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Interview mit Prof. Dr. Florian Busch zum Thema Digitale Schreibregister

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Interview mit Prof. Dr. Florian Busch zum Thema Digitale Schreibregister
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11
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Transcript: German(auto-generated)
Hallo und herzlich willkommen zu diesem Video. Ich unterhalte mich heute mit Prof. Dr. Florian Busch zum Thema Digitale Schreibregister. Herr Busch ist Professor für Diskurs und Interaktionale Linguistik an der Universität Bern. Hallo Herr Busch, schön, dass Sie da sind.
Hallo, vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr, dann nochmal in die letzten fünf Jahre meiner Forschung mit Ihnen zurückzublicken. Was sind eigentlich digitale Schreibregister und wie entstand die Idee zu Ihrer Erforschung? Ja, also erstmal können wir, glaube ich, sagen oder müssen wir sagen, dass es sich bei Schreibregistern oder dann eben digitalen Schreibregistern um ein linguistisches Beschreibungskonzept handelt. Um ein
linguistisches Phänomen, das wir dann eben aus wissenschaftlicher Perspektive in Hinblick auf drei verschiedene Komponenten fassen. Das ist dann eben zum einen die Bündelung von verschiedenen grafischen Formen, also bestimmten Schreibvarianten, bestimmten Interpunktionsformen zum Beispiel,
bestimmten Bildzeichen, die gemeinsam einen Stil bilden, also einen gestalthaften, kongruenten Stil bilden auf formaler Seite, auf struktureller Seite. Und gleichzeitig stehen diese Formen, diese Verbündelungen von Formen in einem indexikalischen Verhältnis, also in einem verweisenden Verhältnis auf bestimmte Kontextfaktoren, auf bestimmte soziale Kontexte. Das kann dann ganz
vielfältiges sein. Das können verschiedene Schreibpraxen sein, verschiedene Schreibkontexten, also beispielsweise das Schreiben in der Schule, das Schreiben mit FreundInnen in digitalen Umgebungen, beispielsweise in einer Messenger-Umgebung. Das können aber auch bestimmte kommunikative Aktivitäten
sein, also zum Beispiel Flirt-Aktivität, Frotzel-Aktivität, bestimmte Sprechhandlungen können das sein. Und es können natürlich auch bestimmte Identitäten sein, die in Verbindung zu diesen Stilen stehen, beispielsweise Gender-Identitäten, Gruppenidentitäten, subkulturelle Identitäten.
Und die dritte Komponente, die das Konzept des Registers dann wahrscheinlich besonders interessant macht, ist, dass wir uns auch dafür interessieren, wie aus der Wahrnehmung der Schreibenden selbst diese Zuordnung von Formen und Kontexten zustande kommt. Also die Entscheidung, das Konzept des Registers heranzuziehen für diese Art von Forschung, ist eigentlich eine Entscheidung dafür,
dass wir durch die Augen der Schreibenden selbst auf diese Phänomene schauen wollen. Naja, und das ist zunächst mal nichts, was jetzt auf digitale Kommunikation, internetbasierte Kommunikation beschränkt wäre, sondern wir können ganz grundsätzlich davon ausgehen, dass überall da, wo in einer Gesellschaft geschrieben wird, sich Schreibregister ausbilden,
nämlich Verbindungen von Formen zu Kontexten, die zusammengehalten werden, gewissermaßen durch geteilte Überzeugung. Und digital wird das Ganze dann eben, wenn wir uns das Schreiben in digitalen Medien anschauen, also ein vernetztes Schreiben. Und da liegt dann sozusagen auch der Hase im Pfeffer, wenn es darum geht, wo kommt eigentlich diese Forschungsidee her? Denn die Forschung hat
schon lange darüber nachgedacht oder quasi die Hypothese aufgestellt, dass mit der Ausdifferenzierung von digitalen Medien dann eben auch Schreibanlässe in einer Gesellschaft sich ausdifferenzieren. Wir also zu ganz unterschiedlichen Zwecken schreiben, da wo wir vielleicht noch vor 30 Jahren eher gesprochen hätten. Und dass mit dieser Ausdifferenzierung dann eben auch eine
Ausdifferenzierung von Normen, von pragmatischen Normen, von Schreibregistern letztlich ein eher geht. Und dass eine Idee, wie sie vielleicht noch in den Anfangstagen der linguistischen Erforschung von digitaler Kommunikation zu beobachten war, nämlich, dass wir auf der einen Seite dann eben ein autografisches Standardschreiben haben und dann auf der anderen Seite ein Internetschreiben,
eine Internetsprache, eine Internetvarietät oder so, dass das wahrscheinlich dann doch zu Holzschnittartig und zu binär ist, um dieser Ausdifferenzierung dann gerecht zu werden. Ja, und das war letztlich die Frage, die dann auch der Ausgangspunkt für die Erforschung digitaler Schreibregister war. Ja, jetzt haben Sie ja eben schon mal auch auf die Anfänge der Forschung
hingewiesen. Könnten Sie vielleicht kurz noch einmal erläutern, in welche linguistischen Forschungsfelder Ihre Untersuchung einzuordnen ist? Zunächst mal kann man sagen, sie steht an der strukturoorientierten Schriftlinguistik. Und auf der anderen Seite geht es dann eben nicht nur darum,
diese strukturellen Variationsphänomene möglichst genau zu beschreiben, sondern vor allem sie dann eben auch in einen sozialen und in einen kommunikativen Kontext einzubetten. Und da wären wir dann eher im Bereich der Sozio-Linguistik von Schriftlichkeit, die sich vielleicht so, man kann sagen, in den letzten 15 Jahren besonders etabliert hat. Und natürlich, und das wäre dann die dritte wichtige
Tradition, steht das Ganze dann auch in der Tradition einer linguistischen Beschäftigung mit digitaler Kommunikation, wie auch immer man das dann genau nennen möchte. Man dann sagt, es ist Internetlinguistik oder vielleicht eine linguistische Online-Forschung. Das wären dann so die verschiedenen Label, die vielleicht im Umlauf sind. Und auch zu dieser Forschungstradition
hat diese meine Arbeit dann was zu sagen, würde ich sagen. Und zuletzt könnte man vielleicht noch sagen, natürlich ist die Studie auch irgendwo dann im Bereich der Jugendsprachforschung anzusiedeln, was allerdings eher so ein Beiprodukt gewesen ist. Also mein primäres Interesse war jetzt nicht
unbedingt, die Besonderheiten, die Dynamiken in diesem Altersabschnitt dann eben nachzuvollziehen, sondern letztlich hatte das auch forschungspraktische Gründe in dem Sinne, als sie Jugendlichen den komfortablen Fall haben, dass sie letztlich die formale Schriftlichkeit der Schule, an die dann eben sehr hohe Maßstäbe im Sinne von Autografie angelegt werden,
dass die feststeht. Also da gibt es keine große Varianz innerhalb dieser untersuchten Population. Und gleichzeitig haben sie es mit einer Altersgruppe zu tun, die dann eben sehr affin ist, was digitale Kommunikation, digitale schriftbasierte Kommunikation angeht. Und vor allem dann eben auch digitale schriftbasierte Kommunikation so weit in ihren Alltag integriert
hat, dass große Teil ihres sozialen Lebens darüber ablaufen. Welche Forschungslücke wird mit Ihrer Studie bearbeitet oder vielleicht anders gefragt zur Lösung welches Problems in der linguistischen Diskussion wollten Sie damit beitragen? Ja, also da kann man sagen,
zunächst mal ist die Studie sicherlich eine Art von Aktualisierung oder Reaktualisierung von Fragen, die dann eigentlich seit Beginn der Forschung, die sich mit digitaler Kommunikation und insbesondere dann auch der digitalen Kommunikation von Jugendlichen beschäftigt, immer wieder gefragt wurden. Insbesondere gerade für den deutschsprachigen Raum prominent ist dann eine Studie von Christa Dürschheit et al. aus 2010, die sich dann eben im Schweizer Kontext dann
2010 bzw. in den Jahren davor dann bereits mit der Frage beschäftigt hat, ob es unter Umständen Interferenzen zwischen dem Schreiben in der Schule und dem freizeitlichen digitalen Schreiben dann bei Jugendlichen gibt bzw. ob man die beobachten kann und das natürlich auch ausgelöst
durch diesen immer wiederkehrenden und bis heute anhaltenden öffentlichen Diskurs, der dann eben sehr mediendeterministisch, medienpessimistisch und auch kulturpessimistisch geprägt ist und immer wieder die Idee an die Oberfläche spürt, so digitale Medien sind irgendwie gefährlich für
Rechtschreibkompetenz von jungen Menschen und damals bei Dürschheit und ihren KollegInnen wurde dann eben schon nachgewiesen, dass man sich aus linguistischer Perspektive keine Sorgen machen muss, sondern dass dann offensichtlich eine große Bewusstheit auf schreibenden Seite besteht, in welchem
Kontext man gerade schreibt und dass man diese Interferenzen dann eben nicht beobachten kann und ähnliche Ergebnisse wurden dann auch für andere Sprachen nachgewiesen, beispielsweise für das britische, englische immer wieder. Insofern ist das in dem Sinne nichts Neues, wenn man so will und doch ist man natürlich interessiert, hat sich da vielleicht was verändert und gerade wenn Sie
jetzt sich anschauen, was ist seit 2010 passiert, haben wir beispielsweise mit dem Siegesszug des Smartphones zu tun, also mit einer mobilen Kommunikation, einer mobilen schriftbasierten Kommunikation, von der man dann zumindest annehmen könnte, rein mit Blick auf die Affordanzen dieses Mediums, das unter Umständen tatsächlich 24-7 geschrieben wird und gelesen wird. Ob das so ist, ist
noch mal eine zweite Frage, aber das sind ja Ideen, die einem letztlich den Weg weisen, dass man da noch mal nachschauen möchte, wie sieht es denn eigentlich jetzt aus und wie sieht es auch vielleicht für eine andere Population von Jugendlichen aus. Und ja, das adressiert die Studie in jedem Fall, indem sie eben nicht nur sich mit digitaler Kommunikation von Jugendlichen beschäftigt, sondern gleichzeitig von
den selben Schreibenden dann auch Schultexte erhoben hat und dann letztlich zu ähnlichen Ergebnissen kommt, wo man dann vielleicht auch nicht mehr wahnsinnig überrascht ist, wenn man sich dann eben mit der bisherigen Forschung auseinandergesetzt hat. Zum anderen, und das ist dann aus meiner Perspektive tatsächlich eine Forschungslücke gewesen und ein Mehrwert, etwas Neues, was die
Studie dann in den Forschungsdiskurs einbringt, ist dann doch die Beschäftigung mit den sprachlichen Ideologien der Jugendlichen selbst, beziehungsweise weitergefasst mit den Kommunikationsideologien, also letztlich die Verquickung der geteilten Ideen, der geteilten Annahmen, der geteilten Bewertungen
darüber, für welche Zwecke man bestimmte Medien benutzt und für welche man sie dann eben nicht benutzen sollte, also die normativen Ideen darüber und die Verquickung dieser Ideen mit sprachlichen Ideologien, also welche sprachlichen Varianten, welche sprachlichen Stile sind dann eben für bestimmte Medien passend bzw. nicht passend, für bestimmte kommunikative Aufgaben eben für
bestimmte Kontexte passend. Und auch das, das Konzept der sprachlichen Ideologien, das habe ich mir jetzt nicht ausgedacht, sondern das hat eine lange Forschungstradition in der Sprachanthropologie, aber was wir dann eben schon feststellen können, ist, dass sobald über die Sprachideologien im
Hinblick auf das Schreiben von Jugendlichen in digitalen Medien gesprochen wurde, dann wurde in der Regel eher diskursanalytisch untersucht, wie Erwachsene darüber denken. Also wir haben Diskursanalysen, die dann eben auf Basis von Zeitungstexten nachzeichnen, wie diese kulturpessimistischen Diskurse funktionieren. Also, dass dann eben Journalistinnen Angst haben, dass Jugendliche nicht mehr schreiben können, dass Lehrerinnen Angst haben, dass Jugendliche nicht
mehr schreiben können, dass vielleicht ein paar Linguistinnen Angst haben und andere Linguistinnen sagen, ne, ihr braucht keine Angst haben. So, das war im Wesentlichen bisher dann die Forschung, die es in diese Richtung gegeben hat. Was dabei ein bisschen kurz kommt oder kurz kam, ist, wie, welche Stimmen gibt es von den Jugendlichen selbst und wie wird denn die eigene Schreibpraxis
eigentlich wahrgenommen und dann metakommunikativ beziehungsweise metapragmatisch, also das eigene Sprach hier handeln, auf einer Metaebene reflektiert, wie wird das organisiert. Und das versucht, meine Studie dann eben nachzuzeichnen und darzustellen, wie aus der Perspektive dieser
Gemeinschaften, also es geht da weniger dann um individuelle Perspektiven, um individuelle Einstellungen, sondern vielmehr dann eben um geteilte Einstellungen, die dann in solchen Praxisgemeinschaften entstehen, wie da eben eine soziale Organisation von Schreibvarianz hergestellt wird. Und der schöne Nebeneffekt einer solchen Perspektivierung ist in meiner
Perspektive dann eben auch, dass man sich sehr gut emanzipieren kann von einer reinen Beschreibung dieser Phänomene hin zu einer erklärenden Haltung demgegenüber. Also es geht nicht einfach nur darum, bestimmte Schreibformen in ihrer Distribution auf diese Daten dann eben zu beschreiben,
sondern der Blick auf die Ideologien und der Blick durch die Augen der Schreibenden selbst, ermöglicht es dann viel besser zu erklären, wie es zu diesen Distributionen kommt und auch zu erklären, was letztlich die kommunikativen Strategien dahinter sind. Ja, danke. Sie haben ja eben auch schon mal darauf hingewiesen, dass Schreibregister jetzt nicht nur ein digitales
Phänomen sind und dass sie auch eben die Schreibvarianz von Schülerinnen und Schülern in Schultext und auch in digitalen Texten untersucht haben. Deswegen dazu vielleicht noch eine Anschlussfrage. Über welche Phänomene internetbasierter oder digitaler Kommunikation weiß man durch ihre Untersuchung nun besser Bescheid als vorher? Ja, auch da können wir sozusagen
auf die Makroebene dieser Untersuchung gehen und sagen, die Studie erklärt vor allem das Zusammenspiel auf den ersten Blick sehr heterogen aussehender Gegenstände. Auf der einen Seite haben wir einen groben Blick auf die verschiedenen Kontexte, in denen geschrieben wird. Wir haben
dann einen sehr feinen Blick auf die formalen Varianten, die jeweils in diesen Kontexten benutzt werden und schließlich haben wir diese ethnografische Perspektive auf die Ideologien, die eine Rolle spielen. Ich denke, wir können sozusagen jede dieser drei Phänomene jeweils zum Ausgangspunkt nehmen, um die anderen zwei Phänomene heranzuziehen, um Dinge besser erklären
zu können. Wir können beispielsweise die Distribution von bestimmten Interpunktionszeichen nicht einfach nur nachzeichnen und sagen, der Punkt taucht jetzt wesentlich weniger häufig in WhatsApp- Interaktion auf als in Schulaufsetzen, sondern wir können die dahinterliegenden Ideologien,
mit denen die Schreibenden selbst Sinn erzeugen bezüglich des Punktes in dem Fall oder zu anderen Interpunktionszeichen, dann eben auch verstehen und ein holistisches Bild dieser Praxis des Interpunktionsbereich in der internetbasierten Kommunikation damit erzeugen. Das ist sicherlich etwas, worüber man dadurch dann mehr weiß auf dieser gröberen, basaleren Struktur. Auf der
anderen Seite können wir natürlich in die Studie hineinsuchen und uns kleine verschiedene Formen aussuchen, die dann hier und da in der bisherigen Forschung natürlich immer mal wieder beschrieben wurden in unterschiedlicher Art und Weise. Für den großen Bereich der Interpunktion ist das
allerdings weniger der Fall. Da würde ich sagen, meine Studie auf dieser formalen Ebene wird wahrscheinlich den meisten Mehrwert schaffen im Bereich der Interpunktion. Aber vor allem können wir auch sehen, wie diese einzelnen Schreibvarianten, die häufig einzeln beschrieben wurden, zusammenspielen, also gemeinsame konkurrente Stile erzeugen und als Bündelung dann eben eine
kommunikative Bedeutung, eine bestimmte soziale Bedeutung entfalten. Und auch darüber lernen wir dann durch die Studie, durch meine Studie dann hoffentlich mehr. Was sicherlich auch etwas ist, worüber wir mehr durch die Studie erfahren können oder was sich aus den Daten ergibt, die in der
Wahrnehmung von Schreibregistern auf Seite der Jugendlichen selbst ist. Also dass aus den Mündern sozusagen der Befragten dann natürlich durchaus auch die Idee erstmal geäußert wird, die grobe Idee, es gibt das Schreiben in der Schule, das ist das richtige Schreiben, da geht es darum, autografische Regeln einzuhalten. Auf der anderen Seite haben wir dann das
freizeitliche Schreiben, was dann hauptsächlich ein digitales Schreiben ist und in dem dann alles erlaubt ist. Also diese Ideen, die man dann auch im öffentlichen Diskurs findet, die werden reproduziert. Also das ist nichts, vor dem dann Jugendliche selbst immun wären oder so. Aber je länger man sich mit Jugendlichen unterhält oder vermutlich mit jedem unterhält, wird dann doch
zutage gefördert, wie ausdifferenziert dann dieses Schreiben in der Freizeit ist. Genauso wie wir dann im Schreiben der Schule natürlich ganz unterschiedliche Textsorten haben und unterschiedliche Schreibanlässe, so haben wir eben auch eine große Differenziertheit im Bereich der digitalen, freizeitlichen Schriftlichkeit. Und was wir da sehr schnell lernen, ist, dass auch in
diesem freizeitlichen, digitalen Bereich Autografie ein ganz hoher sozialer Wert ist, auch aus Wahrnehmung der Jugendlichen selbst. Also Dinge wie bestimmte Schreibungen werden als peinlich empfunden. Es ist dann doch immer wichtig, dass eine bestimmte Non-Standardschreibung als
intentional erkennbar ist und damit dann eben als funktional zu erkennen ist, während ein Rechtschreibfehler, wenn wir an das Stereotyp benämlich mit Harddenken oder so, das würde zumindest der von mir beforschten Population dann immer noch trotzdem peinlich sein, auch wenn sich das bei WhatsApp dann eben gegenüber einer Freundin realisiert. Und ich glaube, diese Differenziertheit ist
auch etwas, was wir dieser Studie dann eben entnehmen können. Sie haben ja auch Beispiele untersucht, in denen die Schreibenden sich dann gegenseitig dafür auch kritisiert oder auch aufgezogen haben, wenn tatsächlich Schreibfehler gemacht wurden. Das fand ich auch einerseits sehr interessant und vor allem auch sehr unterhaltsam, muss ich sagen. Genau, also man kann sehen, es ist nach wie vor stigmatisiert und es ist sogar so, dass man diese
Stigmatisierung häufiger dann bei den Chats beobachten kann, wo die Chatpartnerinnen sich sehr gut kennen, weil da dann eben nicht mehr unbedingt die Angst vor dem Gesichtsverlust vorhanden ist. Also man kann sozusagen gerade heraus sich über den anderen lustig machen, dass die Kommersetzung so
oder dass keine Ahnung, die Groß- und Kleinschreibung kunterpumpt ist oder so. Genau, man kann es sich halt erlauben, untereinander diesen Gesichtsverlust sozusagen zu riskieren, weil er eben höchstwahrscheinlich keinen Konflikt hervorrufen wird. Genau, und außerdem sehen wir natürlich auch, dass dann eben ganz unterschiedliche Episoden, ganz unterschiedliche kommunikative Aktivitäten in so einem Medium stattfinden und wo dann vielleicht
in einer lockeren Smalltalk-Interaktion es total okay ist, Interpunktion aus und vor zu lassen und nicht auf Groß- und Kleinschreibung zu achten, ändert sich das unter Umständen, wenn das Thema ernster wird oder wenn es vielleicht in eine Streitaktivität überwechselt, wo es auch darum geht, sich zu behaupten und soziale Positionierung zu leisten, eine bestimmte soziale Hierarchie aufzumachen
mit den Mitteln von Autografie. Da wird letztlich dann das alte Regime der Autografie dann in die digitale Freizeitschriftlichkeit übertragen. Ja, wenn ich mich richtig erinnere, war das ja in den Befragungen oder haben Ihre Befragten geäußert, dass zum Beispiel, wenn über Trauerfälle oder
sowas gesprochen oder geschrieben wird, dass dann eher autografisch normkonform sozusagen angemessen empfunden wird. Richtig, genau. Ja, nun vielleicht noch einmal zur Methodik, also ein paar Fragen zu Ihrer Methodik. Sie haben ja Fragebögen, Textportfolios und Gruppeninterviews erhoben bzw.
durchgeführt und untersucht. Dazu vielleicht die erste Frage, inwiefern war die Kombination der Erhebung verschiedener Datentypen für Ihre Untersuchung gewinnbringend? Ja, das führt uns ja ein bisschen eigentlich zu der Frage zurück, was Schreibregister überhaupt sind. Denn gerade diese drei Ankerpunkte der Formen, der Kontexte und der Ideologien, die sich dann auch aus einer
theoretischen Überlegung erstmal speisen, die haben dann eben mich auch dazu motiviert, diese unterschiedlichen Datentypen zu erheben. Nämlich, um dann eben einen zugeschnittenen Zugang zu diesen drei Phänomenbereichen zu bekommen. Und was das Ganze zusammenhält, ist, dass diese drei unterschiedlichen Datentypen dann doch in derselben Population erhoben werden. Also sie haben stets
dieselben Schreibenden, die untersucht werden in jedem Datentypus. Und dass jetzt aus diesen unterschiedlichen Datentypen, dass sich daraus dann auch unterschiedliche Methoden heraus schälen, sozusagen, das passiert dann gewissermaßen von selbst. Also sie können die Erhebung,
die Fragebogenerhebung, die dann insbesondere dann die verschiedenen Schreibkontexte fokussiert hat, nicht auf die gleiche Weise untersuchen, auswerten, wie sie dann die Interviews vielleicht auswerten würden oder die eigentlichen Schreibprodukte selbst. Und so ist dann relativ schnell dieses heterogene Set an verschiedenen Daten entstanden und haben dann natürlich die eine oder andere
Herausforderung dann sozusagen auch verursacht, alleine im Datenmanagement. Also diese Daten erstmal eigentlich nichts miteinander zu tun haben auf dieser Datentypebene gewissermaßen. Aber letztlich, und das ist dann das Ziel, gleichzeitig wohl auch die Kunst und die
Herausforderung, ist dann natürlich die Frage, inwiefern man diese Datentypen und die Ergebnisse, die man jeweils aus diesen Datentypen dann ziehen kann, aufeinander beziehen kann. Und das ist dann das Verweben zu einem Mosaik, was dann ein Gesamtbild, der man könnte sagen, der
literalen Praxis dieser Population nachzeichnen soll. Ja, und Sie haben in Ihrer Arbeit auch beschrieben, dass die Datentriangulation ihrerseits eine Methodentriangulation erfordere. Könnten Sie das für die Studierenden noch einmal kurz erläutern? Also Sie haben diese sehr unterschiedlichen Daten
und fragen sich jetzt, wie helfen mir diese Daten dabei, meine Fragestellungen zu beantworten, letztlich. Sie haben dann eine, oder ich habe dann eben eine Metafragestellung, die könnte man vielleicht, Sie können das im Buch nachlesen. Wenn ich es jetzt rekapituliere, wird es wahrscheinlich in die Richtung gehen, wie ist der literale Alltag von jugendlichen SchreiberInnen in Schreibregistern
organisiert, in die Richtung. Und dann brechen Sie diese Metafragestellung auf, in Unterfragestellungen, und die Unterfragestellungen hangeln sich dann an diesen drei Komponenten, an diesen drei basalen Baustein von Registern entlang, also welche Formen spielen eine Rolle, welche Kontexte spielen eine Rolle, und wie wird das Ganze metapragmatisch reflektiert, welche Ideologien über Mediengebrauch,
über Sprachgebrauch, über Schriftgebrauch spielen eine Rolle. So, jetzt haben wir die drei Datentypen und tragen jeweils diese Subfragestellung an diese Datentypen heran. Genau, und letztlich gibt es jeweils Erkenntnisse, also jeweils Antworten auf die einzelnen Unterfragestellungen. Und diese
Interpretation müssen dann zusammengefügt werden, um gewissermaßen dann zu der Beantwortung der Metafragestellung zu kommen, zu einer plausiblen Beantwortung der Metafragestellung. Und das ist das, was man mit so einer Studie dann letztlich leisten möchte. Ja, vielen Dank, das sind sehr hilfreiche Hinweise auch für die Studierenden. Nun noch eine Frage zu den Interviews. Sie haben ja
Gruppeninterviews durchgeführt, und die Frage ist, welchen Vorteil bieten Gruppeninterviews im Vergleich zu Einzelinterviews? Und könnten Sie dabei vielleicht auch einmal die Interviewmethode des Talk-around-Texts skizzieren? Ja, gerne. Also bei den Interviews ist es ja obenhin erstmal so, Interviews nicht gleich Interviews, sondern wir haben verschiedene Interviewtypen, sind breit
beschrieben in der methodischen Literatur, der qualitativen Sozialforschung. Und eine wichtige Unterscheidung, wenn man verschiedene Interviewtypen miteinander vergleicht, ist, wie offen oder wie geschlossen ein Interview ist, wie strukturiert oder nicht strukturiert ein Interview ist. Und man
kann sagen, mein Ansatz war zum einen der eines problemzentrierten Interviews. Also ich habe nicht einfach nur erzählen lassen, sondern es ging schon um bestimmte Phänomene, also die Probleme in dem Sinne, die dann bearbeitet wurden. Aber auf der anderen Seite ist es mir dann denke ich doch gelungen, ein möglichst offenes Setting zu erschaffen, eben dadurch, dass ich nicht nur mit einer Person zur
Zeit gesprochen habe, sondern mit mehreren Personen. Und die Idee war, dass ich gewissermaßen dieses Problem in das Gespräch einführe, in das Interviewgespräch, in das Fokusgruppengespräch, können wir eben auch sagen, und dass dann die Gruppen von Jugendlichen ungefähr gleichen Alters und gleichen Genders sich darüber unterhalten. Und die Idee war, dass in diesen Unterhaltungen
besonders deutlich die geteilten Normen oder vielleicht auch gerade die Ideologien, die nicht geteilt werden, in Erscheinung treten. Also sie haben in den Interviews immer wieder den Fall, dass ich als Interviewer auf ein bestimmtes Phänomen hinweise und das alle nur
lächelnd nicken und das einfach nur als völlig normal weiterwischen quasi. Also es gibt aus deren Perspektive dann nicht viel dazu zu sagen, weil man so eben schreibt. Ja und was passiert ist in dem Moment ist, dass wir gerade Zeuge davon wurden, wie diese Norm einmal abgesegnet wurde, dass alle sozusagen bestätigt haben, sie kennen diese Norm, ja es ist eben das normale Schreiben sozusagen.
Und das ist die Basis eines Registers, wenn Sie so wollen. Und auf der anderen Seite haben wir dann durchaus Fälle, wo unterschiedliche Meinungen auf einmal artikuliert werden. Also wo beispielsweise unterschiedliche Einschätzungen über die soziale Identität einer schreibenden Person gemacht werden,
auf Grundlage eines anonymisierten Beispiels oder so. Und da sehen wir auf einmal, welche Schreibvarianten zwar häufig bekannt sind als Formen, aber die noch nicht so, wir würden sagen, sozial registriert sind, dass sie eindeutig verweisen auf bestimmte kommunikative Funktionen oder soziale Identitäten, soziale Positionen. Und auch das ist interessant, um zu zeigen, wie fluide diese Register letztlich sind.
Also dass wir natürlich sehr, sehr festgefahrene, bereits konventionalisierte, eben sozial registrierte Annahmen haben, wer wann wie schreibt. Aber auf der anderen Seite immer noch so einen Bereich haben, der in Aushandlungen sich befindet. Und das konnten diese Gruppen-Interviews, diese Fokusgruppengespräche
dann eben meines Erachtens ganz gut zeigen. Und Sie haben es schon angesprochen, wichtig dabei war sicherlich auch diese Talk-around-Text-Methode. Die kommt ursprünglich, man könnte sagen, aus der Soziolinguistik der Schriftlichkeit, verbunden mit dem Namen Theresa Lilis, die diese Methode dann
eben beschreibt. Und ich habe sie dann übernommen. Und die Idee ist da, dass sie eben in so einem Fokusgruppengespräch ein tatsächliches textuelles Artefakt anbringen. Also einen tatsächlichen Text, der dann eben idealerweise sogar von den Personen, mit denen Sie da gerade sprechen, selbst geschrieben wurde. Oder in meinem Fall waren das dann natürlich auch Schultexte, aber vor allem waren das dann
Ausschnitte aus WhatsApp-Chats. Und was passiert ist, dass Sie die Diskussion dadurch auf einmal sehr viel filigraner hinbekommen und sehr viel verankert, sozusagen in den tatsächlichen Formen, über die Sie sprechen wollen und über die Sie etwas herausfinden wollen als Sprachwissenschaftlerin.
Denn wenn Sie einfach nur im Abstrakten sprechen, ohne tatsächliche Beispiele, dann passiert es schnell, dass letztlich sehr abstrakte Ideologeme letztlich rekapituliert werden, wieder formuliert werden, die wir dann eben schon so aus massenmedialem Diskurs kennen. Also genau diese Idee im digitalen Schreiben, da gibt es keine Regeln, da machen wir was wir wollen. Und im Schulschreiben, da ist
dann eben alles total reglementiert oder so. Das sind die Ideen, die dann eben auch reproduziert werden. Und wenn Sie aber so ein WhatsApp-Fragment auf den Tisch legen, dann sieht es ganz anders aus. Dann wird auf einmal tatsächlich über die Formen reflektiert, die sich dann auch finden lassen. Ein Beispiel ist vielleicht wieder die Interpunktion. Also da können Sie dann beispielsweise in den
Fragebogen Antworten lesen, die dann eben genau nicht bestimmte Beispiele in die Diskussion gebracht haben, dass Interpunktion im digitalen Schreiben keine Rolle spielen würde. Es gibt keine Interpunktion, wenn Sie den Fragebogen glauben würden. Und wenn Sie demgegenüber dann in den Fokusgruppengesprächen
ein bestimmtes Chat-Beispiel auf den Tisch legen, in dem eine bestimmte Interpunktionspraxis zu beobachten ist, beispielsweise ein interierter Ausrufezeichengebrauch oder eben der Satzschlusspunkt am Ende einer Nachricht, dann stellen Sie auf einmal fest, wie viel die Befragten dazu zu sagen wissen und wie eindeutig dann häufig auch die Ideen sind, welche kommunikative Funktionen diese
Interpunktionszeichen dann ausführen, beziehungsweise welche Person, also welches sozialen Genotype dann mit einem bestimmten Interpunktionsgebrauch im digitalen Schreiben assoziiert sind. Und das ist dann schon interessant, finde ich, wie geschichtet quasi die Reflexionen sind,
die man dann da zutage fördern kann. Von sehr abstrakt und sehr einfach gedacht, gibt es nicht und gibt es und ist wichtig und ist nicht wichtig, bis hin zu sehr differenzierten Reflexionen über diese Themen. Ja, ich könnte mir vorstellen, dass das methodisch alles auch sehr herausfordernd
war. Gab es vielleicht für Sie Aspekte beim Umgang mit dem Datenmaterial, die sich als unerwartet knifflig oder schwierig herausgestellt haben? Ja, also man kann sagen, in so einer dann doch relativ aufwendigen Studie ist man eigentlich tagtäglich mit irgendwelchen Problemen befasst und das fängt dann übrigens schon vor der Datenerhebung an. Also die Frage beispielsweise,
wo kriege ich diese Daten eigentlich her, wie kann ich meine Teilnehmenden akquirieren, die ist auf jeden Fall weniger trivial, als man vielleicht am Anfang so denkt. Denn alle Schulen sind überforscht. Niemand kann sich leisten, Unterricht ausfallen zu lassen für irgendwelche
Fragebogenerhebungen oder so. Das heißt, bereits da im Vorfeld der eigentlichen Forschung muss man einen langen Atem mitbringen und dann viele, viele Unwegbarkeiten dann irgendwo umschiffen. Dann auch ganz forschungspraktische Probleme, was beispielsweise die Einwilligungserklärung angeht. Also gerade wenn sie mit Jugendlichen arbeiten, dann brauchen sie die Einwilligung
der Eltern in dem Fall bzw. der Sorgeberechtigten. Und trotzdem gebietet es natürlich die Forschungsetik, dass sie auch die Jugendlichen darüber aufklären, wofür die sich jetzt gerade gewissermaßen verpflichten oder bereit erklären. Also es gibt dann allerhand forschungsetische
Bedenken oder Dinge, an die sie dann erstmal denken müssen und hinter die sie einen Haken machen müssen. Und sie werden sehr viel Kommunikation eingehen müssen mit Leuten, die am Ende gar nicht in der Studie dann eben auftauchen, weil entweder ist Forschung ethisch nicht klappt, weil sie keine Einwilligung haben oder weil der Kontakt auf einmal abkriegt und so.
Und was vielleicht ganz interessant ist, ist zu wissen, dass jetzt bei dieser konkreten Studie ist sicherlich ein komplettes Jahr nur für solche Arbeiten draufgegangen, bevor da irgendeine Analyse passiert ist. Und dann haben sie diese Daten irgendwann und dann stehen wir wieder vor der Herausforderung, dass in meinem Fall, in dieser Methodologie, die da letztlich
entworfen wurde, die Daten eben sehr heterogen sind und damit auch in einem forschungspraktischen Sinne bestimmte Probleme entstehen bzw. bestimmte Herausforderungen. Wie Christian Lindner sagen würde, dornige Chancen für die Datenverwaltung. Also dass sie dann eben auf der einen Seite
diese Chat-Ausschnitte, Chat-Logs dann eben als Korpus verwalten müssen. In meinem Fall habe ich mit MaxQDA gearbeitet, um Annotationen hinzuzufügen und auszuwerten. Auf der anderen Seite haben sie dann beispielsweise die gescannten Schultexte. Da müssen sie sich erstmal entscheiden, muss ich
die transkribieren. Eine automatisierte Texterkennung wird dann nicht funktionieren. Das heißt, sie müssen gleichzeitig auch immer schon einige Schritte weiter denken. Also was sind denn dann tatsächlich die Analysen, die ich mit diesen Daten vollziehen will? Ist es wichtig für die Analysen, die ich später einmal vielleicht in einem oder zwei Jahren durchführen möchte, dass
ich die Texte jetzt transkribiere? Und wenn sie sich dafür entscheiden, dass wir die nicht transkribieren, dann stehen sie vielleicht in zwei Jahren doof da und stellen fest, mir fehlen gewissermaßen Arbeitsschritte, die ich eigentlich am Anfang der Erhebung hätte machen müssen. Das sind alles die Hindernisse, die Herausforderungen, die man dann eben adressieren muss am Anfang oder
im Umgang mit diesen Daten. Was man glaube ich auch noch nennen kann, was einem immer wieder passieren wird, ist, dass man in der Linguistik sehr verliebt daran ist, Dinge in Kategorien einzusortieren. Also man baut sich quasi seine Analysekategorien und sortiert dann ein. Darauf läuft es häufig
hinaus. Selbst wenn die Kategorien, was dann meines Erachtens so sein sollte und was ich in der Studie auch versucht habe, eben induktiv aus den Daten entstanden sind, trotzdem am Ende wollen wir eine Kategorisierung dieser verschiedenen Phänomene haben. Und was man sich eingestehen muss, ist, dass manche Phänomene nicht zu kategorisieren sind und dass es nicht möglich ist, Wirklichkeit von A
bis Z in verschiedene Töpfchen einzupacken. Und das muss man letztlich aushalten können, meines Erachtens als als forschende Person. Und gleichzeitig ist es natürlich so, dass diese Kategorien häufig schwer zu operationalisieren sind. Beziehungsweise denken Sie beispielsweise an
so etwas wie Sie interessieren sich für den Gebrauch von Auslassungspunkten in WhatsApp-Shats. So der Gebrauch von Auslassungspunkten in standardisierter Schriftlichkeit, beispielsweise in Belletristik oder in Zeitungsartikeln oder so, der würde Sie für keine großen methodischen Herausforderungen stellen, weil es sich halt immer um drei Punkte handelt. Das ist bei WhatsApp-Shats nicht so. Das sind mal zwei Punkte, häufig drei Punkte,
mal vier Punkte, mal fünf Punkte, mal sechs Punkte. Das geht bis 17 Punkte. Auch das könnte man jetzt abfedern, korpuslinguistisch. Man schreibt dann einen Skript und sagt, mich interessieren nicht nur die drei Punkte, sondern mich interessieren Reihungen von Punkten. Aber was machen Sie zum Beispiel, wenn dann auf einmal doch ein Leerzeichen dazwischen gerutscht ist? Gibt es häufiger? Sind
das jetzt zwei Instanzen von Auslassungspunkten oder ist das ein sehr langer Auslassungspunkt? Das sind Dinge, auf die gibt es dann keine richtige oder keine falsche Antwort, sondern Sie müssen das in Ihrer Studie transparent machen. Wie haben Sie sich entschieden und es plausibel machen, warum Sie sich so entschieden haben, um dann letztlich irgendetwas Interessantes zu Auslassungspunkten
beispielsweise zu sagen. Ja, jetzt haben Sie ja auch schon über Ihre Analysekategorien gesprochen und auch so ein bisschen über die Interpretation der Daten. Gab es denn für Sie auch überraschende Befunde? Ja, die Frage ist da wahrscheinlich, für wen sollen die Befunde überraschend sein? Also sollen sie für mich überraschend sein? Sollen sie vielleicht für die Probandinnen
selbst überraschend sein oder für die Fachkolleginnen in der Linguistik oder in angrenzenden Fächern? Und ich muss sagen, für mich ist dann das Fazit, dass vieles nicht mehr überraschend war und das ist eigentlich ganz gut so, denn die Idee einer ethnografischen Forschung ist ja gerade,
wie es dann immer so schön heißt, dass man Fremdes zum Vertrautem werden lässt. Und wenn Sie sich lange mit diesen Schreibpraktiken beschäftigen und versuchen, in diese Kontexte einzutauchen und zu verstehen, welche sozialen, kommunikativen Dynamiken dann da eben vorherrschen, dann sind viele der Ergebnisse für Sie am Ende nicht mehr überraschend, sondern Sie haben dann
diesen Kontext eben sehr gut verstanden. Und doch muss man wohl sagen, zumindest wird mir das dann häufig in solchen Gesprächen wieder gespiegelt oder nach Vorträgen wieder gespiegelt, ist dann das Maß, in dem Jugendliche selbst dann Standardideologien äußern oder in einer Standardideologie denken und wahrnehmen und bewerten die Schreiben vornehmlich in richtig
und Falscheinheit dann doch wohl immer wieder überraschend. Denn das Bild, was dann eben in diesen altbekannten massenmedialen Diskursen über digitale Schriftlichkeit, über digitale Kommunikation dann doch immer wieder distribuiert wird, ist, dass die Jugendlichen das Problem sind,
in Anführungsstrichen. Also, dass die schreiben, wie sie wollen, keine Kommersetzung mehr beachten und all das eben. Und ein möglicherweise überraschendes Ergebnis ist dann doch der große Wert der Orthografie aus Perspektive der Jugendlichen selbst. Die große Prestigerechtigkeit
eines orthografischen Schreibens, das an allen Ecken und Enden in den Daten immer wieder eine Rolle spielt. Mal affirmativ, also dass man selbst diese Überzeugung teilt, aber mal auch als Dinge, an dem man sich gewissermaßen abarbeiten kann und aus dem man dann gewissermaßen bestimmte kommunikative Ressourcen schöpft, indem man die Norm gerade verletzt. Aber auch in solchen Fällen
muss die Norm ja bekannt sein und spielt eine wichtige Rolle. Also wir kommen gewissermaßen nicht von der Orthografie weg, auch wenn wir in den digitalen Kontexten unterwegs sind. Und das ist, ich weiß nicht, ob man das Wort überraschend dann benutzen möchte, aber das ist in jedem Fall ein
wichtiges Ergebnis, was man vielleicht nicht so erwartet hätte, denke ich zumindest. Nun hätte ich noch ein paar zukunftsgerichtete Fragen. Welche Folgefragen lassen sich auf Basis ihrer Ergebnisse stellen und in Anschlussforschungen untersuchen? Ja, also man könnte sicherlich
dieses Konzept der Schreibregister einfach weiter ausfallen, aber vielleicht auch ausweiten. Also es ist natürlich nie eine gute Idee, zu große Forschungsfragen zu stellen, bei keiner Art von Forschung, ob das jetzt ein großes Forschungsprojekt ist, ob es eine Dissertation, eine Habilitation ist oder ob es eine Masterarbeit, eine Bachelorarbeit oder eine insbesondere eine
Ausarbeit ist. Das konfise Fassen von möglichst fokussierten Fragestellungen ist immer wichtig. Und doch muss man natürlich sagen, es würde Anknüpfungspunkte geben, die dann sagen, es sind vielleicht nicht nur Schreibregister im engeren Sinne, die hier eine Rolle spielen, sondern Register,
schlicht und einfach Kommunikationsregister, die dann eben auch mit anderen Modalitäten zusammen spielen, also mit anderen Zeichenmodalitäten. Und darauf wurde in der Forschung bereits hingewiesen. Wenn Sie sich die Arbeiten von Katharina König beispielsweise zu Sprachnachrichten anschauen, dann sehen wir meine Fokussierung auf schriftbasierte Kommunikation, die ist vielleicht
sowieso schon mal mit einem Fragezeichen zu versehen, denn es wird eben auch sehr viel gesprochen. Und genau damit können wir uns beschäftigen. Also wie werden dann auf einmal gesprochene Zeichen, gesprochene Varianten, teils von Registern, von registerhaft wahrgenommenen Formen verbinden? Und wie haben wir es dann unter Umständen mit multimodalen Registern in der digitalen
Kommunikation zu tun? Und außerdem hängt natürlich ein Forschungsinteresse dann immer auch an den Phänomenen fest, die sich durch eine bestimmte Population ergeben oder eben nicht ergeben. Und in meinem Fall hat zum Beispiel Mehrsprachigkeit keine große Rolle gespielt. Und jetzt, da ich eine Stelle in der deutschsprachigen Schweiz angenommen habe, sieht die Sache auf einmal anders aus meiner
Perspektive. Und ich sehe, wie wichtig mehrsprachige Praktiken sein können, um digitale Kommunikationspraktiken dann eben umzusetzen. Das ist dann eben mit mehrsprachigen Praktiken in der digitalen Kommunikation zu tun haben. Und auch da könnten wir weitergehend fragen, welche Rolle spielt Mehrsprachigkeit für Schreibregister? Oder welche Rolle spielen Schreibregister für
mehrsprachige Gemeinschaften? Und zuletzt wäre es sicherlich sehr interessant, Anschlussforschungen in die Richtung zu machen, dass man sich andere Kommunikationsplattformen anschaut. Denn auch hier haben wir in dieser Studie dann eben eine Fokussierung gehabt auf WhatsApp als Messengerdienst.
Aber wenn Sie mit Jugendlichen sprechen, sind unter Umständen jetzt gerade ganz andere Apps angesagt. Also was ist mit TikTok zum Beispiel? Was ist mit Instagram? Und wie sieht es da mit den Modalitäten aus? Denn ein interessanter Beobachter ist ja durchaus letztens im Gespräch mit Jürgen Spitzmüller, darüber haben wir gesprochen, ihm ist es aufgefallen, dass diese Diskursen um Sprachen
in digitalen Medien sehr an der Schriftlichkeit hängen. Also die Internetsprache in Anführungsstrichen war dann eben häufig eine bestimmte Art mit Schrift umzugehen. Aber haben wir unter Umständen vielleicht auch bestimmte gesprochene Register in der digitalen Kommunikation? Das wären dann sicherlich auch interessante Anschlussfragen, die man zumindest mit Rückgriff auf eine Methodologie,
die ich sie versucht habe zu entwickeln, dann vielleicht beantworten könnte. Gibt es auch Anschlussuntersuchungen, die im Rahmen von Bachelor- oder Masterarbeiten geleistet werden könnten? Ja, also ich denke zunächst mal könnte man sagen, dass die Methodologie, die in dieser Studie vorgestellt wird, also diese Bezugnahme auf drei verschiedene Komponenten, mit denen man
Register möglichst holistisch, auch wenn das ein großes Wort ist, möglichst holistisch beschreiben kann. Das ist eine Methodologie, die nicht auf Jugendliche beschränkt ist und die auch nicht auf bestimmte mediale Kommunikationsformen beschränkt ist, sondern da, wo geschrieben wird, können sie
diese Methodologie nehmen, um literale Praktiken in einer Gemeinschaft zu beschreiben. Und das würde sicherlich auch in universitären Abschlussarbeiten funktionieren können. Dass sie dann beispielsweise sagen, mich interessieren die literalen Praktiken der Universität, mich interessieren die literalen Praktiken vielleicht in einem bestimmten Unternehmen oder so, in der
Unternehmenskommunikation. Das war schon die Idee bei dieser Studie. Und dann ist es natürlich durchaus möglich, einzelne Bestandteile der Studie zu sich anzueignen, analoge Untersuchungen dann eben zu designen und dann eben durchzuführen. Also beispielsweise Folgeuntersuchungen zum Gebrauch
zu dem Stellenwert von Interpunktionen in Schreibregistern abseits einer standardisierten Schriftlichkeit. Das sind Dinge, an die Sie anknüpfen könnten im Rahmen von Abschlussarbeiten und bei denen es sicherlich besonders interessant wäre, dann eben andere Populationen in den Blick zu nehmen oder vielleicht auch andere mediale Kontexte. Und was mich selbst besonders interessieren
würde, also falls Sie noch einen, zwei, dritt oder irgendwas Betreuer brauchen, bin ich gerne bereit, mich zur Verfügung zu stellen, um tatsächlich mal eine ähnliche Art von Forschung bezüglich der Boomer-Generation durchzuführen. Denn wir sprechen so häufig über die Schriftlichkeit von Jugendlichen und das hat natürlich seine Gründe mit Blick auf die institutionelle Bildung
in der Schule, im Ausbildungsweg. Aber ich würde es sehr interessant finden, wie beispielsweise die verschiedenen Schreibregister sich in einer Boomer-Generation dann ausdifferenziert haben und wie da die metapragmatischen Ideologien sind, die in der entsprechenden Gemeinschaft zirkulieren. Jetzt ohne, dass ich dafür irgendwelche empirischen Beweise hätte oder so, aber ich glaube,
dass die Untersuchung von der Emoji-Nutzung in der Boomer-Generation auch sehr interessant wäre. Absolut, absolut. Und es gibt ja corpus-linguistische Arbeiten von Beard Siebenhard zum Beispiel, der zeigt, dass die Emoji-Nutzung dann, anders als man das jetzt vielleicht so klischeehaft erwarten
würde, ansteigt und die Teenager eigentlich relativ wenig Emojis benutzen in seinen Daten. Habe ich jetzt auch schon gehört, also ich habe im Seminar den Eintritt mit Studierenden darüber geredet und die eine hatte eine kleine Schwester, irgendwie so um die 16 und die benutzen fast gar keine Emojis mehr, zumindest sie in ihrer Freundesgruppe. Die tendieren jetzt eher wieder dazu, zum Beispiel Satzzeichen zu iterieren und das fand ich ganz interessant, weil das kenne ich so gar
nicht aus meinem persönlichen Gebrauch und aus meinem Umfeld. Und die Emoji-Nutzung scheint sich auch zu verändern. Also ich habe schon gehört, dass die Lach-Emojis jetzt nicht mehr so in sind, dass man stattdessen eher einen Totenkopf-Emoji beispielsweise verwendet, um zu zeigen, dass man sich schon tot gelacht hat. Okay, ja genau, also da würde man jetzt vermutlich davon ausgehen,
das sind dann so Dinge, die sehr an der lokalen Praxisgemeinschaft hängen, die eben noch nicht konventionalisiert sind, die noch nicht breit sozial registriert sind. Aber es zeigt uns auch beispielsweise, dass der Blick der Linguistik auf Emojis zum Beispiel eigentlich differenzierter werden muss, in dem Sinne als Emoji nicht gleich Emoji ist und dass wir nicht sagen können, okay,
sobald Emojis da sind, ist das jetzt informelle Interaktion, sondern es kommt darauf an, welches Emoji gesetzt wird. Und das ist beispielsweise auch etwas, was in den Fokusgruppengesprächen geäußert wurde. Wir haben auch innerhalb der Nutzung von Emojis ein wahrgenommenes Continuum, dass manche Emojis gewissermaßen als formeller gelten als andere.
Ja, und insofern ist das nicht ein Block, der das Emoji-Inventar darstellt und der wird jetzt gemeinsam für die und die Funktion benutzt, sondern Teile daraus werden für bestimmte Funktionen benutzt und andere dann für andere. Ja, das sind interessante Folgefragen, die sich da stellen
lassen. Vielleicht könnten Sie noch ganz kurz aus Ihren Erfahrungen mit Ihren eigenen Untersuchungen berichten. Haben Sie vielleicht Tipps für Studierende, die mit ähnlichen Datentypen arbeiten möchten? Ja, wenn ich darüber nachdenke, welche Tipps kann ich geben, welche praktischen Tipps kann ich geben, wenn man so eine Art von Forschung durchführen möchte, dann wäre mein Tipp Nummer eins, dass
man sich Zeit nehmen muss. Und es ist natürlich völlig klar, wenn Sie eine Hausarbeit schreiben, dann haben Sie vielleicht, wenn Sie mehrere Hausarbeiten parallel zueinander schreiben, dann haben Sie unter Umständen ohnehin erstmal sehr wenig Zeit. Und wenn Sie eine Dissertation schreiben, haben Sie dann eben mehr Zeit. Aber im Rahmen Ihres Maßstabes sollten Sie sich genug
Zeit einplanen für all diese forschungspraktischen Dinge. Wo kriegen Sie Ihre Daten her? Wie sichern Sie diese Daten forschungsetisch ab? Ist es okay, diese Daten zu erheben? Wie muss ich diese Daten aufbereiten, damit ich damit arbeiten kann, aber auch damit das forschungsetisch okay ist, also in Bezug auf Anonymisierung, beispielsweise Pseudonymisierung. Das alles dauert erst mal und
darüber müssen Sie sich immer klar sein. Und das Zweite, was Zeit benötigt, ist dann, dass Sie sich in diese Daten vertiefen, also dass Sie diese Daten tatsächlich einfach lesen. Also da kann Ihnen dann auch keine studentische Hilfskraft dabei helfen oder so. Die kann Ihnen vielleicht später dabei helfen, zu annotieren oder bestimmte Berechnungen in Excel durchzuführen oder so. Aber Sie kommen
nicht umhin, ein Gespür für die Daten zu entwickeln und das benötigt Zeit. Und diese Zeit müssen Sie einfach von vornherein einplanen. Und die ist nötig, um dann irgendwann zu guten Forschungsfragen zu kommen. Und an einer guten Forschungsfrage hängt letztlich alles. Und das ist bei der
Hausarbeit dann genauso wie bei späteren Qualifizierungsarbeiten. Dass die Forschungsfrage eigentlich die halbe Miete ist, aus meiner Perspektive. Die muss möglichst gut gewählt sein. Und insofern Zeit nehmen oder anerkennen, dass die Sache Zeit braucht. Ja, danke. Das sind wichtige Hinweise. Und vielleicht ist noch eine letzte Frage an Sie. Sind Sie zurzeit mit eigenen
Anschlussuntersuchungen befasst? Ja, bin ich tatsächlich. Ich bleibe der Erforschung digitaler Kommunikation treu und irgendwie auch meinem Interesse an Schriftlichkeit in der Gesellschaft. Was mich momentan besonders interessiert, ist der Rhythmus von digitaler Kommunikation. Also wie der
Rhythmus, in der sich ein interaktionsorientiertes Schreiben entfaltet. Also tatsächlich in einem engeren Verständnis innerhalb eines kommunikativen Ereignisses, aber auch in einem herausgesunden Verständnis. Also wie verteilt sich digitale Kommunikation im Tagesablauf eines Individuums oder vielleicht sogar im Ablauf eines Monats. Daran bin ich interessiert. Auf der einen Seite,
welche Muster lassen sich da quasi von außen erkennen, ja, deskriptiv erkennen. Aber auch durchaus wieder mit Blick auf die Ideologien. Also auf die Sinnmachung, die in Gemeinschaften entstehen, um Rhythmus Bedeutung zuzuweisen. Und das ist ein Thema, zu dem es dann wieder
auch erstaunlich viel Metadiskurs gibt. Gerade übrigens so im Bereich Online Dating. Also was bedeutet es, wenn er so und so lange nicht antwortet oder so, ja, findet man viele Metadaten in Lifestyle-Magazinen dazu. Und mein jetziges Forschungsprojekt, meine jetzigen Forschungsfragen gehen eben genau in die Richtung und dann eben mit einer ähnlichen Methodologie letztlich. Also
dass es auch wieder darum geht, tatsächliche Daten, Sprachgebrauchsdaten zu erheben. In dem Fall dann Bildschirmaufzeichnung und keine, nicht die bloßen Exporte von Chatblogs, sondern ich schaue mir an, was geht tatsächlich auf dem Smartphonebildschirm vor sich. Und auf der anderen Seite, auf der anderen Seite dann durchaus wieder durch ethnographische Zusatzinformation
kontextualisiert, um an die Ideologien ranzukommen. Ja, das klingt sehr interessant. Viel Erfolg dabei auf jeden Fall und viel Spaß natürlich. Vielen Dank. Genau, dann sind wir eigentlich auch schon am Ende unseres Interviews angekommen. Vielen herzlichen Dank, dass Sie dabei waren, dass Sie sich Zeit genommen haben für uns. Vielen Dank, es hat großen Spaß gemacht.