Mitteleuropa, Rheinland - Solinger Messermacherhandwerk: Der Einsteckreider. Werkstatt Walter Krebs. Solingen 1988
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Formal Metadata
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Author | ||
License | CC Attribution - NonCommercial - NoDerivatives 3.0 Germany: You are free to use, copy, distribute and transmit the work or content in unchanged form for any legal and non-commercial purpose as long as the work is attributed to the author in the manner specified by the author or licensor. | |
Identifiers | 10.3203/IWF/E-3126 (DOI) | |
IWF Signature | E 3126 | |
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Production Year | 1988 |
Technical Metadata
IWF Technical Data | Film, 16 mm, LT, 280 m ; F, 26 min |
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Transcript: German(auto-generated)
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Klingenstadt Solingen, Zentrum der Bergischen Schneidwarenindustrie. Mit der Industrialisierung im vorigen Jahrhundert bildeten sich innerhalb des Solinger Messermacherhandwerks spezialisierte Berufszweige aus. Dazu gehörten die Reiter, die sie vor allem in der Hofschaft Unnersberg niederließen.
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Ja, hier im Unnersberg, da waren sehr viele Reiter. Hier läuft ein ganz kleiner Bach bei russischen Jahren. Der verbindet sich da unten mitten im Bach. Und der ging dann ganz runter durch den ganzen Unnersberg durch.
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Und da kam noch ein anderer Zufluss. Und da wurde der erst brauchbar. Da fingen dann die Schleifgarten an. Aber hier im Unnersberg, da war keine Wasserkraft. Und da haben die Reiter sich hier im Unnersberg angesiedelt.
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Da waren alle die kleinen Fachwerke hier. Da war eine Miete billig hier. Und dann die Däschmesserreiter. Die hatten hier nur einen kleinen Raum nütig hier. Und haben hier Messer gemacht und Jurchen gemacht hier.
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So erinnert sich Walter Krebs. 87 Jahre Einsteckreiter am Unnersberg. Vom Garten aus ist im Kellergeschoss seines Wohnhauses die Werkstatt zu erreichen, die vor über 60 Jahren eingerichtet worden ist. Für den Film zeigt Walter Krebs Arbeitstechniken eines Einsteckreiters.
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Der Einsteckreiter montiert Messer und Gabeln, indem er Heft und Klinge durch ein Blein oder ein Harzen zusammensteckt und ausrichtet. Zum Herstellen von Metallmessern muss er auf der Exzenterpresse die unterschiedlich langen Klingenerle auf 24 mm kürzen.
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Der Erl ist die hinter dem verdickten Klingenkropf auslaufende Spitze, die in das Heft eingesteckt wird.
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An der Werkbank vor der Fensterfront füllt Walter Krebs die hohlen Metallhefte zunächst mit Sand, damit sie ein höheres Gewicht erhalten.
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Er gibt nur so viel Sand in das Heft, dass der Erl noch beweglich ist.
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Die Messerspitze Harz, die auf die Sandfüllung gestreut wird, schmilzt beim späteren Einblein der Klinge
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und bildet einen dichten Film zwischen Sand und Blei. Nach dem Einfüllen des Harzpulvers prüft der Reiter, ob Messerheft und Klingenkropf lückenlos schließen. Falls erforderlich, wird die Heftkante mit der Abschlusspfeile nachgefeilt,
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schließend gemacht, in der Sprache der Reiter. Zum Montieren der Messer wird auf dem Gasöfchen Harzblei erhitzt. Wichtigstes Arbeitsgerät bei der Entfertigung von Metallbesteck ist der Einbleiapparat.
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Der Reiter spannt die beiden Messerteile in diese Stuckmaschinen ein. Heft und Klinge lassen sich mit Hilfe von Schrauben verschieben, bis das Messer justiert ist.
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Dann kann der Reiter das flüssige Blei in die Heftöffnung eingießen und die Klinge einstoßen.
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Den arbeitserleichternden Einbleiapparat
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erfand ein Düsseldorfer Ingenieur in den 20er Jahren. Walter Krebs, der anfangs noch von Hand eingebleit hat, schaffte seine Stuckmaschinen um 1930 an.
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Zur Grundausstattung der Reiterwerkstatt gehören die Pliestböcke. An diesen Geräten können die Bestecke mit den entsprechenden Scheiben geplistet bzw. feingeschlitten und foliert werden.
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Der Reiter schleift die Nahtstelle zwischen Klingenkopf und Messerheft ab, um Bleirückstände zu entfernen.
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Unter der Werkbank ist die Wellenschleifmaschine installiert. Der Wellenschliff gehörte nicht zu den eigentlichen Aufgaben des Reiters,
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sondern wurde in den Lieferfirmen ausgeführt. Walter Krebs hat sich diese Technik erst spät angeeignet, Anfang der 50er Jahre nach seiner Meisterprüfung als Messerschmied.
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Am Pliestbock werden abschließend die Messer auf einer Lappenscheibe, die zuvor mit einem Poliermittel behandelt wird, fein poliert.
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Zur Biografie von Walter Krebs. 1901 in Brühl, Unersberg geboren,
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erlernte Walter Krebs von 1915 bis 1918 das Reiterhandwerk in der Stahlwarenfabrik Herder. Nach Abschluss der Lehre blieb Walter Krebs bei der Firma Herder beschäftigt, ehe er sich 1923 entschloss, seine eigene Werkstatt einzurichten. Ja, da hatte ich nur die Arbeit.
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Das war nur drehenzwänig. Und ich hatte immer Spaß dran zu zuhause zu haben. Ja, richtig als richtigen Hämerwetter. Da war ich in einem Kellerraum,
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wo dann zwei Mann haben einen Dipper geleitet, den musste ich vorschöpfen in gewisser Höhe. Da habe ich auf den Fenstern drehen gemacht, und dann habe ich mich langsam selbstständig gemacht, ich konnte nicht kommen. Da hatte ich nichts, da war ja die Inflation da.
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Allmählich hatte ich mal den ersten Elektromotor, den hatte ich die Joule, die kostete ein Hunderttausend Mark. Und dann so ein Ding in den Eiern, da wurden dann alle Räder, die wurden hochgeschüttet, da hatte ich mal so ein Drehband,
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die musste noch getreten werden, die Joule und so haben nur und nur alles zusammen geschachert. Und dann hatte ich da immer die Feinde. Nach dem Einblähen, das nur bei Metallbesteck angewandt wurde, zeigt Walter Krebs ein zweites Arbeitsverfahren des Einsteckreiders,
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das Einharzen. Er fertigt nun ein Messer mit einem Heft aus Hirschhorn. Zunächst muss der Hirschhornrohling an beiden Enden angefressen werden, um Metallband und Metallkappe anbringen zu können.
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Die Metallkappe ist als Heftabschluss erforderlich,
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da Hirschhorn innen markig und weich ist.
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Am zweiten Pliestbock arbeitet der Reiter auf der Schleifscheibe die vorgefrästen Zapfen nach.
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Nach dem Fräsen und Pliesten der Zapfen folgt das Vorpolieren. Hierzu rüstet Walter Krebs den Pliestbock um und wechselt den Fräser gegen eine Lappenscheibe aus.
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Der hochklappbare Deckel über der Pliestachse sitzt am Staubkasten. Ehe es die Stufkästen mit Absaugvorrichtung gab, hatte man, wie Walter Krebs berichtet, bloß einen Bock mit einem Brett, das einem der Dreck nicht ins Gesicht flog. Der verteilte sich dann im Raum.
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Die Polierscheiben werden, je nach zu bearbeitendem Material und Scheibenart, mit verschiedenen Mitteln wie Pasten und Fetten behandelt. Die Lappenscheibe zum Vorpolieren, den Schuhrhoddel, streicht der Reiter mit einer Binssteinmischung ein.
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Um den Klingenerl einstecken zu können, bohrt der Reiter das Hirschhornheft von beiden Seiten an. Dabei müssen sich die Bohrungen exakt in der Mitte treffen.
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Walter Krebs feilt die beiden Heftenden mit der Zapfenfeile der Ahnschnitzviel nach. Zum Feilen ist das Hirschhornheft auf den Tapepin gesteckt, der im Schraubstock festgeklemmt ist.
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Die Feilen, mit denen das Aufsetzen von Band und Kappe sowie das Einpassen der Klinge vorbereitet wird, stellte Walter Krebs selbst her.
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Nach dem Einpassen kann die Messerklinge eingeharzt werden. Hierzu verwendet man eine Mischung aus Harz und Schlemmkreide. Das Mischungsverhältnis gibt Walter Krebs an
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mit ein paar Kilo Harz und ungefähr ein Kilo Knitte. Die Schlemmkreide gibt dem Gemisch, das zu einer sämigen Flüssigkeit erhitzt wird, die nötige Konsistenz.
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Die eingeharzte Klinge richtet Walter Krebs nach Augenmaß aus.
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Nach dem Erkalten des Messers kann der Reiter die Harzrückstände an der Nahtstelle von Heft und Klinge entfernen.
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Am Pleastbock werden abschließend Band und Kappe feinpoliert.
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Zur beruflichen Situation der Einsteckreiter. Die Einsteckreiter bildeten eine der vielen spezialisierten Berufsgruppen, die als Heimarbeiter den Stahlwarenfabriken zulieferten.
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Sie waren in einem Fachverein organisiert, der die in Preisverzeichnissen festgelegten Löhne aushandelte. Die Reitlöhne betrugen, beispielsweise 1930, für Hirschhorn Tranchier 5,8 Mark pro Dutzend Paar. An Hirschhorn stellte ein Reiter am Tag,
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laut Walter Krebs, 5 Dutzend Paar her. Birnbaumbestecke, die ganz billig waren, da musste man mindestens 15 bis 20 Dutzend machen. Walter Krebs bereitet nun am Schraubstock Hefte für Messer vor, die mit einem kombinierten Einharz-Einblei-Verfahren
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fertiggestellt werden sollten. Zunächst feilt er den Zapfen nach, um dann das Band aufzusetzen und den Klingenerl in das Heft einzupassen.
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Zur Rohwarenbeschaffung. Die Fabrikanten stellten den Heimarbeitern die Hefte, Bände, Kappen und Klingen zur Verfügung.
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Die Reiter holten die Rohware bei der Firma ab und brachten die fertigen Bestecke wieder dorthin. Die Liefermengen richteten sich nach Bestecksorten und auch nach der Auftragslage der Fabriken. Die Materialien wie Blei, Harz oder Polierpasten musste der Reiter selbst beschaffen.
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Dafür zahlte ihm die Lieferfirma einen 20-prozentigen Materialzuschuss. Der Einsteckreiter unterscheidet zwei Einharz-Verfahren. Beim Hirschhornmesser zeigte Walter Krebs das einfache Einharzen einer Klinge mit Kurzern.
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Bei Messern mit Heften aus Knochen, Perlmutt oder Holz gibt es eine andere Herstellungsweise, die Walter Krebs nun anwendet. Zunächst harzt er eine zuvor erhitzte Langerlklinge ein.
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Um die Öffnung zum späteren Eingießen eines Bleibfropfens freizuhalten, steckt man den Frägel in den Heftkopf.
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Nach dem Einharzen schmilzt der Reiter weich bei.
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Der Bleibfropfen soll den Klingenerl fest verankern. Beim Eingleihen aus freier Hand hat sich Walter Krebs erstaunlicherweise nie Verletzungen zugezogen. Bei Messern aus Birnbaum oder Ebenholz, erzählt er, hatte man sechs Stück in die Hand genommen
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und dann ging das zack, zack, zack. Also mir ist noch nie etwas dabei passiert. Der Bleibfropfen wird später abgeschliffen und fein poliert. Walter Krebs arbeitete bis 1950 als selbständiger Einsteckreiter in seiner Werkstatt am Unnersberg.
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Danach ist er noch 17 Jahre als Fabrikationsleiter bei der Solinger Besteckfirma Merkentätig. Zuvor hatte er die Meisterprüfung im Messerschmiedehandwerk abgelegt. Ja, da habe ich bis 1950 hier unten gearbeitet.
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Ich kam 1946 im Krieg zurück. Da lief dann die Nachricht, dass die Handwerkskammer, dass die Solinger Berufe als Lehrberufe
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für das Messerschmiedehandwerk annahm. Das war früher nicht möglich. Die wurden nicht anerkannt. Aber jetzt wurden die Berufe anerkannt. Und das interessierte mich. Da habe ich mich beworben und Kursus mitgemacht.
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Und dann habe ich 1949 die Meisterprüfung im Messerschmiedehandwerk gemacht. Das war ja viel Zeit ja wieder rein. Aber haben wir Spaß gemacht. Und ich habe es auch gut gewonnen gekriegt.