinwand ein sichtbares Interferenzmuster erzeugen.
Doch nach so viel Theorie wollen wir uns das Experiment so anschauen, wie es Robert Wichert-Pohl seinen Studenten jahrelang vorgeführt hat. Bis heute werden in den Göttinger Vorlesungen zur Optik die polschen Originalgeräte verwendet.
Versuche wie dieser haben die Kultur der Physikvermittlung nachhaltig geprägt.
Pols Art zu lehren lockt über Jahrzehnte viele Studenten nach Göttingen, um hier zu lernen und in das wissenschaftliche Arbeiten eingeführt zu werden. Unter ihnen Ende der 40er Jahre Werner Martinsen. Dieser Arbeit hat mir sehr viel Freude gemacht. Es dauerte zwei Jahre.
Während dieser Zeit habe ich sehr viel mit Pol diskutieren können, habe ihn dadurch in seinem wissenschaftlichen Leben, in seinen wissenschaftlichen Argumenten und auch in vielen persönlichen Dingen mehr und mehr kennengelernt. Er hat mich dann auch herangezogen zu seinen Lehrbüchern. Ich bekam den Auftrag, Korrekturvorschläge zu machen.
Er hat immer am nächsten Morgen gesagt, damit Sie sehen, dass es nicht umsonst war, zeige ich Ihnen, was ich daraus gemacht habe, worüber wir gestern Abend diskutiert haben. Darauf legte Pol sehr großen Wert. So entstand im Laufe von etwa zwei weiteren Jahren als Doktorand im Physikalischen Institut ein sehr enges persönliches Verhältnis.
Ja, ich möchte fast sagen, ein väterliches Verhältnis zwischen dem Doktorvater und seinen Doktoranden. Robert Wichert Pol war ein großartiger Lehrer. Und hier sehen Sie eine kurze Szene aus dem Hörsaal, wie er seine Vorlesung Einführung in die Physik hält.
Das war 1952. Robert Wichert Pol wird gleich eintreten mit einer charakteristischen Verbeugung, die alle, die diese Vorlesung gehört und gesehen haben, wohl immer im Gedächtnis behalten werden.
Hier hält Pol eine Vorlesung über Schwingungen und Wellen. Er liebte es, Phänomene von Schwingungen und Wellen an mechanischen Beispielen darzustellen. Hier erläutert er es an einem Gummiband, an den Schwingungen eines Gummibandes. Sein Vorlesungsgehilfe, Herr Sperber, bereitet das Experiment vor.
Pol hat es sich aber nie nehmen lassen, dann die letzte Justage doch selber vorzunehmen und selbst das eigentliche Experiment vorzuführen. Es geht hier um eine Welle, die das Gummiband entlangläuft und am Ende wieder reflektiert wird, sodass eine stehende Welle entsteht.
Und er wird dann mit dem Finger darauf weisen, wo die Knoten der stehenden Welle liegen. Es werden noch letzte Anweisungen für das Experiment gegeben. Herr Sperber bekommt noch einige Hinweise, wie er den Schattenriss, die typische Darstellungsweise von Robert Richard Pol, arrangieren soll.
Und dann wird das Experiment selbst vorgeführt. Hier sehen Sie die Studenten, machen sich selbst Notizen. Bücher waren zu dieser Zeit immer noch recht knapp. Hier sehen Sie ein sehr charakteristisches Experiment für die Darstellung von Schwingungsvorgängen mit mechanischen Mitteln.
Das ist so etwas wie eine Unruhe aus einer Armbanduhr. Wir nennen das einen Resonator, an dem erzwungene Schwingungen dargestellt werden. Und hier demonstriert Pol das Phänomen der Rückkopplung. Es wird eine Stimmgabel mit einem Wasserstrahl in Verbindung gebracht.
Der Wasserstrahl fällt auf so einen Tamburin und die Schwingungen des Tamburins werden über einen Glasstab wieder zur Quelle zurückgeleitet. Und so verstärkt sich die Schwingung zu immer größeren Amplituden. Zum Abschluss der Vorlesung testiert Robert Richard Pol die Studienbücher.
Es sind viele Studenten da und darum muss Herr Sperber mithelfen, dass es hinreichend schnell geht. Sogar alte Hasen wie der Physik-Nobelpreisträger Max von Laue profitieren von der Qualität des polschen Lehrbetriebs.
In Polschen Institut war es eine Tradition, dass am Sonnermorgen von acht bis neun Uhr Leckerbissen aus der Experimentalphysik dem Publikum vorgeführt wurden. Manchmal passierte es, dass Pol verhindert war, selbst die Vorlesung zu halten,
dann bat er einen seiner Doktoranden oder seiner Postdocs für ihn einzutreten. Eines Tages war ich dran mit dieser Aufgabe und an dem Freitagnachmittag hatten wir das Experiment aufgebaut. Dann habe ich Professor Pol gebeten, doch einmal herunterzukommen in den Hörsaal, um es sich anzuschauen.
Und Pol war sehr zufrieden. Er war sehr beeindruckt. Wir hatten nämlich im Institut eine neue Röntgenquelle anschaffen können und die war lichtstärker als alle bisherigen. Und damit wurde dieses Experiment ungleich schöner als das, was wir vorher hatten, zeigen können. Pol stand vor den Röntgeninterferenzen, den von Laue entdeckte Röntgeninterferenzen und sagte, das ist ja fabelhaft.
Jetzt müssen wir Herrn von Laue rufen, der hat seine Röntgeninterferenzen noch nie in vivo gesehen. Das müssen wir ihm unbedingt zeigen. Die Hörsaaltür ging auf, Max von Laue trat ein. Er wurde gebeten, zunächst einmal Platz zu nehmen und dann ging schrittweise das Licht aus.
Es wurde immer dunkler, bis schließlich stockedunkler. Max von Laue wurde an die Hand genommen und wurde vor den Leuchtschirmen geführt, damit er direkt frontal auf den Leuchtschirmen gucken konnte. Jetzt wurde die Röntgenlampe eingeschaltet. Und siehe da, es erschien auf dem Leuchtschirm ein Sternenhimmel funkelnder,
leuchtender Punkte der Röntgenstrahlinterferenzen des Röntgenlichtes an dem Gitter des Steinsalzkristalles. Von Laue war begeistert. Allerdings ist er in seiner zurückhaltenden, etwas trockenen Art, blieb er relativ
still, aber er blieb eine ganze Zeit lang vor dieser Röntgenlampe stehen. Dass man sich Röntgenlicht eigentlich so lange nicht aussetzen sollte, das hat man zu der Zeit noch nicht so streng genommen, wie es heute der Fall ist. Paul lehrt, wie mit Hilfe physikalischer Prinzipien und einfacher Begriffe das Wesen der Natur offengelegt und verstanden werden kann.
Das Kristallzimmer im Dachgeschoss des alten Physikalischen Instituts. Hier beginnt Paul in den 20er Jahren, äußerst regelmäßig gebaute sogenannte Einkristalle von Kochsalz und von anderen Alkalihalogeniden zu züchten.
Die Kristalle dienen als Modellsubstanz fester Körper und werden hier in einem Ofen aus Salzschmelzen erzeugt. Man kann eigentlich sagen, dass 30 Jahre lang in seinem Institut die Modellsubstanz Alkalihalogenide in allen Feinheiten untersucht worden sind.
Paul gilt als einer der großen Pioniere der Festkörperphysik. Seine Schüler sind ja auch über die Welt später Ordinarien geworden und haben diese Festkörperforschung fortgesetzt.
Als Paul 1919 nach Göttingen kommt, beschäftigt er sich mit dem Fotoeffekt. Mit den Lichtteilchen der Röntgenstrahlung will er im Vakuum aus vereinzelten Atomen Elektronen herausschlagen und so das Vakuum elektrisch leitend machen. Doch im armen Nachkriegs Göttingen kann Paul kein Vakuum herstellen. Also wechselt er zu Festkörpern, zu Kristallen, deren Verfärbungen später einige Berühmtheit erlangen werden.
Welche Umwege die Kristallforschung hier genommen hat, weiß auch Pols ehemaliger Doktorand Werner Martinsen. Paul hat in jungen Jahren mit Bernhard Walther zusammen Röntgenphysik getrieben.
Insbesondere haben Paul und Walther den lichtelektrischen Effekt studiert. Röntgenlicht trifft auf ein Molekül und die Energie eines Röntgenquantes löst aus dem Molekül ein Elektron aus. Dieses abgelöste Elektron konnte dann durch das Vakuum laufen, konnte in einem elektrischen Feld beschleunigt werden.
Und so konnte man das hundertprozentig isolierende Vakuum zu einem elektrischen Leiter machen. Paul kam auf die geniale Idee, das Vakuum zu ersetzen durch einen Festkörper. Und er wählte mit seinem für ihn typischen Fingerspitzengefühl als den ersten Festkörper, den er probiert hat, einen Diamantkristall aus.
Leider geschah beim Experimentieren mit dem Diamanten ein Missgeschick. Der Diamant zerbrach und das Budget des Institutes reichte nicht aus, einen neuen Diamanten zu kaufen. Bei der Messung des Abdriftens von bewegten Elektronen im Magnetfeld, dem sogenannten Hall-Effekt, geschieht das Unglück.
Wir haben versucht, den Hall-Effekt, den Diamanten zu messen. Wir bauten den Diamanten ein durch die Pole eines großen Elektromagneten, vergaßen aber, die Pole ordentlich festzuschrauben.
Und als wir einschalten, klug der Magnet zusammen und unser einziger guter Diamant war Pulver. Das war meine eigene Schuld, aber ich habe auch nicht aufgepasst. Aber Paul hatte sofort einen Ersatz zur Hand, er wandte sich Alkalihallogenit-Kristallen als Festkörpermaterial zu.
Das war nicht so kostspielig und man konnte große Kristalle von solch einem Material im Physikalischen Institut der Göttinger Universität herstellen. Hier sehen Sie ein Beispiel von einem riesengroßen Ein-Kristall aus Natriumchlorib.
Auf verschiedene Weise gelingt es Paul und seinen Mitarbeitern, in den Kristallen freie Elektronen zu erzeugen. Deren messbare Bewegung, also den Stromfluss, kann man sogar sehen. Denn wenn negative Elektronen auf positive Kristallionen treffen, bilden sich sogenannte sichtbare Farbzentren in den Kristallen aus.
Man kann also den Elektronenstrom in so einem Alkalihallogenit-Kristall direkt mit bloßem Auge verfolgen, ihn sichtbar machen. Hier ist so ein Kaliumbromit-Kristall. In diesem Kristall wurde von dieser Seite her mit einer negativ geladenen Kathode ein Elektronenstrom in den Kristall eingeleitet.
Er hat sich tiefblau verfärbt. Im elektrischen Feld kann man diese blaue Wolke durch den ganzen Kristall hindurchziehen. Hier ist sie fast bis zum Ende gelaufen. Ganz am Ende ist der Kristall noch ein wenig lichtdurchlässig. Durch Umpolen des elektrischen Feldes kann man die ganze Wolke wieder
herausziehen, können alle Elektroden in die ursprüngliche Kathode wieder zurückgezogen werden. Man kann also den Elektronentransport in solchen durchsichtigenden Materialien direkt mit dem Auge verfolgen. 1939 wird hier entdeckt, dass die Steuerung von Elektronenströmen in Kristallen möglich ist.
Mit Hilfe dieses alten Kristallzimmers werden also Grundlagen der modernen Festkörper-Elektronik gelegt. Doch sie werden erst 1958 der Weltöffentlichkeit präsentiert. Dies ist ein Film, der im Physikalischen Institut aufgenommen wurde, für die Brüsseler Weltausstellung. Jetzt kommt ein Kristallverstärker zur Darstellung. Der elektronische Strom kann kontrolliert werden durch eine Hilfselektrode,
die ebenfalls um die Kathode herum angelegt wird. Mit einer relativ kleinen Spannung an der Hilfselektrode kann man den Strom, der durch den Kristall von Kathode zur Anode fließt, kontrollieren, regeln.
Wenn die Kontrollspannung erhöht wird zu plus 5 Volt, wird der Strom durch den Kristall erheblich stärker. Bei 10 Volt wird der Strom noch stärker und die blaue Wolke strömt jetzt durch den ganzen Kristall hindurch. Bei negativen Kontrollspannungen können wir den Strom weitgehend unterdrücken.
Das Prinzip dieses Verstärkers ist dann in viel späteren Jahren benutzt worden, um damit den Transistor zu bauen, das Grundelement der modernen Halbleiter-Technologie. Erst Ende der 40er Jahre werden Pols Ergebnisse durch die Festkörperpioniere Mott und Seitz international anerkannt.
Ein wenig liegt dies auch an Pols Vernachlässigung der theoretischen Physik. Ich müsste mich schämen, aber ich bin ganz ehrlich, ich habe mich immer sehr wenig um die Theorie gekümmert. Mich hat immer sehr viel mehr die experimentelle Tatsache interessiert.
Und infolgedessen sind unsere Arbeiten auch zunächst sehr wenig beachtet worden, weil sie nichts mit dem burschen Atommodell zu tun hatten. Also nach dem ersten Weltkrieg galt als Physik nur das, was mit dem burschen Atommodell zu tun hatte.
Und da hier sind die Arbeiten sehr lange unbeachtet geblieben, bis Mott, Seitz usw. kamen und sagten halt. Bis 1980, fast 60 Jahre lang, war der polsche Kristallziehraum in Betrieb.
Inzwischen wurde das Kristallzimmer abgebaut. Damit ist auch ein historischer Ort der Physikgeschichte verschwunden. Robert Richard Pohl würde sich freuen, wenn er noch miterlebt hätte, wie die Festkörperphysik, die er ja aus den simpelsten Anfängen heraus mitbegründet hat,
heute zu einer beherrschenden Wissenschaft und Technik, auch gerade was die Anwendungen betrifft, geworden ist. Aus der modernen Elektrotechnik und Elektronik sind Festkörperschaltungen nicht hinwegzudenken, ob sie an
die Computer denken oder an einen Herzschrittmacher oder an die Einspritzanlage im Auto. Wohin sie blicken, die gesamte moderne Zivilisation und Technik, und das ist Elektrizitätslehre, wird heute von der Festkörper-Elektronik beherrscht. Das Physikinstitut in Göttingen ist Ende der 20er-Jahre ein Forschungszentrum von Weltrand.
Doch einige Wissenschaftler ahnen damals, dass eine rechtsextreme und militaristische Politik in Deutschland bald Wirklichkeit werden könnte.
30. Januar 1933. Machtergreifung Hitlers. Nach einer Ansprache des Rektors der Universität Göttingen werden hier Anfang Mai Schriften politisch missliebiger Autoren verbrannt. Juden werden öffentlich ausgegrenzt. Zuvor, Ende März, haben in Göttingen bereits gewalttätige antisemitische Boykottmaßnahmen begonnen.
Anfang April verkündet das Regime ein Gesetz zur Entlassung jüdischer Beamter. Pols Kollege James Frank kann zwar als dekorierter Weltkriegsoffizier vorläufig bleiben, tritt aber aus Protest öffentlichkeitswirksam sofort von seinem Hochschulamt zurück. 42 Göttinger Hochschullehrer bezeichnen daraufhin Franks Rücktritt öffentlich als Sabotageakt und fordern notwendige Reinigungsmaßnahmen.
Ende April erhalten die ersten sechs jüdischen Professoren in Göttingen ihr Beurlaubungsschreiben. Darunter auch Pols zweiter Kollege Max Born, der wie viele andere hervorragende Wissenschaftler daraufhin aus Deutschland emigriert.
Pol bleibt als einziger Ordinarius am Göttinger Physikinstitut zurück. Politisch aktiv ist er nicht. Doch wer ihn privat näher kennt, weiß, wo er und seine Familie stehen. Erika Kiebusche, ihre Familie, die gegen Hitler aktiv Widerstand geleistet hat, ist seit langem mit den Pols befreundet.
Ich muss sagen, die Familie Pol war für mich eine so vertrauensvolle Begegnung, dass man von Anfang an spürte, sie waren mit diesem ganzen Naziregime nicht einverstanden.
Aber er hatte in meinen Augen, ich war ja nun noch wirklich noch sehr jung, sich mehr auf seine wissenschaftlichen Arbeiten konzentriert. Und er war im Grunde genommen ein etwas unpolitischer Mensch. Ihn interessierte eben die Physik und das hatte mit Politik nichts zu tun.
Aber er war kritisch dem Ganzen eingestellt. Nur darüber wurde nicht gesprochen. Es waren andere Dinge wichtiger. Pol hält sich an seine Physik. Und die ist für ihn über alle ideologischen Phrasen erhaben. Den Versuch des Heidelberger Nobelpreisträgers Philipp Lennard, eine deutsche Physik zu begründen, lehnt Pol Rigoros ab.
Für Lennard ist jede Wissenschaft rassisch und blutmäßig bedingt. Für die Nazis etwa stellt die Relativitätstheorie des Juden Einstein schon in den 20er Jahren ein verfehltes Gedankengebäude dar. Anders als mancher Kollege ignoriert Pol diese arische Physik.
Alle Auflagen seiner Lehrbücher enthalten Einsteins Relativitätstheorie ohne Abstriche. Auch jene, die vor 1942 erschienen sind, der Hochzeit der deutschen Physik. Ende der 30er Jahre gewährt Pol dem Chemiker Hans von Wartenberg im Physikinstitut Unterschlupf. Von Wartenberg, der mit einer sogenannten Halbjüdin verheiratet ist, muss auf Betreiben der Nazis seine Stellung im Chemischen Institut räumen.
In einem Brief bedankt sich der Chemiker und schenkt Pol einen Rasenmäher für das neue Haus, das die Familie kurz zuvor bezogen hat.
Von Wartenberg legt ein kleines, selbst verfasstes und zum Rasenmähen animierendes Gedicht bei. Er schreibt, aber wenn der Bauch tut noch so weh, denkt nur, jeder Halm sei ein PG, gemeint ist Parteigenosse. Pol hält das Gedicht seines Freundes in Ehren, jedoch ohne den verdächtigen Satz.
Erst nach dem Krieg fügt er ihn wieder hinzu und kommentiert, in kritischer Zeit, von mir abgeschnitten. Im Institut ist Pol bekannt für seine zweideutigen Bemerkungen über die Farbe Braun. Weitgehend unbekannt sind jedoch bis heute Pols Kontakte zu Widerstandskreisen geblieben. Peter Kaiser weiß hier mehr. Er ist der Neffe von Hermann und Ludwig Kaiser, beides aktive Widerstandskämpfer des 20. Juli.
In Göttingen hat Hermann Kaiser Mathematik und Physik studiert. Er hat deswegen dort, wie auch in diesen anderen genannten Städten, Vertrauensleute gesucht, Menschen, denen er vertrauen konnte. Er hat es sehr vorsichtig versucht herauszubekommen, auf welcher Seite man stand, ob man ein völlig bornierter Nazi war oder nicht,
oder ob man jemanden gefunden hat, der einigermaßen zugänglich war. Und er hat wohl, wie man jetzt sicher schließen kann, aus Unterlagen in meinem Besitz im Nachlass von Ludwig Kaiser und Hermann Kaiser,
die bei mir sind und auch in der Literatur, kann man mit Sicherheit feststellen, dass er Kontakt oder das einer seiner Kontaktleute und Vertrauensleute der Physiker Professor Pohl war.
Der Studienrat Hermann Kaiser ist einer der wichtigsten Verbindungsmänner zwischen dem zivilen und militärischen Widerstand im Deutschen Reich. Er will ein Netzwerk vertrauenswürdiger Personen für die Zeiten nach einem gelungenen Umsturz aufbauen. In einem internen Bericht an die Alliierten zur Staatsumwälzung vom 20. Juli 1944 berichtet später sein Bruder Ludwig über Hermanns Kontakte nach Göttingen.
Enge Beziehungen pflegte mein Bruder Hermann mit der Universität Göttingen. In gewissen Zeitabständen suchte er in Göttingen und Wiesbaden seine Vertrauensleute auf, die er über die außen- und innenpolitische und militärische Lage unterrichtete. Hermann Kaiser, der beim militärischen Oberkommando in Berlin arbeitet, hat großes
Vertrauen in Pols politische Integrität. Er macht ihm deshalb ein überraschendes Angebot. Auf jeden Fall hat er Professor Pohl angesprochen, auch um ihn dazu zu gewinnen, im zukünftigen Kultusministerium in der Verwaltung, also von Kunst, Wissenschaft, Bildung, Hochschulen usw. mitzuarbeiten.
Aber offensichtlich wollte Professor Pohl das nicht. Er wollte nicht in die Politik gehen, er wollte nicht jetzt ausgesprochen tagespolitische Arbeiten übernehmen, sondern an der Hochschule bleiben. Pohl äußert sich über seinen Kontakt zu Hermann Kaiser nach dem Krieg
gegenüber dem ehemaligen NSDAP-Mitglied und früheren Rektor der Universität Göttingen, Hans Drechsler. In Drechslers privatem Nachlass befindet sich ein Brief Pols vom 18. März 1955, in dem er schreibt Seit vielen Jahren war mir ein Studienrat Hermann Kaiser in Wiesbaden bekannt. Bei einem seiner Besuche verblüffte er
mich mit der Frage, ob ich nach erfolgreicher Beseitigung Hitlers ein Amt in der Unterrichtsverwaltung zu übernehmen bereit sei. Ich lehnte ab, weil ich mich nicht auf eine politische Tätigkeit einlassen wollte. Dann hat er noch mehr getan, zusammen mit Herrn Pohl. Er hat ihn nämlich offensichtlich auch gebeten, noch weitere Kollegen anzusprechen.
Also, dass Herr Pohl jetzt seinerseits auch andere Kollegen anspricht, um die auch noch ins Vertrauen zu ziehen, also Kollegen an der Hochschule jedenfalls. Und es hat da wohl auch ein Treffen stattgefunden im Haus von Professor Pohl.
In dem erwähnten Brief von 1955 schildert Pol dem ehemaligen Rektor das konspirative Treffen mit Hermann Kaiser aus seiner Sicht. Es kamen etliche Gäste aus dem Kollegenkreis, um deren Einladung mich Herr Kaiser gebeten hatte. Herr Kaiser setzte, wenn auch nicht so deutlich wie unter vier Augen, seine Ansichten über einen baldfälligen Wechsel der Dinge auseinander.
Ich selbst verhielt mich durchaus passiv, weil mir das Ganze überaus fatal war. Es ist ja auch immer wieder die Rede von mehrfachen Besuchen in Göttingen. Und bei einem dieser Besuche, wo noch andere Kollegen anwesend waren, muss aber einer dieser Kollegen auch irgendjemanden etwas über dieses Treffen erzählt haben.
Das ist bis nach Berlin gegangen zum Generalobersten Beck. Und das hat dann ziemlich einen Ärger gegeben, weil man diese ganzen Besprechungen ja doch sehr konspirativ gehandhabt hat.
Pohl ist von der Reaktion des Generalobers Beck, der sich seit 1938 dem Widerstand angeschlossen hat, überrascht. Pohl schreibt, wenige Monate später erschien Herr Kaiser abermals und erklärte mir in großer Erregung, einer meiner Gäste habe offenbar nicht dichtgehalten. General Beck habe die Gespräche in meinem Hause erfahren und mache es mir zur Pflicht, alles abzuleugnen, falls mich die SS vernehmen sollte.
Durch die Tatsache, dass er von Hermann Kaiser eingeweiht worden war, musste er davon ausgehen, dass als Hermann Kaiser dann verhaftet worden war, oder als die ganze Verhaftungswelle nach dem 20. Juli losging, da sind zunächst so bis zu 700 Personen verhaftet worden in den Wochen darauf,
musste er davon ausgehen, dass möglicherweise sein Name irgendwo auftaucht. Er konnte nicht wissen, dass im Oberkommando des Heeres das natürlich nicht aufgezeichnet worden war und sein Name auch nirgendwo auf irgendeiner Liste stand.
Es standen auf den Listen der Verschwörer bei Gördler zum Beispiel hauptsächlich die ganzen Ministerposten und die Menschen, die vorgesehen waren für den Reichskanzler, für den Reichspräsidenten und die ganzen Minister, und die sind auch alle verhaftet worden, wenn sie nicht gleich am Tag des Attentats noch erschossen worden sind.
Pol wird von der NSDAP in Göttingen sofort als Sympathisant der Attentäter verdächtigt. Er schreibt, nach diesen Vorfällen betrachtete ich mich nach dem missglückten Attentat als ernstlich gefährdet, und ich möchte die Monate der Angst nicht noch einmal durchleben. Der damalige Rektor der Universität Drechsler beschreibt aber offenbar Pol der NSDAP gegenüber
als eine zwar dem Nationalsozialismus fernstehende, aber unverdächtige Person. Von dessen wirklichen Kontakten zu Hermann Kaiser weiß damals auch Drechsler nichts. Das Führerhauptquartier Wolfschanze.
Der Attentäter Klaus Schenkgra von Stauffenberg hatte die Aktentasche mit der Bombe dicht neben Hitler unter einen schweren Eichentisch platziert. Die Druckwelle hat die Betondecke teilweise einstürzen lassen. Vier Männer sterben. Hitler überlebt leicht am rechten Arm verletzt. According to Goebbels, everyone at the conference, with the exception of General Korotin and the Führer, was blown out of the windows by the bomb.
A black cloaked Hitler stands on the platform to welcome... Noch am Tag des Attentats erwartet Hitler Mussolini zu Besuch. Er begrüßt ihn mit der unverletzten linken Hand. Graziani, Mussolini's sidekick, also joins in the chorus of heils.
Der Volksgerichtshof in Berlin. Unter Leitung des fanatischen Nazi-Juristen Roland Freisler wurden mehrere Schauprozesse gegen die Attentäter statt. Demütigend, manchmal auch verständnishäuchelnd, verhört Freisler Karl-Friedrich Goedler, den Kopf des zivilen Widerstandes des 20. Juli 1944.
Und was war da das Ergebnis der Erwägungen? Das Ergebnis der Erwägungen war, dass Herr Beck versuchen solle, durch Einfluss auf seine Kameraden, eine solche Vorstellung mehrerer Generalfeldmarschale... Der erste Generalfeldmarschall sollte einen Vortrag mehrerer Generalfeldmarschale herbeiführen und das wollte für anlassend Beck.
Dann das bereits feststehende Urteil. Im Namen des deutschen Volkes, ehrgeizverfressene, ehrlose, feige Verräter sind Karl Goedler, Wilhelm Leuschner, Joseph Wirmer und Ulrich von Hassel.
Sie verschworen sich mit einer Gruppe eidbrüchiger Offiziere, die unseren Führer ermorden wollte. Statt mannhaft, wie das ganze deutsche Volk, dem Führer folgend, unseren Sieg
zu erkämpfen, verrieten sie das Opfer unserer Krieger, Volk, Führer und Reich. Sie werden mit dem Tode bestraft. Ihr Vermögen verfällt dem Reich. Hermann Kaiser wird am Tag nach dem Attentat verhaftet und am 17. Januar 1945 zum Tode verurteilt. Sechs Tage später wird er erhängt.
Otto Kieb, mit dem sich Pol bereits seit seiner Jugend anfreundete, wird bereits vor dem Attentat verhaftet und am 26. August 1944 hingerichtet.
Ein letzter barbarischer Triumph des deutschen Faschismus sind diese im Namen des Volkes ergangenen Todesurteile. Die Strafanstalt Plötzensee in Berlin-Charlottenburg. In der NS-Zeit dient sie als Untersuchungsgefängnis für politische Strafverfahren.
Neben dem großen Zellenbau der sogenannte Hinrichtungsschuppen. Knapp 3000 Männer und Frauen werden hier von den Nazis ermordet. Die meisten, weil sie ihrem Gewissen gefolgt sind und Widerstand geleistet haben. Unter ihnen Hermann Kaiser und Otto Kiel Kieb.
Das Deutsche Reich, das Zerstörung, Vertreibung und Tod über Millionen Menschen gebracht hat, wird am 8. Mai 1945 durch die Rote Armee und die Westalliierten vom Naziterror befreit.
Die Stadt Göttingen und ihre Universität sind von den Zerstörungen weitgehend verschont geblieben, die Hitlers Barbarei über die Welt gebracht hat.
Das altehrwürdige Physikinstitut hat äußerlich das Dritte Reich und den Krieg überstanden. Innerlich ist es am Faschismus zerbrochen. Unter dem Dach des Instituts bricht die Nachkriegsäre an. Robert Wichert Pohl wird von den Alliierten aufgrund seiner Haltung im Dritten Reich zum Mitglied in einem der Entnazifizierungsausschüsse bestimmt.
Bereits im September 1945 kann die Göttinger Universität ihren Vorlesungsbetrieb wieder aufnehmen. Es gelingt Pohl auf seine strenge, aber doch väterliche Art, unter äußerlich unzureichenden Bedingungen am Physikinstitut, eine familiäre Atmosphäre zu schaffen.
Das wissenschaftliche Leben hat auch hier wieder begonnen. Der Physiker Werner Martinsen hat diese Zeit in guter Erinnerung. Und nun eine sehr wichtige Szene aus dem Leben des Institutes, die Kaffeetafel. Die Kaffeetafel fand einmal in der Woche, ich glaube am Dienstag Nachmittag,
statt. Und mehr oder weniger alle die da waren, haben sich hier versammelt. Hier vorne sehen Sie einen amerikanischen Gast, Rolf Glaber, der unser Institut sehr gerne gehabt hat und der im Institut sehr hoch geschätzt war. Zu der damaligen Zeit, Anfang der 50er Jahre, waren amerikanische Gäste noch etwas ganz Besonderes. Was ganz faszinierend für uns alle war, er hatte ein eigenes Moped und
konnte damit in Göttingen herumfahren, das konnten wir uns als deutsche Studenten nicht leisten. Und es spielte auch sehr stark das ganze Familienleben im Institut. Man brachte seine Freundinnen mit, man saß abends zusammen, arzt zusammen und dann wurde vielleicht am späten Abend oder die Nacht hindurch nochmal eine Messung ausgeführt.
Das Institut entwickelt mit den jungen Doktoranden und Mitarbeitern wieder vielfältige Forschungsaktivitäten. Nach Kriegsende finden Pols Ergebnisse der Kristallforschung, die er häufig gemeinsam mit seinem ehemaligen Mitarbeiter Rudolf Filsch gemacht hatte, international immer größere Beachtung.
Die Festkörperphysik wird zu einem eigenständigen Teilgebiet der Physik. Pols Vorlesungen sind in der Nachkriegszeit bereits legendär. Die Experimente im alten großen Hörsaal lässt Pol seit langem von seinem Mechaniker vorbereiten.
In dessen Werkstatt, direkt neben dem großen Hörsaal, ist inzwischen auch wieder Leben eingekehrt. Zunächst werfen Sie einen Blick in die Werkstatt, in die Mechanikerwerkstatt, wo etliche Lehrbuben und auch einige Gesellen und auch der Meister tätig ist, um die exponentellen Aufbauten zurecht zu machen.
Und wenn jetzt Herr Sperber, der Werkstattleiter, die Werkstatt betritt, ja, jetzt kommt er herein, wird er alle seine Buben fleißig arbeiten sehen. Meister Sperber, der bereits seit 1919 bei Pol arbeitet, hat so manches der Geräte für die Vorlesungen gebaut oder repariert und so manches Experiment für Pols Lehrbücher fotografiert.
Zur umfangreichen Gerätesammlung im Polschen Institut gehören auch zahlreiche optische Geräte, zum Beispiel Linsen mit verschiedenen Brennweiten. Mit ihrer Hilfe konnte Pol seine Versuchsaufbauten scharf stellen und damit für
alle Studenten bis in die letzte Reihe klar sichtbar auf die Hörsaalwand projizieren. Viele der polschen Experimente benutzen eine für die Nachkriegszeit hochmoderne Technik. Die mitunter etwas ältlich anmutenden Versuchsgeräte können leicht über diese Tatsache hinwegtäuschen.
In ihren Wirkungen auf die Studenten sind und bleiben die polschen Originalexperimente ohnehin zeitlos. Natürlich gibt es auch manche Hilfsmittel, die heute überholt sind, wie etwa Siegellack, mit dem auch in der Nachkriegszeit viel geklebt und gekittet wurde. 1952 drängt es den wissenschaftlichen Nachwuchs des Polschen Instituts, im
Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie beschleunigte Bewegungen und die Gravitation zu untersuchen. Pol bezweifelt deren Durchführbarkeit, doch seine Schüler ignorieren einfach die Schwerkraft und versuchen so wenigstens die Raum-Zeit-Effekte der speziellen Relativitätstheorie nachzuweisen. Hier wird ein Experiment vorbereitet, das sich im Fahrstuhl des Physikalischen Instituts abspielt.
Und es geht darum, zu beobachten, wie verhalten sich die Leute, die Dinge im Inneren des Fahrstuhls, wenn man von außen, von einem ruhenden Bezugssystem, in die Ereignisse im Fahrstuhl hineinschaut.
Dies ist mein Mitdoktorant Hugo Richard, leider schon vor vielen Jahren verstorben. Die Schalter werden eingelegt und der Fahrstuhl beginnt nun also rauf und runter zu fahren.
Und was wir jetzt gleich sehen werden, ist das Spiegelbild. Und um das deutlich zu machen, schaut der Herr Richard hier in einen Spiegel hinein. Wir werden dann also sehen, was passiert mit diesem Fahrstuhlfahrer, wenn er mit großer Geschwindigkeit rauf oder runter fährt. Jetzt sehen Sie, bewegt sich der Fahrstuhl sehr schnell und das Instrument zeigt an, mit welcher Geschwindigkeit er saust.
Es gibt hier nicht nur eine Längenkontraktion, sondern auch eine Längendilatation. Das ist die Freiheit des Künstlers in so einer Darstellung. Die Relativitätstheorie ist bescheiden, das spricht nur von einer Längenkontraktion. Und dem armen Herrn Richard wird schon ganz übel in diesem rasenden Fahrstuhl,
wo er also mit fast Lichtgeschwindigkeit die vier Stockwerke aufwärts und abwärts fährt. Es muss also in der Notsituation schnell die Spannungsversorgung abgestellt werden. Und der Kandidat wird geborgen, muss getragen werden, weil ihm doch diese relativistische Geschwindigkeit erhebliche Schwierigkeiten macht.
Doch im Ruhesystem der Erde ist relativ viel Zeit vergangen, seit Pohl die Leitung des ersten Physikalischen Instituts übernommen hat. Über 30 Jahre. 1952 hält er seine Abschiedsvorlesung.
Meine Damen und Herren, es ist zwar ein akutes Bevorlesung, aber nicht zu viel. Zum Abschied von uns, sehr verehrte Herr Professor, möchte ich im Namen Ihrer Studenten dies als Gruß überreichen.
Meine Damen und Herren, wie gerne möchte ich eine große Reihe von Ihnen mit Namen begrüßen. Denn ich sehe hier viele, die nicht als Studenten in den Hörsaal gekommen sind. Aber einen einen Namen muss ich doch nennen, den mein eigener Lieben Freundes Max Born, der aus jedem Brücke herkommt.
Es sind da eben sehr freundliche Worte an mich gerichtet worden. Und Sie werden verstehen, dass ich den Wunsch habe, mich dafür zu bedanken.
Gefreut hat mich vor allem an dem, was gesagt wurde, die Gesinnung, aus der die Worte heraus kamen. Die Tatsachen, nun, das ist diesem Hörsaal bekannt, die Darstellung der Tatsachen hängt immer sehr wesentlich ab von dem Bezirkssystem, von dem aus man die Dinge behandelt.
Und von meinem eigenen Bezirkssystem, ich ruhende und beobachte das hier, nimmt sich doch manches ein bisschen anders aus, als es in den freundlichen Worten da herausgekommen ist. Aber einen Punkt, den gebe ich doch ohne weiter zu.
Ich habe immer Freude an meiner Tätigkeit hier an dem Hörsaal gehabt. Und die Freude des Dozenten an dem, was er bringt, ist ja doch eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass er mit seinen Hörern Konnext bekommt.
Nun wollen wir aber lieber Schluss machen, sonst heißt es doch loquacitas siniles. Und außerdem muss ich ja nun versuchen, mit der Zeit, die da noch geblieben ist und dem, was mir hier aufgebaut ist, so etwas wie eine Vorlesung zustande zu bringen. Also, wir befinden uns jetzt bei akustischen Dingen.
Und ich habe Ihnen gestern ein einfaches Lichtbild gezeigt, mit dem man eine akustische Welle veranschaulichen kann, die von einem punktförmigen Zentrum ausgeht.
Solche Pausen brauche ich zum Nachdenken. Ich gebe die Bilder da absichtlich nicht gleich raus. Hier ist das punktförmige Zentrum. Die Wellen, die davon ausgehen, breiten sich kugelsymmetrisch aus. Dabei soll da ein mittleres Kraude Gebiete normalen Luftdruckes, Schwarzgebiete gesteigerten Luftdruckes und Weißgebiete verminderten Luftdruckes.
Oder hier in Kurvenform dargestellt, die selbe Sache hier, gesteigerten Luftdruck, verminderten Luftdruck, normalen Luftdruck. Und das Erstaunliche ist, die geringen Abweichungen des Luftdruckes, die erforderlich sind, um unser Gehörorgan zu erreden.
Bei einer Sprache, wie ich sie jetzt anwende, sind die Schwankungen des Luftdruckes hier ein Maximum von der Größenordnung ein Zehn-Million-Tel-Atmosphäre. Also außerordentlich kleine Werte, obwohl ich verhältnismäßig laut spreche.
Nach Pols Abschied wird in Göttingen ein Nachfolger gesucht, der die Forschungstradition des Instituts und auch die große Vorlesung im Sinne Pols fortführen kann. Der Physiker Rudolf Hilsch, ein langjähriger Mitarbeiter von Pol, übernimmt 1953 dessen Lehrstuhl. Nach weiteren 20 Jahren wird Hilschs ehemaliger Schüler Gunter von Minigerode 1973 Leiter des ersten Physikalischen Instituts.
Für Pol bedeutet der Abschied vom aktiven Institutsleben aber keineswegs einen Abschied von seiner geliebten Physik. Pol hält Gastvorlesungen und nimmt an Tagungen zur Festkörperphysik teil.
Er optimiert mit Leidenschaft seine Vorführexperimente, besucht Didaktikkonferenzen und arbeitet weiter an seinen Lehrbüchern. Inzwischen gemeinsam mit seinem Sohn Bobby, der auch Physiker geworden ist. Zur Freude Pols verleiht die Stadt Göttingen 1953 seinen beiden
aus Deutschland emigrierten Freundinnen James Frank und Max Born die Ehrenbürgerschaft. Private Treffen mit alten Bekannten sind für das Ehepaar Pol wichtige Ereignisse im Alter. Hier Tusser Pol mit Otto Hahn und mit Lise Meitner. Dort Robert Wichert Pol mit Werner Heisenberg.
Doch Krieg und Faschismus haben die aus Deutschland emigrierten Wissenschaftler in ihrer politischen Haltung nachhaltig geprägt. 1945 versucht James Frank mit einem Memorandum die US-Regierung vom Abwurf der Atombomben auf Japan abzuhalten. In Deutschland protestiert Max Born gegen die Absicht Adenauers die Bundeswehr nuklear zu bewaffnen.
Mit Otto Hahn, Werner Heisenberg, Max von Lauer und 14 weiteren Atomwissenschaftlern fordert er am 12. April 1957 im Göttinger Manifest, dass die Bundesrepublik ausdrücklich und freiwillig auf den Besitz von Atomwaffen jeder Art verzichten soll.
Für Pol ist ein solches öffentliches Engagement nicht denkbar. Doch auch er will, dass sich Physiker nicht an militärischen Dingen beteiligen.
James Frank, Max Born, Hans von Wartenberg.
Zur Erinnerung an jene Göttinger Wissenschaftler, die von den Nazis entlassen oder vertrieben wurden, ist in der kleinen Aula der Universität eine Gedenktafel errichtet worden. Am 18. April 1989. 56 Jahre nach Franks Rücktritt als Physikprofessor, 44 Jahre nach Kriegsende.
10. August 1964. Robert Wichert Pol feiert seinen 80. Geburtstag im Kreise seiner Familie in Göttingen. Selbst im fortgeschrittenen Alter ist er körperlich noch sehr agil und bleibt vor allem geistig völlig präsent.
Pol ist gesellig und nimmt nach wie vor am gesellschaftlichen Leben teil. Er steht in Regen, häufig brieflichen Austausch mit ehemaligen Studenten und Kollegen und hält freundschaftlichen Kontakt mit alten Bekannten wie Otto Hahn.
Pols grundsätzliche Haltung zu seiner wissenschaftlichen Arbeit bleibt bis ins hohe Alter spürbar. Etwas, das Pols Sohn Bobby heute noch beeindruckt. Das Gute war doch eben zu sehen, wie sehr mein Vater wirklich konzentriert war auf seine Arbeit.
Das war nicht etwa, dass er sich zwingen musste was zu tun oder dass er litt unter seiner Arbeit, sondern er war einfach begeistert davon. Und das ist noch natürlich auch ein sehr, sehr wichtiges Beispiel, das ein Vater seinen Kindern geben kann.
Anfang der 70er Jahre besucht Pol seinen Sohn in den USA. Für den ist es nicht einfach angesichts der Bekanntheit des Vaters beruflich einen eigenen Weg zu finden. Wie kam es eigentlich dazu, dass auch er Physiker wurde? Also wenn ich mit guten Freunden rede, dann ist meine Antwort darauf eigentlich immer, ich fürchte, das war Fantasielosigkeit, dass mir nichts besseres eingefallen ist.
Ich habe so oft gehört von Physikern, die Physiker wurden, weil sie es einfach dringend mussten oder weil sie so begeistert waren. Ich bin da ein bisschen misstrauisch bei mir, ob das wirklich der Grund gewesen ist. Aber es macht ja letzten Endes nichts. Die Sache hat ja einigermaßen funktioniert.
Und dann kann man sagen, ich habe aus Versehen das Richtige gemacht. Das ist dann ja auch sehr schön. Um als junger Physiker aus dem mächtigen Schatten des Vaters zu treten, sucht der Sohn beruflichen Abstand.
Er verlässt seine Heimat und lebt seither in den USA. Ich meine, wenn ich hier erschienen wäre und hinter der vorgehaltenen Hand hätte jeder gesagt, naja, aber so wie der Vater ist er halt eben doch nicht. Und das ist doch ein bisschen, das wollte ich gerne vermeiden.
Aber ich bin nicht nach Amerika ausgewandert in dem Sinne. Ich bin nur für ein, vielleicht zwei Jahre als Postdoc nach Amerika gegangen, weil ich einfach mal in die Fremde gehen wollte, bevor ich dann also irgendwo versuchen würde, irgendeine Stelle zu finden.
Ja, und dann hatte ich das große Glück, dass ich an der Stelle, wo ich meinen Postdoc gemacht habe, in Connell, der Universität, eine Stelle angeboten bekam. Und so bin ich also eigentlich mehr, naja, so reingerutscht in das Auswanderer Stadium. Aber es war bestimmt das Richtige zu tun in dem Zeitpunkt.
Pol bleibt durch seine Ausstrahlung und Persönlichkeit sein Leben lang der Kristallisationspunkt der ganzen Familie. Es gibt Augenblicke, da erwartet man ganz offensichtlich sogar lebenspraktische Ratschläge von ihm.
Zurück zur Bunsenstraße nach Göttingen. Für Pol bleibt es eine Herzensangelegenheit, seine wissenschaftlichen Erfahrungen und sein physikalisches Wissen an künftige Generationen weiterzugeben. Und das ist auch privat im Kreise seiner Bekannten und Verwandten zu spüren. Erinnert sich Pols Enkel Johannes Krause.
Er war ein beeindruckender Großvater, immer mit Zeit für die Enkel, aber dann eben doch zeitig auch begrenzt. Beim Essen, dann war er bereit, uns was zu erklären, bei Spaziergängen. Und dann musste er wieder Ruhe sein, dann war klar, dann wollte er sich auch wieder seiner geliebten Physik widmen. Also das war so dieser Zwiespalt, den wir immer gespürt haben.
Großzügig, menschlich, der Mittelpunkt unserer Familie, aber gleichzeitig dann doch auch sehr mit der Physik verheiratet. Er war eine imponierende Persönlichkeit. Er war eine Erscheinung, wenn man so will. Man merkt einfach, da ist ein Aura um ihn herum. Er ist beseelt von seiner Arbeit, von seiner Aufgabe.
Es war völlig normal für ihn, jeden Tag auch im höheren Alter zu arbeiten. Er hatte einen festen Tagesrhythmus und ging dann immer wieder in sein Arbeitszimmer, blieb dort über Stunden sitzen. Schrieb an seinen Büchern, an Neuauflagen von seinen drei Physik-Standardwerken. Schrieb sehr viele Privatbriefe, also er war ungeheuer diszipliniert und engagiert bis ins hohe Alter, bis kurz vor seinem Tod.
Das fand ich zunächst mal faszinierend, diese Disziplin und diesen Arbeitseifer bei ihm zu sehen. Ohne meine Großmutter, da bin ich sicher, hätte er nicht annähernd das erreicht, was er erreicht hat, zumindest nicht über die Dauer seines gesamten Lebens.
Sie ist ja 17 Jahre jünger als er und sie hat sich wirklich ganz hinter ihnen gestellt. Sie war auch eine sehr intelligente Frau, kam aus einem Medizinerhaushalt und hätte natürlich genauso Karriere machen können und studieren können, ob vielleicht das in der Zeit ja nicht so üblich war, aber sie hat sich wirklich ganz an die Seite dieses großen Wissenschaftlers gestellt
und hat den Alltag natürlich geregelt, wie das eben so viele Frauen in der Zeit getan haben, hat sich um die Kinder gekümmert, um die Kontakte gekümmert, hat ihn sozusagen rundum versorgt, war aber natürlich bei Bedarf auch immer eine gute Gesprächspartnerin. Sie konnte ihm zuhören, sie konnte Anregungen geben und sie war eigentlich die große Stütze für ihn bis ins hohe Alter
und er hat das auch immer deutlich gesagt, dass ohne sein Frauchen eigentlich es für ihn überhaupt keinen Sinn mehr machen würde, noch weiter auf dieser Welt zu sein. Pol, dem bewusst ist, dass sein Lebenswerk eine Gemeinschaftsleistung von ihm und Tussapol ist, bleibt zeitlebens ein Suchender.
Die Neugier von R.W. Pol, die war sehr spürbar. Er hat sich also immer als ein Suchender empfunden und war eigentlich ein Leben lang immer bedrückt darüber, wie wenig er nur wusste und immer daran interessiert, noch mehr herauszufinden. Das war für uns sehr, sehr spürbar und ein ganz typisches Wesensmerkmal. Erkenntnisse immer wieder zu hinterfragen
und lediglich auf Autorität beruhen Ansichten zu misstrauen, diese Haltung kennzeichnen das wissenschaftliche Vorgehen des Physikers Robert Wichert Pol, der ein wichtiger Forscher und einflussreicher, ja prägender Lehrer seiner Zeit ist.
Am 5. Juni 1976 stirbt Robert Wichert Pol im Alter von fast 92 Jahren in seinem Haus in Göttingen. Er wird auf dem Stadtfriedhof begraben.
Ein originaler polscher Versuchsaufbau, der bei der Analyse mechanischer Schwingungen in der Akustik benutzt wird. Eine unmittelbare Hinterlassenschaft des großen Physikers, sichtbar und hörbar.
Sein Vermächtnis liegt sicher in seinen drei Büchern zur Experimentalphysik,
die in sehr vielen Auflagen erschienen sind. Sie stellen für uns heutige eine hohe Verpflichtung dar, dass wir es jedenfalls nicht sehr viel schlechter machen, als er es vorgetragen hat. An der Stirnwand des alten, von Pol 1926 umgebauten Hörsaals stand sein Credo, der Physik zu lesen.
Simplex sigillum veri. Einfachheit ist das Zeichen des Wahren. Pol versuchte, wie schon im 18. Jahrhundert sein Kollege, der Physiker und Institutsgründer Georg Christoph Lichtenberg, den Studierenden die Faszination zu vermitteln, die entsteht,
wenn man mit dem eigenen, wachen und kritischen Verstand naturwissenschaftliche Zusammenhänge auf einmal begreift. Pols berühmter alter Drehstuhl, zigfach abgebildet in seinen Lehrbüchern, erfüllt auch heute noch seinen Zweck bei der Vermittlung physikalischer Zusammenhänge
an junge Physikstudenten im 21. Jahrhundert. Gut, dann hören wir unser Thema durch und ich bitte Sie sich dann die Übungsaufgaben hinzunehmen. Wer heute in Göttingen Physik studiert, dem begegnen vor allem in den einführenden Vorlesungen noch immer originale polische Experimente, deren Schattenrisse bis heute die Blicke der Studierenden
auf das physikalisch Wesentliche lenken soll. Seit dem Jahr 2003 befindet sich das erste Physikalische Institut in diesem Neubau im Norden Göttingens. Pols dritter Nachfolger Prof. Konrad Samver untersucht hier mit seinen Kollegen
auch heute noch Eigenschaften von festen Körpern, aber mit technischen Hilfsmitteln, von denen Pol nur träumen konnte. Die aktuelle Forschung des Instituts steht ganz in der Tradition von Pol und seinen Nachfolgern,
Hilf und Verminningerode. Wir versuchen zu beantworten, wie sich die makroskopische Welt mit der mikroskopischen Welt verbindet. Dieses Gebiet ist ein großes, offenes Gebiet und wir versuchen uns auf drei Gebieten zu nähern. Das erste ist das Wachstum von dünnen Schichten im Vakuum.
Pur damals die Festkörperphysik begründet, da er die Gasphase verlassen musste, da er nicht genügend Vakuum erzeugen konnte. Wir sehen hier eine Anlage, die ultrahoch Vakuum erzeugen kann, indem wir das Wachstum von dünnen Schichten studieren, die wir aufdampfen auf einem bestimmten Substrat.
In den neuen Physiklaboratorien versucht man beobachtbare Phänomene unserer Alltagswelt, wie etwa die Zähigkeit flüssiger Stoffe, auf atomare Strukturen zurückzuführen. Also auf das kollektive Verhalten einer ungeheuren Anzahl von Atomen und deren Bestandteilen.
Ein zweites Beispiel ist die Viskosität, die Zähigkeit von Schmelzen. Wir alle kennen das Verhalten von Honig und Wasser bei Raumtemperatur und das verschiedene Fließen dieser Schmelzen. Was aber die Atome und Moleküle dazu bewegt, sich so verschieden zu verhalten, eine offene Frage.
Hier kommen wir zu einem dritten Phänomen, das wir untersuchen, den Magnetismus. Die Kompassnadel, die im Erdfeld sich ausrichtet, ist allen bekannt. Auch die Einzel-Elektronen, die haben einen eigenen Drehimpuls, sind ein wohlbekanntes Phänomen und im Atom schon von den Hundschen Regeln wohl definiert.
Was aber die 1023 Elektronen in einem magnetischen Domäne ausmacht, das ist eine völlig offene Frage. Wir untersuchen hier mit dem Raster-Sonden-Mikroskop magnetische Oberflächen
und analysieren deren Verhalten als Funktion von Temperatur und Feld. Das erste Physikalische Institut der Universität Göttingen ist heute international bekannt als Wiege der experimentellen Festkörperphysik,
deren Kinderstube Pols altes Kristallzimmer in der Bunsenstraße war. Robert Wichert Pols Lebenswerk wurde bestimmt durch sein Interesse, die Bedeutung der Physik als Grundlage aller Naturwissenschaften und damit als einen wesentlichen Teil der menschlichen Kultur herauszustellen.
Sein gesellschaftliches Ziel war die umfassende Verbreitung von naturwissenschaftlichem Wissen zum Nutzen der Menschen.