We're sorry but this page doesn't work properly without JavaScript enabled. Please enable it to continue.
Feedback

Facebook-Werbung: ein heiterer Bilderbogen

00:00

Formal Metadata

Title
Facebook-Werbung: ein heiterer Bilderbogen
Title of Series
Number of Parts
126
Author
License
CC Attribution - ShareAlike 3.0 Germany:
You are free to use, adapt and copy, distribute and transmit the work or content in adapted or unchanged form for any legal purpose as long as the work is attributed to the author in the manner specified by the author or licensor and the work or content is shared also in adapted form only under the conditions of this
Identifiers
Publisher
Release Date
Language

Content Metadata

Subject Area
Genre
Abstract
Werbetreibende können auf Facebook genau ihre Zielgruppe anvisieren. Aber was machen sie daraus? Screenshots von Facebook-Anzeigen werfen ein Schlaglicht auf das Grauen des Targetings. Der Eiertanz zwischen einer Plattform mit puritanischen Sauberkeitsidealen und dem unerschütterlichen Bedürfnis der Werbetreibenden, kein Sexismus-Fettnäpfchen auszulassen, zieht absurde Verrenkungen und schwierige Fragen nach sich.
MicrosoftGebiet <Mathematik>Moment (mathematics)Total S.A.PositionHasse diagramOnline-MedienMischung <Mathematik>WEBPhysical quantityFacebookDistanceInternetAlgorithmHTTP cookieIndexAktion <Informatik>WordComputer animation
ZahlResonanceFacebookRollbewegungAdobe PhotoshopForceiPhoneService (economics)OutlookWebsiteMittelungsverfahrenConflict (process)Curses <Programm>ASTERIX <Programm>Computer animation
9 (number)Content (media)WEBFacebookPlot (narrative)File formatWell-formed formulaGrand Unified TheoryInternetWebsiteSeries (mathematics)Sound effectTouchscreenNumberWeb pagePoint of saleProduct (category theory)CalculationPlane (geometry)TypLecture/Conference
IMSInternetCASHENumberPrint <4->Online-PublikationStudent's t-testStatistikerBlogGoogleTwitterComputing platformPhysical quantityFacebookOnline-MedienActive DirectorySummationVersion <Informatik>Electronic visual displayWEBLine (geometry)Software testing
MicrosoftComputer animation
Transcript: German(auto-generated)
Ja, hallo, danke, dass ihr alle gekommen seid, ich hoffe, ihr könnt mich hören, wenn nicht, dann gebt mir bitte ein Zeichen. Und ich hoffe, der Mac hier lässt mich nicht hängen. Oh, scheiße, er lässt mich hängen. Nein, nein.
Ja, ich würde ja gerne. Ist nicht, ich habe ein Windows-Rechner mitgebracht. Scheiße. Scheiße, ich sehe meinen Text nicht. Hier unten. Scheiße. Ah, shit. Scheiße. Ja. Okay. Hervorragend. Dann muss ich hier in... Ach Gott, das ist ja total kacke.
Ich hasse Macs wirklich. Ich hasse sie fast noch. Ich hasse sie noch mehr als Facebook-Werbung. Das war klar, dass mich diese Scheißdinge auch in einem kritischen Moment hängen lassen. Okay, das könnte jetzt ein bisschen holprig werden. Ja, genau. Okay. Wie komme ich hier wieder rüber?
Aber ich muss jetzt irgendwo auf den draufklicken. Ah, okay, okay, super. Das ist schon mal nicht schlecht.
Okay, ich verstehe nichts von Technik. Ich verstehe auch nichts von Werbung.
Und ich habe noch nie auf dem Gebiet gearbeitet. Ist mir ein bisschen peinlich, aber ich bin ehemaliger Zitierredakteur. Und war mit Herausgeber von der kleinen Zeitschrift. Und ich habe in letzterer Funktion ein paar aufschlussreiche Begegnungen mit Werbung gehabt.
Obwohl es einem anscheinend auch falsch ist, denke ich, dass Werbung mein Konsumverhalten nicht beeinflusst. Weil ich dazu neige, meine Individualität und Intelligenz zu überschätzen, was ich vermutlich mit den meisten von euch gemeinsam habe. Es kann also sein, dass ich Werbemacher aus einer Position totaler
Ahnungslosigkeit pauschal beleidige und ihre sicher anspruchsvolle und hochqualifizierte Arbeit runtermache. Obwohl sie sie wahnsinnig gut machen und sie auch privat total nette Leute sind. Sorry. Ich mag Werbung nicht. Sie stört mich und manchmal verwende ich Werbeblocker.
Das ist jetzt ein bisschen widersprüchlich, weil ich im Grunde von Werbung lebe. Als Autor und Redakteur für Zeitschriften und Online-Medien. Man würde ja auch nicht erwarten, dass ein Veganer im Schlachthof arbeitet. Wenn du keine Shoppingseite betreibst oder für eine arbeitest, ist Werbung vermutlich das einzige ernsthaft funktionierende Erlösmodell für dich.
Von Power-Architekten abgesehen. Das ist schon komisch. Viele von uns leben also mehr oder weniger unmittelbar von Werbung, obwohl keiner sie leiden kann.
Und warum hassen Leute Werbung im Web mehr als die im Fernsehen? Das ist jedenfalls mein Eindruck. Auf dem Plakat oder in der Zeitschrift. Ich würde mir gerne herausfinden, was eigentlich schief läuft. Nehmen wir mal Facebook als Beispiel. Vielleicht hat einer oder andere von euch schon mal eine Facebook-Anzeige gestaltet.
Ich weiß nicht, wie es euch dabei ging, als ihr das Tool zum Auswahl der Zielgruppe zum ersten Mal gesehen habt. Aber ich spürte so eine Mischung aus Faszination, Entsetzen und Versuchung. Das ist so ein bisschen wie bei diesen Röntgenbrillen, die vielleicht in älteren Schmuddel-Zeitschriften erworben worden sind.
Die haben versprochen, dass man alle Leute damit nackt sehen kann. Nur der Unterschied ist, dass es das hier wirklich gibt. Was kann ich da alles einstellen? Ich kann mir hier die Zielgruppe meiner Anzeige nach Geschlecht, Herkunftsland und Sprache zurechtlegen. Okay, das ist noch recht einfach. Den Ort kann ich bis auf PLZ-Ebene runterfiltern. Das Alter bis aufs Jahr genau.
Der exakte Beziehungsstatus, das Niveau und die fachliche Ausrichtung der Ausbildung, Berufstitel, Arbeitgeber. All das kann ich aus Kriterien meiner bevorzugten Kundschaft erklären. Möchte ich nur bei Eltern werben? Interessiere mich Menschen, die kürzlich geheiratet haben oder aus ihrer Geburtsstadt weggezogen sind.
Vielleicht mag die Zielgruppe meiner Kampagne heise.de, aber nicht bild.de. Wäre möglich. Vielleicht interessiert sie sich auch für Country-Music, für Schokolade, für persische Literatur oder für Computerfestplatten. Und von manchen Leuten weiß Facebook auch, dass sie online viel Geld ausgeben oder dass sie pendeln.
Auch das kann ich bei der Planung berücksichtigen. Wahrscheinlich sind die Planungstools großer Werbefirmen alles so ähnlich. Aber die Daten, die bei Facebook dahinterstecken, kamen nicht durch irgendwelche Schnüffel-Cookies plus Algorithmen-Magie zustande, sondern überwiegend durch bewusste Nutzeraktionen.
Deshalb dürften sie ziemlich präzise sein. Der andere Unterschied? Hier geht es nicht um fünf- oder siebenstellige Etats. Das Tagesbudget, das Facebook mir vorschlägt, sind vier Euro. Für den Gegenwert eines Döners, ok, eines dürren Döners, kriege ich ungefähr einen Dutzend Klicks meiner handverlesenen Zielgruppe auf meiner Seite.
Was für ein unglaubliches Werkzeug. Mit sowas müsste es eigentlich möglich sein, mir Werbung zu zeigen, die mich tatsächlich interessiert. Schauen wir mal, was die Leute daraus machen. Ihr also die Zielgruppe Herbert Braun.
Ein Mann, Anfang 40, hetero, verheiratet, Kinder, geisteswissenschaftliche Ausbildung, Hochschulabschluss, journalistischer Beruf, hat offenbar irgendwas mit Internet und Computerzeug zu tun. Was glauben die, das mich interessieren könnte? Was denken die von so einem wie mir?
Über die letzten anderthalb Jahre habe ich in unregelmäßigen Abständen Screenshots von den Werbeanzeigen gemacht, deren Auftraggeber mich zur Zielgruppe erklärt haben. Und so sieht das zum Beispiel aus.
Seit Anfang Juli 2013 bin ich kein CT-Direktor mehr, sondern Selbstständiger. Mitte Juli, also zwei Wochen später, bekam ich das da. Leberreinigung, Depressionsstudie, Kredit ohne Schuhfahrer. Die heilige Dreifaltigkeit des Freiberuflers aus Bankrott, Verzweiflung und Suff.
133.546 Leute mögen Yoga-Glow. Vielleicht ist noch nicht alles zu spät.
Philipp, Hilfe! Ah, ist unterwegs, sorry. Ich kann nicht scrollen.
Körsertastenblätter in die Präsentation weiter. Welche? Wie?
Wo hast du den Mauszeiger wieder hergekriegt? Ja, jetzt habe ich es. Cool. Weiter runter? Nein, das passt nicht. Danke, danke. Oh Mann.
Ok, nächste Katastrophe. Das Angebot zur Depressionsstudie war extrem hartnäckig. Offenbar gehöre ich zur Kernzielgruppe. Hier geht es um eine charmante Verbindung ein mit Diabetikern und Cholesterin-Geschädigten, die im Sommer nach Finnland fahren.
Wie ich meine finanziellen Probleme lösen könnte, das habe ich hier erfahren. Ich soll es machen wie Hans M., der gefälschte oder geklaute iPhones aufkauft und sie im Pfandhaus versetzt. So richtig nachhaltig scheint die Geschäftsidee aber nicht gewesen zu sein. In einem Jahr nach dieser Anzeige sah die dazugehörige Website so aus.
Das Einzige, was man dort noch verkauft, ist die eigene Domain. Die ist allerdings recht billig zu haben. Hier gleich zwei qualifikationsgerechte Karrierechancen als Nutella-Vorkoster sowie als Austräger der Kaufland-Kundenzeitung.
Damit kann ich dann meine Hypnose-Ausbildung finanzieren. Die mittleren Lebensjahre zwischen Jugend und Alter. Ich kann meine Muskeln pimpen, bis meine Oberarme wie Krebsgeschwüre aussehen und zugleich an einer Arthritis-Studie teilnehmen.
In welcher anderen Lebensphase hat man solche Chancen? Menschen in ihrem Alter treffen sie auf Senior-Book. Darauf nehme ich doch gleich einen doppelten Senioren-Teller.
Aber auch nützliche Weiterbildungsangebote gibt es noch. Ich kann endlich diese Sache mit dem Texten lernen. Doch immer wieder appelliert man auch an meine Männlichkeit. Genauer gesagt die Art von Männlichkeit, bei der man Konflikte und Lebenskrisen
dadurch löst, dass man anderen auf die Schnauze haut oder bescheuerte Sachen anstellt. Dieses Spiel, Nummer 2, ist so krass, man muss zum Spielen nicht 18 sein, sondern 19. Außerst subtil auch die Mittel, mit denen bei dem oberen Spiel die Herrschaft über diese zerrüttete Welt erringen soll.
Warum es beim Hardcore-Facebook-Spiel geht, habe ich nie erfahren, aber es ist bestimmt Hardcore. Oben ein Motiv aus einer ebenso hardnackigen wie bekloppten Kampagne, bei der ich zwischen einem Deutschen und einem amerikanischen Mädchen wählen soll. Hier lebt man nicht so Tough-Mother oder Tough-Mutter. Keine Ahnung, was das ist, aber es sieht extrem maskulin aus.
Ja, jetzt geht es mit dem Scroll. So. Nee, es geht doch nicht. Scheiße.
Ok, ich muss den Curse hier rüber machen. Und dann. Technik ist so wunderbar. Du lässt alle Probleme, die es gibt. Und jetzt müssen wir wieder irgendwie zurück zu der Präsentation. Hast du das gemacht? Irgendwie da rüber kleben. Ja. Wunderbar. Danke.
Letzten Herbst waren die Ärzte andauernd schockiert, vermutlich über die massenhafte Zerstörung von wehrlosem Bauchfett.
Aber auch Stromkonzerne erleben schwere Zeiten. Wer dieser konfliktreichen Welt entfliehen möchte, der zieht sich ausgewählte Herren-Outfits an und lässt sich bei einer Massage verwöhnen. Das hier mochte ich besonders gerne wegen der Textbildschere. Ihr könnt gegen andere Spieler kämpfen, ok, Pflanzen anbauen und Rollenspiel betreiben.
Ich hab keine Ahnung. Das hier. Würde ich in Trennung leben, wäre das wirklich eine schwere Entscheidung für mich. Der One Night Sex Club oder Quantenresonanz, das mit der Kraft meiner Gedanken meine Beziehung repariert.
Die Erfolgsaussichten dürften bei beiden Angeboten ähnlich sein. Hässliche Frauen für hässliche Kerle, yay! Die Kombination der ersten beiden Anzeigen hat was erfrischend ehrliches.
Ich kann nicht ganz ausschließen, dass der Brustumfang der Dame auf dem zweiten Foto klein wenig durch Photoshop verändert wurde. Hier probiert man es noch mit Großschreibung der typografischen Entsprechung von Rumbrüllen.
Die vorletzte Anzeige hier unten hat sich interessanterweise an der Schreibweise von Spam-Mails angepasst. Ich hab keine Ahnung warum die so was machen. Würde mich wirklich interessieren. Und sie kombiniert deutschen Text mit einer niederländischen Überschrift.
Es steht nicht dabei was die Seite eigentlich anbietet, aber Text und Foto deuten darauf hin, dass es kein Lektoratservice ist. Ab und zu stellt mir Facebook selbst eine Auswahl an Kulturgütern zusammen, die es für mich passend hält. Zum Beispiel welche Bücher ich vermutlich gelesen habe.
Wie man sieht weiß Facebook dass ich 13 Semester Literaturwissenschaften studiert habe. Aber vielleicht kennt Facebook mich besser als mich selbst und tatsächlich habe ich alle 11 hier gezeigten Asterix Comics gelesen, aber auch nur eines der drei Bücher.
Hier eine Auswahl Filme für die Zielgruppe Mann. Ja, und das ist die Art von Musik die wir lustigen Silversurfers seit 1985 immer hören.
So schätzt man eine Weltanschauung ein. Hier bekomme ich die junge Frauherr das Suggested Post angeboten. Und hier soll ich die christlichen Wurzeln Deutschlands schützen. Eine der ersten Facebook Werbeanzeigen die mir überhaupt auffiel, das muss ungefähr 2009 gewesen sein.
Sorry, sorry, sorry. War für diese Seite. Den Skinshot der Werbung habe ich leider verloren. Keine Ahnung ob das Antisemiten oder Filosemiten oder einfach nur Trottel ansprechen soll.
Aber ich fand das Angebot ein bisschen verstörend. Ich weiß nicht wie es euch dabei geht. Nun ist allerdings bei der Recherche zu meinem Vortrag ein unerwartetes Problem aufgetreten. Kurz nachdem ich nämlich den Vortrag hier eingereicht habe, kriege ich auf Facebook keine beschissene Werbung mehr.
An einem typischen Tag sieht meine Werbeleiste so aus. Facebook ruiniert also mein Nutzererlebnis. In dem ist mir bewusst die Möglichkeit Raub mich aufzuregen. Die plausibelste Erklärung dafür ist, dass Facebook alles über mich weiß und meinen Vortrag auf subtile Weise sabotieren wollte.
Oder es hat geholfen, dass ich immer mal wieder auf die Nerf mich Buttons geklickt habe. Oder aber, im Schweinezyklus der Banner Toleranz wechselt das Klima gelegentlich zwischen Geldgie und Kontrollbedürfnis.
Warum mich das aufregt. Das ist jetzt der persönliche Teil. Ich weiß nicht ob euch das interessiert, aber ich hatte das Gefühl, dass der Vortrag ohne das unvollständig wäre.
Ein ziemlich stattlicher Anteil der Anzeigen, die ihr hier auf meiner Timeline gesehen habt, war sexualisiert und zwar auf eine ziemlich lausige, erbärmliche Art. Und es gibt einen Grund warum mich das besonders sauer macht. Seit 2005 gebe ich mit meiner Frau zusammen das Zeitschrift Feigenblatt raus. So eine Art erotisches Kulturmagazin mit Essays, Erzählungen und Fotos.
Im Februar 2010 wollte ich dafür bei Facebook eine Anzeige platzieren. Mit dem Motiv hier. Facebooks Reaktion. Das Werben für den Inhalt in deiner Werbeanzeige ist untersagt. Teilte man mir am nächsten Werktag mit. Werbeanzeigen für dieses Produkt sind in keiner Form gestattet und können dazu führen, dass dein Konto gesperrt wird.
Ich hatte tatsächlich versucht, Zitarassen Facebook AGB, Inhalte für Erwachsene einschließlich Nacktheit, sexueller Ausdrücke und oder Bilder auf denen Personen in Positionen oder bei Handlungen dargestellt werden, die übermäßig suggestiv oder sexuell sind, in Facebooks heile Welt einzuschmuggeln.
Es fühlt sich ein bisschen komisch an, so eine halbautomatisierte Zurückweisung zu bekommen. Brechen wir es mal auf menschliche Ebene runter. Facebook sagt zu mir, du stinkst. Was du machst, ist ekelhaft. Behalte dein Geld. Das kränkt und macht wütend. Andererseits ist es auch total grotesk, denn wir
haben damals schon eine Facebookseite betrieben für genau diese Zeitschrift mit über 1000 Likes. Und jeden anderen Seitenbetreiber fordert Facebook auch uns immer wieder dazu auf, eine Anzeige zu schalten. Noch schräger? Ich habe überhaupt nichts gegen Escort-Services. Und die beiden Anzeigen sind im Gegensatz zu vielen anderen, die ich heute
gezeigt habe, schön gemacht. Aber ein bisschen ratlos lässt mich das schon zurück. Mein Eindruck draus, Werbung mit Sexualität ist okay, Werbung für Sexualität nicht. Und die Sexualität, die hier gezeigt wird, ist eine groteske überzeichnete, schuldbeladene, pornografische und in jedem Fall verdächtige.
Eine, die nach Aufmerksamkeit, Schreit und Grenzüberschreitungen verlangt. Und dieses merkwürdige Bild von Sexualität, gerade auch im Web, ist ein faszinierendes Thema. Aber dazu mehr auf der nächsten Republik ab. Soweit zum persönlichen Teil. Werden wir wieder wissenschaftlich, objektiv, seriös.
Eine Weile war öfter der Satz zu hören, dass die Gratis-Kultur der Geburtsfehler des Internets sei. Ich glaube, der Geburtsfehler des Internets ist die Online-Werbung, die es von Anfang an verkackt hat.
Werbung im Web hat eine Reihe von Vorteilen gegenüber anderen Medien. Nirgendwo kann ich so genau messen, wer wann wo mein Banner angeschaut hat. Ich habe alle möglichen visuellen Effekte. Und ich kann Interaktion anbieten, üblicherweise den direkten Weg zum Anbieter dieser Werbung,
der mir eine speziell angepasste Landing-Page präsentieren kann. Wahnsinnsmöglichkeiten müsste eigentlich sehr teuer sein, ist es aber nicht. Werbung im Web hat mit den niedrigsten Tausender Kontaktpreis. Es sieht so aus, als wären gerade diese Fähigkeit zur Interaktion und die Messbarkeit die Wurzeln des Problems.
Der erste Werbebanner überhaupt, der vor ziemlich genau 20 Jahren online ging, hat eine Click-Through-Rate von unglaublichen 44 Prozent. Fast jeder Zweite hat auf dieses Ding geklickt. Nur ein paar Jahre später erreichte die CTR die Werte, die sich im Rahmen der aktuellen Zahlen bewegen. Wenn einer von 1000 Seiten besuchen auf einen Banner klickt, ist das schon ganz ordentlich.
Und klar, die Hälfte von denen tut das versehentlich, weil sie in muskelzockenem Finger haben oder beim Scrollen auf dem Touchscreen ausgerutscht sind oder auf dem Mac arbeiten. Schlimmer noch, die meisten Leute sehen Banner noch nicht mal.
Aber auch bei Zeitschriftenanonsen schauen die Leute nicht gerne hin. Und wenn die Fernsehzuschauende Werbepause aufs Klo gehen, kann das keiner messen. Natürlich möchte man Klicks haben, aber kann ich auf ein Plakat oder auf einen Radiospot klicken. Aber beim Web sagen die Werbekunden. Hey, kein Mensch klickt auf meine tollen Banner. Die meisten Leute sehen sie noch nicht mal.
Die Verbreitung kostet euch Internettypen so gut wie nichts. Hey, komm, ich gebe euch ein paar Groschen und Gutes. Und diese Groschen, oder um es mit Herrn Burda zu sagen, lausigen Pennies, sind durchaus wörtlich gemeint. Der tausende Kontaktpreis liegt bei manchen Werbeformen bei unter 50 Cent.
Um die Bannerblindness auszugleichen, dachte sich die Werbeindustrie alle möglichen widerlichen Formate aus. Schreiende Farben, sexistischer Mist, das kennen wir. Aber plötzlich bewegen sich die Dinge auf der Seite und zwingen den Reptilienteil meines Gehirns dazu, dort hinzuschauen. Filme gehen beim Scrollen an, irgendwelche Audioaufnahmen, die ich nicht hören will, laufen ab.
Andere Websites decken ihre Inhalte mit dem Banner zu, dass der Benutzer erst mal wegklicken muss und sagen ihm, ist mir scheißegal, ob du meinen Unsinn liest oder nicht, aber schau dir die Werbung an, ich brauch das Geld. Und die Pestilenz der Pop-Ups, Popanders, Pops sonstwohin, das wird wohl nie aufhören.
Laut einer Eye-Tracking-Studie von AdBlock unter 1200 Internetnutzen erzielten Zitat, statische Anzeigen auf übersichtlichen Websiten-Layouts bessere Ergebnisse für Werbetreibende als animierte und blinkende Anzeigen, die ausschließlich nach Aufmerksamkeit schreien. Blinke und Gezappel wirkte auf die Probanden Altmode schon weniger vertrauenserweckend und brachte die Botschaft oft nicht klar genug rüber.
Die Click-Through-Rate war im Tests geringfügig niedriger. Die Ergebnisse sind natürlich mit Vorsicht zu genießen, denn AdBlock Plus ist keine neutrale Partei, sondern will seine Acceptable Ads-Agenda durchdrücken und damit Geld verdienen. Aber Statistiken und Studien sind sowieso nur dazu da, dass die vorgefesteten Meinungen bestätigen und das tut diese Studie.
Könnte sein, dass schreiende, zappelnde Banner ein klein bisschen aus der Mode kommen. Aber besser wird das Web-Test halt noch lange nicht. Das neue heiße Zauberding heißt Native Ads. Ihr kennt das als Sponsor-Post bei Facebook oder Twitter. Und auch Googles große Cash Cow Adwords kann man als Native Ads beschreiben.
Was Native Ads im Online-Journalismus aussehen, könnt ihr euch dann ja wahrscheinlich vorstellen. Früher hätten wir das als Schleichwerbung bezeichnet. Ein Großteil meines Einkommens kommt immer noch aus bedruckten Holzerzeugnissen. Deshalb sollte ich euch lieber nicht erzählen, wie sich Nutzungszeiten und Werbetas verschiedener Medienformen zueinander verhalten.
Selbst in einem Land, das derart überaltert und von einer tiefsitzenden Abneigung gegen alles neu geprägt ist wie Deutschland,
ist das Internet längst am Print vorbeigezogen. Bei der durchschnittlichen Nutzungsdauer von etwa eineinhalb Stunden am Tag ist auch Oma Elfriede dabei, der mit diesem neumodischen Kram nichts mehr zu tun haben will. Zeitungen und Zeitschriften bringen es zusammen auf knapp 40 Minuten pro Tag.
49 Prozent, also knapp die Hälfte des gesamten Werbebudgets in Deutschland, entfallen auf Print. Online kriegt ein Zehntel davon, 5,2 Prozent. In absoluten Zahlen ist das nicht ganz eine Milliarde. Die Zahlen sind von 2011 und haben sich bestimmt zugunsten von Online verändert.
Aber da in der Werbebranche jeder seine Zahlen schönt, dürfte die Summe wieder stimmen. Eine Milliarde, das ist also das Jahresbudget aller Onlinewerber und aller Onlinepublikationen zusammengenommen, mit denen sich jeder Deutsche eineinhalb Stunden pro Tag beschäftigt.
Eine Milliarde Euro, das klingt vielleicht für den einen oder anderen nach viel Geld, aber nur mal so zum Vergleich, was Facebook für WhatsApp ausgegeben hat, würde für jedes jemals in Deutschland verkaufte Werbeband erreichen, und zwar ungefähr bis 2020. Mit Verlaub, das sind in der Tat lausige Pennies.
Die ganzen Tageszeitungen, die wir hier gerne mal aus Holzmedien auslachen und deren Einnahmen seit Jahren steil sinken, sammeln immer noch dreimal so viel Werbegeld ein wie unsere ganzen tollen Communities, Gamingseiten, Nachrichtenticker und Blogs.
Ach so, das ... ja, super. Ok, ihr kriegt das jetzt nur in kleiner Version. Diese Anzeige übrigens, die stammt von GoFeminine. Da gab es eine Geschichte über die Mutter eines an Down-Syndrom erkrankten Kindes,
die wie eine Löwin für ihr Kind gekämpft hat gegen Beleidigungen im Netz und so. Ja, und dann war diese Anzeige drunter, die hat es ein klein bisschen runtergezogen, finde ich. Ok, das reicht, das reicht für das negative Fazit.
So, das positive Fazit. Online-Werbung kann zappeln, blinken, die Größe ändern, Benutzer tracken, auf der Kundenseite weiterleiten und ist trotzdem billiger als andere Werbeformen. Und die Werbepreise werden niedrig bleiben.
Das differenziert nach immer feineren Zielgruppen. Der Long Tail, die genaue Messbarkeit, damit können die Werbetreibenden kaum etwas anfangen. Sie reden zwar gern von Zielgruppen, genaue Platzierungen, von den grandiosen Möglichkeiten des Targetings und seinen verschiedenen Varianten. Aber eigentlich träumen alle vom Fernsehspot im Abendprogramm, von der U4 in der ADAC-Zeitschrift.
Zielgruppe, das ist der französische Stummfilm, den man mal der Freundin zuliebe anschaut und mit dem man auf Partys angibt. Reichweite ist der hirnlose Actionblockbuster, zu dem es einen wirklich hinzieht. Werber werden uns weiter für blöd halten, man kann nur hoffen, dass sie nicht damit im Unrecht sind.
Ich schließe nicht ganz aus, dass sie uns besser einschätzen als wir selbst, wenn sie uns für triebgesteuerte Trottel halten und anderen Zappel- und Tittenwerbung unter die Nase halten. Aber das wische ich jetzt einfach mal aus destruktivem Einland beiseite. Es könnte sein, dass die Werbebranche und vor allem ihre Kunden, die Werbetreibenden, immer noch am Lernen sind, was sie mit diesem unglaublich neuen Spielzeug-Internet anfangen können.
Die Konzentration auf das Wesentliche, die im Mobile Web notwendig ist, könnte zu einem Umdenken einsetzen. Aber Bandbreiten und Bildschirme wachsen, das wird nicht vorhalten. Vernünftige Preise können nur noch die großen Plattformen wie Facebook und Google erzielen.
Die Monetarisierung unabhängiger Projekte dürfte eher schwieriger werden. Gibt es trotzdem Hoffnung? Im Journalismus klammern sich alle an Crowdfunding gerade. Aber solche Hoffnungen können auch rasch sterben. Erinnert sich hier noch jemand an diese Plattform, mit der man auf Knopfdruck auf einer Seite Geld
aus einem vorher festgelegten Etat spenden konnte? Diese Plattform, die irgendwie vor drei, vier Jahren sehr in Mode war. Ich habe es ehrlich gesagt vergessen, wie sie heißt. Ich habe den Namen schon wieder vergessen. Und so kann das mit den neuen Hoffnungen aufgehen, dass sie irgendwie schneller verschwinden, dass man sich wieder daran erinnern kann.
WhatsApp könnte so eine Hoffnung sein. Zuckerberg hat dafür vor kurzem so viel Geld bezahlt, dass man davon zwei Jahre lang die Staatsausgaben Serbiens begleichen könnte. Ich könnte jetzt versuchen, uns einzureden, dass Werbefreie auf das wesentlich fokussierte Bezahl-Apps der Riesentrend werden, der uns alle reich und glücklich macht.
Bisher scheint das aber vor allem für Plattformen zu funktionieren, die eine halbe Milliarde Nutzer haben. Um euch die Stimmung nicht komplett zu versauen, habe ich das Thema Datenschutz jetzt ausgespart. Ich will es bei einer kurzen Fußnote belassen. Es ist klar, dass Datenschutz und Targeting nicht gut zusammenpassen.
Ich schlage jetzt einen Deal vor, der für mich funktionieren würde. Ihr sammelt eure Scheißdaten und zeigt mir dafür Angebote, die mir nicht auf den Nerven gehen. Aber meine Daten tonnenweise einsaugen, um mir dann so einen Mist anzubieten. Da braucht ihr euch nicht zu wundern, wenn ihr Leute den Wirtschaftszweig,
der das Web mit Geld versorgt, rundherum ablehnen und sich mit adblockern werden. Danke für eure Aufmerksamkeit.