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17. Vorlesung Translationswissenschaft: Übersetzungsrelevante Textanalyse Teil 2/2

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17. Vorlesung Translationswissenschaft: Übersetzungsrelevante Textanalyse Teil 2/2
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29
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DiagramComputer animationMeeting/Interview
Computer animation
Transcript: German(auto-generated)
Ich begrüße Sie ganz herzlich zur Vorlesung Eintürung in die Transationswissenschaft und zum zweiten Teil des Themas Übersetzungsrelevante Textanalyse.
Ich bin Prof. Angelika Hennicke. Wir hatten zum Abschluss der letzten Vorlesung die sogenannte pragmatische W-Kette als Leitfaden oder Hilfsmittel für eine Übersetzungsrelevante Textanalyse betrachtet. Ordnen wir nun im Folgenden zunächst die einzelnen textinternen und textexternen Faktoren
den Abfragekategorien der W-Kette zu. Sie können die Vorlesung an dieser Stelle gerne anhalten und sich die einzelnen Faktoren genau anschauen, vielleicht versuchen Sie auch diese Zuordnung selbst durchzuführen. Leider sind das Dinge, die man auswendig lernen muss.
Zu den textinternen Faktoren gehören also zum Beispiel die Lexik des Textes, die Syntax, auch natürlich die nonverbalen Elemente und andere. Zu den wichtigsten textexternen Faktoren gehören Ort und Zeit der Kommunikation, das Medium, über welches kommuniziert wird und natürlich der Empfänger als wichtigster Faktor.
Die Summe bzw. das Zusammenspiel aller dieser textexternen Faktoren ergibt die Textfunktion. Beziehungsweise, wenn wir das alles analysieren, können wir sozusagen etwas über die Intention des Kommunikats aussagen.
Erinnern Sie sich bitte, ein Text hat per se keine Funktion. Diese Funktion muss zugeordnet werden. Ich möchte auch erwähnen, dass dieses Schema sehr nützlich auch für andere textlinguistische Analysen ist, also nicht nur in der Übersetzungswissenschaft und Praxisanwendung finden kann.
Die meisten dieser Elemente dürften Ihnen bekannt sein. Erklären möchte ich ein bisschen genauer die supra-segmentalen Elemente sowie die Präsuppositionen. Supra-segmentale Merkmale, was ist das?
Das sind Gestaltungsmerkmale eines Textes. Sie fügen sich über größere Einheiten, also Satz, Abschnitt, den ganzen Text hinweg zu einer Gesamtgestalt zusammen. Das führt, wenn man das metaphorisch ausdrücken möchte, zu einem charakteristischen Klang eines Textes.
Ein Text hat irgendwie so eine Melodie, einen Klang. Klingt ein Text zum Beispiel abgehakt oder so staccato-artig, wie früher zum Beispiel Telegramme. Meist sind diese besonderen Merkmale, die schließlich dem Text diesen Klang verleihen, auch optisch irgendwie gekennzeichnet, beispielsweise durch Hervorhebung, durch Sperr- oder Kursivdruck,
Großschreibung, Anführungsstriche, Gedankenstriche oder Parenthesen. Ich glaube, es ist jetzt klar geworden, was mit Supra-segmentalen Merkmalen gemeint ist. Die nächste Kategorie, die einer weiteren Erklärung bedarf, sind die sogenannten Präsuppositionen.
Wenn etwas präsupponiert wird, dann wird es als bekannt vorausgesetzt. Wie Sie auf der Folie sehen, gibt es unterschiedliche Arten von Präsuppositionen. Schauen wir zunächst auf die zwei Hauptklassen.
Das sind zeichengebundene und gebrauchs- oder situationsgebundene Präsuppositionen. Also an Zeichen gebunden oder an die Situation. Die erste Klasse, also Zeichengebunden, ist also an die sprachlichen Zeichen selbst gekoppelt. Referenzielle Präsuppositionen sind an die Ausdrucksseite der Texte gebunden, also durch
eine syntaktische Konstruktion wird auf etwas referiert, was nicht explizit gesagt wird, sondern was praktisch in dieser syntaktischen Konstruktion schon drinsteckt und damit beim Rezipienten als Vorwissen vorausgesetzt wird.
Wir können zum Beispiel das englische Gerundium nennen, denn das referiert ja darauf, da ist eine Handlung gerade jetzt im Augenblick geschieht. Und das brauchen wir da nicht extra noch sagen. Also diese Handlung läuft jetzt gerade ab, sondern die grammatikalische Struktur liefert das praktisch mit.
Semantische Präsuppositionen sind, wie der Name sagt, an die Semantik gebunden, also an die Lexik oder auch an komplexere Äußerungen. Ich versuche Ihnen ein einfaches Beispiel zu liefern. Das Wort Enkel oder Enkeling im Deutschen präsupponiert, dass die Person auch eine
Tochter oder einen Sohn haben muss. Sonst hätte sie ja keinen Enkel. Das muss aber nicht mitgeliefert und nicht mitgesagt werden, sondern das hängt direkt am Wort. Bei vielen Lexämen und Ausdrücken in unseren Sprachen wird extrem viel semantisch präsupponiert. Aber das ist uns nicht mehr bewusst.
Dies entspricht dem Prinzip der sprachlichen Ökonomie. Und das geschieht also als unbewusster Prozess. Eine etwas schwierigere Kategorie sind die sogenannten pragmatischen Präsuppositionen. Es werden Dinge in einer Kommunikationshandlung vorausgesetzt, praktisch als Vorwissen beim
Empfänger angenommen und daher nicht mehr im Text explizit genannt. Das heißt, es handelt sich hier um implizite Textinformationen. Und diese Art von Präsuppositionen sind ein besonderes Übersetzungsproblem, gerade in
einer zweisprachig vermittelten Kommunikation. Denn das vorausgesetzte Hintergrundwissen ist oft sehr kulturspezifisch, also ein anderes beim Empfänger des Ausgangstextes und beim Empfänger des Zieltextes. Und deshalb machen uns gerade diese pragmatischen Präsuppositionen sehr viele Probleme.
Und aus diesem Grund wurde vorhin gesagt, dass bei der übersetzungsrelevanten Textanalyse der Translator die ganze ausgangskulturelle Situation im Blick haben muss. Schauen wir uns dazu ein Beispiel an.
Es ist die Übersetzung eines Gedichtes aus dem kubanischen Spanischen ins Deutsche. Die Quelle sehen Sie unten auf der Folie eingeblendet. Ich verlese mal die Übersetzung, ein Teil aus diesem ganzen Gedicht. Wenn das Bombardement vorbei ist und wenn du dann durch das Gras gehst, das genauso gut
zwischen Ruinen wachsen könnte, wie im Hut deines Bischofs. Die Wortgruppe, wie im Hut deines Bischofs, ist wörtlich aus dem Spanischen übersetzt. Auf Spanisch kenne el sombrero de tu obispo. Sombrero kennen Sie wahrscheinlich alle, der Hut macht aber überhaupt keinen Sinn.
Das hätte eigentlich der Übersetzerin auch auffallen sollen. Präsupponiert wird hier beim kubanischen Leser, der ja der Rezipient dieses Gedichtes erst mal ist, dass er weiß, dass obispo nicht der Bischof ist, sondern eine Straße, eine ganz
kannte Straße im Zentrum von Havanna. Diese Straße ist so eng, dass die Häuser dort oft Schatten werfen. Die Straße obispo ist ein Referent in Havanna, in Havanna Altstadt. Die Häuser, die Straße ist so eng.
Und im Spanischen kann sombrero eben nicht nur Hut, sondern auch sombra bedeuten und gerade auf Kuba, auf Kuba ist das sehr gebräuchlich, anstatt so Schatten zu benutzen, eben sombra. Die Übersetzerin hätte hier wirklich stutzig werden müssen, zumal obispo auch großgeschrieben
ist im Spanischen Original und damit auf einen eigenen Namen hinweist, weil wir sonst keine Großschreibung im Spanischen haben. Also das ist ein Beispiel für so eine Präsupposition pragmatischer Art. Wie gesagt, diese Art der Präsupposition stellen auch meistens und fast immer ein pragmatisches
Übersetzungsproblem dar. Zu den verschiedenen Klassen und Arten von Übersetzungsproblemen kommen wir am folgenden. Ich werde Ihnen weitere Beispiele auf Elias oder in einem Podcast zur Verfügung stellen.
Für das Verstehen und die Interpretation von Texten sind verschiedene Arten von Wissen nötig. Das gilt natürlich auch für das Übersetzen und die übersetzungsrelevante Textanalyse. Wir können im Großen und Ganzen drei Hauptarten von Wissen unterscheiden, die auch in diesem Prozess eine Rolle spielen.
Natürlich erstens a das sprachliche Wissen, b Enzyklopädisches bzw. Weltwissen und c Interaktionswissen. Die ersten beiden dürften bekannt sein, aber was bedeutet Interaktionswissen? In der Kommunikation benötigen wir auch Wissen über Konventionen, Stile, Erwartungen und
Wirkungen sprachlichen Handelns. Wir wissen normalerweise, was eine beleidigende Äußerung für eine Wirkung hat oder eine ironische. Das heißt, wir verfügen über Wissen, über die Kenntnis aller Faktoren, die in
einer sprachlichen Handlung, in einer sprachlichen Interaktion zum Tragen kommen. Erstens ist also Wissen über die Bedingungen und Konsequenzen sprachlicher Äußerungen, aber dazu gehört auch Textsortenwissen oder eben die Kenntnis geltender kommunikativer Normen in Abhängigkeit von der konkreten Kommunikationssituation, indem wir wieder Begrüßung,
aber auch zum Beispiel Kondolenz oder sowas im Trauerfall. Ebenfalls von Christiane Nordt stammt diese folgende Einteilung bzw. Klassifizierung der verschiedenen Probleme, die beim Übersetzen auftauchen könnten.
Ich halte diese Einteilung für sehr nützlich und auch für sehr praktikabel, beispielsweise sehr praktikabel für die Anfertigung von Übersetzungskommentaren bei einer kommentierten Übersetzung, beispielsweise im Rahmen einer Bachelorarbeit. Die erste Kategorie sind die pragmatischen Übersetzungsprobleme.
Ein Beispiel für ein pragmatisches Übersetzungsproblem werde ich Ihnen gleich auch nochmal präsentieren. Weitere Beispiele finden Sie auch auf Elias. Zum zweiten Typ, den konventionsbedingenden Übersetzungsproblem, gehören vor allem Textsortenkonventionen.
Beipackzettel, Kochrezepte, die sind anders verfasst, haben andere Konventionen in verschiedenen Sprachen. Stilkonventionen, zum Beispiel der Stil bei wissenschaftlichen Artikeln im Deutschen und im Spanischen unterscheidet sich wesentlich.
Und Stilkonventionen sind kulturell verschieden und mit besonderen syntaktischen Besonderheiten verbunden, beispielsweise ob man eher aktiv oder passiv nutzt. Nominalstil im Deutschen, typisch bei Fachtexten oder eher verbale ausdrucksweise bei anderen Sprachen.
Also das sind so konventionsbedingte Probleme. Oder auch formale Konventionen, Typografie, Anführungszeichen zum Beispiel, unten und oben bei uns im Deutschen, zweimal oben im Spanischen und so weiter. Maße, ganz wichtiges Problem, Maßkonvention, die verschiedenen Maße oder Zahlenangaben. Beispielsweise, wir sagen 100 Jahre, im Spanischen sagt man ein Jahrhundert und Zyklo.
Wir sagen auch ein Semester, im Spanischen sagt man sechs Monate und so weiter. Zentimeter versus Zoll, Sie wissen selber weitere Beispiele. Und ein anderes Problem sind Namen, Eigennamen.
Zu den Sprachenpaar spezifischen Übersetzungsproblemen gehören nun Probleme, die sich logischerweise, wie der Name schon sagt, aus den unterschiedlichen Strukturen der Ausgangs- und Zielsprache ergeben. Hier befinden wir uns auf der Ebene der Long. Wir hatten schon öfter das Corunium als Beispiel erwähnt, aber auch zum Beispiel die deutschen
Partikel sind ein großes Problem, um diese in eine andere Sprache zu übersetzen. Also so etwas wäre ein sprachenpaar spezifisches Problem. Und textspezifische Übersetzungsprobleme schließlich hängen von der Textsorte ab.
Bei Wortspielen, aber auch bei einem sehr individuellen Schreibstil eines Autors, zum Beispiel beim Föetong findet man das manchmal in Zeitungen oder Zeitschriften. Oder bei Ad-hoc-Neubildungen, wenn diese verwendet werden. Also besonders typisch sind hier die Textsorten Föetong und Werbung zu nennen.
So, jetzt ein Beispiel für ein pragmatisches Übersetzungsproblem, wie ich angekündigt hatte. Diese pragmatischen Übersetzungsprobleme ergeben sich, wie gesagt, aus der Kommunikationssituation. Die ist meistens eben für Ausgangs- und Zielkultur verschieden. Eine andere Realität erfordert die Schaffung einer neuen zirkulturellen Situation.
Die Bibel gilt als das bekannteste Buch der Welt und wurde bislang in rund 2500 Sprachen übersetzt. So viel gibt es überhaupt noch. Fast. 2013 erschien die Schrift auch auf Inuktituk, also der Sprache der Inuit im Norden Kanadas.
Das Problem war, dort kennen die Menschen weder Esel noch Hürden. Und daher gibt es in ihrer Sprache auch keine Wörter dafür. Die kreative Lösung der Übersetzer, um nicht so sehr vom Original abzuweichen,
ließen sie Jesus auf einem Tier, das lange Ohren hat, traben. Und aus den Hürden wurden Babysitter für Schlittenhunde. Ein sehr schönes Beispiel, dass Kreativität auch durchaus zu den Fähigkeiten von Translatoren gehört.
Wie ich bereits mehrfach betont hatte, ist heute der Beruf des Translators eine höchst anspruchsvolle Tätigkeit, die ein immer umfassenderes und immer sich erweitertes Kompetenzprofil erfordert. Noch vor zehn Jahren zum Beispiel hatte die technische Kompetenz, also die Kenntnis
der gängigen automatischen Übersetzungsprogramme und Tools elektronischer Terminologieverwaltungssysteme und so weiter überhaupt noch nicht den gleichen Stellenwert wie heute. Da fing das vielleicht gerade an, aber viele übersetzen noch ganz traditionell ohne jegliche automatische Hilfsmittel.
Das hat sich heute komplett geändert. Dazu kommen weitere Kompetenzen und Fertigkeiten, die sich aus der Veränderung der Praxis und des Wandels des Berufsbildes ergeben, wie beispielsweise eine viel höhere Recherchekompetenz, eine, wie ich das nenne, semiotische Kompetenz oder multimodale Kompetenz und auch eine multimediale Kompetenz.
Was bedeutet multimodale Kompetenz? Texte sind heutzutage nicht mehr monomodal. Das heißt, sie bestehen nicht nur aus geschriebenem Text, also aus einem Code, dem sprachlichen, sondern, wenn sie sich mal an ihre eigene kommunikative tägliche Praxis erinnern,
sie sind ein Konglomerat aus sprachlichen, visuellen, auditiven Zeichen. Und das erfordert natürlich Textkompetenzen. Auch Übersetzer haben mit solchen Texten zu tun. Nicht nur bei WhatsApp oder in Social Media werden visuelle Elemente eingesetzt, sondern auch in Fachtexten kommt das jetzt vermehrt zum Tragen.
Dazu kommen dann noch Fähigkeiten, die Übersetzerinnen besitzen sollten. Fähigkeiten sind angeboren und können nur bedingt trainiert werden. Was sind solche Fähigkeiten, die man braucht, um ein erfolgreicher Übersetzer oder Übersetzerin zu werden?
Entscheidungsfähigkeit, Urteilsfähigkeit und Kreativität. Fertigkeiten hingegen können trainiert werden, wie die Fertigkeit der Textproduktion oder die Fertigkeit der Textanalyse. Für den gesamten Prozess der Transaktion sind dann noch, wie wir ja auch schon thematisiert hatten, bestimmte Wissensvorräte nötig.
Sach- und Fachwissen, aber auch Theorie- und Methodenwissen und natürlich hervorragendes Sprachwissen in Ausgangs- und Zielsprache. Diese Aufzählung erhebt überhaupt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da sich die Tätigkeitsbereiche verändern, erweitern und es stets eine Weiterbildung
und weitere Ausbildung weiterer Kompetenzen nötig macht. Auf dieser Folie sehen Sie eine von mir entwickelte Darstellung, die die Interdependenzen zwischen diesen verschiedenen Kompetenzen, die sich hier nach Basiskompetenzen und erweiterten Kompetenzen unterscheiden, illustrieren soll.
Die auf der linken Seite des Schaubel dargestellten Kompetenzen multimodale, multimediale und technologische Kompetenz sind den neueren Entwicklungen im Zuge der Digitalisierung und Automatisierung sprachlicher Prozesse geschuldet.
Damit sind wir am Ende dieser Vorlesung und am Ende der Thematik der übersetzungsrelevanten Textanalyse angekommen. Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche viel Erfolg und Spaß beim Bearbeiten und Lernen. Bis zum nächsten Video.