Off record- Quellenschutz und V-Mann-Praxis im NSU-Komplex
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Number of Parts | 234 | |
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Identifiers | 10.5446/33100 (DOI) | |
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re:publica 201745 / 234
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Lecture/ConferenceComputer animation
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Letterpress printingCW-KomplexLecture/ConferenceMeeting/Interview
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Digital object identifierHausdorff spaceLecture/ConferenceComputer animation
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Moment (mathematics)InformationForm (programming)Military rankLecture/ConferenceMeeting/Interview
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Moment (mathematics)RandCalculationInternetMeeting/InterviewLecture/Conference
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AliasingForm (programming)InformationLebendigkeit <Informatik>Lecture/ConferenceMeeting/InterviewComputer animation
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Link (knot theory)Lecture/ConferenceMeeting/Interview
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Stress (mechanics)Computer animationMeeting/InterviewLecture/Conference
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PRIMUS <Programm>AliasingPropositional formulaSource codeComputer animation
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Forced inductionEnde <Graphentheorie>InformationLecture/ConferenceMeeting/InterviewComputer animation
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Menu (computing)FacebookMoment (mathematics)PlausibilitätLecture/ConferenceMeeting/InterviewComputer animation
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Mach's principleMenu (computing)User interfaceLecture/ConferenceMeeting/InterviewXML
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Content (media)Smart cardInternetSet (mathematics)Digital signalLecture/ConferenceMeeting/Interview
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Zusammenhang <Mathematik>Computer animationMeeting/Interview
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AliasingWindows RegistryForm (programming)YouTubePlatteInformationZusammenhang <Mathematik>Stress (mechanics)Process (computing)Musical ensembleSimilarity (geometry)PRIMUS <Programm>Spring (hydrology)MittelungsverfahrenPROBE <Programm>SummierbarkeitLinieDrag (physics)Outline of industrial organizationMoment (mathematics)Lecture/ConferenceMeeting/Interview
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Physical quantityLecture/ConferenceMeeting/Interview
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AliasingInternet-CaféMatroidComputer animation
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Hausdorff spaceControl engineeringPopulation densitySimilarity (geometry)Physical lawMeeting/Interview
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RandInformationCladeSound effectPropositional formulaLecture/ConferenceMeeting/Interview
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MULI <Programmiersprache>Set (mathematics)Lecture/Conference
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DistanceBewertung <Mathematik>SoliDPhysical lawComputer animationMeeting/Interview
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outputLecture/Conference
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HypermediaComputer animation
Transcript: German(auto-generated)
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Danke. Ganz kurz möchte ich noch anfügen. Ich bin gerade mittendrin, eine Theatertrilogie zum NSU zu machen. Teil 2 lief schon und lief auch als
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Hörspiel auf Deutschland Radiokultur. Wird morgen Abend um 20 Uhr auf Bühne L1 auch noch mal gezeigt mit Videoeinspielung. Und in dieser Trilogie geht eine sehr lange Recherche voraus. Das heißt, ich bin seit 2013 regelmäßig im Münchner NSU-Prozess sowie in diversen
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Untersuchungsausschüssen, werte Dokumente aus, spreche mit Menschen, verschiedlichster Couleur, die etwas mit dem NSU zu tun haben. Und einen kleinen Einblick in das V-Mann-Wesen im NSU möchte ich Ihnen jetzt geben und Ihnen erklären, warum ich der Meinung bin, dass unter den momentan herrschenden
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Verhältnissen, das heißt bei der momentan unzureichenden Kontrolle der Behörden, ich die V-Mann-Praxis für ein Sicherheitsrisiko halte. So in etwa sehen dann manchmal Akten aus, die man, also die der Verfassungsschutz vorliegt. Das ist eine echte Akte. Damals wurde noch handgeschwärzt. Die ist nicht aus dem NSU-Komplex, sondern aus dem
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vorherigen Stück, wo es um Überwachung ging. Und wie schon in der Kurztiese am Anfang angekündigt, möchte ich ganz kurz auf ein paar ähnliche, ähnlich desaströse Fälle mit einer großen V-Mann-Dichte eingehen und zwar den Fall Ulrich Schmücker. Ich weiß nicht, wen der noch präsent ist. Das war ein Informant im Umfeld der
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Verfassungsschutzbehörden, der im Jahr 1974 im Grunewald von seinen Mitstreitern als Verräter hingerichtet wurde, quasi unter den Augen der Verfassungsschutzbehörden, die vorher diverse Warnungen bekommen hatten und trotzdem nicht einschritten. Das Verfahren Schmücker ist bislang, glaube ich, der längste Prozess in der Bundesgeschichte. Der zog sich über 16 Jahre hin und im
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Endeffekt endete es mit einem Desaster. Das Verfahren wurde nämlich eingestellt, die Beschuldigten aus dem Gefängnis entlassen und erhielten noch eine Entschädigung, weil so damals das Gericht die Verfassungsschutzbeteiligung nicht aufgeklärt werden konnte und die Staatsanwaltschaft sich
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mit dem Verfassungsschutz gemein gemacht hatte. Also eine kleine Anekdote. Die Tatwaffe wurde zum Beispiel im Panzerschrank des Verfassungsschutzes gefunden. Der V-Mann-Führer verschwand unter ominösen Umständen, er starb angeblich, aber sein Name fand sich nie im Bundesregister des Friedhofs und so weiter. Dann gab es einen
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Fall, der wahrscheinlich noch mehr Leuten bekannt ist. Das ist der Fall Verena Becker und die Verstrickung in den Mordfall an Siegfried Buback, den Generalbundesanwalt 1977. Verena Becker, auch V-Frau, laut Stasi-Unterlagen hat sie
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wohl schon früher Kontakt zu den Sicherheitsbehörden gehabt. Leider konnte man diese Akten auch nicht vollständig einsehen und das Verfahren, das 2010 nochmal wieder aufgenommen wurde, endete dann mit einer Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord. Ich muss immer bei den juristischen Begriffen nochmal kurz spicken. Ja. Es gab zahlreiche
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Widersprüche, es gab zahlreiche Zeugenaussagen, die eine zierliche Frau auf dem Motorrad, von dem aus die Bodesschüsse abgegeben wurden, beschrieben und Verena Becker wurde ja immerhin drei Wochen nach der Tat mit der Tatwaffe und mit einem Schraubenzieher aus dem
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Bordwerkzeug des Motorrads festgenommen, aber auch dieser Fall ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Dann haben wir noch den Oktoberfestanschlag von 1980 bis heute der größte Terroranschlag der Bundesgeschichte, 13 Tote, über 200 Verletzte. Man hat den
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von Aeschinger, Gundolf Köhler, ein junger Mann, der sich schon ab und zu bei der Wiersportgruppe Hoffmann herumtrieb, damals als Einzeltäter verurteilt. An dieser These gibt es große Zweifel. Das Ermittlungsverfahren wurde 1982 eingestellt. Viele, viele Zeugen wurden damals nicht vernommen, Akten
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gesperrt. 1997 wurden beim Generalbundesanwalt alle Beweismittel vernichtet, weil man angeblich in der Asservatenkammer keinen Platz mehr hatte, könnte natürlich auch vielleicht etwas damit zu tun haben, dass ab 1998 eine DNA-Analyse beim BKA eingeführt wurde. Man weiß es nicht. Es gab zahlreiche Zeugen, die
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Gundolf Köhler unmittelbar vor der Tat und auch in den Tagen davor in Begleitung von jungen Männern mit zum Teil kahlrasierten Schädeln gesehen hatten. Es gab zwei Leute aus der Wiersportgruppe Hoffmann, die gesagt haben, sie seien an der Tat beteiligt und sie seien unmittelbar vor der Tat gewesen. All diese
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Sachen wurden einfach ignoriert und das Verfahren wäre heute noch quasi ad acta gelegt, hätte es nicht den Film der Blinde Fleck gegeben, an dem der Journalist Ulrich Schussi maßgeblich beteiligt war, der über 35 Jahre akribische Recherche gegen viele Widerstände auch gemacht hat. Und als dieser Film
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dann im Kino lief, meldeten sich tatsächlich viele Zeugen und so wurde im Jahr 2015 das Film. Was bleibt, wenn man zurückguckt auf diese Fälle? Eine Einzeltätertheorie beim Oktoberfestattentat, die sich nicht halten lässt. Das ist so ähnlich wie beim NSU, wo die Bundesanwaltschaft in der Anklageschrift sich auch von vorneherein auf eine
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sozusagen Einzeltätertheorie, eine erweiterte Einzeltätertheorie festgelegt hat, indem sie gesagt hat, der NSU wäre eine singuläre Vereinigung aus drei Personen gewesen. Vernichtete Beweismittel, gesperrte und verschwundene Akten, Zeugen mitgegen Narrativ werden vernachlässigt oder nicht vernommen. Haarsträubende Widersprüche.
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Es wurde und es wird nach wie vor gemauert. Hier haben wir einen kleinen Auszug aus dem Netzwerk um den NSU. Also die mit rotem Punkt markierten Personen sind V-Leute. Ich muss
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dazu sagen, die V-Leute, die wir kennen, deren Namen inzwischen bekannt sind. Es gibt weitere, mehrere Dutzend V-Leute. Wir wissen nicht genau wie viele, deren Namen wir nicht kennen bzw. wir wissen natürlich gar nicht, wie viele es insgesamt gab. Denn es gibt ja, wie ich eingangs sagte, keine wirklich
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funktionierende Kontrolle, die das nachprüfen könnte. Man weiß, dass es sehr viele V-Leute, die noch nicht enttarnt sind, gibt. Die habe ich jetzt hier in diese Grafik nicht eingefügt. Außerdem fehlen ein paar Verbindungslinien. Das hat einfach etwas mit der Übersicht zu tun. Also es gibt noch mehr Verbindungen zwischen den Leuten, die Sie jetzt hier in der Grafik sehen. Nur dann hätte man nichts mehr
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erkannt. Trotz 12 Untersuchungsausschüssen und einem Prozess, der sich gerade am vergangenen Wochenende zum vierten Mal gejährt hat, bleibt also auch im NSU- Komplex jetzt schon das Gefühl oder der Gesamteindruck, es ist mehr als ein Gefühl, dass die Mitverantwortung von
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Vertretern der Sicherheitsbehörden, insbesondere des Verfassungsschutzes, nicht nur Schlamperrei, nicht nur Pannen, wie sie so oft genannt werden, sondern auf eine aktive Sabotage schließen lassen. Und das bleibt das Kernproblem bei der Aufklärung. Die Bundesanwaltschaft hingegen ist verantwortlich dafür,
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dass in München zahlreiche Angeklagte fehlen. Es gibt ja im Umkreis um das NSU-Verfahren noch Ermittlungsverfahren gegen neun weitere Beschuldigte, wo man eigentlich jetzt langsam erwartet, dass die alle eingestellt werden. Darunter befindet sich zumindest ein gesicherter V-Mann, ein mutmaßlicher V-Mann. Es wird nicht eben mit
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Hochdruck ermittelt gegen diese Leute und es besteht eine akute Verjährungsgefahr. Aber wie man hier schon sieht an dieser Grafik, der NSU hatte ein großes Unterstützernetzwerk, viele Bekannte und Freunde durch ganz Deutschland. Ansonsten hätten die drei oder mehr ja auch nicht so lange im Untergrund leben können. Ein
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ganz bedeutender Freund war Tino Brand, der den Thüringer Heimatschutz aufbaute. Das ist so eine Art Dachverband der neonazistischen Kameradschaften in Thüringen gewesen. Er hat besonders die Kameradschaft Jena, in der sich das Trio tummelte, massiv unterstützt und das Trio
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auch im Untergrund mit Geld und Papieren versorgt. Er hatte Zeugen zufolge Kontakt zum Trio bis mindestens 2005 und er war V-Mann für das Landesamt für Verfassungsschutz Thüringen, wie das hier auch auf der Folie steht. Angeworben wurde er mit 19, gegen ihn liefen 35 Ermittlungsverfahren
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durchaus wegen diverser Gewalttaten ohne rechtskräftige Verurteilung. Da gibt es dann solche Urlaubsfotos etwa. Er wurde vor Durchsuchungen gewarnt regelmäßig. Er empfing also die Polizei morgens, wenn sie dann so im Morgengrauen einliefen, ja frisch geduscht, ganz fröhlich und man fand nie etwas bei ihm zu Hause,
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irgendwelche Beweismittel. Ein Staatsanwalt aus Gera berichtete zum Beispiel im Untersuchungsausschuss in Thüringen, dass der Verfassungsschutz bei ihnen alle paar Wochen vorbeischaute und Akten durchsah. Es gab dann auch von der Soko Rex in Thüringen ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung
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einer kriminellen Vereinigung. Dieser Soko Rex wurde auch nahegelegt. Sie sollten da nicht so eine Hexenjagd auf Tino Brandt betreiben. Heute brüstet sich Brandt mit seiner Unterstützung durch das Landesamt für Verfassungsschutz und gibt an, niemals relevante Informationen geliefert zu haben. Er hatte aber auch noch ein paar andere Schattenseiten und zwar bei Anfang der 2000er bekannt,
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dass er einen pädophilen Hang hatte, dem er auch durchaus Taten folgen ließ. Er produzierte zum Beispiel Pornos mit Minderjährigen aus Osteuropa, die er verkaufte. Er betrieb einen Wohnungspuff und einen Erotikportal namens Junge Knaben.
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Den Behörden dürfte das nicht ganz unbekannt gewesen sein, denn es war zumindest auch V-Leuten bekannt, wie man weiß. Angeklagt wurde Brandt deswegen allerdings erst im Jahr 2014 und zwar für 157 Fälle von sexuellem Missbrauch und Zuhälterei. Verurteilt wurde er an einem einzigen Tag unter
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Ausschluss der Öffentlichkeit. Parallel dazu tauchte gerade Sebastian Edati im Bundestag auf, so dass sich Journalisten an dem Tag schon zerreißen mussten. Er wurde verurteilt nur wegen 66 Fällen. Das ist wahrscheinlich ein gewisser Faumann Rabatt gewesen für fünfeinhalb Jahre Gefängnis. Das heißt, er sitzt einen Moment.
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Hier sieht man noch mal so ein Foto aus seinem Privatleben. Ein Mann, der sein Hobby zumindest teilte, war auch Faumann und zwar Thomas Dienel. Der hatte nämlich einen Kinder-Escort-Service und im Moment laufen gerade Ermittlungen wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs gegen die beiden.
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Überhaupt muss ich ganz kurz am Rande anmerken, dass sich im neonazistischen Umfeld der Hang zum Kindsmissbrauch tatsächlich überproportional häuft. Und vielleicht am Rande sei noch erwähnt, dass auch gegen Uwe Böhnhardt und seinen Freund Enrico Theile schon 1993 wegen der Ermordung
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an einem Neunjährigen ermittelt wurde in Jena, auch in der Wohnung und im Wohnwagen des Trios, des NSU-Trios wurde Kinderspielzeug und Kinderkleidung gefunden, wo man bis heute nicht weiß, woher die Dinge kamen. Beate Zschäpe hatte Kinderpornos auf ihrem Rechner und hat im Internet nach Kindsmissbrauch recherchiert. Bisher ist das alles eher
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so hinten runtergefallen. Es gab ja schon 1998 einen Hinweis auf das Trio und zwar einen ziemlich brisanten Hinweis, nämlich dass sich das Trio über den laut BKA mutmaßlichen V-Mann Jan Werner Waffen besorgen wolle und weitere, weiteres unterstrichen,
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Banküberfälle plante. Also nach den Banküberfällen davor hat niemand groß gefragt. Diesen Hinweis gab ein weiterer V-Mann, und zwar ja, der war im Ku Klux Klan aktiv, hieß Piatto alias Karsten Schipanski. Hier ist er auch zu sehen mit einem anderen V-Mann, zu dem wir nachher kommen.
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Und dieser Piatto ist immerhin verantwortlich dafür, dass wir jetzt auch in Brandenburg noch einen Untersuchungsausschuss haben. Diese Informationen, dass sich das im Untergrund lebende Trio Waffen besorgen wolle. Es gibt da so eine SMS mit dem einschlägigen Inhalt. Was ist mit dem Bums? Diese Info wurde angeblich nur mündlich an die Polizei weitergegeben.
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Es finden sich dazu keine Aktenvermerke. Im März 2017 fand nun der Untersuchungsausschuss Brandenburg heraus, dass merkwürdigerweise mehr als 100 SMS aus diesem einschlägigen Zeitraum, die Piatto empfangen und gesendet hatte, in den Akten verschwunden sind.
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Piatto war schon eine ziemlich illustre Figur in der rechten Szene. Er war zum Beispiel einer der Gründungsmitglieder des Ku Klux Klans. Er war wegen es gab Ermittlungsverfahren wegen diverser Sprengstoff und Waffendelikte gegen ihn, die alle eingestellt wurden. Allerdings wurde er 1995 dann doch mal verurteilt. Und zwar wegen einer etwas unappetitlichen Geschichte.
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Da agitierte er eine ganze Gruppe von Neonazis in einer Diskothek in Brandenburg einen nigerianischen Lehrer kurz und klein zu schlagen, bis dieser bewusstlos wurde. Dieser Mann hat mir durch Zufall überlebt und Piatto fuhr, dass wir ihm für acht Jahre ins Gefängnis ein wegen versuchten Mordes.
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Trotzdem wurde er als V-Mann akzeptiert. Er hat sich selbst angedient sozusagen. Vermutlich weil er auf Strafeerleichterung hoffte, wie das so viele Leute tun und die bekam er prompt auch. Man hat ihm zum Beispiel im Gefängnis eine Layout Ausbildung bezahlt, damit er sein neonazistisches Magazin hübscher gestalten kann. Und er wurde vom V-Mann
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an den Wochenenden dann immer von Brandenburg nach Sachsen kutschiert, um an Neonazi-Veranstaltungen teilzunehmen. Im Jahr 2000 war er dann noch maßgeblich an Produktion und Vertrieb der Landsat CD Rann an den Feind beteiligt,
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aber auch dazu komme ich später. Ebenfalls an dieser CD-Produktion beteiligt war der Mann zu seiner Linken, der ein ganz dicker Freund des NSU Trios gewesen sein muss. Thomas Starke, heute heißt er Müller, der war V-Person des LKA Berlin mit ausdrücklichem Wunsch der Bundesanwaltschaft, obwohl die Polizei dagegen war,
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weil dieser Mann schon zum Zeitpunkt seiner Anwerbung, spätestens im Jahr 2000, kein ganz großes Unschuldslamm war. Er hatte nämlich dem NSU Trio das TNT geliefert für die Rohrbomben, weswegen das Trio dann in den Untergrund ging 1998. Man könnte das dann
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so rückblickend Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nennen. Er hat das Trio auch im Untergrund mit Geld unterstützt. Er war Vize-Chef von Blood & Honor Sachsen und 1996-1997 für eine ganze Weile mit Beate Chäpe liiert.
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Das Ermittlungsverfahren im Zuge der Lanzer Produktion gegen ihn wurde übrigens eingestellt, wie das so die Regel ist bei V-Leuten. Es wurde abgetrennt vom Gesamtverfahren und still und heimlich eingestellt.
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Der NSU hat sich ja mit Autos durch die Bundesrepublik bewegt von Tatort zu Tatort. Und das BKA hat zu allen Taten Zuordnungen machen können bei einer Zwickauer Autofirma, also entweder die NSU-Mitglieder oder ihre Unterstützer hatten dort Autos angemietet, außer an zwei Tagen, und zwar an den Morgen
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an dem Schneider Ösidogru in Nürnberg und Habel Klitsch in München. Das war beides im Jahr 2001. Dafür fand man dort einen ganz anderen Mann, der an den passenden Tagen Autos angemietet hatte, die zufälligerweise auch noch den passenden Kilometerstand aufwiesen. Dieser Mann, das war noch kurz ein Exkurs
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zu Blood & Honor, das ist so ein Familienfoto und die Triskele, Blood & Honor, die bundesweit agierende Neonazi-Vereinigung, die 2000 verboten wurde. Und daneben die Turner Diaries. Das war ein Bestseller in der rechten Szene, der auch dem Verfassungsschutz vorlag, in dem der führerlose Widerstand propagiert wurde
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und der liest sich eigentlich wie eine Blaupause zum NSU. Darin wird nahegelegt, dass man aus kleinen Untergrundzellen ohne Bekenner schreiben heraus operieren konnte. So, das ist jetzt der Frau Mann mit den Autos, von dem ich gerade sprach. Manole, Ralf Marschner, auch genannt
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der Mann ohne Hals. Sein Frau Mann Name war Primus, geführt vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Primus hat dann nochmal Schlagzeilen gemacht, weil es inzwischen eine mehrere Aussagen gibt, die besagen, dass er von 2000 bis 2002, also zurzeit als das Trio im Untergrund lebte, mundlos in seiner Bauforma beschäftigt hat
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und möglicherweise auch Böhnhard. Darauf deuten einige Dinge hin. Beate Tschäpe soll sich in seinem Laden aufgehalten haben. Er war so eine Art Szenegröße in Zwickau, hatte mehrere Kneipen, mehrere Läden, war bekannt wie ein bunter Hund. Auf seinem Computer wurde die Paulchen-Panther-Melodie gefunden, mit dem das Trio seine Bekenner-DVD unterlegte.
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Und dieser Ralf Marschner hat sich 2007 unmittelbar nach dem letzten NSU-Mord in die Schweiz abgesetzt. Dort lebt er bis heute unter Klarnamen, wurde weder vom Gericht noch von einem der Untersuchungsausschüsse
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jemals vernommen. Es läuft auch kein Ermittlungsverfahren gegen ihn, obwohl seit dem sogenannten Aufliegen des NSUs ja diverse Neuinformationen zutage gekommen sind, wo man sich vielleicht schon freuen würde, wenn da noch mal ein bisschen nachgefragt würde. 2011 hatte er ja immerhin offen auf Facebook Heil NSU gepostet.
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Er scheint sich also pudelwohl zu fühlen. Er sagt bis heute aus, er kenne das NSU-Trio nicht. In einer 90.000 Einwohnerstadt wie Zwickau, in der das Trio jahrelang lebte, kann man sich das auch noch mal zu Gemüte führen lassen. Ich blende hier jetzt noch mal ein Moment. Irgendwas ist hier. Ah ja, genau. Das ist nämlich das Kontaktnetz
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von Ralf Marschner. Das heißt, man sieht hier sehr klar, dass er sehr viele Bekannte des NSU-Trios kannte. Das noch mal zum Thema der Plausibilität. Dass er niemanden, dass er die drei NSU-Mitglieder nicht kannte. Der Verfassungsschutz hatte ja
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immer verneint, den Namen NSU jemals gehört zu haben, vor dem 4.11.2011, als die beiden Uwe's tot im Wohnmobil in Eisenach gefunden wurden. Dann tauchten allerdings einige Materialien auf,
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die das Gegenteil belegen. Hier zum Beispiel ein Auszug aus einer Szenezeitschrift, wo in der Mitte klar und deutlich zu lesen ist. Vielen Dank an den NSU. Es hat Früchte getragen. Diese Zeitschrift hatte dem Verfassungsschutz ein weiterer V-Mann übergeben, schon im Jahr 2002. Dieser V-Mann hieß Corelli.
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Zu dem komme ich gleich. Diese Zeitschrift, dieser Dank an den NSU hat folgenden Hintergrund. Der Verlag hatte nämlich eine Geldspende bekommen. Zusammen mit dem NSU-Briven hier zu der Rechten, der zum bewaffneten Kampf aufruft. Und diese Unterlagen lagen dem Bundesamt für Verfassungsschutz eigentlich vor. Man hatte sie nur
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kurzfristig verräumt. Des Weiteren gab es hier diese CD, die selber V-Mann Corelli im Jahr 2005 übergeben hatte, aber auch die ist irgendwie durchgerutscht. Im Jahr 2014 wurde sie dann peinlich berührt wieder aufgefunden. Und dann hätte man jetzt natürlich den V-Mann Corelli
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gerne vernommen im Münchner Prozess zu diesen Sachen. Dummerweise war er da bereits tot. Denn er ist im April 2014 überraschend mit 39 Jahren an einer unerkannten Diabetes gestorben. Diese Todesdiagnose ist dann noch mal untersucht worden, nachdem ein Sachverständiger gesagt hatte,
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dass so etwas durchaus durch einen Inhaltsstoff in einem Rattengift herbeizuführen ist. Inzwischen ist auch diese Untersuchung abgeschlossen, ergebnislos. Aber es ist vielleicht noch bemerkenswert, dass doch etwas merkwürdig mit dem toten Corelli umgegangen wurde. Denn er sollte erst mal unter falschem Namen beerdigt werden.
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Er war nämlich damals im Zeugenschutzprogramm, weil man ihn enttarnt hatte und lebte unter falschem Namen. Und er wäre auch fast so zu Grabe getragen worden, hätte sich nicht sein Bruder noch rechtzeitig gemeldet. Außerdem wurden so diverse Inhalte seiner Wohnung, wie zum Beispiel digitale Geräte, nicht etwa dem BKA übergeben, wie das so beim Mord Usus sein sollte,
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sondern landeten erst mal beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Beziehung, die enge Beziehung von V-Mann Corelli zu seinem V-Mann-Führer, die wurde dann sogar dem Bundesamt für Verfassungsschutz irgendwann viel. Corelli war von 93 bis 2012 V-Mann, also sehr lange. Und somit wurde der V-Mann-Führer
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abgezogen von Corelli. Man fand dann im letzten Jahr, also 2016, bei eben diesem V-Mann-Führer im Panzerschrank dummerweise noch mal 22 Handys und diverse SIM-Karten aus dem Besitz von Corelli, die bisher nicht
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ausgewertet worden waren. Da hatte nämlich der Sonderermittler, der bei Corelli noch mal genauer nachschauen sollte, Jersey Montag, seinen Abschlussbericht schon abgeschlossen. Dieser Abschlussbericht ist über 300 Seiten lang. Die sind natürlich alle geheim. Für die Öffentlichkeit gibt es, glaube ich, einen Auszug von 35 Seiten, den man im Internet findet, wen es interessiert.
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Aber da fehlt natürlich eine ganze Menge. Corelli kannte Uwe Mundlos aus der Bundeswehrzeit. Trotzdem wird eine Bedeutung Corellis im NSU-Komplex verneint vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Er warb bundesweit Mitglieder für den Kukluks-Klan, unter anderem den Gruppenführer
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von Michel Kiesewetter's Polizeieinheit. Michel Kiesewetter ist die Polizistin, die 2007 in Heilbronn ermordet wurde. Das heißt, was Sie vielleicht merken ist, dass es doch bundesweit erstaunliche Verbindungen gibt in dieser Neonazi-Szene, die sich auch über Jahre hinwegziehen.
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Aber Beweismittel verloren oder vernichtet hat natürlich nicht nur das Bundesamt für Verfassungsschutz, muss man fairerweise sagen. Im September 2016 machte dann auch die Bundesanwaltschaft Schlagzeilen, als nämlich herauskam, dass sie Beweismittel und Akten zu Jan Werner vernichtet hatten.
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Hier ist nochmal Corelli in Bildform. Jan Werner sieht man hier auf diesen Observationsfotos. Also trotz des Vernichtungsmoratoriums des Innenministeriums hatte die Bundesanwaltschaft 2016 unter anderem zum Beispiel ein Notizbuch von Jan Werner
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vernichtet. Und die Begründung der Bundesanwaltschaft ist interessant, denn sie sagte, man habe Jan Werner nicht in Zusammenhang mit dem NSU-Komplex gebracht. Das lässt jetzt doch etwas aufhorchen, denn immerhin wird Jan Werner als Beschuldigter geführt von der Bundesanwaltschaft selbst und hatte im Münchner NSU-Prozess auch schon ausgesagt.
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Ja, Jan Werner war Chef von Blood and Honor Sachsen, hat den NSU auch mitfinanziert im Untergrund. Und diese Observation durch das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen im Jahr 2000 fand statt, kurz nachdem der NSU zusammen mit Jan Werner
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in Berlin die Synagoge in der Rieke Straße ausgespäht hatte. Auch das wurde nur durch Fleißarbeit aus der Nebenklage im Münchner NSU-Prozess bekannt. Das heißt, das Landesamt für Verfassungsschutz war nah dran an Jan Werner. Merkwürdigerweise fiel dabei offenbar das Trio nicht auf, obwohl das Landesamt
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für Verfassungsschutz selbst das NSU-Trio als hochgefährlich damals eingestuft hatte und gesagt hatte, von dem NSU-Trio sein schwerste Straftaten zu erwarten. Diese Observation fand noch vor dem Ersten der NSU-Morde statt. Man hatte seine Chancen. Auch Jan Werner war,
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wie gesagt, an Produktion und Vertrieb der Landsat-CD beteiligt. Auch bei ihm wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt. Ein weiterer Hinweis darauf, dass er vielleicht V-Mann sein könnte. Wenn ich nur kurz noch erwähne, hier ist er natürlich auch noch mit Kontafi, damit man ihn auch erkennt.
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Wenn ich jetzt nur noch ganz kurz erwähnen werde, das ist ein weiterer V-Mann namens Mirko Hesse, auch V-Mann des Bundesamts für Verfassungsschutz. Und dieser ist der Chef der Hammerskins. Die Hammerskins sind eine weitere bundesweite Vereinigung von Neonazis, wo sich nach dem Blood-and-Anal-Verbot von 2000
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viele der ehemaligen Blood-and-Anal-Kader tummelten. Interessant ist vielleicht, dass Mirko Hesse im Jahr 1993 sowohl die Hammerskins gründete, als auch angeworben wurde. Ich persönlich weiß jetzt nicht, ob zuerst die Henne oder das Ei war. Aber man kann sich diesen zeitlichen Zusammenhang natürlich noch mal
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auf der Zunge zergehen lassen, weil der ist sicher nicht ganz zufällig. Vielleicht eine kleine Anekdote nur. 1997 hat Mirko Hesse eine Plattenfirma gegründet, Hate Records, die natürlich auch indizierte Nazimusik vertreibt. Das Ganze geschah mit Fördergeldern des Freistaats Sachsen
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und der EU. Da hat er also insgesamt 3000 D-Mark bekommen. Und auch Mirko Hesse gibt an, das NSU-Trio nie gekannt zu haben und ist auch heute noch in der Szene aktiv. Dann möchte ich noch ganz kurz auf die angeklagten Münchner NSU-Prozess eingehen,
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denn da gibt es zumindest ein paar offene Fragen. Also ich will jetzt hier gar nicht irgendwelche Behauptungen in den Raum stellen, aber Uwe Mundlos wurde zumindest vom militärischen Abschirmdienst während seiner Bundeswehrzeit angesprochen, dann angeblich offenbar nicht als V-Mann geworben. Mundlos und bönhart befanden sich
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auf einer Zielpersonenliste der sogenannten Operation Rennsteig. Das war eine weitläufige V-Mann-Werbeaktion um den Thüringer Heimatschutz im Jahr 1997. An dieser Werbeaktion waren zahlreiche Verfassungsschutzämter beteiligt und bei Beate Zschäpe wurde zumindest ein Forschungswerbungsvorgang eingeleitet. Das heißt, es wurde mal überlegt,
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sie als Frau anzuwerben. Wie die Geschichte weiter ging, weiß man nicht. Verwunderlich sind nur nach wie vor und bzw. diese Frage ist auch bis heute nicht beantwortet, was es mit den 18 Anrufen aus dem sächsischen Innenministerium auf Zschäpes Handy auf sich hat, die dort am 4.11.
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2011 eingingen. Das war unmittelbar, nachdem die beiden Uwes tot im Eisenacher Wohnmobil gefunden wurden und Frau Zschäpe die gemeinsame Wohnung in der Frühlingsstraße in Zwickau in die Luft gejagt hatte. Wer da angerufen hat und warum, das weiß man bis heute nicht. Und auch der Angeklagte im Münchner Ines-U-Verfahren
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Ralf Wohlleben lässt weiter ein bisschen rätseln, denn es gibt zumindest eine Aussage im Bundestagsuntersuchungsausschuss, also im ersten Untersuchungsausschuss im Jahr 2012 von einem Bundesanwalt namens Förster, der sich erinnert hatte, dass er damals im Zuge des NPD-Verbotsverfahrens
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eine Liste präsentiert bekam in einer Besprechung, aus der heraus er natürlich nichts sagen darf. Das war eine Geheimbesprechung. Und auf dieser Liste waren zahlreiche Namen von V-Leuten in der NPD zu finden. Und er erinnerte sich, dass darauf auch der Name Wohlleben zu lesen war.
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Jetzt hat Herr Förster sein Gewissen sehr sorgfältig geprüft, denn in dem Moment, wo er aus so einer Besprechung etwas sagt, macht er sich strafbar. Das ist die Krux daran. Er hat sich aber trotzdem, weil er der Meinung war, wenn jetzt das Münchner eines U-Verfahrens eröffnet wird und man nicht weiß, dass da vielleicht ein V-Mann auf der Anklagebank sitzt, man weiß es ja nicht.
29:21
Es steht nur im Raum. Dass man da das vielleicht wissen sollte während eines laufenden Prozesses. Also hat er sich an seinen Vorgesetzten gewandt und in Kauf genommen, dass er sehr wohl Probleme bekommen könnte. Das Ganze ist nachzulesen im Steno-Protokoll
29:40
des Deutschen Bundestags. Herr Doktor Diemer, der Bundesanwalt, der das Münchner Verfahren führt, also nicht das Verfahren führt, sondern der Vorsitzende der Bundesanwaltschaft dort ist, hat daraufhin laut Aussage von Förster gesagt, deine Zeugenvernehmung wird sich nicht vermeiden lassen
30:00
oder ist unumgänglich so in dem Sinne. Das ist jetzt Zitat Förster. Und zwar war für mich deutlich der Hintergrund. Du hast dich da aber möglicherweise strafbar gemacht, Herr Kollege. Daraufhin ist nichts weiter passiert. Herr Förster wurde nie vernommen und diese Information ist auch nicht weitergeflossen.
30:22
Der Fall um die Rechtsgruppe Lanza, darauf möchte ich noch mal kurz eingehen, weil das ein sehr, ein sehr, sehr erstaunlicher und einzigartiger Fall ist. Die diese Band wurde nämlich im Jahr 2003 einmalig in der deutschen Geschichte
30:40
als kriminelle Vereinigung verurteilt. Wenn man die Texte hört, wundert das einen kaum. Man kann übrigens alle Songs problemlos auf YouTube nachhören, wer sich dafür interessiert. An Produktion und Vertrieb der CD Ran an den Feind waren nämlich eigentlich fast nur V-Leute beteiligt. Ich zähle sie noch mal auf.
31:00
Thomas Starke, Mirko Hesse, Ralf Marschner, Carsten Schipanski, Jan Werner. Also man kann fast von einer staatlichen Plattenproduktion sprechen. Die Produktion fand im Ausland stand, dann wurde die Platte nach Deutschland geschmuggelt. Nur die Finanzierung der ganzen Platte ist fraglich. Jan Werner sagt, er habe sich 30.000 Euro
31:22
von einem Polen namens Krobra geliehen, der ein Tattoo Studio habe. Jan Werners Akten sind jetzt zufälligerweise vernichtet aus dem Verfahren. Aber man fand sie dann merkwürdigerweise in der ausgebrannten Wohnung in der Frühlingsstraße, also in der Wohnung des NSU Trios
31:41
fand sich die Aussage von Jan Werner just zu dieser Finanzierung der Platte Lanza. Mag purer Zufall sein. Es gibt noch eine andere Aussage, die besagt, dass das Geld von Thomas Starke gekommen sei. Bei beiden, bei Werner und bei Starke weiß man, dass sie niemals die privaten Mittel hatten,
32:00
um solche Summen aufzubringen. Jetzt muss man natürlich weiter senieren, woher das Geld wohl gekommen sein möge. Fakt ist jeweils, dass zu der Zeit, wo diese Lanza Produktion lief, all diese V-Leute natürlich auch engmaschig überwacht wurden. Und da sie sich in einem sehr engen
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Dunstkreis des NSUs bewegten, sage ich einfach jetzt nichts mehr. Es gibt von Faumann Primus ein ganz nettes Zitat zur Informationsweitergabe. Das ließe ich einfach mal vor. Er sagt, ich habe Geld bekommen,
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aber meine Infos waren so belanglos. Der Typ, der da kam, wollte lieber schön essen und mit mir über Gott und die Welt reden als über irgendeine Szene. Durch mich ist niemand in den Knast gekommen oder hat Ärger bekommen. Ich habe denen erzählt, was die eh wussten. Und dann hat er über seinen Faumann Führer an anderer Stelle noch gesagt, der muss noch viel lernen.
33:01
Tino Brandt äußert sich ja in München eines U-Verfahrens ähnlich. Und wenn man sich jetzt betrachtet, es wird ja immer mit der Argumentation des Quellenschutzes argumentiert, wenn man Informationen nicht preisgibt. Wenn man sich anguckt, wie wenig Probleme die bekannten Fauleute nach ihrem Aufliegen hatten und wenn man weiß,
33:20
dass in der rechten Szene Menschen, die andere verpfeifen, durchaus Konsequenzen zu erwarten haben, dann kann man sich jetzt mal zusammenreiben, wie viele Informationen oder welche Informationen denn da weitergegeben wurden. Aber natürlich sind jetzt nicht nur die Fauleute, sondern auch die Faumann Führer vielleicht ein Blick wert.
33:42
Ach nee, das war zu früh. Es gibt da einen gewissen Richard Kaldrack. Das ist ein Faumann Führer im Bundesamt für Verfassungsschutz. Und zudem lese ich jetzt einfach einen ganz kurzen Auszug aus dem Hörspiel vor, das morgen läuft, denn da bündeln sich die Informationen
34:00
vielleicht am dichtesten. Die Top-Quellen, Corelli, Tarif, Hesse und Primus wurden bei uns im Bundesamt von ein und demselben Faumann Führer geführt. Kaldrack. Kaldrack war also der Sugar Daddy des direkten NSU-Umfelds. Kaldrack hat die Quelle Primus auf alle Freunde des NSU-Trios
34:20
angesetzt, auf Starke, auf Jan Werner, auf Probst. Kaldrack wusste, dass die Quelle Tarif nach einem Unterschlupf für das Trio suchte. Er wusste, dass die Quelle Piatto Waffen für das Trio besorgen sollte und dass das Trio weitere Banküberfälle plante. Er wusste, dass die Quelle Primus mit Waffen handelte und dass die Quelle Corelli mit weiteren Faumännern darüber sprach.
34:43
Er hat die Quelle Corelli in den Ku Klux Klan nach Baden-Württemberg geschickt. Kaldrack wusste vom Dank an den NSU, vom NSU-Brief mit dem Aufruf zum Kampf gegen das System und von den anonymen Geldspenden. Kaldrack war mit zwei Quellen direkt an der Lanzer-Produktion beteiligt. Und jetzt frage ich dich mal ganz ruhig.
35:02
Wer zum Teufel soll uns noch glauben, dass wir nichts von den Morden wussten? Eine ähnliche Befürchtung mag vielleicht auch der Verfassungsschutzmitarbeiter, Referatsleiter Beschaffung, Rechtsextremismus beim Bundesamt für Verfassungsschutz gehabt haben, Lothar Lingen.
35:20
Das war nämlich der Mann, der am 11.11.2011, also zu Karnevalsbeginn an einem Freitagnachmittag in Köln, jeder, der dort mal war, weiß, was da los ist, die Akten geschreddert hat, also Akten geschreddert hat. Das gab es ja mehrere Male. Aber diese Operation ist als Operation Confetti durch die Presse gegangen. Und es war schon beachtlich, dass so kurz nach dem
35:41
Aufliegen des NSU solche, also über 2000 Aktenseiten geschreddert waren, vor allem außerhalb der Dienstzeit. Die Dame, die das tun sollte, hat sich da erst einmal gewehrt. Die war dann bei ihrer Vernehmung im Untersuchungsausschuss im Bundestag krank. Der Untersuchungsabgeordnete
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reisten dann bis an ihr Krankenbett. Dort hatte sie dann einen Zeugenbeistand. Das war ihre Vorgesetzte. Im Zuge dieses Schredderns wurde zum Beispiel der komplette Bestand zur Quelle Tarif, Michael See, ein weiterer V-Mann geschreddert, der 1998 einen Hinweis darauf gegeben haben soll,
36:21
dass das NSU-Trio Unterkunft suche. Und er hat seinen V-Mannführer gefragt, ob er ihm die anbieten soll. Der V-Mannführer hat gesagt Nein. Die Akten von Tarifs sind inzwischen rekonstruiert, allerdings weitgehend, allerdings die handschriftlichen Notizen nicht. Dann gab es ein Disziplinarverfahren
36:40
und auch ein Ermittlungsverfahren gegen den Herrn Lothar Lingen, der in echt Axel Minrad heißt und dieses fotofreundlicherweise getwittert hat. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, weil man ihm keinen Vorsatz nachweisen konnte. Das war die Staatsanwaltschaft Köln. Nun tauchte aber zum großen Erstaunen
37:02
letztes Jahr im Untersuchungsausschuss im Bundestag ein komplettes Geständnis auf. Und zwar hatte die Bundesanwaltschaft schon im Jahr 2014 Herrn Lingen noch mal vernommen. Und bei der Bundesanwaltschaft hat er sich dann doch relativ frei über seine Motive geäußert. Das hier ist ein Auszug aus seiner Aussage.
37:21
Er sagt also ganz klar, dass er vermeiden wollte, dass allzu detaillierte Fragen gestellt wurden. Die Staatsanwaltschaft Köln hat sich trotz dieser Aussage, die noch rechtzeitig kam, also noch rechtzeitig in die Öffentlichkeit kam, geweigert anzuklagen.
37:41
Das heißt, dieses Vergehen von Lothar Lingen ist vor aller Augen verjährt. Letztes Jahr, am 11.11.2016. Das Selbstverständnis mancher Verfassungsschutzämter ist natürlich immer wieder bemerkenswert. Deswegen arbeite ich am liebsten eigentlich mit Zitaten,
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die sagen das meiste, wie auch das nächste hier. Das stammt aus dem Jahr 2006. Im Fall des Verfassungsschutzmitarbeiters Andreas Temme. Ich komme gleich noch mal zum Hintergrund. Wir haben es hier doch nur mit einem Tötungsdelikt zu tun.
38:22
Gemeint ist der Mord an Halid Josgad, dem 21-jährigen Halid Josgad in einem Kasseler Internetcafé im Jahr 2006. Der Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme hielt sich am Tatort auf, chattete auf einer Flirtline, meldete sich nicht auf den Zeugenaufruf
38:40
Alle Caféinsassen hatten die Schüsse gehört, hatten Geräusche gehört. Nur Andreas Temme, selbst Sportschütze, hatte weder etwas gerochen, noch gehört. Die Forensic Architects haben ja vor kurzem eine Studie vorgelegt, dass das alles so nicht stimmen kann. Wie Andreas Temme, der sich bis heute an nichts erinnert
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und ausgesagt hat vor x Untersuchungsausschüssen im Münchner Verfahren, diverse Male. Er erinnert sich einfach nicht. Auf jeden Fall wurde er dann ermittelt. Er war unter falschem Namen auf diesem Flirtportal eingeloggt. Hatte aber seine richtige Handynummer angegeben, sodass die Polizei ihn doch finden konnte. Die hat ihn dann auch wegen Mordverdachts verhaftet.
39:23
Bei Durchsuchungen bei ihm zu Hause wurden rechtsextremistische Schriften gefunden. Waffen, Munition, Handschuhe mit Schmauchspuren, Drogen. Privat hatte er Kontakte ins Hells Angels Milieu und zu anderen Kriminellen, was normalerweise beim Verfassungsschutz bei der Sicherheitsüberprüfung ein Problem darstellt.
39:41
Er war im Schießverein aktiv, war mit einem dieser Schießvereine auch mal zum Czeska-Werk nach Tschechien gefahren gewesen. Und hat in der ganzen Zeit, in der er gegen ihn ermittelt wurde, sehr engmaschigen Telefonkontakt zu seinen Vorgesetzten gehabt. Da fiel dann zum Beispiel der bemerkenswerte Satz, weil die Polizei hat ja diese Telefonate abgehört.
40:03
Da fiel dann der bemerkenswerte Satz eines seiner Vorgesetzten, der gesagt hat, wenn man weiß, dass so was passiert, dann bitte nicht vorbeifahren. Heute wird das mit einem etwas, mit einem Hang zu Zynismus erklärt. Er hat sich auch konspirativ mit einer Vorgesetzten
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an einer Autobahnraststätte getroffen, nicht etwa im Amt und so weiter und so fort. Außerdem gibt er an, nie dienstlich mit der Czeska-Mord-Serie befasst gewesen zu sein. Jetzt ist aber peinlicherweise kürzlich im Untersuchungsausschuss Hessen ein von ihm abgezeichnetes Fax aufgetaucht, merkwürdigerweise erst jetzt,
40:41
wo er ganz klar zwei Wochen vor der Tat den Auftrag bekam, sich mit dieser Mordserie zu beschäftigen, sich bei seinen V-Leuten umzuhören. Aber er erinnert sich nicht. Also man kann sagen, und das haben mir auch Juristen bestätigt, es gibt sehr Wohlfälle, wo Leute bei dieser Indizienlage
41:00
im Gefängnis sitzen, Andreas Temme nicht. Die Anwerbung von V-Leuten ist natürlich geregelt. Es gibt, ich habe mich sehr bemüht, viele Regelungen und Gesetze einzusehen. Es ist dummerweise so, dass sehr viele Vorschriften
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eingestuft sind. Das heißt nur für den Dienstgebrauch oder ähnliches. Das heißt, die Außenstehenden können überhaupt nicht einsehen, wie diese Regeln genau sind. Auch Parlamentarier können das nur schwer an vielfacher Stelle. Eine Sache ist aber klar. Also V-Leute sollen keine steuernden Führungsfiguren
41:40
in extremistischen Szenen sein. Das macht ja auch Sinn, denn sie bekommen ja Aufträge von ihren V-Mann-Führern. Und wenn es dann eine hohe Dichte von V-Leuten an der Spitze einer extremistischen Organisation gibt, dann haben wir quasi eine staatlich gesteuerte Vereinigung. Das wollen wir ja nicht. Etwas ähnliches ist ja schon bei der NPD 2001 passiert.
42:01
Jetzt schauen wir uns mal den NSU an. Tino Brandt, Chef des Thüringer Heimatschutzes. Mirko Hesse, Chef der Hammerskins. Thomas Starke, Vize-Chef von Blood and Honour Sachsen. Jan Werner, Chef von Blood and Honour Sachsen. Piatto, einer der Chefs des Ku Klux Klans.
42:22
Achim Schmidt, den ich bisher nicht erwähnt habe, auch einer der Chefs des Ku Klux Klans. Corelli, Anwerber von neuen Mitgliedern im Ku Klux Klan. Dann kommt noch hinzu Marcel Degner, der sich bis heute nicht mehr erinnert, dass er V-Mann war, weil er bis vor kurzem dachte, seine Akte wäre geschreddert. Dann ist sie wieder aufgetaucht,
42:41
erinnert sich trotzdem nicht, dass er V-Mann war. Er war jedenfalls Chef von Blood and Honour Thüringen. Das heißt, so gesehen, kann man zugespitzt jetzt sehr wohl sagen, alle rechtsextremistischen Vereinigungen wurden eigentlich von V-Leuten geführt. Ich habe da so einen Buchtipp noch am Rande,
43:00
und zwar gibt es ein Buch von Bernadette Droste, das Handbuch zum Verfassungsschutzrecht aus dem Jahr 2007, ist leider vergriffen, aber man kann es in Bibliotheken noch einsehen. Und darin heißt es zu dem Thema, also Frau Droste muss ich vielleicht sagen, war lange Jahre sowas wie die rechte Hand des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz.
43:21
Deswegen sind Ihre Aussagen natürlich schon interessanter als andere. Und sie sagt zu dieser Führungsfrage, in jedem Fall begründet ein V-Mann, der an der Spitze einer verfassungsfeindlichen Organisation steht, einen Zielkonflikt für die Verfassungsschutzbehörde. Denn je höher ein V-Mann in der Hierarchie
43:40
der extremistischen Gruppierung angesiedelt ist, desto wertvoller ist er für die Erfüllung des gesetzlichen Beobachtungsauftrags. Die hohe Hierarchiestufe muss nicht unbedingt zum Abbruch der Informationsbeziehung führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn zum Beispiel eine Partei sich nicht mehr nur im Sinne einer verfassungsfeindlichen Ideologie äußert,
44:03
sondern sich aggressiv kämpferisch radikalisiert. Der Quellenschutz, der die V-Leute abschirmen soll, also der ihnen garantiert ihre Identität,
44:20
ihre wahre Identität nicht offen zu legen, kollidiert natürlich an vielen Stellen mit der Strafverfolgung, wie man eben auch jetzt im NSU-Komplex sieht. Das BKA hat schon im Jahr 1996 vor einem sogenannten Brandstifteffekt gewarnt, weil die Polizeibehörden natürlich gemerkt haben, dass die ganzen V-Leute gewarnt werden vor Untersuchungen,
44:45
dass sie sehr viele Informationen vorab bekommen haben und dass die Polizei sozusagen ausgehebelt wurde durch dieses Verhalten der Verfassungsschutzbehörden. Trotzdem hat man, wie vorhin auch auf dem Schaubild sichtbar war, sehr viele V-Leute im Umfeld des NSU platziert und belassen.
45:03
Und jetzt haben wir das Problem mit dem Quellenschutz. Denn im NSU-Prozess und auch in den Untersuchungsausschüssen müssen Akten zu diesen V-Leuten erst mal angefordert werden beim Verfassungsschutz. Die kommen in der Regel extremst verzögert, zum Teil erst am Tag der Vernehmung
45:21
oder am Tag vor der Vernehmung vielmehr, wie im Bundestag geschehen. Sie werden geschwärzt, zum Teil massiv geschwärzt, zum Teil hieß es aus Ausschusskreisen, wusste man nicht mal mehr, auf welche Person sich diese Akte bezog, weil so viel geschwärzt war. Die richtig als geheim eingestuften Akten, weil es gibt ja mehrere Stufen der Einstufung,
45:44
die richtigen Geheimakten, die werden zumindest für den Bundestagsuntersuchungsausschuss, war das so, im sogenannten Trepto-Verfahren eingesehen. Das heißt, die Abgeordneten müssen zu den Bürozeiten in das Bundesamt für Verfassungsschutz fahren, dort in einem Raum die Akten lesen,
46:00
dürfen sich keine Notizen machen und dürfen natürlich auch mit niemandem über das sprechen, was sie gelesen haben. So etwas aufzuklären, ist eine sehr komplizierte Sache, wie Sie sich vorstellen können. Die Verfassungsschutzmitarbeiter werden in der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen, wenn überhaupt. Viele V-Leute werden nicht im Prozess
46:22
oder im Untersuchungsausschuss vernommen. Zum Beispiel Reif-Marschner ist dafür ja ein einschlägiges Beispiel. Es gibt jetzt noch eine ganz interessante Richtlinie, die ich hier noch gerne an die Wand werfen möchte. Und zwar stammt die freundlicherweise auch aus Frau Drostes Buch und hat eine Menge Rätsel aufgeklärt.
46:42
Denn es gab schon viele Leute, die nach dieser Richtlinie gefragt haben, ob die denn noch, sie stammt aus dem Jahr 1973 und besagt ja, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft mit Ermittlungen innehalten sollen, wenn der Verfassungsschutz oder andere Geheimdienste das für nötig erachten.
47:02
Mir persönlich liegt sowas relativ schwer im Magen in einem Rechtsstaat. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Diese Richtlinie war allerdings immer nur für den Dienstgebrauch, wurde nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben. Es gab diverse Nachfragen, auch bei der Bundesregierung, ob diese Richtlinie denn noch gültig sei.
47:24
Und dazu hieß es, sie sei schon noch gültig, aber im Prinzip relativ habe sie keine Bedeutung mehr, war genau die Antwort. Weil all diese Dinge eigentlich im Verfassungsschutzgesetz, im BND-Gesetz, im BKA-Gesetz usw. seit 1990 neu geregelt seien.
47:43
Dennoch wurde mit der Argumentation dieser Richtlinie die Auskunft verweigert, auch nach 1990. Das hat ein Zeitonline-Artikel von Kai Biermann sehr schön beleuchtet, wo die Richtlinie dann auch abgedruckt war. Und wie gesagt, sie stand seit vielen, vielen Jahren bereits in Bibliotheken.
48:00
Und die Ämter haben trotzdem gesagt, diese Richtlinie sei nur für den Dienstgebrauch. Wenn jetzt das Bundesamt für Verfassungsschutz oder auch die Landesämter wenigstens ausreichend kontrolliert wären, das sind sie ja auf dem Papier.
48:22
Es gibt das Parlamentarische Kontrollgremium, das tagt alle paar Monate. Die Mitglieder sind Abgeordnete, die daneben auch keinen ganz leeren Terminkalender haben. Und dann funktioniert es so, man trifft sich und der Verfassungsschutz trägt vor. Also man kann nicht proaktiv in die Behörden gehen, sondern man hört sich an, was der Verfassungsschutz präsentiert.
48:40
Ich habe mir sagen lassen, heikle Themen kommen meist zum Schluss dieser Besprechung, sodass man dann auch nicht mehr so wahnsinnig lange nachfragen kann. Und das Ganze passiert in größeren Abständen. Ich möchte dazu eine Einschätzung zitieren, das stammt jetzt zwar aus dem BND-Kontext, das ist aber an diesem Punkt egal, weil das Prozedere ist ja gleich.
49:01
Und zwar aus einem Artikel von Netzpolitik von Anna Biselli. Da wird Wolfgang Nescovic zitiert, der ehemaliges Mitglied eines solchen PKGRs ist. Der wies auf das Problem hin, dass Geheimdienstmitarbeiter das Gremium belügen können, das Zitat, ohne strafrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen.
49:20
Denn die Mitglieder des PKGR tagen in absoluter Geheimhaltung und dürfen außerdem nicht über ihre Erkenntnisse sprechen. Nicht einmal mit ihren Fraktionsvorsitzenden. Geschweige denn dürfen sie der Öffentlichkeit Erkenntnisse über politische Bewertungen hinaus mitteilen. Mit neuen Menschen Geheimdienste zu kontrollieren ist eine nicht zu bewältigende Aufgabe.
49:43
Das ist Stand der Dinge. Nach dem ersten Untersuchungsausschuss im Bundestag gab es dann aber zum Glück eine Gesetzesnovelle im Jahr 2015. Das Bundesverfassungsschutzgesetz wurde reformiert. Es wurde auch öffentlich so verkauft,
50:01
als Lehre aus dem NSU versagen. Fakt ist aber, ich war in dieser Anhörung dabei im Innenausschuss, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Und der Meinung bin nicht nur ich, sondern auch diverse Sachverständige, Juristen. Es gibt keinerlei erweiterte Kontrolle in diesem Gesetz. Die ist nicht angetastet worden.
50:22
Stattdessen wurde eine Praxis, von der wir ja vorher schon viel gehört haben, nämlich die Warnung vor Strafermittlungen auf solide Gesetzesbeine gestellt. Also früher wurden die V-Leute gewarnt vor polizeilichen Ermittlungen.
50:41
Heute wird ihnen das einfach erlaubt. Hier ist ein Auszug aus diesem Gesetz. Und man beachte vor allem den alleruntersten Absatz. Das heißt, heute ist es so, dass eigentlich, wenn man jetzt die Ausnahmefälle, die ganz unten beschrieben sind, mit einbezieht,
51:01
es nur noch zwei Hinderungsgründe für einen Straftäter gibt, als V-Mann angeworben zu werden. Und zwar Totschlag und Mord. Wir haben vorhin gehört, bei Piatto alias Karsten Schipanski war das nicht so. Da hat man immerhin ein klein wenig nachgebessert. Alles andere ist weitgehend kein Hinderungsgrund.
51:21
Hierzu möchte ich Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche, den Staatssekretär im Kanzleramt und Beauftragten für die Geheimdienste des Bundes zitieren, der zwar im BND-Kontext, aber das ist an dieser Stelle auch egal, weil da ist nämlich genau dasselbe passiert, folgendes auf einem Podium gesagt hat. Als Staatssekretär darf ich es nicht zulassen,
51:41
dass einmal ein Staatsanwalt auf die Idee kommt, ich klopfe mal bei den Diensten an, weil es für das, was die tun, keine Rechtsgrundlage gibt. Also mit anderen Worten, früher haben die V-Mann-Führer einfach diese Straftäter gewarnt. Jetzt nicht im BND-Kontext, sondern im Verfassungsschutz-Kontext. Heute ist es ihnen schlicht und ergreifend erlaubt.
52:05
Der Jurist Professor Becker, der Sachverständiger in dieser Anhörung zu diesem neuen Verfassungsschutzgesetz war, hat folgendes gesagt, wirklich auffällig ist übrigens, dass die Vorschrift, die wirklich unverändert bleibt im Bundesverfassungsschutzgesetz,
52:21
diejenige ist, die es dem Bundesamt für Verfassungsschutz ermöglicht, Datenübermittlungen im weiten Umfang zu unterlassen, zu Zwecken des Quellenschutzes. Wir haben also die Situation, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz fast immer übermitteln darf, das ist nämlich massiv ausgeweitet worden, wenn es will, aber fast nie übermitteln muss,
52:41
auch nicht in Fällen schwerer Kriminalität. Insgesamt muss man sagen, dass das Nachrichtendienstrecht sich derzeit schlicht in einem beklagenswerten Zustand befindet. Und es ist bedauerlich, dass der Gesetzesentwurf nichts dazu beiträgt, daran etwas zu ändern.
53:02
Ja, all die vielen V-Leute im NSU, was haben sie gebracht? Außer, dass wir jetzt nicht aufklären können. Ein Abgeordneter im Untersuchungsausschuss hat einmal gesagt, ich weiß halt leider nicht mehr wer das war, ihm sei kein Fall im Bereich Rechtsextremismus bekannt,
53:20
wo ein V-Mann zur Verhinderung einer Straftat geführt habe. Vor diesem Hintergrund könnte man jetzt natürlich als Zivilgesellschaft mal fragen, ob es nicht vielleicht die Möglichkeit, mindestens einer Nutzen-Risiko-Evaluation gäbe, in Zahlen. Dafür muss man ja keine Geheimnisse verraten.
53:41
Der Etat des Bundesamts für Verfassungsschutz ist nach dem Entdecken des NSU ausgeweitet worden. Es gibt deutlich mehr Mitarbeiter jetzt, aber es gibt keine ausgeweitete Kontrolle. Geschützt werden auch Verfassungsschutzmitarbeiter, wie am Beispiel Andreas Temmel, glaube ich, sehr prägnant zu sehen ist, denn schlimmer geht es ja nicht mehr.
54:01
Wie gesagt, andere würden bei dieser Indizienlage im Gefängnis sitzen, er sitzt im Regierungspräsidium Kassel bei vollen Bezügen. Deshalb sage ich, ohne klare Definition der Befugnisse und Grenzen und ohne eine massiv ausgebaute parlamentarische Kontrolle, die auch eine Neuregelung von Geheimhaltungsklauseln
54:21
und Quellenschutz miteinschließt. Ohne einen Verzicht auf Straftäter ist der Verfassungsschutz, wie wir am Beispiel NSU sehen, eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die er eigentlich schützen sollte. Die Aufklärungsproblematik bei der V-Mann-Lähe zeigt, dass es eine systemische Problematik ist.
54:42
Deswegen habe ich diesen kleinen Geschichtsdiskurs gemacht. Und bei Amri sieht man übrigens, übrigens bei dem Attentat am Breitscheidplatz, sieht man dasselbe wieder. Auch dort waren V-Leute im Spiel. Auch dort wurde er nicht verhaftet, wo er hätte verhaftet werden sollen. Die Möglichkeiten gab es. Das hatte mit Tunesien gar nichts zu tun.
55:00
Das wird dann hoffentlich der Untersuchungsausschuss aufklären. Die Aufklärungsrate bei Mord ist in Deutschland sehr, sehr hoch. Wir haben eine gute Polizei. Die liegt bei über 90 Prozent. Aber ausgerechnet bei der Nähe von V-Leuten bleibt sie schier unmöglich. Die Gerichtsverfahren werden extrem langwierig und enden am Ende mit einer nicht aufgeklärten Tat.
55:23
Was das V-Mann-Wesen bringt, wenn man sich jetzt rein die Ergebnisse anschaut, ist die Arbeit von Polizei, von den Parlamentariern der Untersuchungsausschüsse und von den Gerichten wird massiv untergraben. Und damit ist das die V-Mann-Traxis, in der jetzigen Form ein Sicherheitsrisiko.
55:41
Und das Resultat ist eine Ohrfeige für die Hinterbliebenen und eine Untergrabung der Rechtsstaatlichkeit. Ich würde jetzt gerne noch in den letzten zwei Minuten, denn leider bleibt wohl nicht mehr Zeit für Fragen, noch einen O-Ton von Yvonne, geht es mit dem Ton,
56:02
von Yvonne Bulgaridis, der Hinterbliebenen des 2005 in München ermordeten Theodoros Bulgaridis einspielen, der wahrscheinlich das beste Abschlusswort dazu ist. Nach all den Jahren,
56:20
die seit der Ermordung meines Mannes vergangen sind, kann ich den involvierten Behörden keine Fahrlässigkeit unterstellen. Vielmehr bin ich nun davon überzeugt, dass bei den Ermittlungen vorsätzlich vertuscht und manipuliert worden ist und noch immer wird. Es mutet schon äußerst seltsam an, dass in einem Land, welches für seine behördliche Akribie weltweit bekannt ist,
56:41
prozessrelevante Akten vernichtet werden, ohne dass dafür jemand zur Verantwortung gezogen wird. Dies und unzählig andere sogenannte Ermittlungspannen sind nicht nur für die Hinterbliebenen der Feigenmordserie ein Schlagwandsgesicht, sondern auch ein Armutszeugnis für die Rechtsstaatlichkeit Deutschlands, die uns alle betrifft.
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Dankeschön.
57:33
Ganz kurz wollte ich noch hinterher schicken. Wer also Lust hat, morgen um 20 Uhr auf der Bühne L1 läuft das Hörspiel of the Record,
57:41
die Mauer des Schweigens, das sich mit dieser Thematik beschäftigt. Und wer noch Fragen hat, kann mich gerne jetzt noch ansprechen. Ich hätte eigentlich gerne noch ein bisschen Diskussion gehabt, aber es war jetzt leider zu viel an Input. Tut mir leid. Danke.