Netmundial: Großer Sprung vorwärts, ein paar Schritte zurück
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Number of Parts | 126 | |
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License | CC Attribution - ShareAlike 3.0 Germany: You are free to use, adapt and copy, distribute and transmit the work or content in adapted or unchanged form for any legal purpose as long as the work is attributed to the author in the manner specified by the author or licensor and the work or content is shared also in adapted form only under the conditions of this | |
Identifiers | 10.5446/33343 (DOI) | |
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Abstract |
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MicrosoftExecution unitInternetComputer animation
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WeightInternetLecture/ConferenceMeeting/Interview
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Eigenvalues and eigenvectorsPropositional formulaSpring (hydrology)Set (mathematics)Dynamic rangeWeightPerspective (visual)Lecture/Conference
04:45
InternetSeries (mathematics)Moment (mathematics)Array data structurePlane (geometry)Lecture/ConferenceMeeting/Interview
06:34
InternetComputer animationLecture/Conference
07:10
Representation (politics)Physical quantityContent (media)WeightInternetLecture/Conference
08:03
InternetProzedurSoftware frameworkAtomic nucleusFunction (mathematics)
09:51
InternetStandard deviationAddress spaceContent (media)Plane (geometry)Lecture/Conference
11:30
Series (mathematics)DistanceWhiteboardForceInternetEigenvalues and eigenvectors
15:28
Tape driveLecture/Conference
16:01
RoundingWordComputer animation
17:56
Block (periodic table)DistanceSoftware frameworkRoute of administrationCommunications protocolConstraint (mathematics)Field extensionExpert systemInternetLecture/ConferenceMeeting/InterviewComputer animation
20:25
Lecture/Conference
21:33
ACCESS <Programm>InformationGreatest elementProviderInternetComputer animation
22:56
Constraint (mathematics)MassKritischer Punkt <Mathematik>Lecture/Conference
23:51
Computer animationLecture/Conference
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Plane (geometry)ForceAuthorizationInternetMobile appAlgebraic closureMeeting/Interview
26:26
MicrosoftComputer animation
Transcript: German(auto-generated)
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Wir haben jetzt einen Vortrag von Jeannette Hoffmann. Sie ist unter anderem beim WZB, beim Wissenschaftszentrum Berlin
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und auch beim HIIG, beim Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft. Dort ist sie eine der Direktorinnen und Gründerinnen. Und ich freue mich sehr, dass sie heute hier ist, um über das Thema netmundial zu sprechen. Die große Konferenz in Brasilien, die vor zehn Tagen stattgefunden hat
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zum Thema Internet Governance, Internetregulierung. Jeannette, das ist dein Applaus. Dankeschön, dass du da bist. Ja, vielen Dank, Sandra. Ich beginne mit zwei oder drei Vorbemerkungen.
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Die erste ist, dass ich ursprünglich das Thema ein bisschen anders angelegt hatte. Im Papierprogramm steht es anders drin. Ich hatte ursprünglich vor, über die Großwetterlage im Bereich Internet Governance zu sprechen. Was macht ICANN? Was macht die US-Regierung? Wie geht es dem IGF? Solche Themen wollte ich ansprechen.
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Und als ich zurückkam von der großen netmundial-Konferenz, habe ich entschieden, das Thema zu ändern und speziell über diese Konferenz zu sprechen. Das ist Punkt eins. Punkt zwei ist, dass man unmittelbar nach der netmundial schon merken konnte,
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dass allerlei Leute, egal ob sie jetzt da waren oder nicht, diese Konferenz für sich vereinnahmen. Was man sehen kann, ist, dass alle Berichte, die über die netmundial geschrieben worden sind, extrem unterschiedlich in ihrem Urteil sind. Was man daraus mitnehmen kann, ist, dass es eine objektive,
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neutrale Berichterstattung über netmundial nicht gibt und dass man deshalb alles, was darüber gesagt wird, man mit Vorsicht zur Kenntnis nehmen soll und das gilt natürlich auch für meinen Vortrag. Auch der ist, wenn man so will, perspektivisch.
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Und der berichtet faktisch aus der innen Ansicht. Ich war Co-Chair dieser Konferenz und war in einem weiteren Committee vertreten. Das heißt, mein Blick darauf unterscheidet sich notwendig von denen, die aus einer anderen Perspektive darauf zugeguckt haben und darauf geguckt haben.
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Und der dritte Aspekt, den ich nur kurz erwähnen will, ist, dass, wenn man sich den Text anguckt, dass ganz schwer zu verstehen ist, was dort eigentlich verhandelt worden ist, weil der jetzt so geschliffen und so glatt daherkommt.
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Faktisch ist es aber so, dass fast jeder Satz, fast jeder Absatz, hat eine eigene Verhandlungsgeschichte. Sätze, Aussagen sind in das Schlussdokument reinverhandelt, wieder rausverhandelt, wieder reinverhandelt worden. Dann hat man sich am Ende womöglich auf eine Zwischenlösung geeinigt,
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in dem einzelne Wörter geändert wurden, etc., etc. Es wäre wirklich schön, wenn jemand, der das so halbwegs im Überblick hat, mal die Geschichte dieses Textes aufschreibt, damit man auch die Kontroversen, die sich hinter diesen eher glatten Formulierungen jetzt verbergen, dass man die überhaupt nachvollziehen kann.
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Und das gilt auch für die Quellen der Aussagen, die in diesem Text sind. Es gibt jede Menge indirekte Zitate, was, was man sonst eigentlich gar nicht darf. Ich würde mal sagen, in dem Verhandeln internationaler Texte ist es sehr üblich, dass man auf andere Dokumente, Vorgängerdokumente referenziert.
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Und das war auch Teil der Verhandlungsdynamik von NetMunyal, dass sich die Leute wechselseitig Texte um die Ohren gehauen haben und gesagt haben, da steht es. Das hat die OECD schon mal so formuliert, mit Zustimmung aller Regierungen. Oder das steht in den internationalen Menschenrechtskonventionen.
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Und deshalb sollte es auch hier stehen. Also das spielte eine ganz große Rolle, ist aber aus dem Text, wenn man ihn so liest, nicht gut zu sehen. Gut, das waren meine Vorbemerkungen. Vielleicht sollte ich noch sagen, ich habe eben Marlou Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, hier im Raum gesehen.
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Und die würde ich gerne extra begrüßen. So, aus meiner Sicht, und deshalb habe ich auch das Thema geändert, war NetMunyal in der internationalen Verhandlungsgeschichte des Internets wirklich ein historisches Ereignis.
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Und deshalb denke ich, es ist wert, eine ganze Sitzung hier auf der Republik speziell diesem Thema zu widmen. Was da am Ende passierte, also das Zitat hier auf der Folie, das ist aus der Präambel des Abschlussdokuments, die wir in den letzten Minuten,
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bevor wir diesen Text vorgestellt haben, noch schnell zusammengezimmert haben. Was nämlich in den letzten Minuten klar wurde, ist, dass wir den Konsens, den wir erzielen wollten, nicht erzielt haben. Es gab einzelne Regierungen und eine Reihe zivilgesellschaftlicher Organisationen, die im letzten Moment gesagt haben, wir tragen diesen Text nicht mit.
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Deshalb brauchten wir eine Präambel, wo drin steht, einen Konsens haben wir nicht erreicht. Wir haben nur so eine ungefähre, so eine rough consensus Zustimmung bekommen. Aber es war uns auch wichtig zu sagen, hier haben wir was gemacht in Sao Paulo, dass es so noch nicht vorhergegeben hat. Im Groben war der Versuch jetzt auf der prozeduralen Ebene,
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multilaterale und Multi-Stakeholder-Verfahren erstmalig miteinander zu verkoppeln. Multilateral bedeutet, Regierungen handeln untereinander einen Text aus. Multi-Stakeholder, wie wir es vom IGF kennen, bedeutet üblicherweise, viele Leute reden miteinander
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im Rahmen von Workshops und Roundtables. Aber es kommt am Ende nicht mehr dabei raus, als ein sogenannter Chairman's Report. Das heißt, wir haben es bislang nie hinbekommen, bei internationalen Konferenzen, wo nicht nur Regierungen,
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sondern auch Wirtschaft und Zivilgesellschaft mit am Tisch sitzen, uns auf einen gemeinsamen Text am Ende zu einigen. Text bedeutet auch so etwas wie eine gemeinsame Beschreibung einer Problemlage oder gemeinsame Empfehlungen, wie es weitergehen könnte.
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Selbst wenn sich ein solcher Konsens am Horizont abgebildet hat, gibt es schlicht kein Verfahren, wie man das machen könnte. Bei internationalen Konferenzen, wo viele Leute zusammenkommen und sozusagen kein formaler Repräsentationsprozess besteht, ist es bisher einfach nicht möglich, Konsens zu erklären
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oder überhaupt einen solchen Prozedural, sich dem anzunähern, den herzustellen. Und das hat Net Mundial im Groben und Ganzen sich zum Ziel gesetzt und so halbwegs versucht. Deshalb ist aus meiner Sicht Net Mundial tatsächlich in der internationalen Geschichte, auch über das Internet hinaus,
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ein Schritt vorwärts, unabhängig davon, was man von den Inhalten halten mag. 800 Leute, die da saßen, haben tatsächlich anderthalb Tage an diesem Dokument gearbeitet. Ein Dokument, das es vorher natürlich schon im Entwurf gab. Ich werde jetzt kurz was zur Geschichte von Net Mundial sagen,
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was zu den Prozeduren, den Resultaten und das, was man vielleicht daraus lernen kann. Erst mal zum Hintergrund. Natürlich spielte Edward Snowden eine große Rolle. Wir wissen, dass sich einige Regierungen offiziell beschwert haben
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über die Abhörpraktiken vor allen Dingen der US-Regierung. Und darunter war auch Dilma Rousseff, die brasilianische Präsidentin, die eine wirklich flammende Rede vor der UN-Generalversammlung zugehalten hat und gesagt hat, so geht es nicht weiter.
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Wir brauchen im Bereich Internet Governance Prinzipien, die halbwegs klären, was akzeptabel ist und was nicht akzeptabel ist. Sie hat es angekündigt, dass sie an sogenannten High Level Principles, die eine Art Rahmenwerk für die Regulierung des Internet abgeben soll, dass sie daran arbeiten will.
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Das war ein Hintergrund. Ein zweiter Hintergrund war, dass ICANN schon seit einer Weile sich aus der Aufsicht der US-Regierung rauslösen will und gerne von der US-Regierung unabhängig sein will. In diesem Kontext haben die sogenannten I-Star-Organisationen,
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das sind all die Organisationen, die operativ beim Betrieb der Infrastruktur des Internets beteiligt sind. Die haben im vergangenen Herbst das sogenannte Montivideo Statement verabschiedet, in dem sie gesagt haben, viel Vertrauen in das Internet ist aufgrund der Massenüberwachung
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verloren gegangen, uns gefällt das so nicht. Wir plädieren dafür, dass die Infrastrukturfunktionen des Internet möglichst schnell unabhängig werden von der US-Regierung. Dieses kurze Statement hat ein kleines Erdbeben ausgelöst,
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weil sich diese Organisationen, die die Standards entwickeln, wie ITF, aber auch iSOC, die Internetgesellschaft und andere, die hatten sich bislang immer relativ loyal gegenüber der US-Regierung und ihrer Kontrolle über den Namens- und den Adressraum des Internets verhalten.
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Die haben sich hier quasi öffentlich losgesagt. Durch diese beiden Tendenzen, die der brasilianischen Regierung jetzt mal endlich weiterzukommen im Hinblick auf allgemeine Prinzipien für die Netzregulierung und der Wille der operativen Ebene in der Internetinfrastruktur, die institutionelle Landschaft zu verändern
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und die Rolle der US-Regierung abzulösen durch was Neues, diese beiden Tendenzen kamen zusammen und führten eben dazu, dass ICANN und die brasilianische Regierung eine höchst ungewöhnliche Kombination, muss man sagen, entschieden haben, eine Konferenz zu veranstalten.
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Das war so etwa im Oktober, November und die Konferenz wurde für April terminiert. Das bedeutet, es gab nur einen richtig knappen Vorlauf, um das auf die Beine zu stellen. Ich werde jetzt kurz was sagen zu der Struktur dieser Konferenz
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und zum Verlauf und komme dann auf die Inhalte zu sprechen. Die große Herausforderung bei dieser Konferenz war, ein Verfahren zu finden, das möglichst viele Leute mit einbindet und generell es schafft, dass jeder, der sich daran beteiligen will,
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dem auch eine Stimme zu geben. Das Verfahren, das hier gewählt wurde, das habe ich eben schon gesagt, sollte sozusagen dem Multi-Stakeholder-Ansatz entsprechen. Das heißt, Regierungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft und in dem Fall auch noch als eigene Gruppe ausgewiesen,
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Academia und die Internet-Ingenieure sollten zusammenkommen und sich auf Prinzipien einigen für die Internetregulierung und gleichzeitig einen sogenannten Roadmap-Prozess in Gang setzen, also den institutionellen Wandel der Netzverwaltung quasi einen Schritt voranbringen.
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Dafür hat dann die brasilianische Regierung eine Reihe von Komitees gegründet. Die beiden mit Abstand wichtigsten war dieses Executive Multi-Stakeholder-Committee. Das waren die Autoren des Abschlussdokuments und die haben auch im Grundsatz
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das Verfahren der Konferenz festgelegt. Und das zweite war das Logistics-Committee, das eine großartige Sekretariatsarbeit geleistet hat, um das alles in Gang zu setzen. Generell waren alle Komitees einschließlich des Boards, das ist hier Chair of the Meeting, der hatte noch vier Co-Chairs, von denen ich eine war.
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Alle waren so zusammengesetzt, dass keiner der beteiligten Gruppen eine Mehrheit hatte. Bei dem High-Level-Committee haben die Regierungen insgesamt zwölf Sitze gehabt, da waren sozusagen vier Weltregionen vertreten, mit jeweils drei Repräsentanten. Aber dem wiederum standen gegenüber allerlei Mitglieder
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aus der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und eben auch der technischen und akademischen Gemeinde. Und die haben auch die ganze Zeit parallel gearbeitet, diese Komitees. Zu dem Verfahren, wir hatten ja wirklich nur sehr wenig Zeit. Anfang Februar hat die brasilianische Regierung verkündet,
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dass man jetzt Beiträge leisten kann zu dem Deklarationstext, der dort verabschiedet werden sollte. Ein Monat lang etwa, gut ein Monat, konnte man Texte einreichen. Das waren jetzt nicht so wahnsinnig viele, mit knapp 190,
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aber die waren schon zum Teil sehr substanziell und lang. Zeitgleich konnte man sein Interesse daran bekunden, an dieser Konferenz teilzunehmen, wobei klar war, dass die Teilnahme ungefähr auf 800 bis 900 Leute begrenzt sein würde. Diese sogenannten I-Star-Organisationen
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haben auch Travel-Funds aufgesetzt. Also wer teilnehmen wollte und wem es an Mitteln mangelte, der konnte sich um ein Flugticket bewerben. Und das haben auch relativ viele Leute gemacht. Es ging tatsächlich darum, eine möglichst breite Teilnahme an dieser Konferenz zu organisieren.
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Dann ist Anfang April ein erster Entwurf für einen Text aus diesen Beiträgen generiert worden, der dann erst mal zwei bis drei Wochen zwischen den Committees hin und her wanderte, bis er dann Mitte April und damit wirklich nur zehn Tage vor der Konferenz veröffentlicht worden ist.
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Dieser erste Draft für einen Deklarationstext ist dann wiederum zur Diskussion gestellt worden. Und dann haben immerhin 1370 Leute kommentiert, diesen Text innerhalb einer Woche. Das Sekretariat im Hintergrund hat dann wiederum all diese Kommentare, die kamen,
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Zeile für Zeile in eine Excel-Tabelle übersetzt, damit wir als Komitees diese Kommentare überhaupt bearbeiten konnten. Das also war sozusagen das Vorfeld der Tagung. Bei der Tagung selbst haben wir ein, zwei Tage vorher uns zusammengesetzt und überlegt,
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wie wir diese Tagung überhaupt so organisieren können, dass alle, die da hinkamen und die, die kommentiert hatten und von außen durch den Stream, per Stream zugeguckt haben, dass sie wissen, ihre Stimme wird gehört. Und das wird nicht einfach nur in die Akten gepackt.
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Wir haben uns dann auf ein Verfahren geeinigt, das daraus bestand, dass wir, also beide Textteile, sowohl die Prinzipien als auch die Roadmap zur Diskussion stellen, und wir im Raum vier Mikrofone aufbauen. Eins für Regierungen, eins für Wirtschaft, eins für Zivilgesellschaft
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und dann noch eins für die akademische Gemeinde. Und dazu gab es noch zwei, also zwei Time Slots für Remote Participants, die also von anderen, zum Teil anderen Kontinenten sich dazu geschaltet haben. Wir haben dann jeweils zwei Stunden lang immer Runden von Diskussionen gehabt,
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wo hinter den Mikrofonen jeder sich die Regierungen in eine Schlange stellten und die anderen auch und sie jeweils zwei Minuten reden konnten. Das habe ich so noch nicht gesehen, dass sich Regierungsbeamte, zum Teil Minister, sich in eine Mikrofon-Schlange wie bei der AETF, da kennt man das auch, da einreihen, damit sie ein Zwei-Minuten-Statement abhalten können,
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das dann auch radikal abgeschnitten wurde. Diese Kommentare haben wir dann wieder eingesammelt und dann haben wir nach diesen Slots uns abends hingesetzt, die, die die Diskussionen geleitet haben, und haben versucht, diese Kommentare in das Dokument einzuarbeiten. Und um zu verhindern, dass das intransparent
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und nach Gemauschel wirkt, haben wir dieses Text-Editing öffentlich gemacht. Jeder, der wollte, konnte uns über die Schultern gucken. Und das haben auch relativ viele Leute gemacht. Wir hatten dann Vertreter aus der Wirtschaft, aus der US-Regierung, der indischen Regierung, der russischen Regierung, die waren im Raum
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und haben zugeguckt, was wir machen. Wir hatten den Text auf großen Leinwänden und jeder konnte sich das angucken. Und das war aus meiner Sicht das Beste, was wir machen konnten, um dieses Verhandeln des Textes halbwegs legitim zu gestalten. Jetzt sage ich kurz was dazu, wie die Beteiligung in etwa aussah.
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Man kann hier sehen, dieser große hellblaue Block, das sind die Kommentare der Zivilgesellschaft. Die waren mit Abstand die fleißigsten Schreiber im Hinblick auf das Kommentieren des Textes. Das lila ist die Privatwirtschaft,
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die hat auch relativ viel kommentiert. Die meisten Kommentare hat der Teil Principles, also dieses Rahmenwerk für die Internetregulierung bekommen. Hier sieht man noch mal einzelne Absätze dieses Principles der ersten Hälfte des Dokuments,
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wer da wie viel kommentiert hat. Ich greife jetzt nur mal wenige aus. Der Absatz 13 bezieht sich auf eine der Wortschöpfungen in diesem Dokument, nämlich permissionless innovation. Wir haben alle schon gehört, dass das Internet für free innovation steht.
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Hier haben einige einen Begriff geprägt, mit dem sie klarmachen wollen, dass das Internet, so wie wir es bis jetzt kennen, dass da niemand um Erlaubnis bitten muss, um neue Anwendungen, neue Protokolle oder irgendwas im Internet einzuführen.
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Und diese permissionless innovation ist hochgradig umstritten gewesen. Ein zweiter Punkt, hier der zweite Absatz, der sehr umstritten war, waren Formulierungen zu human rights. Da haben wir uns stark gestützt auf eine UN-Resolution aus dem Dezember 2013, die von der brasilianischen und der deutschen Regierung
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initiiert wurde zum Thema privacy. Und da war eine der Kernaussagen, dass dieselben Rechte, die wir offline haben, dass die auch online gelten sollen. Und diese Formulierung ist sehr umstritten bis heute.
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Vertreter, also Menschenrechtsexpertinnen beispielsweise sind der Auffassung, dass das eine Einschränkung und nicht eine Erweiterung oder Neuinterpretation von Menschenrechten ist, weil universale Menschenrechte sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie sowieso immer gelten. Also das ist einer der Punkte, die unter Experten umstritten war
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und das spiegelt sich auch hier in dem Dokument wieder. Jetzt zu dem, was wir erreicht haben. Ich denke, inhaltlich der starke Punkt ist, dass wir erstmalig den Verweis, die Auflistung von Menschenrechten in Verbindung mit Internetregulierung gebracht haben.
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Ich kann nur sagen, die ich lange im IGF mit im Programmkomitee war, über viele Jahre war es nicht möglich, überhaupt auch nur große Sitzungen zum Thema, welche Bedeutung haben, Menschenrechte für die Internetregulierung auf die Tagesordnung zu setzen. Weil es immer viele gab, die sich dagegen verwehrt haben.
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Hier haben wir jetzt ein Dokument, wo die wesentlichen Menschenrechte für den Bereich Internetregulierung aufgelistet sind und explizit Teil des Abschlussdokuments sind. In den Verhandlungen dieses Abschlussdokuments haben verschiedene, vor allen Dingen wirtschaftliche Vertreter
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immer wieder versucht, das zu verwässern. Beispielsweise Formulierungen wie We should respect human rights oder Infrastructure development should relate to human rights. Das haben wir tatsächlich ausschließen können und haben stattdessen einen sehr starken
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Principles-Teil in dem Dokument. Und alle, die das Ergebnis kritisieren, sollten doch bitte das zur Kenntnis nehmen. Dann, was auch noch ganz gut zu sehen ist, dass sich alle dafür ausgesprochen haben, das Internet Governance Forum als Prozess zu stärken.
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Zurzeit wird in New York, in der UN wieder verhandelt, ob man das nicht einfach einstellen könnte, ob man das wirklich unbedingt weiter behalten muss. Also da haben sich alle Teilnehmer stark positioniert. Collection of personal data in accordance with human rights ist auch ein großer Streitpunkt gewesen.
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Jetzt zu den Deadlocks, wo es überhaupt nicht weiter ging. Providerhaftung war ein großes Thema, war einer der wirklich strittigen Punkte, ist rausverhandelt, reinverhandelt, rausverhandelt worden. Viele haben gesagt, das hat im Themenfeld Internet Governance nichts zu suchen. Es war einer der Punkte, am Ende der Tagung,
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in der letzten halben Stunde haben einige gesagt, sie tragen das ganze Dokument nicht mit und lassen faktisch den Prozess platzen, wenn das draußen bleibt. Also ist es jetzt wieder drin. Der Text, der da drin steht, geht nicht über das hinaus, was wir in anderen von Regierungen verhandelten Dokumenten
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stehen haben. Also die OECD-Prinzipien vom, ich glaube, letzten Sommer haben ähnlichen Wortlaut. Und das gilt auch für alle anderen Schrecklichkeiten. Netzneutralität, gleiches Thema. Wir durften zu Beginn den Begriff gar nicht benutzen. Darüber ist lange verhandelt worden, ob der Begriff überhaupt vorkommen kann.
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Er ist im ersten Teil des Dokuments, das ist ja umschrieben, im zweiten Teil des Dokuments steht da drin mit allerlei unschönen Einschränkungen, dass es auch ganz am Ende noch passiert. Mastervains war vielleicht der kritischste Punkt des ganzen Dokuments. Wir hatten gehofft, dass wir dort starke,
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also starke Formulierungen unterbringen, in der internationalen Menschenrechtsszene und kursieren zurzeit Begriffe, die da heißen, dass jede Form der Überwachung necessary and proportionate sein muss. Und das haben wir versucht,
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in dieses Dokument reinzubekommen. Und es ist uns nicht gelungen. Das ist nicht schön. Aber damit muss man leben. Es heißt nicht, dass man jetzt den Kampf darum aufgeben muss. Wir haben jetzt immerhin eine Textgrundlage, wo man weiter verhandeln kann. Permissionless Innovation hätten wir uns stärker gewünscht,
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als es drin ist. Aber immerhin, ICANN, IANA, darauf kann ich jetzt im Einzelnen nicht mehr eingehen. Es gibt Kräfte, die sich wünschen, dass ICANN und die Verwaltung des Root Zone Files, dass diese beiden Dinge getrennt werden in verschiedenen Organisationen.
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Da gab es mal eine Formulierung, die sagte, it would be desirable, wenn das passiert, die ist am Ende auch wieder rausverhandelt worden. Alles in allem, denke ich, kann man damit leben. Aber toll ist es inhaltlich nicht. Und damit komme ich auch schon zu den Lessons Learned. Die für mich wichtigste Lektion war,
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dass wenn man mit Regierungen tatsächlich Text verhandeln muss, dann muss man akzeptieren, dass die Regierungsbeamte, die auf so einer internationalen Konferenz auftreten, nicht freihändig verhandeln können. Die haben keine Autorisierung, über das hinauszugehen, was Regierungen bereits an der Orts
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mit anderen Regierungen vereinbart haben. Und das ist für zivilgesellschaftliche Gruppen extrem schwer zu verstehen. Dass man über diese Texte nicht hinauskommt. Dass man die nicht, selbst wenn sie individuell überzeugt sind, dass sie nicht das Mandat haben. Und das, glaube ich, ist so eine Art
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Expectation Management, was wir intern betreiben müssen. Uns darüber klar zu werden, was drin ist auf so einer Ebene, wenn multilateral und multistakeholder zusammengebracht werden soll und was einfach nicht geht. Man kann keinen Regierungsbeamten dazu bringen,
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Massenüberwachung zu verurteilen, wenn sich die eigene Regierung dazu bisher überhaupt nicht geäußert hat oder nur in einer sehr verwässerten, abgeschwächten Form. Ich denke, es ist absolut sinnvoll, diesen Prozess weiterzugehen. Aber man darf einfach die Erwartungen nicht zu hoch hängen. Das war's. Jetzt zum Abschluss möchte ich noch sagen,
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dass das Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft das Internet Policy Review betreibt. Wir haben gerade einen Relaunch betrieben und am Ausgang finden Sie ausgedruckte Exemplare von Artikeln, sofern Sie sich dafür interessieren. Vielen Dank fürs Zuhören.
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