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Theodor Eschenburg spricht über politische Filmdokumente aus den Jahren 1930-1933, Tübingen 1970

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Formal Metadata

Title
Theodor Eschenburg spricht über politische Filmdokumente aus den Jahren 1930-1933, Tübingen 1970
Alternative Title
Theodor Eschenburg Speaks about Political Film Documents from the Years 1930-1933, Tübingen 1970
Author
License
CC Attribution - NonCommercial - NoDerivatives 3.0 Germany:
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Identifiers
IWF SignatureG 151
Publisher
Release Date
Language
Producer
Production Year1970

Technical Metadata

IWF Technical DataFilm, 16 mm, LT, 223 m ; SW, 20 1/2 min

Content Metadata

Subject Area
Genre
Abstract
German
German
Erläuterungen zum politischen Stil der Weimarer Republik, vorwiegend im Zusammenhang mit den im Institut für den Wissenschaftlichen Film editierten Filmen G 8 (Brüning), G 20 (Löbe), G 29 (Hitler, Eberswalde 1932), G 126 (Hitler, Sportpalast 1933). (Vgl. Film G 150).
English
English
Comments on the political culture of the Weimar Republic, mostly in connection with the IWF film editions G 8 (Brüning), G 29 (Hitler, Eberswalde 1932), G 126 (Hitler, Sportpalast 1933).
Keywords
German
German
English
English
IWF Classification
German
German
English
English
Transcript: German(auto-generated)
Ja, ich habe Sie alle drei gesehen, mit zweien habe ich gesprochen, mehrfach, mit Brüning
und Löwe. Und ich bin doch ganz erstaunt. Das sind jetzt also 38 Jahre her, wie ungeheuer treffend der Film diese drei Figuren wiedergibt. Also ich würde gerade zu sagen, ehe man Brünings Mewaren anfangen zu lesen sollte,
soll man sich erst dieses Film wieder vorführen lassen. Da wird er so unglaublich lebendig, oder, wenn Sie wollen, unlebendig, was er nämlich war. Wenn man seine Reden liest, die er sehr sorgfältig ausgearbeitet war, so sorgfältig,
wie Sie es eben gesehen haben, er las hier ab, im Gegensatz zu Löwe. Sie haben vorhin gefragt, Herr Reimers, wo ist der Film aufgenommen? Es muss auf einer Terrasse gewesen sein, denn der Wind wehte, er musste ein paar Mal das Blatt festhalten,
ich würde sagen, vor der Reichskanzlei. Nun war er ja ein sehr schwerbeweglicher, ein spröder Mann, ich möchte keinen Beruf angreifen. Er hatte so etwas durchaus altertümlich Oberlehrerhaftes, das sehen Sie auch an diesem Anzug.
Der Eckenkragen war damals schon eine unmoderne Einrichtung unter schwarzen Schlips. Er hatte kein Publikum, man hat da zweifellos eine Redenatribüne aufgestellt. Er konnte lebhafter sein, er war auch in der Lage im Laufe der Rede das Publikum anzusprechen.
Hier fehlt ihm einfach das Publikum. Hier tritt er eben so auf, wie wenn er mit einem Einzelnen spricht, dazu noch das Manuskript. Und ich finde ja so interessant, wenn man also hier Brüning und Hitler miteinander vergleicht.
Brüning spricht überhaupt nicht an. Das ist ja nicht heute langweilig zu hören, das war ja auch damals schon langweilig zu hören. Aber so war er außerordentlich sachlich, kolossal durchdacht, aber dann eben dieser spröde Text mit dem harten Stil.
Das Unlebendige, das Steife, dieses ohne irgendwelche Beziehung zum Zuhörer, die lach ihm ja absolut.
Er war ein Alleingänger, arbeitete kolossal hart, dachte nach, war ein Zauberer und dann trat er auf. Und das zeigt sich hier bei dieser Rede ganz deutlich. Löbe, Betalungsarbeiter von Haus aus, ein typischer Kleinbürger aus Schlesien, kommt auch hier wunderbar zum Ausdruck.
Auch der unmoderne Egliskragen, konservativ in der Kleidung, hat einen Gehrock an. Wie Sie sehen, auch irgendwo gestellt, ohne Publikum, die Rede hat er zweifellos auswendig gelernt.
Löbe war ein guter Redner, sehr ruhig, sehr bedacht, aber doch hatte irgendwelche Beziehung zum Publikum. Und konnte es, vielleicht ist mein Ausdruck falsch, aus der Gemütssache.
Er war ein Mann des Volkes, er konnte die Hörer erfassen. Hier hat er kein Publikum und daran liegen die Mängel beider Filme und redet in die Luft. Das heißt, er hat die Rede auswendig gelernt.
Sie sehen, er macht keinen einzigen Fehler, die Sätze sind im Schriftdeutsch gut gebaut. Löbe war ein primitiver Mensch, mit einem ausgezeichneten Gedächtnis. Und das zeigt sich hier ganz deutlich in seiner Rede, eine auswendig gelernte Rede, die sehr vorsichtig formuliert war.
Weil er ist eben Reichstagspräsident, das weiß er ganz genau. Er zeigt paar Tendenzen, die von der sozialdemokratischen Seite her und von der Regierung relativ unumstritten waren. Nämlich die sogenannte Verkürzung der Arbeitszeit, was nichts anderes hieß, als mehr Arbeiter in den Arbeitsprozess zu bringen.
Also eine Selbstdisziplinierung, ein Opfer der Arbeiterschaft. Wenn sie das wollen, dann war das andere die Kartellrechtsprechung. Das heißt eine verschärfte Aufsicht der Kartelle über die großen Konzerne wegen der Preisbildung.
Oder sagen wir mal, wegen der Preisbindung. Es war noch ein Drittes, das habe ich im Augenblick vergessen. Steuerververhinderung. Die Doppelverdiener. Ja, die Doppelverdiener sind nämlich zwei Typen.
Das kommt in der Rede nicht zum Ausdruck. Das wusste aber der Zeitgenosse ganz genau. Der Doppelverdiener ist einmal derjenige, der zwei Ämter hatte. Also sagen wir mal, der Beamte, der Steuerberater war. Der Doppelverdiener war aber auch der Mann, dessen Frau gleichzeitig verdiente.
Es folgte damals ein weitgehender Abbau der Frauenberufe unter starken Druck, um diese acht von Doppelverdienern zu beitragen. Das heißt, um auf diese Weise freie Arbeitsplätze zu schaffen. Sie können das noch an einer sehr unzeitgemäßen Regelung,
die bis zum heutigen Tage gilt, ablesen. Beamtete Frauen, gerade vor allem für Lehrerinnen, die heirateten, bekamen eine Abfindung. Ein Mann, der, sagen wir mal, 33 Jahre alt war,
Lehrer war und Buchladen aufmachte, schied aus ohne Versorgungsberechtigung. Die Frau bekam diese Eherabfindung. Es war ein Eheranreiz, war ein Anreiz zum Ausscheiden, das heißt zur Freimachung eines Arbeitsplatzes. Dass wir diese Regelung heute noch haben, ist mir unbegreiflich. Es war in der Zeit totaler Arbeitslosigkeit, aber sie besteht.
Daran sehen Sie die Macht der Frauen. Die dritte Rede, die von Hitler, zeigt ihn deswegen so typisch. Der Hitler hatte ein abgesprochenes Lampenfieber vor einer Rede und muss überhaupt erst in Bewegung gebracht werden.
Das heißt, er muss sich selber ankurbeln. Das sehen Sie ganz deutlich. Am Anfang ist er langweilig. Und je mehr er auf diese Massen guckt, desto inspirierter wird er und desto mehr entwickelt er sich zu einem virtuosen demagogischen Volksredner.
Ich selber habe Hitler dreimal gehört. Unmittelbar. Im Fernsehen konnte man ja viel verhören. Aber ich habe ihn dreimal gehört. Das war zweimal vor 32 und einmal am 1. Mai 33. Und nun können Sie mir sagen, das kann jeder sagen.
Aber Sie brauchen mir ja nicht zu glauben. Auf mich haben die hitlerischen Reden nie einen Eindruck gemacht. Es war für mich geradezu peinlich, im Sportpalast zu sitzen. Inmitten einer rasenden Menge. Sozusagen als einsame Insel.
Ich gebe Ihnen auch zu, dass ich mitgeklatscht habe. Sonst wäre ich da zerfest worden. Aber ich bin ja mit einem gegangen, der selber nicht national ist, der völlig hingerissen war von dieser Rede. Werden Sie auch mit unbeeindruckt geblieben ist. So bin ich nun auch nicht, dass ich keinen Sinn für Reden habe.
Soweit die Stresemannschen reden, haben auf mich einen starken Eindruck gemacht. Ich fand auch Goebbels einen sehr eindrucksvollen Redner. Bei Hitler, da war einfach keine Resonanz. Aber die Massenresonanz war ungeheuerlich. Und er kann ja fantastisch demagogisch wirken.
Die Geschichte mit den 34 Parteien, die stimmt ja. Man muss den Stimmzettel aus dem Jahr 1932 ansehen. Und das war die Krux vieler Leute, die kolossal darüber ärgerten.
Trotzdem schossen diese Parteien mit Pilz aus der Erde. Das war ein Argument, was ungeheuert zog. Was keine andere Partei bringen konnte. Was aber Hitler, wie Sie gesehen haben, fantastisch brachte. Und nun sehen Sie diese Reaktion. Die Leute sind begeistert davon.
Aber die Intellektuellen glauben das nicht. Er sagt, er wischt die Parteien vom Tisch. Hat keiner nicht ernst genommen. Dasselbe gilt ja für Hitlers Mein Kampf, in der eine Fülle von Programmpunkten drin stehen, die wir alle mit einander damals nicht ernst genommen haben.
Und die absolut sukzessive Rölle gefolgt hat. Dann ein anderer demagogischer Trick. Gröner war ja im April von Hindenburg entlassen worden. Er war Reichsminister des Innern und gleichzeitig Reichswehrminister. Und zwar war er entlassen worden, weil er es A und SS verboten hat.
Darauf spielte ja Hitler an. Man will uns das Soldatentum nehmen. Man will uns zerstören und uns in die Bürgerlichkeit wieder zurückführen. Inzwischen war der General von Schleicher Reichswehrminister
und Reichsinnenminister geworden. Und Schleicher hatte ja das Verbot von A und SS wieder aufgehoben. Das zieht er perspektivisch zusammen, spricht in Präsenz und erregt damit den Zorn der SA-Leute, die sie ja gesehen haben, indem er ihnen sagt,
diese Gefahr droht euch noch, obwohl Gröner gerade deswegen entlassen war. Wenn Sie sich mal die SA-Leute ansehen, die SS-Leute sind ja nur ganz wenige, wie miserabel schlecht sie gekleidet sind. Es ist eben fehl Juli 32, die Partei halt finanziell auch so ordentlich stark zu krebsen.
Und wie vorzüglich die Leute? Ein Jahr später auch so. Immerhin ist es eine erstaunliche Sache. Eberswalde, ich weiß nicht, wie viele Einwohner das gehabt haben wird. 5.000 ist zu hoch.
Gut, wollen wir uns auf 10 eingehen, was da zusammengefahren worden ist. Nun ist das natürlich nicht so, dass das alles Leute aus Eberswalde waren. Die Gefahr kam aus der ganzen Umgebung mit Autobus und Eisenbahnen und so weiter.
Aber Sie sehen doch, wie der Hitler abfährt. Sie müssen sich bedenken, in damaliger Zeit war das etwas Ungereues, mit solchen Konvois zu fahren. Kein Minister fuhr mit solchen Konvois. Das, was wir heute weiße Mäuse nennen, kannte man nicht. Selbst Hittenburg als Reichspräsident fuhr durch Berlin allein im Wagen,
ohne Polizei vor Wagen oder Polizei nach Wagen. Polizei war benachrichtigt. Ampel gab es ja noch wenige. All diese Polizeibegleitung ist etwas völlig Unbekanntes. Hitler ist immer in dieser Polizeibegleitung gefahren. Ich habe Sie ja ein paar Mal zum Sportpalast fahren sehen und auch zurück.
Das war einmal das, was man das Ornamentarium nannte, mit dem Fürsten sich umgab. Früher wurden die mittelalterlichen Fürsten in ihrer Macht gezählt nach einem Fassaden. Hitler wurde gezählt nach einem Wagen, die hinter seinem Wagen fuhr.
Das Zweite, was entscheidend war, war ein Schutz gegen die Polizei. So einen Wagen rauszufangen, zumal man nie genau wusste, wo er fuhr, musste ja zu einem Volksauflauf und zu einem Widerstand führen,
der zwar von der Polizei hätte gemeistert werden können, aber der doch zu einem großen Aufsehen ereignete. Das war ja damals das Problem, dass man immer wieder sagte, warum sind wir eigentlich so wahnsinnig tödlich? Das ist doch ein Ausländer in Österreich.
Den nehmen wir eines Tages, hopp, fahren wir zum Flugplatz, setzen sie ins Flugzeug und setzen sie in Wien ab. Ich war lästiger Ausländer. Das hätte eine außerordentlich erregte Zähne gegeben. Und das warnte damals die Polizei nicht mehr.
Daher dieser Konvoi hinter Hitler. Das ist ja eine reine Wahlrede. 14 Tage von Wahl. Und sie ist ja raffiniert gemacht. Sie baten nur Vergangenheit und macht nur Versprechungen.
Und zwar macht sie das ja in einer unverschämten Form. Sie sagt, ihr habt kein Programm, aber ich verspreche euch alles und in vier Jahren könnt ihr mich absetzen. Das ist ja der Tenor dieser Rede. Und ich finde diese Rede absolut typisch. Ich könnte wenige Reden sagen, die so typisch sind wie diese Rede. Ich bin selber nicht dabei gewesen.
Er hat ja zeitlos sich vorbereitet. Sie sehen ja Erzettel. Und wenn ich mich nicht ganz irre, liest Göppels den Text nach, denn er wechselt ja immer wieder die Blätter, die die Leute Kovane ja im Memorieren außerordentlich da. Wahl konnten aber auch gleichzeitig außerordentlich unter der Eingebung haben sollen.
Es ist eine Koalitionsregierung mit dem deutschen National. Hindenburg ist immerhin damals noch einigermaßen lebendig. Die Reichswehr ist noch da. Hitler war außerordentlich vorsichtig. Sie müssen das an zwei Dingen sehen.
A, kein Programm, kein einziges Wort zur Außenpolitik. Stärke, größere Nation, keine fremde Hilfe. Alles andere wird auf den Basaja-Verrag geschoben. Und ich sehe den ersten Mal Hitler im Film. Ich muss sagen, das Interessante an diesem Film ist,
dass man nicht nur Hitler sieht, sondern das Publikum. Wenn man nämlich diesen Redetext, was man ja kann, lesen würde, so würde man sagen, reich nehmen und voll genommen und so weiter. Die Reaktion dieses Publikums, man muss ja immer die Gesichter sehen. Nicht nur die Visagen, sondern auch ihre Reaktion,
die zeigen, wie diese Rede angekommen ist, um es mal in unserem heutigen Slogan zu sagen. War das ein freies Publikum oder wurde das ausgewählt? Freies Publikum. Nein, ich meine, es war so eine Schichtübung für Nationalsozialisten, da hinzugehen, kontrolliert werden konnte das nicht.
Es war eine Hitler-Rede. Sportballast ist immer eine Sensation gewesen. Und das ist immer eine Sensation gewesen. Vor allem jetzt in diesem Moment, 14 Tage nach dem Regierungsantritt. Jetzt, 14 Tage nach dem Regierungsantritt, Ihnen vielleicht die Notwendigkeit gegeben wäre,
dass Sie jetzt konkret sagen würden, was er denn nun vorhat. Er spricht allgemein von Größe des Volkes, aber wie er das Ganze antworten will, sagt er nie. Er will die Wahl gewinnen. Und er macht genau dasselbe, was die Parteien machen. Bloß, dass er sehr viel mehr vehementer und pathetischer macht. Nervig vor Anstoß.
Deshalb alles auf die Vergangenheit und nichts über das Programm. Ist eine reine Wahlwerbungsrede, die großartig aufgezogen ist. Und wo es einfach noch kommt, für den Rattenfänger von Hamel die Leute herbeizuziehen. Jede programmatische Ausrüstung hätte irgendwo Widerstand gekriegt.
Und das sollte vermieden werden. Sind Sie mal ganz schnell Judentum und Sozialisten, die ja keine sich identisch waren, werden zusammengezogen. Oder Zinsknechtschaft, Großkapital und Marxismus. Das wird alles zusammengezogen. Das Ganze ist eine propagandistisch zweifellos sehr gut vorbereitere Rede.
Ich bin überzeugt, dass er in dieser Rede nicht nur Hintler gearbeitet hat, sondern das Goebbels und sein Stab stark mitgewirkt hat. Und wie ich Ihnen schon sagte, die Rede ist memoiert. Er hat ja ein paar Mal auf den Zettel geguckt. Er wird kein Text gehabt haben, sondern ein Stichwortregister gehabt haben. Aber immerhin ein sehr interessiertes Stichwortregister.
Denn wenn ich das richtig gesehen habe, waren es vier oder fünf Seiten die auf dem Tisch hatten. Darf ich noch eins sagen, meine Damen und Herren? Da sehen Sie, da sehen Sie den gekommenen, wenn auch entfarbenen Konferencier. So ein Konferencier wie diesen hat Deutschland nie wieder gehabt
und nie vorher gehabt. Diese Einleitung Goebbels mit der Auseinandersetzung mit Presse, Marxismus, Judentum und vor allem diese suggestive Rede dieses Präludium für den Einzug Hintlers. Das ist schon gekommen, wissen Sie.
Da kann einem das kurzen kommen. Aber das ist eine Leistung. Und ich bin fest überzeugt, dass diese Leistung sorgfältig vorbereitet war und vielleicht sogar vom Spiegel vorbereitet worden ist. Das ist alles auf Suggestion gemacht worden. Da haben vielleicht viele Hände mitgearbeitet. Dann ist es memoiert worden, selbst heute noch.
Nach 37 Jahren muss ich sagen, auf mich hat diese Suggestion des Präludiums, wie der Hitler dort angekündigt wurde, wie die Massen zusammengerufen wurden, das ist eine rhetorische Meisterleistung,
wenn man sie ganz selbst findet.