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Die kaputte politische Debatte: Wie das Internet Teil des Problems und Teil der Lösung ist

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Die kaputte politische Debatte: Wie das Internet Teil des Problems und Teil der Lösung ist
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39
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177
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CC Attribution - ShareAlike 3.0 Germany:
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Lügenpresse, Misstrauen, Parallelwelten wie Pegida: Was hat das Internet damit zu tun? Und vor allem: Wie machen wir es besser?
XMLComputer animationLecture/Conference
InternetSound <Multimedia>DemosceneMeeting/Interview
DemosceneComputer animation
Lattice (order)Lecture/ConferenceMeeting/Interview
TOUR <Programm>Set (mathematics)FacebookLecture/Conference
InternetLecture/ConferenceMeeting/Interview
Strich <Typographie>Computer animation
FacebookAlgorithmMeeting/Interview
InternetFacebookContent (media)Lecture/Conference
InternetScalar potentialFacebookMeeting/Interview
TheoryInformationLecture/Conference
WebsiteBlogDemosceneMeeting/Interview
BlogWebsiteInformationLecture/Conference
InternetBlogBlock (periodic table)Meeting/Interview
InformationLecture/Conference
FacebookLecture/ConferenceMeeting/Interview
FacebookLecture/Conference
FacebookContent (media)XML
InternetFacebookLecture/Conference
DigitizingLecture/ConferenceMeeting/Interview
Lecture/Conference
Parameter (computer programming)Sound <Multimedia>Lecture/ConferenceMeeting/Interview
Spring (hydrology)MetreLecture/Conference
BlogSpring (hydrology)Lecture/ConferenceMeeting/Interview
Lecture/Conference
Meeting/Interview
Lecture/Conference
Lecture/Conference
Meeting/InterviewLecture/ConferenceComputer animation
Transcript: German(auto-generated)
Danke. Danke auch für das zahlreiche Erscheinen. Ich bin heute hier, weil ich glaube, dass
unsere Gesellschaft ein Problem hat. Das Problem nämlich, dass Teile der Bevölkerung sich von der Demokratie abwenden. Sie fühlen sich von den vermeintlichen Eliten verraten,
von den Berufspolitikern hinters Licht geführt und von der Lügenpresse manipuliert. Das Internet ist nicht die Ursache dieser Entwicklung, aber es verschlimmert das Ganze, weil dort zu oft die Schreihälse den Ton angeben. Hatten wir einst gehofft, dass das Netz
zu einer demokratischeren, zu einer aufgeklärteren, zu einer pluralistischeren Debatte führen würde, müssen wir jetzt feststellen, das ist nicht der Fall. Im Netz fragmentarisiert die Gesellschaft Zusehens und häufig nützt es jenen besonders, die nur Missgunst sehen wollen,
die an einer demokratischen Debatte gar nicht interessiert sind. Besonders offensichtlich wurde dies für mich am 2. Februar dieses Jahres. An diesem Montag marschierte Begieder zum ersten Mal in Österreich auf. Wir Österreicher hinken ein bisschen hinterher. Die selbsternannten
patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendslandes marschierten an diesem Tag zum ersten Mal in Wien auf und ich war als Journalistin, ich schreibe für das Nachrichtenmagazin Profil auch dort, um mir das anzusehen. Zur Demo kamen nur
hatte die Stimmung etwas Beklemmendes. Die Besucher des Aufmarsches wollten mit mir, ähnlich wie auch bei den deutschen Begiederveranstaltungen, nicht sprechen, da ich ein Teil der Lügenpresse war. Das war relativ unbequem, es erleichterte
mir nicht die Recherche. Und dann kam noch hinzu, dass auf dieser Demo mehrere Menschen in Hitlergruß machten. Sie hohmen die Hand wie in der NS-Zeit und die anderen Demonstranten taten nichts dagegen. Die waren anscheinend damit beschäftigt, nicht mit der Lügenpresse zu reden. Ein Wiener Fotograf, Jörg Christandl,
protokollierte all das und twitterte es, er schrieb drunter, recht keck, ist sicher kein Hitlergruß. Man zeigt sich nur gegenseitig die Sehenswürdigkeiten in Wien. So machen wir das bekanntlich. Nun gut, das ist nicht das erste Mal,
in Österreich so etwas passierte. Wir Journalisten schrieben tags darauf, auch ich berichtete darüber, ich hatte diese Hitlergrüße selbst auch gesehen und dann ging es wirklich los. Dann kam die Wut im Netz. Ich wurde online und so ging es
vielen Journalisten, aber ich wurde zum Beispiel online als Terroristin bezeichnet, als Lügnerin, als Mitarbeiterin eines Schundblattes. Mir wurde vorgeworfen, zu verblenden, Panik machen und zu hetzen und überhaupt sei ich von der Politik gekauft. Ein User schrieb, ihr seid so armselige Würsteln, ihr Lügenschreiberlinge und ganz
viele andere Dinge erschien da auch noch. Also nicht die Tatsache, dass Menschen in der Innenstadt die Hand zum Hitlergruß erhoben hatten, sorgte für Aufsehen, sondern dass wir das berichtet hatten. Für manche schien es wahrscheinlicher, dass die Medien hier erneut lügten, als dass dies passiert war, obwohl es sogar Fotomaterial gab. An diesem Tag merkte
ich bei manchen Themen, egal was ich als Journalistin tue, egal wie viele Fotobeweise ich herbeihabe, es gibt Menschen, die werden mir nicht mehr glauben. Die sind für mich nicht mehr erreichbar, egal wie präzise ich recherchiere. Das mag naiv klingen, aber es machte
mich stutzig. Sicher gab es immer schon Wirrköpfe und Verschwörungstheoretiker, aber diese Menge an überzeugten Anhängen, einer riesigen Verschwörung, die war mir bisher noch nicht bekannt und Facebook hatte sie alle herbeigekat. Das Beispiel zeigt,
das Internet ist zu einem Medium geworden oder das Internet ist wahrscheinlich schon immer ein Medium gewesen, in dem User für wütendes und unsachliches Verhalten belohnt werden. Ich will das anhand mehrer Beispiele erklären. Erstens, viele Internetforen haben
sich seit den 90er Jahren nicht wesentlich weiterentwickelt. Geht man in ein herkömmliches Zeitungsforum sieht man meistens als erstes den neuesten Beitrag. Das heißt, dieses Forum ist chronologisch sortiert und das hilft jenen, die gar nicht diskutieren wollen, sondern die anderen nur zutexten möchten. Nehmen wir an, ich poste 100
Mal in einem Forum, da bin ich 100 Mal an erster Stelle, ganz vorne prominent sichtbar. Aber wenn ich nur einmal poste, weil ich nur eine Sache zu sagen habe und dann passt mir das auch schon wieder, dann bin ich nur einmal ganz oben. Aber heißt
das, dass die Meinung desjenigen, der nur einmal postet, 100 Mal weniger wertvoll ist als die Meinung des anderen, der einfach alle zutextet? Ich glaube nicht. Auch kriegen die radikalen und gefrusteten Stimmen im Netz oft mehr Beifall. Dazu gibt es eine interessante Studie der beiden
Wissenschaftler Degon Cho und Alessandro Acquisti von der Carnegie Mellon University. Die beiden haben 75.000 Postings auf südkoreanischen Nachrichtenseiten analysiert und sie sahen sich auch an, welche Postings
die meisten Likes erhielten. Viele kennen das sicher, in vielen Zeitungsfonds kann man auf gefällt mir klicken, wenn jemand was schreibt oder man kann rote und grüne Striche verteilen oder man kann Daumen hoch, Daumen runter machen. Die Forscher werteten aus, in welchen Fällen das passiert und sie stellten fest, Postings mit Beschimpfungen
bekommen die meisten Likes. Das muss man sich einmal durch den Kopf gehen lassen. Wenn ich ein untergriffiges Posting verfasse, dann ist die Wahrscheinlichkeit extrem hoch, dass ich viele Likes bekomme, aber wenn ich sachlich und nuanziert diskutiere, kriege ich wahrscheinlich weniger Likes
und das hat weitreichende Konsequenzen, denn in einer von Algorithmen gesteuerten Medienwelt, bekommen Kommentare mit Likes auch mehr Aufmerksamkeit. Wir alle wissen leider nicht genau, wie der Facebook Algorithmus funktioniert, aber eines ist offensichtlich, Einträge
mit vielen Likes und viel Interaktion werden eher eingeblendet. Das heißt, wer schimpft bekommt auch dort mehr Aufmerksamkeit und wer sich zurückhaltend zeigt, wird ausgeblendet. Das hilft jenen, die online sehr emotional, sehr direkt oder aggressiv formulieren und dazu passend, wer
ist der erfolgreichste Politiker Österreichs auf Facebook? Das ist Heinz-Christian Strache, der Rechtspopulist von der FPÖ. Wir leben also in einem Zeitalter, in dem es online die Provokateure leichter haben und wenn man darüber nachdenkt, ist das sogar einleuchtend.
Emotionale Inhalte funktionieren online einfacher. Das ist ziemlich logisch, sagt zu mir auch der deutsche Digitalberater Martin Fuchs. Er ist sogar der Ansicht, dass es ohne Facebook Pegida nie gegeben hätte. Da ist sogar was dran, weil Pegida entstand ja aus einer Facebook-Gruppe heraus, wo sich Unzufriedene zusammensammelten und dann erst
die Idee entwickelten, man könnte auch auf die Straße gehen. Der Unmut wuchs sozusagen im Internet und wurde schließlich im öffentlichen Raum sichtbar und dann erst so richtig ernst genommen. Das bringt mich zu einem weiteren technischen Grund für das Misstrauen. Das Internet macht es gleichdenkend extrem leicht, sich zusammen zu
befinden und sich auch gegenseitig dauernd selbst zu bestätigen. Eine solche Mobilisierung, dieses kollaborative Potential des Internets, sind wir nicht nur bei demokratischen Bewegungen wie dem Arabischen Frühling. Wir sehen es auch bei, naja, weniger demokratischen Bewegungen wie Pegida, wie den Anti-Feministen oder
auch bei den Impfgegnern, den Esoterikern. Facebook ist für Sie ein großartiger Ort, um endlich einmal Recht zu haben. Facebook, das ist für Verschwörungstheoretiker wie
Sauerstoff für Feuer. Diesen Vergleich habe nicht ich erfunden. Der stammt vom Online-Medium Daily Dot. Die berichtet neulich über eine sehr interessante Studie von italienischen Forschern, die 200.000 italienische Facebook-Postings analysierten. Sie schrieben dazu, die
sozialen Medien begünstigen die Produktion von einem beeindruckenden Ausmaß an Gerüchten, Misstrauen und Verschwörungstheoretischen Erzählungen, die darauf abzielen, die Realität zu erklären oder zu versimplifizieren. Und diese Wissenschaftler führen auch an, dass sie fürchten, dass dies letztlich dem Konsens über gesellschaftlich
relevanten Themen schaden könnte. Einer der Forscher erklärt im Interview, dass es eine große Überraschung für ihn gewesen sei, wie viele Menschen solchen Theorien anhängen, und zwar Menschen aus allen Bildungs-Ständen, Bildungsschichten. Und er führt auch an, wie schwierig es sei, diese Fehlinformation jemals wieder
einzudämmen, wenn sie mal draußen ist. Ein sehr berühmtes Beispiel ist die Studie, dass Impfungen bei Kindern zu Artismus führen können. Egal, wie oft die widerlegt wird, sie geistert weiterhin durchs Netz und verunsichert Menschen. Ein solches Misstrauen und ein
solches Kursieren von Falschinformationen ist gefährlich. Eltern lassen ihre Kinder nicht mehr impfen und oft wird dann auch noch so getan, als gäbe es so etwas wie wissenschaftlich fundierte Fakten gar nicht. Vielleicht haben Sie dieses vielsagende Interview im deutschen Fernsehen gesehen, in der ein Journalist eine
Pegida-Demonstrantin befragt. Der Journalist sagt zu ihm, in Sachsen gibt es ja nur 0,2% Muslime und die Besucher in der Demo sagt daraufhin, nee, seh ich anders. Also hier wird nach dem Motto vorgegangen, wir
sagen gleich in Österreich dazu, ich habe eine Meinung, verwirren Sie mich nicht mit Tatsachen. Im Netz gibt es unzählige Webseiten, die nach diesem Motto agieren. Es gibt sogar ein richtiges Ökosystem an Desinformation, würde ich sagen. Und schon lange, bevor Pegida für uns sichtbar wurde, gab es Blogs wie Politically Incorrect, auch kurz PI
News. Und ich lese kurz vor aus dieser Selbstdefinition dieses Blogs, um zu erklären, mit was man da konfrontiert ist. Auf den Leitlinien dieser Webseite steht, die politische Korrektheit und das Gutmenschentum dominieren heute überall die Medien. Offiziell findet diese Zensur natürlich nicht statt. Dennoch wird über
viele Themen, selbst wenn sie von höchster Bedeutung für uns und unser Land sind, nur unzureichend oder sogar verfälscht informiert. Wir hingegen bestehen auf unserem Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit. Deshalb haben wir auf diesen Seiten vor allem ein Thema, die Beeinflussung der Bevölkerung im Sinne
politischer Korrektheit durch Medien und Es scheint uns wichtiger als je zuvor, Tabuthemen aufzugreifen und Informationen zu vermitteln, die dem subtilen Diktat der politischen Korrektheit widersprechen. Und dann wird in diesen Leitlinien auch noch über Muslime geschimpft. Ein ganz kurzer Auszug. Es gab
einmal eine Zeit, da waren Moslems in Europa eine interessante Farbe. Und vielleicht auch eine kulturelle Bereicherung. Inzwischen hat sich jedoch in ganz Europa eine islamische Indoktrination und freche Anmaßung breit gemacht. Ich könnte jetzt noch weiter lesen, das geht dann noch lange, lange weiter. Aber ich glaube, mein Punkt wird sichtbar. Die
wahre Parallelgesellschaft, das ist Begieder und das sind diese Blogs. Natürlich gibt es einen sehr berühmten Begriff, der dieses Phänomen, das ich hier beschreibe, erklärt. Die Filterblase. Wir alle sitzen in einer Filterblase. Sie sitzen in einer Filterblase, ich sitze in einer Filterblase. Gefährlich wird das
aber dann, wenn unsere Filterblasen extrem weit auseinanderdriften. Wenn eines Tages ein breiter gesellschaftlicher Austausch, deswegen gar nicht mehr notwendig, möglich wird, weil wir gar nicht mehr wissen, worüber wir noch reden, weil wir so weit entfernt sind, dass wir nichts Verbindendes mehr haben. Dazu möchte ich kurz Eli Pariser zitieren. Jenen Aktivisten, der den
Begriff der Filterblase erfand. Während meiner Jugend war das Internet für mich etwas völlig anderes. Es war eine Verbindung zur Welt. Etwas, das uns alle miteinander verbinden würde. Und ich war sicher, dass es großartig für die Demokratie sein würde und für unsere Gesellschaft. Aber es gibt eine
Verschiebung darin, wie Informationen online fließen und zwar eine unsichtbare. Und wenn wir nicht aufpassen, könnte sie ein echtes Problem werden. Mir ist sie zuerst an einem Ort aufgefallen, an dem ich viel Zeit verbringe. Meiner Facebookseite. Ich bin politisch progressiv, aber ich habe mich immer bemüht, Konservativen zu begegnen. Ich
mag es zu hören, worüber sie nachdenken. Ich mag es zu sehen, was sie verlinken. Ich mag es, einzelne Dinge zu lernen. Also war ich überrascht, als ich eines Tages gemerkt habe, dass die Konservativen aus meinen Facebook-Neuigkeiten verschwunden waren. Wie sich herausstellte, hatte Facebook registriert, auf welche Links ich klickte und hatte festgestellt, dass
ich mehr auf die Links meiner liberalen Freunde klickte, als auf die meiner konservativen Freunde. Und ohne dass ich gefragt wurde, wurden sie aussortiert. Sie verschwanden. Ich glaube, Eli Pariser ist zu Recht beunruhigt. Das legt auch eine etwas neuere Befragung aus den USA nahe. Die USA sind ein Land, das extrem
gespalten ist. Mehr noch als wir in Europa mit Sicherheit. In zwei Lager. In Liberale und Konservative. In Demokraten und Republikaner. Das Pew Research Center, eine der wichtigsten Meinungsforschungseinrichtungen in den USA wollte wissen, verstärkt Facebook nun auch noch. Die Polarisierung der Gesellschaft. Hier
zuerst eine Infografik, die zeigt aus dieser Studie, wie wichtig Facebook ist. Man sieht, Facebook ist für amerikanische Webuser wichtiger als beispielsweise CNN, Fox News. Nur die lokalen Fernsehstationen sind noch eine Spur, haben noch eine Spur mehr Bedeutung. Und dann die
zweite Infografik. Sie zeigt, dass vor allem die richtig konservativen Amerikaner auf Facebook enorm mit Inhalten konfrontiert sind, die genau ihrer Meinung entsprechen. Fast jeder zweite überzeugte konservative Amerikaner sieht mehrheitlich Postings, die seinem Weltbild
entsprechen. Zum Vergleich, selbst bei den richtig überzeugten Liberalen ist dies niedriger, da ist es ungefähr ein Drittel. Immerhin. Im schlimmsten Fall, glaube ich, für so eine Polarisierung dazu, dass die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen nicht mehr miteinander reden, wollen,
können. Und in Ausnahmefällen zeigt sich das schon jetzt. Das legt eine weitere Befragung des Pew Research Center nahe. Da ging es um eines der größten Streitthemen der USA, die NSA-Affäre und wie man über Edward Snowden denkt. Über dieses Thema sind die Amerikaner so gespalten,
dass sie oft gar nicht mehr darüber diskutieren wollen. Das ist extrem heikel. Nun könnte man die Hoffnung hegen, vielleicht ist es im Internet anders. Vielleicht ist es gerade in den sozialen Medien möglich, zueinander zu finden und auch schwierige Themen erneut zu diskutieren, vielleicht sogar respektvoll. Das hat sich nicht als
wahr herausgestellt. Auf den sozialen Medien wollen die Amerikaner noch weniger über die NSA-Affäre reden, als von Face-to-Face. Wir haben 86 Prozent der Amerikaner ein Gespräch, ein persönliches Gespräch über die NSA-Affäre, durchaus sich vorstellen können, sind das nur
42 Prozent in den sozialen Medien. Das ist die Hälfte. Der Hintergrund ist, offline wie online wollen Amerikaner über dieses Thema nur mit jenen reden, die das gleich sehen. Man diskutiert auch lieber in Facebook-Gruppen, die eben hier eine ähnliche Meinung haben und anderswo schweigt man. Die
Forscher des Pew Research Center nennen dies eine Schweigespirale, die sich nun auch über das Netz ausbreitet und dort für diese Forscher sichtbar wird. Und natürlich nährt so etwas das Misstrauen in der Gesellschaft, wenn wir gar nicht mehr versuchen, das Gespräch mit Andersdenkenden zu führen. Kurz gesagt, die Herren
Forscher rund um das Internet, wonach die Digitalisierung zu einer Demokratisierung führen würde, haben sich hier zumindest nicht erfüllt. Und ich glaube, wir müssen darum kämpfen, dass das Netz doch noch zu einem Medium der Aufklärung wird, wie man sich das anfangs erträumt hatte. Und auch hierfür
gibt es technologische und menschliche Mechanismen, die das vielleicht ermöglichen können. Ich möchte kurz noch welche aufführen. Erstens, wir müssen online, glaube ich, mehr auf unsere Tonalität achten und möglichst, das klingt jetzt lächerlich, schimpfwortfreie Diskussionsräume schaffen. Denn diese Beleidigungen
verbessern tatsächlich das Diskussionsklima. Das liegt auch eine weitere Untersuchung der University of Wisconsin nahe, die ich hier nicht drin habe. Diese Untersuchung zeigte, dass Beschimpfungen in Postings dazu führen können, dass Menschen
generell negativer über ein Thema denken. Also sie gaben 1100 Menschen einen Text über Nanotechnologie zu lesen und dazu auch die Kommentare darunter. Und die Hälfte der Probanden las Postings, wo auch Schimpfworte drin waren. Und die andere Hälfte las die genau gleichen Postings ohne Schimpfworte. Und der
Unterschied war gewaltig. Die User, die die Postings mit Schimpfworten gelesen hatten, lehnten plötzlich das Thema Nanotechnologie viel mehr ab als die anderen User. Das lässt einen vermuten, dass man mit Schimpfworten eine Debatte versauen kann, dass dafür gar
nicht mal Argumente notwendig sind. Wer Misstrauen sieht, wird demnach noch mehr Misstrauen ernten. Und das ist glaube ich auch etwas, dass wir in vielen europäischen Debatten wie jener um Begieder erleben können. Der erste Lösungsansatz müsste also sein, dass wir online auf einen respektvollen Ton achten. Und hierzu gibt es
schon zunehmend gute Konzepte. Ein Beispiel, das online Medium Gonka blendet zu allererst jene Leserkommentare ein, mit denen der Autor des Textes interagiert hat. Das heißt, er hat diese Kommentare für gut befunden oder hat darauf reagiert. Ziel dabei ist, jene Diskussion hervorzuheben,
die für einen Großteil der Leser tatsächlich sinnvoll sind, von dem die auch etwas inhaltlich haben und dem nicht immer nur die Schreihälse sichtbar zu machen. Wem das interessiert, ich habe in meinem Buch einige dieser Lösungsansätze für eine bessere Online-Diskussion beschrieben. Derzeit passiert hier tatsächlich sehr viel,
aber das ist nur ein technologischer Schritt. Gleichzeitig können wir auch an uns selbst arbeiten und uns fragen, was können wir tun, um dieses Misstrauen zu verringern? Und wo verdienen wir dieses Misstrauen vielleicht sogar? Ich glaube, dass Transparenz und vor allem Quellentransparenz ein Teil der
Antwort sein kann. Ein ganz simples Beispiel. In vielen Artikeln steht der Satz, Studien besagen das. Und dann wird nirgendwo mehr erwähnt, welche Studien das genau sind. Ob das in Wirklichkeit eine bezahlte Studie irgendeiner Firma war, ob das in Wirklichkeit eine erweiterte Presseraussendung war,
das kann man oft gar nicht mehr erkennen oder muss mühevoll nachgurgeln. Selbst in Qualitätsmedien basiert das. Zu mir sagte einmal ein älterer Journalist, der einen Text von mir redigiert hatte, ich solle Studien nicht so genau anführen, das störe nur beim Lesen. Und überhaupt müsse ich meine Quellen nicht so genau
erklären, Zitat, das müssen uns die Leser glauben. Und ich halte diese Denkweise für falsch. Ich glaube, der Leser muss uns nichts glauben. Gerade Qualitätsjournalismus sollte sich dadurch auszeichnen, dass er möglichst nachvollziehbar und meines Erachtens sogar möglichst detailliert ist.
Auch Sie alle müssen mir nichts glauben. Das PDF dieser Session geht nachher auch online und da sind alle Studien verlinkt, bis auf jenaus Wisconsin offensichtlich. Aber ansonsten können Sie nachschauen, ob ich einen Unsinn hier erzählt habe und auch in meinem Blog finden Sie diese Quellen. Ziel von uns Journalisten sollte also sein,
die eigenen Fakten möglichst nachvollziehbar zu machen. Das führt nämlich auch dazu, dass man selbstwachsam bleibt und die eigene Recherche hinterfragt, ob die gründlich genug war. Und zweitens signalisiert das den Kritikern, okay, ihr mögt meinen Text inhaltlich ablehnen, aber sachlich war das auch ein ganz sehr aber recherchiert.
Gewiss, die allerschlimmsten Verschwörungstheoretiker, die echten Provokateure werden wir mit dieser Transparenz auch nicht mehr erreichen. Aber ich hoffe, vielleicht gibt es doch noch User, die irgendwo dazwischen sind, die wir noch nicht ganz verloren haben und die wir noch irgendwie erreichen können. Und das führt mich jetzt auch schon zum Ende.
Ich habe nämlich eine These, warum Begida so schnell auch wieder zerbröckelte. Denn Begida war keine nachhaltige Bewegung. Es war eher ein Sammelsturium, all der gefrosteten Bürger, die einen schimpften auf dieser Facebook-Seite über die Islamisierung, die anderen über die Lügenpresse und die dritten posteten
Bilder vom blauen Himmel, auf dem man Konsensstreifen sah, weil sie eben Anhänger der Chemtrails Theorie sind. Und als dann Journalisten wirklich zu recherchieren begannen und aufzeigten, wie rechts manch ein Gründungsmitglied von Begida tatsächlich war, was man da alles über die auch finden konnte,
da änderte sich etwas. Es änderte sich auch etwas, weil bekannt wurde, dass einzelne Begida-Anhänger ziemlich aggressiv vorgegangen waren und zum Beispiel auch Drohungen an Wissenschaftler und Journalisten ausgesprochen hatten. Das schreckte viele User dann ab. Und das ist eine gute Nachricht zum Schluss.
Die vielen kritischen Zeitungsberichte und auch die sehr entlarvenden Interviews im Fernsehen und auch die User, die sich im Netz gegen Begida ausgesprochen hatten, die zeigten Wirkung. Wir hatten dann doch nicht. Wir hatten dann doch noch die Möglichkeiten,
Leuten wieder von Begida abzuschrecken. So der Schluss des Ganzen, ich glaube, das soll uns vielleicht auch ein bisschen Mut geben. Ich glaube, ein solcher Prozess wie hier, der ist mühsam. Aber ich glaube, wir kommen nicht herum, weil Begida nur das erste Phänomen dieser Art sein wird, das von Misstrauen getrieben ist.
Und ich glaube, in den kommenden Jahren wird sich dann entscheiden, ob das Netz zu einem Tool des Misstrauens tatsächlich wird oder ob wir es doch noch zu einem Tool der Aufklärung machen können.