Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2023
Der Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erkannte im Dezember 2022 vier Wissenschaftlerinnen und sechs Wissenschaftlern den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2023 zu. Sie waren zuvor vom zuständigen Auswahlausschuss aus 131 Vorschlägen ausgewählt worden. Von den zehn Preisträger*innen kommen je zwei aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, den Naturwissenschaften und den Ingenieurwissenschaften sowie vier aus den Lebenswissenschaften. Die Ausgezeichneten erhalten jeweils ein Preisgeld von 2,5 Millionen Euro. Diese Gelder können die Preisträger*innen bis zu sieben Jahre lang nach ihren eigenen Vorstellungen und ohne bürokratischen Aufwand für ihre Forschungsarbeit verwenden.
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1Menges, AchimAchim Menges wird für seine Forschungen auf dem Gebiet der digitalen Planungsmethoden und robotischen Fertigung in der Architektur, die neuartige Bauweisen ermöglichen, mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2023 ausgezeichnet. Menges Forschungsarbeit zielt auf eine durchgehende digitale Bearbeitung des Bauens vom Entwurf bis zur Ausführung. Der Fokus liegt zudem auf der Integration der Wechselwirkungen von Form, Material, Struktur und Umwelt im Computational Design. Menges Arbeitsweise ist stark interdisziplinär, so dass er etwa mit Forscherinnen und Forschern aus Bauingenieurwesen und Robotik, Materialwissenschaft und Biologie kooperiert und Bezüge zu Sozialwissenschaften und zur Architekturgeschichte herstellt. Das innovative architektonische Design seiner Werke ist von biologisch-natürlichen Formen inspiriert und nutzt zukunftsweisende Techniken und Werkzeuge der Computational Intelligence. Menges Arbeiten tragen so auch zu Ressourcenschonung und Reduktion von energie- und prozessbedingten CO2-Emissionen im Bauwesen bei.
2023Deutsche Forschungsgemeinschaft e. V. (DFG)
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Traninger, AnitaAnita Traninger wird mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2023 für ihre international anerkannten Studien in der frühneuzeitlichen Romanistik ausgezeichnet. Diese verbinden auf innovative Weise Philologie, Rhetorik, Wissenschaftsgeschichte und Mediengeschichte, um die Dynamiken des Kultur- und Wissenstransfers in neuer Perspektive zu erschließen. Insbesondere ihr Verständnis der Rhetorik als historisch variables Ensemble mediengebundener Praktiken ist angesichts der traditionellen, aber noch immer weitverbreiteten Vorstellung der Rhetorik als eines starren Regelwerks bahnbrechend. Vor dem Hintergrund profunder Kenntnis der historischen Texte und Kontexte hinterfragt Traninger stets die scheinbar festen Epochengrenzen von Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit. An die Stelle teleologischer Geschichtsmodelle treten bei ihr Netzwerke und Überlagerungen, kurz: Sie macht die Komplexität historischen Handelns in und mit Sprache konkret greifbar. Traninger ist eine der internationalen Schlüsselfiguren der Romanistik im globalen Kontext, der es gelungen ist, das Fach interdisziplinär neu aufzustellen.
2023Deutsche Forschungsgemeinschaft e. V. (DFG)
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Stroppel, CatharinaCatharina Stroppel wird für ihre exzellenten Arbeiten in der Darstellungstheorie, insbesondere zum Thema Kategorifizierung, mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2023 gewürdigt. Darstellungstheorie ist das mathematische Gebiet, das sich mit Symmetrien und ihren verschiedenen Realisierungen beschäftigt. Symmetrien sind sowohl in der Natur als auch in der Mathematik von zentraler Bedeutung, beispielhaft genannt seien in der Physik die Struktur von Kristallen. Stroppel arbeitet in der Darstellungstheorie mit vielfältigen Verbindungen unter anderem zur Knotentheorie und zur niedrigdimensionalen Topologie. Insbesondere hat sie tiefgründige Vermutungen von Bernstein-Frenkel-Khovanov bewiesen, die sowohl eine darstellungstheoretische Beschreibung von Khovanov-homologie beinhalten als auch allgemeinere polynomiale Knoteninvarianten kategorifizieren. Sie hat ferner graduierte Varianten vieler Strukturen aus der Darstellungstheorie geschaffen, was häufig eng mit der Frage der Kategorifizierung verbunden ist. Mithilfe der kategorifizierten Strukturen konnte Stroppel unter anderem mit Brundan als Erste die Darstellungstheorie der Lie-Superalgebra gl (m | n) präzise beschreiben, die ein Beispiel für eine graduierte Variante ist.
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Höbartner, ClaudiaDer Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2023 für Claudia Höbartner würdigt ihre Arbeiten in den Gebieten der organischen und biomolekularen Chemie funktionaler Nukleinsäuren. Mit ihrer viel beachteten Veröffentlichung zur Aufklärung der ersten Struktur eines DNA-Enzyms, das eine Verknüpfung von RNA-Strängen katalysiert, hat Höbartner Einblicke in das aktive Zentrum des Katalysators auf atomarer Ebene ermöglicht und damit einen bedeutenden Beitrag zur Chemie katalytisch aktiver Nukleinsäuren geleistet. Ihre wegweisende Forschung basiert auf einer Kombination aus kreativen Strategien zur Entdeckung neuer katalytischer Nukleinsäuren, sogenannter Ribozyme und Desoxyribozyme, kombiniert mit der Bestimmung ihrer Strukturen und ihrer Funktionsmechanismen. Überdies setzt Höbartner neuartige chemische Verfahren und Elemente der chemischen Biologie zur Synthese und Markierung modifizierter RNA ein, um die biologischen Funktionen von RNA sowie von natürlichen und künstlich erzeugten RNA-Modifikationen zu untersuchen und sichtbar zu machen.
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Theis, FabianFür seine Pionierarbeiten in der Analyse, Modellierung und Interpretation genomischer Daten erhält Fabian Theis den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2023. Der Mathematiker, Physiker und Bioinformatiker hat neue Methoden zur biomedizinischen Datenanalyse entwickelt, insbesondere für die Einzelzell-Genomik. Zu den jüngsten Entwicklungen der genomischen Revolution gehören Methoden zur RNA-Sequenzierung einzelner Zellen in großen Pools. Theis hat dafür auf der Basis von Methoden der künstlichen Intelligenz Software-Pakete entwickelt, mithilfe derer aus diesen Daten tiefgreifende biomedizinische Einsichten gewonnen werden können. Er wendet dies etwa zum besseren Verständnis der Entwicklungspfade von Zellen, einer verbesserten medizinischen Diagnostik, Risikoermittlung und Therapieentwicklung oder aktuell auch zur Untersuchung der zellulären Veränderungen nach einer SARS-CoV-2-Infektion an. Im Human Cell Atlas-Projekt, einer weltweiten Initiative zur Erstellung einer Referenzkarte aller menschlichen Zelltypen, co-koordiniert Theis das Human Lung Cell Atlas-Projekt. Dieses zielt darauf ab, Zellen zu identifizieren, die für die Entstehung von Lungenkrankheiten wie etwa Asthma relevant sind.
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1Schett, GeorgGeorg Schett erhält den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2023 für seine herausragenden Forschungsarbeiten auf den Gebieten der Rheumatologie und Osteoimmunologie, mit denen er wichtige grundlagenwissenschaftliche Beiträge geleistet und zugleich innovative Therapien entwickelt hat, um auch schwere Formen von Autoimmunkrankheiten zu heilen. Schett erforschte unter anderem die Rolle von Autoantikörpern bei der Bildung knochenabbauender Zellen in der rheumatoiden Arthritis. Er erkannte, dass Erkrankte durch diesen Mechanismus einen systemischen Knochenverlust entwickeln können, der unabhängig von der Entzündung ist. Die von Schett gewonnenen Erkenntnisse über die molekularen Wege der Knochenbildung und des Knochenabbaus sowie der Pathogenese rheumatischer Erkrankungen haben wesentliche Fortschritte beim Verständnis der molekularen Mechanismen und zu Therapien von Entzündungserkrankungen erbracht. Dies hat die Denkweise in diesem Bereich maßgeblich verändert und zu einem molekularbasierten Krankheitsverständnis beigetragen.
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1Rosa, HartmutDer Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2023 für Hartmut Rosa würdigt dessen wegweisende Arbeiten auf dem Gebiet der normativ fundierten kritischen Analyse moderner Gesellschaften. Seine Beiträge zu der Frage, welche sozialen Dynamiken Möglichkeiten des guten Lebens befördern oder behindern, werden international in Wissenschaft und Gesellschaft rezipiert und diskutiert. In seiner in viele Sprachen übersetzten Studie „Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne“ (2005) lieferte Rosa eine umfassende, philosophisch fundierte soziologische Analyse der Dynamiken zeitlicher Beschleunigung, die moderne Gesellschaften prägen und zugleich ihre Individuen vor gewaltige Herausforderungen stellen. Überdies entwickelte Rosa eine Theorie der „Weltbeziehungen“, die, nicht zuletzt als Kritik kapitalistischer Strukturen und ihrer psychischen und lebensweltlichen Auswirkungen, im Dialog mit anderen kritischen Theorien zu einer weiteren umfassenden theoretischen Ortsbestimmung führte – dem Buch „Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung“ (2016). Rosa gilt weit über Deutschland hinaus als einer der bedeutendsten Gesellschaftsdenker unserer Zeit.
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2O’Connor, Sarah EllenFür ihre grundlegenden Entdeckungen zur pflanzlichen Naturstoffbiosynthese erhält Sarah Ellen O’Connor den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2023. Pflanzen haben spezielle Enzyme und Synthesewege entwickelt, um organische Verbindungen zu produzieren, mit denen sie sich gegen Fressfeinde und Parasiten wehren können. Viele dieser Naturstoffe werden als Arzneimittel genutzt, können aber oft nicht mit klassischen chemischen Methoden nachgebildet werden. O’Connor erforscht Biosynthesewege in Pflanzen und nutzt die Entdeckung neuer Genfunktionen, die Aufklärung enzymatischer Wirkmechanismen sowie molekulargenetische und genomische Methoden, um die Synthese selbst der komplexesten Naturstoffe, wie etwa krebshemmende oder neuroaktive Stoffe, zu entschlüsseln. So ist es O’Connors Arbeitsgruppe kürzlich gelungen, den Biosyntheseweg von Strychnin vollständig aufzuklären, was auch andere über viele Jahre versucht hatten. Die dabei gewonnenen Einsichten verwendet die Chemikerin und Biologin auch, um neuartige Verbindungen in Pflanzen herzustellen. Damit eröffnet sie Möglichkeiten zur optimierten Produktion von Naturstoffen sowie den synthetischen Zugang zu neuen Molekülklassen.
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6Pfister, StefanMit Stefan Pfister wird ein herausragender Grundlagenwissenschaftler und Arzt mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2023 ausgezeichnet, der es mit seinen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der pädiatrischen Onkologie ermöglicht hat, Hirntumore bei Kindern besser zu diagnostizieren und den Patientinnen und Patienten damit eine verbesserte Therapie zu ermöglichen. Seine Analysen von Hirntumorgewebe mit neuartigen genomisch-basierten molekularen Ansätzen, die unter anderem Veränderungen der Expression von Genen und deren epigenetische Regulation berücksichtigen, haben gezeigt, dass den Hirntumoren nicht ein, sondern viele unterschiedliche Krankheitsmechanismen zugrunde liegen. So ermöglichte Pfisters Forschung eine neue molekular-pathologische Klassifikation von Hirntumoren im Kindesalter, die die Weltgesundheitsorganisation anerkannt und übernommen hat. Diese wissenschaftliche Basis bildet heute weltweit die Grundlage zur präziseren Diagnose der Krankheiten, denen, wie Pfister zeigte, mehr als 100 unterschiedliche molekulare Ursachen zugrunde liegen. Pfisters Forschung ist ein Durchbruch in der pädiatrischen Onkologie und ein beeindruckendes Beispiel der Präzisionsmedizin.
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8Angenent, LargusDen Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2023 erhält Largus Angenent für seine herausragenden Arbeiten auf dem Gebiet der Umweltbiotechnologie, mit denen er zentrale Beiträge zur mikrobiellen Elektrochemie geleistet hat. Angenent ist weltweit einer der Begründer dieses Forschungsgebiets und Mitgründer der 2011 ins Leben gerufenen International Society for Microbial Electrochemistry and Technology, der er auch als Präsident vorsaß. Seine Arbeiten sind mit Blick auf den Klimawandel und die damit verbundene Notwendigkeit einer nachhaltigen Nahrungs-, Chemie- und Energiewirtschaft hochaktuell. So nutzt Angenent etwa die Kombination mikrobieller Fermentationsprozesse mit Elektrochemie und synthetischer Biologie zur Umwandlung organischer Abfälle und Industriegase in wertvolle organische Produkte. Mittels zweier Start-up-Unternehmen hat Angenent überdies seine akademischen Leistungen erfolgreich in die Anwendung übertragen.
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