Sexuelle Prägung bei Enten
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Formal Metadata
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Author | ||
License | CC Attribution - NonCommercial - NoDerivatives 3.0 Germany: You are free to use, copy, distribute and transmit the work or content in unchanged form for any legal and non-commercial purpose as long as the work is attributed to the author in the manner specified by the author or licensor. | |
Identifiers | 10.3203/IWF/D-1170 (DOI) | |
IWF Signature | D 1170 | |
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Production Year | 1973 |
Technical Metadata
IWF Technical Data | Film, 16 mm, LT, 189 m ; SW, 17 1/2 min |
Content Metadata
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IWF Classification |
Transcript: German(auto-generated)
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Zur Fortpflanzungszeit bilden viele Tiere eng zusammenhaltende Paare, wie diese Stockenten, die häufigste europäische Entenart. Dieser Film soll zeigen, woher Enten die Information haben, die sie zur Arterkennung befegen.
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Verhaltensbeobachtungen allein genügen nicht. Im Experiment aber lässt sich klären, ob das Erkennen des Partners erblich bedingt ist oder erlernt wird. Ein Beispiel für die Arterkennung allein durch genetische Informationen ist der europäische Kuckuck.
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Wenn bei Enten jedoch Lernen eine wichtige Rolle spielen sollte, kommt hierfür nur die Zeit des Familienzusammenhalts in Frage. In umfangreichen Isolierungsversuchen wird deshalb der visuelle Kontakt mit Artgenossen unterbunden.
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Einzelne Entenküken werden gemeinsam mit etwa gleichaltrigen Küken anderer Arten aufgezogen. Es wird sich herausstellen, ob die Sozialerfahrung während des Heranwachsens einen Einfluss auf die spätere Partnerwahl hat.
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In diesem Käfig wachsen zum Beispiel ein Stock- und ein Schnatterentenküken gemeinsam auf, zwei nah verwandte Arten. Hier eine Stockente, sie gehört zu den Gründelenten, und eine Reiherente aus der Gruppe der Tauchenten.
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Diese Küken sind gleichaltrig. In den Versuchen wurden repräsentative Arten fast aller Anatidengruppen berücksichtigt. Die Tiere wurden aus dem Brutschrank in diese Versuchskäfige gesetzt und 40 bis 70 Tage lang aufgezogen.
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Dann sind sie selbständig lebensfähig. Nach individueller Kennzeichnung werden sie auf dem Versuchssee einem natürlichen Entenbiotop freigelassen. Hier leben sie in Wahlsituationen mit zahlreichen Artgenossen, sowie mit der Art ihrer Jugenderfahrung und weiteren 30 Anatidenarten.
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Fortlaufende Beobachtungen werden nun zeigen, ob die zurückliegende Aufzucht mit einem artfremden Jugendpartner einen Einfluss auf die Wahl des Geschlechtspartners hat.
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Nach Freilassung im vorangegangenen Sommer war monatelang bei vielen Versuchstieren im Verhalten kein deutlicher Einfluss der ungewöhnlichen Jugendpartnerschaft zu erkennen. Das liegt vor allem daran, dass erst im Frühling die Paarbildungs- und Balzaktivität ihren Höhepunkt erreicht.
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Ende April sind die meisten Enten verpaart. Hier zum Beispiel ist bei einem Stockerpel und einer südamerikanischen Pfeifente eine sehr enge Paarbindung zu beobachten. Beide Tiere wurden mit einem Partner jeweils der anderen Art aufgezogen.
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Unerachtet der großen Zahl von Artgenossen wählten diese Enten einen Geschlechtspartner, der derselben Art angehört wie ihr Aufzuchtpartner. Die Tiere erlernen dennach die Art ihrer späteren Fortpflanzungspartners, und zwar erstaunlicherweise in einem Entwicklungsstadium, in welchem sie noch nicht geschlechtsreif sind.
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Den Jugenderfahrungen kommt also prägende, fixierende, das heißt zukunftsbestimmende Bedeutung zu. Bei diesem heterospezifischen Paar wird in repräsentativer Weise deutlich,
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dass die der Paarbindung dienenden Aktivitäten bei Erpel und Ente vorhanden sind. Wie hier zur Paarbindung beide Partner beitragen, so kommt es vorher auch zur Paarbildung normalerweise durch die Aktivität von Erpel und Ente.
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Diese beiden Stockerpel bemühen sich um ein Weibchen ihrer Prägungsart, um ein Türkenentenweibchen, das seinerseits mit einer Stockente aufgewachsen ist.
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Häufig zeigen die Erpel das Hinterkopf-Zudrehen, eine wichtige Balzhandlung. Die Tatsache, dass sich hier zwei Männchen um dasselbe Weibchen bemühen, verdeutlicht, dass diese Prägung nicht eine Bindung an das Individuum des Stiefgeschwisters, sondern an dessen Art ist. Verpaarung dagegen bedeutet feste Bindung an ein ganz bestimmtes Individuum.
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Stärkster Ausdruck einer Paarbindung ist die Kopulation. Bei der Begattung einer Türkenente durch einen Stockerpel ist zu sehen, dass auch das Weibchen bereit sein und aktiv mitwirken muss, indem es sich flach macht.
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Dieser auf Stockenten geprägte Schnattererpel bemüht sich um eine Stockente,
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die mit einer Schnatterente aufgewachsen ist. Er balzt immer wieder mit einem Grundspfiff auf sie, wobei er sie in charakteristischer Weise anspritzt und folgt jeder ihrer Wendungen. Er erkennt sie so genau, dass er ihr Strickenweise vorausschwimmt,
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was fälschlich den Eindruck erweckt, als Folge ihm das Weibchen. Er droht ritualisiert gegen einen rivalisierenden Stockerpel und schwimmt immer wieder zwischen diesen und das Weibchen. Über die Art des tatsächlichen Verhältnisses des Weibchens zum Schnattererpel gibt aber erst die Schlusssituation Auskunft.
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Das Weibchen wendet seinen Kopf zu dem ihm folgenden Männchen und droht den Erpel ritualisiert an, indem es gegen ihn hetzt. Demnach liegt hier eine einseitige Verpaarung seitens des Erpels vor. Die Aufzuchtergebnisse haben also gezeigt, dass sich Männchen aller untersuchten Arten sexuell geprägt verhalten,
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dass dies aber nicht in gleichem Umfang für Weibchen gilt. Auch bei diesem scheinbaren Paar ist das Stockweibchen mit einer Brautente aufgewachsen, lehnt aber die Verpaarung mit einem Brauterpel ab. Dies wird nicht immer deutlich, da sich das Männchen vollkommen auf die Bewegungen der Stockente einstellt, wodurch der Eindruck eines normalen Paares entsteht.
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Bei genauerer Beobachtung wird jedoch klar, dass das Weibchen das intensive Werben des Brauterpels nicht erwidert. Der Brauterpel kann einen interessierten Stockerpel nur dadurch von dem umworbenen Weibchen abhalten, dass er ihm wiederholt droht und abschirmend dazwischenschwimmt.
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Es liegt also auch hier eine einseitige Verpaarung vor, bei der nur das Männchen eine Bindung eingegangen ist. Die Ente hat sich allenfalls an die fortwährende Aufdringlichkeit des Erpels gewöhnt. Zahlreiche entsprechende Beobachtungen haben ergeben, dass nur in seltenen Ausnahmefällen Stockentenweibchen geprägt reagieren.
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Dies gilt für Weibchen vieler europäischer Entenarten. Sie verpaaren sich in der Regel mit Artgenossen, auch dann, wenn sie mit artfremden Enten aufgewachsen sind.
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Das Fehlen sexuell geprägter Reaktionen bei Weibchen vieler Arten hat noch andere Konsequenzen. Viele geprägte Männchen wenden sich,
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da die Weibchen ihrer Prägungsart nicht auf ihre Verpaarungsbemühungen eingehen, männlichen Partnern ihrer Prägungsart zu, wie hier ein Spieß und ein Stockerpel. Die bessere Prägbarkeit der Männchen führt so, konsequent zu einer Paarbindung zweier Männchen, was jedoch nichts mit Homosexualität zu tun hat,
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denn nicht das Geschlecht, sondern die Art des Partners wird primär bevorzugt. Dies wird bei Tieren deutlich, die sich über Jahre hindurch geprägt verhalten, aber einmal mit einem Weibchen und dann wieder mit einem Männchen verpaart sind, wie hier bei Tafel- und Stockentenerpel.
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Die bisher geschilderten Verhältnisse erlauben zwar guten Einblick in die sozialen Interaktionen einer Population, die aus verschiedenen geprägten Enten unterschiedlicher Arten besteht.
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Genaure Aussagen über das Verhalten von Enten, die auf eine andere Art geprägt wurden, lassen sich jedoch nur mit Hilfe von Wahlversuchen machen, die unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt werden. Hier ein Stockerpel mit einer Stockente und einer Pfeifente. Der Stockerpel wurde auf Pfeifenten, die Pfeifente auf Stockenten geprägt.
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Die Stockente wuchs normal auf. Alle Tiere waren bisher nie zusammen. Sie wurden seit ihrer Prägung in Einzelkäfigen gehalten. Die Aufnahmen zeigen das Verhalten der Versuchstiere zwei Stunden nachdem sie zusammengesetzt wurden. Stockerpel und Pfeifente haben bereits ein Paar gebildet.
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Die Stockente wird deshalb fortwährend, vor allem vom Stockerpel, verfolgt. Bei der Pfeifente kommt die Paarbindung besonders im intensiven Balzverhalten zum Ausdruck, das vom Stockerpel erwidert wird, obwohl Stockenten anders balzen. Da die Pfeifente am Ende der zehnwöchigen Prägungszeit
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noch keinen Stockerpel im Prachtkleid gesehen hat und die Tiere danach über acht Monate isoliert gehalten wurden, ist diese rasche Paarbildung besonders bemerkenswert. Außerdem zeigt dieser Versuch, dass sich Weibchen auch einiger europäischer Entenarten sexuell geprägt verhalten. Wie die Untersuchungen an vielen Arten ergeben haben,
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ist sexuell geprägtes Verhalten bei Enten Weibchen abhängig von der verwandschaftlichen Zugehörigkeit zu den unterschiedlichen Entengruppen.
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Die starke individuelle Aktivität führt zu gegenseitiger Beeinflussung. Um besser erkennen zu können, wie die Tiere von sich aus reagieren,
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werden sie im folgenden Versuch durch Gitter getrennt. Im mittleren Käfig eine auf Stockenten geprägte Schnatterente, rechts ein normal aufgewachsener Schnattererpel und links ein ebenfalls normaler Stockerpel. Die Schnatterente droht den an ihr interessierten arteigenen Erpel wiederholt an und wendet sich deutlich ihrer Prägungsart,
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dem indifferenten Stockerpel, zu. Auch Weibchen der Schnatterente lassen sich demnach auf andere Arten sexuell prägen. Wird eine Ente 40 bis 60 Tage lang mit einer Gans aufgezogen,
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so bewirkt das bei der Ente eine sexuelle Prägung. Bei der Gans reicht dieser Zeitraum jedoch noch nicht aus. In dieser Vierergruppe bestehen deshalb folgende Bindungen. Entsprechend der sexuellen Prägung ist jeder der Erpel einseitig mit einer Gans verpaart. Gans und Ganter bilden, obwohl sie mit Enten aufgezogen wurden,
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ein völlig normales Paar. Dies ist mit der angeborenen Präferenz der eigenen Art zu erklären. Aus dem gleichen Grund bilden auch die beiden über ihre Gänsepartner miteinander bekannt gewordenen Stockerpel ein Paar. Demnach ist bei diesen Erpeln gleichzeitig eine doppelte Bindung vorhanden. Eine durch sexuelle Prägung zu einer Gans,
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eine zweite durch angeborene Präferenz zu einem Artgenossen. Die durch Prägung möglich gewordene einseitige Verpaarung mit einer Gans wird in diesem Standbild besonders deutlich. Der Erpel rivalisiert gegen den Partner seiner Gans und versucht ihn zu vertreiben. Die gleichzeitige Paarbindung an zwei verschiedene Partner ist aber ein Ausnahmefall.
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Fast alle Versuchstiere zeigen entweder prägungsbedingtes Interesse für die Art ihrer Jugenderfahrung oder angeborenes Interesse für die eigene Art. Für das Verständnis von Prägungserscheinungen ist wichtig, dass Prägung nur dann beobachtbar wird, wenn sie stärker als die angeborene Präferenz für die eigene Art ist.
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Oft nehmen Gänse von auf sie geprägten Enten kaum Notiz, wenn es auch nicht selten dazu kommt, dass die Enten von den Gänsen gebissen oder mit den Flügeln kräftig geschlagen werden. Weder das häufige abgeschlagen werden, noch die ständige passive Ablehnung durch die Gänse
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sowie die fehlende geschlechtliche Betätigungsmöglichkeit führen zu einem Nachlassen des Prägungseffekts. Das macht deutlich, welche tiefgreifende und anhaltende Folgen Früherfahrungen haben können. Ihre Versibilität ist ein wesentliches Merkmal der sexuellen Prägung, auch wenn sie nicht in allen Fällen nachgewiesen werden kann.
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Wenn hier nun der eine Erpel hinkt und der andere einen gebrochenen Flügel hat, so zeigt dies eindrucksvoll die Schwierigkeiten auf Gänse geprägter Enten. Überraschend ist, dass auch das gösselführende Gänsepaar
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die Erpel duldet, obwohl Tiere mit Jungen immer besonders aggressiv sind. Wenn das hier nicht zutrifft, so ist dies mit einem hohen Grad von Gewöhnung zu erklären, was jedoch nicht mit einer Bindung durch Prägung verwechselt werden darf. Werden die Gänse von den Enten getrennt, so zeigen die Gänse, im Gegensatz zu den Enten,
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keinerlei Suchverhalten. Stockerpe können auch auf Hühner, also Vertreter einer nichtverbanden Vogelgruppe, sexuell geprägt werden, allerdings selten mit so gutem Erfolg wie bei diesem Erpel. Typisch Entenhaftmonogam verhält er sich
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seiner Henne gegenüber, die ihrerseits normal und nach Hühnerart polygam ist. Sie hat keinerlei Bindung an den Erpel. Infolge so unterschiedlicher sozialer Bedürfnisse befindet sich der Erpel in einer schweren Konfliktsituation. Er muss nicht nur den Hahn, sondern auch die anderen Hennen der Schar vertreiben und wird dadurch zu ständigem Rivalisieren gezwungen.
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Aber auch gegen Artgenossen ist er aggressiv. Er reagiert also nicht nur hinsichtlich der Verteidigung seiner Henne sehr gut sexuell geprägt, sondern verhält sich auch angeborenermaßen normal gegenüber Artgenossen. Abschließend zurück zur Frage, welche sind die Ursachen für das Erkennen des artgemäßen Partners? Sowohl Angeborene nicht manipulierbare,
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als auch in der sensiblen Phase durch Früherfahrung geprägte, also erlernte Fähigkeiten bestimmen die Partnerwahl. Beide Faktorengruppen fallen bei falsch geprägten Tieren auseinander. Angeborenes bleibt unverändert. Fehlgeleitetes Lernen bindet jedoch das Tier an einen artfremden Partner.
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Bei natürlich aufwachsenen Enten decken sich angeborene und geprägte Präferenz der eigenen Art. Sexuelle Prägung ist also eine zusätzliche Sicherung gegen Bastardisierung und wirkt somit arterhaltend.