We're sorry but this page doesn't work properly without JavaScript enabled. Please enable it to continue.
Feedback

Hat die Technik uns schon überholt? - exkurs-Gespräch mit Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann

00:00

Formal Metadata

Title
Hat die Technik uns schon überholt? - exkurs-Gespräch mit Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann
Title of Series
Number of Parts
17
Author
Contributors
License
CC Attribution 3.0 Unported:
You are free to use, adapt and copy, distribute and transmit the work or content in adapted or unchanged form for any legal purpose as long as the work is attributed to the author in the manner specified by the author or licensor.
Identifiers
Publisher
Release Date
Language

Content Metadata

Subject Area
Genre
Abstract
Ob wir Cookie-Banner im Web akzeptieren, Mobility-Apps oder das Onlinebanking nutzen – ständig sammeln Unternehmen unsere persönlichen Daten. Aus datenschutzrechtlicher Perspektive geschieht dies häufig unreguliert oder sogar illegal und wir stören uns kaum daran, denn die digitalen Anwendungen sind inzwischen fester Bestandteil des alltäglichen Lebens. Hat die Technik uns schon überholt? Die Juristin Prof. Dr. Spiecker gen. Döhmann spricht über die Möglichkeiten, Datenschutz und technische Innovation zu vereinen. Im exkurs-Gespräch mit Johannes Büchs erläutert sie, wie eine gesellschaftsverträgliche Digitalisierung gelingen kann. Die Nutzung unserer persönlichen Daten sollte dabei immer auf Interessensabwägungen beruhen – bei einer zielgruppenspezifischen Produktentwicklung in der Wirtschaft ebenso wie bei der Aufklärung von Straftaten. Frau Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann, LL.M. (Georgetown University) forscht am Institut für Öffentliches Recht an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Sie befasst sich mit dem Staats- und Verwaltungsrecht und insbesondere mit informationsrechtlichen Fragestellungen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind der Datenschutz, Informationstechnik und e-Government sowie insbesondere die Auswirkungen der Digitalisierung auf unsere demokratische Gesellschaft. Und wusstet ihr das? Die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union gilt vielen anderen Ländern als Vorbild. Brasilien und Japan etwa haben ihre Datenschutzgesetze in Anlehnung an die DSGVO erstellt. Die exkurs-Gespräche sind eine Videoreihe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Videoaufzeichnung und -bearbeitung: abc eventservices, München
Meeting/Interview
Computer animationMeeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Meeting/Interview
Computer animation
Wir haben eine technische Entwicklung, an die wir uns alle gewöhnt haben. Nicht alles davon ist legal. Das muss man so deutlich sagen. Nicht alles davon ist wünschenswert. Auch das muss man deutlich sagen. Und die Frage wird sicherlich sein, ob wir das in den nächsten fünf Jahren, zehn Jahren in den Griff bekommen, dass wir eine gesellschaftsverträgliche Digitalisierung haben.
Herzlich willkommen zum DFG Exkursgespräch. Hat die Technik uns schon überholt? Dazu begrüße ich heute Professor Indra Spieker genannt, Dömern. Sie ist Rechtswissenschaftlerin und Hochschullehrerin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Frau Spieker forscht im gesamten Verwaltungsrecht und Verfassungsrecht, hat aber vor allem einen Schwerpunkt im Informationsrecht, insbesondere wenn es um Datenschutz und Informationstechnik und E-Government geht und die Auswirkungen des Internets auf unsere Gesellschaft. Liebe Frau Spieker, herzlich willkommen.
Hallo, ich freue mich, dass ich hier bin. Frau Spieker, habt uns die Technik schon überholt? Schöne Einstiegsfrage. Wenn man das jetzt ganz böse und ganz fatalistisch beantworten will, ja. Und dann müsste man eigentlich auch sagen, dass mein Job zu Ende ist und ich sollte nicht mehr Regulierung von Digitalisierung machen, sondern eben aufhören und was anderes, wo ich noch etwas bewirken kann.
Ich glaube aber, dass wir nicht ganz so pessimistisch sein müssen. Wir haben eine technische Entwicklung, an die wir uns alle gewöhnt haben. Nicht alles davon ist legal. Das muss man so deutlich sagen. Nicht alles davon ist wünschenswert. Auch das muss man deutlich sagen. Und die Frage wird sicherlich sein, ob wir das in den nächsten
fünf Jahren, zehn Jahren in den Griff bekommen, dass wir eine gesellschaftsverträgliche Digitalisierung haben, die sozusagen die Vorzüge uns ermöglicht, aber gleichzeitig auch die Risiken und Nebenwirkungen wie bei einem Medikament auch wieder einfängt. An was haben wir uns denn schon gewöhnt, was nicht legal ist?
Nehmen Sie nur das Smartphone in die Hand. Da sind Apps drauf, die zum Teil mit Einwilligungen arbeiten, die Sie nie erteilt haben. Die Daten in die USA transferieren in einem Modell, das nicht zulässig ist. Die Daten zusammenführen. Ein Smartphone ist ja, das kann man sagen, ein kleines my home is my castle Instrument,
weil wir inzwischen ganz, ganz viel darüber machen. Und diejenigen, die nicht sehr bewusst sind, machen extra viel damit. Also die machen ihr Online-Banking über das Smartphone. Die buchen selbstverständlich ihre Hotelbuchungen. Das gesamte Shopping geht darüber. Die Mobilität läuft darüber. Das sind alles Daten, die anfallen und die ein sehr präzises
Profil über die Präferenzen von Menschen, was sie mögen, was sie nicht mögen, mit wem sie Kontakt haben, wo sie sich befinden. Das kann ich daraus alles inzwischen sehr gut auslesen. Und das meiste davon, muss man so sagen, ist eigentlich illegal. Und das wiederum hängt damit zusammen, dass wir uns extrem schwer damit getan haben, diese Technologie zu begreifen, als sie instrumentalisiert wurde.
Und jetzt haben wir sie. Wir haben uns daran gewöhnt, dass ein kleines viereckiges Gerät unser halbes Leben für uns managt und dass das alles sehr schnell Zugriff ermöglicht. Aber was dahinter läuft, das sehen wir eben nicht. Und da ist viel mehr als nur ein kleines viereckiges Gerät im Spiel.
Heißt das, Frau Spieker, wenn ich Sie richtig verstehe, dass die Gesetzgebung nicht hinterherkommt? Auch da wieder, wenn man böse ist, könnte man das so formulieren. Aber das ist eine Frage nach dem Hase und Igel Verhalten. Und das Recht klappt nach. Ja. Aber das ist meines Erachtens auch genau richtig, dass es nachklappt.
Denn wenn das Recht vorgeben würde, was Technik darf und Technik sich immer nur im Rahmen von Erlaubnissen entwickeln dürfte, hätten wir ein riesiges Innovationsproblem. Und das hier ist ein DFG Format, also wo wir Forschungs und Innovation vorantreiben wollen. Und deswegen halte ich es für ganz essentiell, dass das Recht nicht eine Art von Totalverbot ausspricht,
sondern sich immer wieder anpasst und immer wieder schaut, wo sind die Entwicklungen eigentlich? Es gibt natürlich Technikgebiete, in denen wir das nicht wollen. Also ich sage jetzt mal Stammzellforschung oder so etwas. Aber im Bereich der Digitalisierung wäre das natürlich völliger Unsinn und auch wirklich schädlich. Also insofern das Recht ja, es hinkt immer ein bisschen hinterher.
Aber das ist auch gut so. Es darf halt nur nicht zu viel sein. Wenn dann die Gesetzgebung aber reagiert, dann haben manche Leute das Gefühl, jetzt wird alles komplizierter. Zum Beispiel diese ständigen Fenster nach der Frage Cookies erlauben oder nicht. Und wenn man dann die Cookies nicht erlaubt, ja, dann wird man natürlich direkt wieder gefragt
beim nächsten Besuch der Webseite, wollen Sie sie diesmal erlauben? Ganz genau. Es ist ein schönes Beispiel dafür, wie die Technik sich vom Recht weg entfernt hat. Das Recht in dieser Stelle sich nicht durchgesetzt hat und auch die Durchsetzungsmechanismen nicht funktioniert haben. Und auf diese Art und Weise wir einen Status quo haben,
an den wir uns gewöhnt haben. Das heißt aber nicht, dass das Recht machtlos ist. Das eine ist, dass man auch datenschutzkonforme Formen entwickeln kann. Und das ist zum Beispiel etwas, was mein Lehrstuhl betreibt, dass wir versuchen, in vergleichbarer Weise Tools zu entwickeln und die rechtlichen Regelungen einzufangen. Das geht nur im Interdisziplinären miteinander. Das, was Sie jetzt als Beispiel genannt haben,
diese wunderbaren Cookie-Einwillungen sind gleichzeitig ein Beispiel dafür, wo das Recht eigentlich ganz andere Vorgaben macht, als die Technik dann aus bestimmten Gründen entwickelt hat. Eigentlich haben wir in der Datenschutz-Grundverordnung Vorgaben, die sagen Privacy by Design. Das heißt, die Voreinstellung muss datenschutzkonform sein.
Das, was aber wir bei den Cookie-Einwilligungen erleben, ist, dass wir die ganze Zeit ein Opt-out haben. Wir müssen immer sagen, nein, das wollen wir nicht. Eigentlich müsste es genau umgekehrt sein. Die Daten werden gar nicht erst erhoben. Und wenn ich das anders will, dann muss ich mich einklicken. Und das wiederum führt dann dazu, dass ich sehr viel gezielter steuern kann
und dass ich nicht diesen Mechanismus habe, irgendwann entnervt, weil ich einen Produktvergleich mache, zuzustimmen. Einfach nur, weil ich jetzt eben nicht ständig klicken will. Nein, will ich nicht und so weiter und so fort. Und das ist übrigens auch etwas, wo man sehr schön beobachten kann, wie Technik sich einstellt. Die Cookies, die wir vor der Datenschutz-Grundverordnung hatten,
waren exakt die gleichen. Aber die Einwilligung hat sich verändert. Und natürlich versuchen diejenigen, die die Daten nutzen wollen, die Einwilligung so auszugestalten, dass sie lästig ist, beziehungsweise, dass ich dazu, ich sag mal, bewegt werde, möglichst viele Dateneinwilligungen zu erteilen. Und das ist etwas, wo ich als Juristin durchaus Bedenken habe,
dass das etwas ist, was das Recht und was die Gesellschaft auch zulassen sollte. Ich persönlich finde das Abwägen zwischen, wie viel Daten gibt man her, wie viel Überwachung lässt man zu, hin zu Privatsphäre wirklich sehr schwer. Und spätestens dann, wenn es z.B. um eine Straftat geht,
wünscht man sich ja dann eben doch mehr Datenspuren oder auch eine Videoaufzeichnung, sodass dieser Konflikt doch kaum zu lösen ist. Oder wie sehen Sie das? Die Konflikte sind da, aber das ist nicht eine Ausnahmesituation in der Digitalisierung. Wir haben immer Konflikte, weil es immer widerstreitende Interessen gibt.
Und selbst in uns selbst sind ja widerstreitende Interessen. Sie haben es gerade angesprochen. Ich möchte einen einfachen, schnellen Zugang zu digitalen Tools haben. Klar. Aber gleichzeitig möchte ich eben auch nicht, dass ich ausgeforscht werde. Denn zunächst einmal würde ich davon ausgehen, wir sind eben nicht grundsätzlich ausforschbar und das ist auch nicht grundsätzlich wünschenswert,
weil es uns in unserer Freiheitlichkeit, in der Möglichkeit, uns zu entwickeln, uns zu entfalten, auch wir zu sein, enorm einschränkt. Und deswegen muss ich immer sehr genau hingucken, in welchen Kontexten ich das mache. Das Datenschutzrecht ist da eigentlich, finde ich, sehr gut aufgestellt, weil es die Zweckbindung kennt.
Also zu sagen, Datenerhebungen, Datenverarbeitung, Datenverknüpfung, das sind alles Dinge, die man danach ausrichten muss, für welchen Zweck das passiert. Und Sie haben selber gesagt, also wenn wir über Straftaten sprechen, dann müssen wir uns schon auch angucken, über welche Straftaten sprechen wir. Bürger empfinden Einbrüche als extrem belastend.
Also wenn sie mal einen Einbruch bei sich in der Wohnung hatten, das beschränkt uns sehr. Es gibt aber andere Vergehen und auch Verbrechen, bei denen man sich fragen kann, brauche ich da wirklich die volle Macht des Staates mit dem vollen Zugriff auf Bewegungs- und sonstige Daten? Ich kann beispielsweise bei Diebstählen natürlich gucken,
dann sind wir wieder beim Smartphone, über die Funkzellenabfrage, wer hat sich eigentlich zu welcher Zeit hier aufgehalten? Aber da werden auch Daten von völlig unbescholtenen Bürgern und Bürgerinnen natürlich erfasst. Und da muss man dann sehr genau feinjustieren. Und das ist etwas, wo die Politik es sich oftmals leicht macht
und wo natürlich auch die Interessen aufeinanderstoßen. Wer das Interesse hat, möglichst viele Daten zu verarbeiten, es möglichst leicht zu haben, nicht nur im Straftatbestand, sondern auch beim Verkaufen von Produkten, bei der Ausgestaltung von Preisen, bei der Einstellung von Mitarbeiterinnen et cetera, der wird natürlich immer klar machen,
das ist wichtig, dass wir möglichst viel verwenden können. Wenn man in einer gesamtgesellschaftlichen Betrachtung unterwegs ist, wenn man sich anschaut, wie wir Menschen auch funktionieren und welche Effekte das hat, wenn man das Gefühl hat, man ist ständig beobachtet und ausgeforscht, dann wiederum, das ist die andere Seite, muss man eben gucken, dass man das hinbekommt.
Und das kann man nur im, ich sage jetzt mal, Einzelfall, der Einzelfall meint jetzt nicht, Sie und ich telefonieren miteinander, sondern für Gruppen, für sozialtypisches Verhalten, für sozialadäquate Situationen, was wir kennen. Und da ist ein Sportverein nun mal einfach was ganz anderes als ein Arbeitgeber. Und da ist auch Amazon als ein Großanbieter
mit enormer Vernetzung etwas anderes als der kleine Bäcker um die Ecke, der meine Kundendaten erhebt. Das Beispiel, was Sie zuvor genannt haben, mit der Mobilfunkzelle. Ich glaube, in Deutschland ist es so bei einem richtig schweren Verbrechen, wie bei einem Mord, da wird quasi ausgelesen. Aber wenn es jetzt eine Sachbeschädigung wäre
oder etwas weniger Schweres, dann würde das nicht möglich sein. Oder habe ich das falsch im Kopf? Das ist so ziemlich richtig. Also da müsste man jetzt ins Detail hineingehen, wie sind die Rechtsgrundlagen und so weiter. Und das ist dann sehr juristisch. Ich weiß nicht, wie viele unserer Zuhörerinnen und Zuschauer hier in diese Richtung denken.
In der Tat. Und das macht genau auch deutlich, was ich eben erläutert habe. Also wir versuchen im Grunde, die Interessen abzuwägen. Wo sind welche Eingriffe, in welche Rechte besonders schwer? Und wo müssen wir auch manchmal damit leben, dass wir vielleicht nicht den einfachsten Weg gehen? Das tun wir übrigens auch in der nicht digitalen Welt
seit vielen Jahrzehnten und auch Jahrhunderten. Das ist nichts, was jetzt die Digitalisierung neu erfunden hat. Dass wir Interessenabwägungen machen und dass wir Eingriffe in Rechte von Bürgern abwägen. Und dann versuchen, einen Kompromiss zu finden. Ich weiß, dass Ihr forscherischer Ansatz ist, Recht und Technik zusammenzubringen.
Spinnen wir doch mal eine Realität, wo das einen auch wirtschaftlichen Vorteil hat. Weil ich vielleicht so einen, ja so einen Datenschutzsiegel habe auf einem bestimmten Produkt. Und dadurch Leute sagen, naja, das kaufe ich aber eher, weil den vertraue ich mit so einem, ich sag mal Biosiegel auf dem Produkt. Genau, also jetzt sind Siegel und Zertifizierungen
natürlich immer so ein Thema. Dazu sage ich gleich was. Ich fange einmal ganz vorne an, auf Ihre Frage zu antworten. Nämlich, die Datenschutz-Grundverordnung ist als europäisches Gesetzeswerk verabschiedet worden, um ein sogenanntes Level-Playing-Field zu erreichen. Weil man gemerkt hat, die Europäer kommen gar nicht mehr hinterher. Die Marktführer, und das hat sich erstaunlicherweise
kaum geändert, sind im Wesentlichen die Amerikaner. Und inzwischen, muss man sagen, sind es eben auch die Chinesen, die mit sehr, sehr vielen Angeboten auf den europäischen und auf den Weltmarkt gehen. Man denke nur an TikTok. Und das ist allgemein bekannt, dass TikTok eben ziemlich viele Daten zieht. Dieses Level-Playing-Field, das war damals die Hoffnung der Kommission der EU,
würde dazu führen, dass wir einen veränderten Markt bekommen, in dem Datenschutzkonformität für die Verbraucherinnen auch ein Argument ist, ob sie sich für oder gegen ein bestimmtes Produkt entscheiden. Und zwar deshalb, weil über diese gleiche Rechtssituation für alle, die diese Produkte in Europa anbieten
und Dienstleistungen, dass auf diese Art und Weise das sich nicht durchsetzen kann, was es an, ich sag jetzt mal, Raubrittertum in der Zwischenzeit gegeben hatte. Diese Hoffnung hat sich, und da bin ich ganz, ganz, ganz traurig drüber, nicht wirklich erfüllt, weil nämlich die amerikanischen Großunternehmen
im Grunde viel mehr auf diesen Zug aufgesprungen sind als die Europäer. Und deswegen haben wir leider immer noch einen unvollkommenen Markt, in dem diese Datenschutzkonformität eine relativ geringe Rolle spielt. Das, was ich in dieser Verbindung zwischen Recht und Technik als erstrebenswert anfinde, ist, dass wir technische Produkte entwickeln, die genau diesen Datenschutzgedanken,
und der geht ja noch einen Schritt weiter, da geht es auch um IT-Sicherheit, das ist jetzt Ukraine-Krieg, man sieht das, auf einmal ein Thema wieder auch geworden. Dass man diese Elemente von vornherein mitdenkt und dann entstehen schlichtweg andere Produkte. Für Verbraucherinnen ist das oftmals, oder die Nutzerinnen ist das oftmals gar kein Unterschied. Also ob wir jetzt über ein Videotool aufzeichnen,
bei dem das, was wir besprechen, gleichzeitig auch noch ausgewertet und mit anderen Dingen, die über uns bekannt sind, zusammengeführt werden, das hat auf die Funktionalität eigentlich furchtbar wenig Auswirkungen. Wir werden trotzdem in gleicher Weise, ich sag jetzt mal, bedient. Aber das ist etwas, worauf noch viel zu wenig geachtet wird.
Und das ist etwas, was ich auch als durchaus problematisch sehe, wo ich aber einerseits natürlich auch die Verbraucherinnen, die Nutzerinnen in der Pflicht sehe, vor allem aber auch wieder das Rechtssystem als solches, nämlich dafür zu sorgen, dass es Grundsätze gibt, die immer eingezogen sind, damit wir uns nicht bei jedem Kauf
immer darauf einspielen müssen und einlassen müssen, wie ist das jetzt? Das sind immer Hürden, die uns davon abhalten, das zu tun, was langfristig uns dient, weil der kurzfristige Nutzen so deutlich überwiegt. Jetzt hatten Sie Zertifizierung angesprochen. Das ist ein Weg. Zertifizierung ist immer nur so gut, wie sie kontrolliert wird.
Und das wiederum ist etwas, was sehr stark auch wieder von der rechtlichen Gestaltung abhängt, nämlich, dass diejenigen, die zertifizieren, idealerweise nicht, ich nenne es den Bock zum Gärtner machen, würde ich jetzt mal sagen. Wir haben es gesehen eben auf den Finanzmärkten, wo diejenigen bezahlt haben, die dann hinterher sich das AAA abgeholt haben.
Das sind natürlich Zertifizierungen und Siegel, die eher kontraproduktiv sind, weil sie im Grunde eine Sicherheit verheißen, die es gar nicht gibt. Und deswegen muss man einen Zertifizierungsmechanismus dann auch so aufstellen, dass die Zertifizierung wirklich auch bedeutet. Und andere haben das Zertifikat nicht bekommen, weil sie das nicht erfüllen.
Also da wäre eher so was wie eine Stiftung Datenschutz oder ein unabhängiger Spieler interessant, als dass sich die Unternehmen verpflichten, sich zertifizieren zu lassen. Sehen Sie denn eine positive Zukunft? Ich meine auch, dass sich doch manche Amerikaner und es gab auch Diskussionen in Amerika, doch sehr auch an der Datenschutz-Grundverordnung orientiert haben
und dass es dort eine gewisse Bewegung gab, so etwas auch in Amerika einzuführen. Gibt es vielleicht das Nachziehen der Gesetzgebung? Gibt es mehr Überwachung und vielleicht am Ende sogar auch ein anderes Bewusstsein bei uns Verbrauchern, so dass wir in eine gute Zukunft gehen, Frau Spieker?
Das ist jetzt eine wirklich dankbare Frage. Ich fange ganz vorne einmal an. Die Stiftung Datenschutz gibt es ja, aber sie ist eben nicht das, was die Stiftung Warentest ist, was man meinen würde. Was wir haben, sind Aufsichtsbehörden und die Aufsichtsbehörden machen auch gute Arbeit. Nur sie bekommen immer mehr zu tun und darauf wird nicht immer adäquat reagiert. Und das ist auch eine Frage des Personals.
Das muss man eben auch haben, dass das versteht. Also insofern greift ganz vieles ineinander und dann sieht man auch schon, was Forschung für mich bedeutet, nämlich darüber nachdenken, ob rechtliche Regelungen wirklich auch das bewirken, was sie bewirken sollen und ob die Voraussetzungen dafür da sind. Der zweite Teil, der ist wirklich und da kann ich mal aus vollem Herzen sagen,
haben wir in Europa etwas geschaffen, um das die Welt uns, ich würde sagen, an ganzen Stellen beneidet. Und deswegen macht mich das auch immer traurig und frustriert mich auch, dass wir diese Datenschutz-Grundverordnungen und IT-Sicherheitsrechte so kleinreden und so benöhlen, will ich jetzt einmal sagen. Denn es gibt eine Reihe von Ländern auf dieser Welt
mit durchaus einem großen Digitalisierungsbereich, die sehr, sehr genau gesehen haben, was die Datenschutz-Grundverordnung regelt und was sie bewirkt. Also beispielsweise Brasilien hat sich ein Datenschutzgesetz gegeben, das nach der Datenschutz-Grundverordnung geformt ist. In Japan hat man in enger Abstimmung mit der EU-Kommission
ein Datenschutzgesetz überarbeitet und am Tag nach der Verabschiedung hat die Kommission gesagt, das ist, was wir einen adäquaten Standard nennen. Und deswegen können die Daten zwischen Japan und der EU jetzt so ausgetauscht werden, als ob die Japaner Teil der EU wären. Also da entsteht ein riesiger Datenmarkt, der natürlich der Wirtschaft, wie er genau das will,
sehr entgegenkommt. Aber nur deshalb, weil die japanische Datenschutzgesetzgebung bestimmte Regelungen und einen bestimmten Standard vorgesessen sehen hat, den es so vorher nicht gegeben hat. Wir sehen selbst in den USA eine ganz, ganz starke Bewegung. Die kommt weniger aus dem, ich sage jetzt mal,
Macht-Asymmetrie-Argument, was wir in Europa sehr stark haben. Wir wollen keine Mächtigkeiten, wir wollen keine Übermächtigkeiten, sondern da kommt es stark aus dem Verbraucherschutz, also der Vorstellung, dass der Einzelne gar nicht im Stande ist, sich da vernünftig zu verhalten. Und so gibt es beispielsweise in Kalifornien jetzt den Consumer Protection Privacy Act,
der sehr viele Elemente vorsieht, die der DSGVO durchaus entsprechen. Und wir werden, das erlebe ich tagtäglich, sehr, sehr positiv betrachtet von vielen, weil das Gefühl entsteht, in Europa tut man etwas, um die Digitalisierung einzuhägen und um die Digitalisierung fassbar zu machen
und wieder in den Dienst des Menschen zu stellen und nicht nur als Geldverdienungs- oder in autokratischen Systemen als Maschine zum Ausforschen von Bürgerinnen zu begreifen. Frau Spieker, vielen, vielen Dank für den Einblick in Ihre Forschung, Ihre Ideenansätze und den Ausblick, was uns vielleicht bald erwartet,
komplementiert mit der tollen Perspektive außerhalb Europas. Manchmal schwimmt man zu sehr im eigenen Sach, dass man eigentlich weiß, was man hat, über was man sonst so meckert. Frau Spieker, vielen herzlichen Dank. Ich bedanke mich. Einen schönen Tag noch.