ARCH+ features 8: Kooperativ Stadt Bauen
This is a modal window.
The media could not be loaded, either because the server or network failed or because the format is not supported.
Formal Metadata
Title |
| |
Title of Series | ||
Number of Parts | 101 | |
Author | ||
License | CC Attribution - NonCommercial 3.0 Unported: You are free to use, adapt and copy, distribute and transmit the work or content in adapted or unchanged form for any legal and non-commercial purpose as long as the work is attributed to the author in the manner specified by the author or licensor. | |
Identifiers | 10.5446/54003 (DOI) | |
Publisher | ||
Release Date | ||
Language | ||
Producer |
Content Metadata
Subject Area | ||
Genre | ||
Abstract |
|
ARCH+ features3 / 101
13
49
60
64
68
73
74
75
78
93
98
00:00
Liner <Bauwesen>BathroomLecture/Conference
01:57
CohousingBauenComputer animationLecture/Conference
02:49
WohnungsbauBauenMeeting/Interview
05:19
WohnungsbauComputer animationLecture/Conference
06:03
Capital (architecture)InnenraumMeeting/Interview
08:19
WohnungsmarktWohnungsbestandComputer animationLecture/Conference
08:50
WohnungsbauBauträgerWohnungsmarktApartmentMieteMeeting/Interview
10:19
HouseGemeindebauWohnungsbauCity blockApartmentGrünflächeComputer animationLecture/Conference
11:29
WohnungsbauWohnungsmarktWohnungsbestandPropertyApartmentGrade (slope)Lecture/Conference
12:47
WohnungsbauHolzfensterArchitectGrade (slope)ArchitectDimension stoneComputer animation
15:14
WohnungsbauArchitectureNeubauArchitectFertigbauHollein, HansBauenUrban designEigenheimBaugrubeFertigbauteilStabdübelApartmentBaubehördeLecture/Conference
20:57
AnbauWohnungsbauComputer animation
22:03
Lecture/Conference
23:40
ParkBridgeComputer animationLecture/Conference
24:38
ArchitectureLecture/Conference
26:15
Computer animationLecture/Conference
27:04
LodeWohnungsbauLecture/ConferenceMeeting/Interview
27:55
Lecture/Conference
Transcript: German(auto-generated)
00:11
Also danke an Lin und danke Nikolaus Kuhnert für die Einladung heute hier sprechen zu dürfen. Ich bin immer wieder erstaunt und überrascht, wie viel
00:25
Energie es scheinbar in Berlin gibt und das hat vielleicht die eine oder anderen Gründe, die vielleicht auch mit unserem Forschungsprojekt, über das ich heute kaum sprechen werde, nur ganz kurz in Ansätzen auch zu tun hat, nämlich mit der Verknappung und dem, was man dann heute so schön
00:44
Austerity Policy nennt, also Sparpolitik, die unhinterfragt passiert, die danach auch darin endet, dass plötzlich alte Männer, Ökonomen, die die Krise, die in der wir jetzt leben, verursacht haben, plötzlich ganze Regierungen,
01:00
ganze Länder leiten. Mein Vortrag nimmt den Imperativ dieser Veranstaltung heute, aber auch dieses Wochenende auf und wird über kooperativ Stadtbau sprechen. Und ich frage danach, wie können
01:22
Baugruppen eine Reform der Wiener Wohnungspraxis und damit auch der Wiener Stadtbaupraxis bewirken. Also ich werde weniger über Baugruppen und Berlin sprechen, ich kenne mich da kaum aus, nur ein guter Freund von mir, ist ein jahrzehntelanger Partizipationsfuchs in Berlin, da kann
01:43
ich ein bisschen, da habe ich ein wenig Einblick darüber. Also was ich sprechen werde ist darüber, wie können Baugruppen, also ein sehr liberalisiertes Modell eigentlich in einer Stadt, die sozialdemokratisch seit fast 100 Jahren regiert wird, wie können Baugruppen eine Reformbewegung
02:02
werden und wie könnte dann dieses Modell auch quasi woanders hin transportiert werden. Das heißt, es geht mir um die Fragen, wie kann man wirklich kooperativ und gemeinsam an der Stadt bauen und nicht an einzelnen Objekten. Wie können wir gemeinsam ein emanzipiertes städtisches
02:22
Kollektiv denken und realisieren und uns nicht in ein Inseldasein mit Gleichgesinnten abdrängen lassen. Und es geht mir darum, wie wir neue zeitgenössische und kollektive Wohnformen entwerfen können und nicht in einer bürgerlichen Wohnidee verharren. Mein Argument ist, dass
02:48
Baugruppen nur dann eine echte Reformbewegung im Allgemeinen für die Stadt, aber auch ganz speziell für Wien werden können, wenn sich Baugruppen von der Frage des Bauens und des immerwährenden Wachstums
03:03
verabschieden. Vielmehr, so argumentiere ich, würde es für eine echte politische Baugruppenbewegung darum gehen, danach zu fragen, wie man gemeinsam leben und damit auch gemeinsam, also als städtisches Kollektiv, wohnen und gemeinsam arbeiten kann. Also der Vortrag ist in
03:24
vier Abschnitte unterteilt. Im ersten Abschnitt werde ich ganz kurz über den Wohnungsbau als politische Praxis sprechen, dann ganz die aktuelle Wohnbaupraxis in Wien umreißen. Als dritten Punkt werde ich dann kurz das Modell Baugruppe strukturell analysieren, also danach
03:43
fragen, woher die Fugur des Unternehmers kommt und wie man Partizipation in einer zeitgenössischen Ökonomie auch verstehen kann. Ich werde da keinen Exkurs in die 80er Jahre machen, also nicht in das Jahrzehnt von Thatcher und Reagan, sondern ich werde einen Exkurs in die 1960er
04:01
Jahre machen. Zu guter Letzt komme ich dann auf die Frage zurück, wie man nach diesem emanzipativen städtischen Kollektiv, wobei dieser Schluss wohl eher eine Skizze bleiben wird, weil die Zeit nicht reicht und ich alleine das auch nicht denken kann. Ich
04:21
glaube, was auch ganz wichtig wird, dann vielleicht in der Diskussion später, dass wir nicht hier nur alleine am Podium sitzen. Ursprünglich waren ja eigentlich ausschließlich Männer. Durch die Absage oder die Krankheit von Grishinidze sind es zumindest ein Drittel Frauen, die am Podium sitzen, aber dass man dann auch irgendwie gemeinsam über diese Dinge sprechen.
04:56
Wohnbau als politische Praxis. Der moderne Wohnbau, den wir heute
05:01
kennen und den wir heute diskutieren, hat immer schon eine politische Dimension und changiert zwischen Kontrolle und Emanzipation. Also auf der einen Seite, also seit dem Entstehen des bürgerlichen Wohnens seit der französischen Revolution, ist der Wohnbau immer mit direkt mit der
05:20
Frage der Politik verbunden, also unter anderem dem Hygienediskurs, den wir alle kennen, der dann in den 20er Jahren ganz wichtig wurde, aber als nach der Frage der Regierbarkeit und der Kontrolle von Menschenmassen in der Stadt. Und zum anderen ist der Wohnungsbau seit der Industrialisierung eng mit der sozialen Frage verbunden, also mit einem emanzipatorischen
05:43
politischen Wollen. Ideologisch betrachtet, würde ich behaupten, ist der Wohnungsbau in einem Dreieck aufgespannt. Zum einen gibt es die liberale Position, die heute immer bedeutender wird, die die soziale Frage negiert, die quasi auf Eigenverantwortung plädiert
06:01
und uns allen verspricht, dass wir aus uns selbst heraus im Wettbewerb gegen andere uns realisieren können. Dann gibt es eine sozialdemokratische oder sozialistische Position, die wir heute hier in Wien sehr gut kennen, die ganz pragmatisch mit der sozialen Frage umgeht, nämlich indem
06:21
sie sagt, leistbares Wohnen löst die soziale Frage. Zu guter Letzt gibt es eine kommunistische Position, die heute in diesem populären Diskurs irgendwie vollkommen abhandengekommen ist, die irgendwie eine Position des Außen darstellt, nämlich die auf dem Standpunkt steht, nur durch eine
06:42
revolutionäre Politik kann die soziale Frage gelöst werden. Die vor allem führen, spannt sich meist in einer Opposition zwischen dieser liberalen Position, also dem liberalen Markt und dem sozialdemokratischen oder besser gesagt sozialliberalen geförderten Markt des ehemaligen
07:04
Wohlfahrtsstaates auf. In den letzten Jahren lässt sich jedoch beobachten, wie sich der vormals öffentlich geförderte Markt als Wohlfahrtsstaat sich immer mehr der liberalen Hypothese gegenüber öffnet und annähert. Die öffentliche Diskussion wird immer mehr so geführt,
07:23
als ob es keine soziale Frage mehr gibt, also es gibt keine Armen mehr, es ist ein ganz berühmtes Argument, das Peter Sloterteig immer wieder anführt, dass es uns im Weltinnenraum des Kapitals ja eh alle gut geht und tatsächlich jeder sein Glück für sich im Wettbewerb gegen den anderen,
07:41
also das habe ich schon gesagt, finden wird. Dadurch wird aber gleichzeitig die Idee des Wohlfahrtsstaates und des sozialen Liberalismus, also eigentlich die Errungenschaften Europas seit dem zweiten Weltkrieg sukzessive verabschiedet. Das hängt ganz stark mit einer EU-Politik zusammen, also da gibt es 2000 das Lisbon Agreement, dass
08:01
die EU zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt machen wollte. In Anlehnung daran gab es eine nationale Politik, die zum Beispiel in der Agenda 2010 in Deutschland gemündet hat, unter der rot-grünen Regierung, unter Gerhard Schröder.
08:20
Tilo Sarasin, den wir heute aus ganz anderen Kontexten kennen, nämlich in seiner Publikation, der war damals Finanzsenator 2003 in Berlin, hat 40 Prozent, wenn die Zahlen stimmen, des kommunalen Wohnungsbestandes verkauft bzw. die Nachfolgefinanzierung gestrichen und dadurch natürlich eine
08:43
ganz spezielle Situation unter anderem auch am Wohnungsmarkt in Berlin kreiert. In Österreich gab es die schwarz-blaue Regierung, die weitreichend Privatisierungen durchgeführt hat, unter anderem zum Beispiel der umstrittene Buwok-Verkauf. Also in diesem Kontext
09:05
spielt dann, denke ich, und da würde ich argumentieren, die demokratische Wohnbaupraxis der Stadt Wien eine spezielle Rolle und ist eine Ausnahme, auch heute noch. Und ich spreche da nicht über das rote Wien und den Mythos darüber. Die Stadt Wien hat keine Wohnungen verkauft und hat das
09:26
Fördersystem in den 1990er Jahren liberalisiert und damit, so meine ich, hat die Stadt Wien ihren Einfluss auf den Wohnungsmarkt durch intelligente Politik ausweiten können. Indem sie Bauträgerwettbewerbe 1995 eingeführt hat, hat
09:42
sich die Stadt einerseits dem Diktum des Liberalismus geöffnet. Also nicht nur gemeinnützige Bauträger dürfen plötzlich bei Wettbewerben Mieten machen und den geförderten Wohnbau betreiben, sondern auch private. Gleichzeitig wird dann auch eine Qualitätssicherung, also nach liberalem
10:01
Standard eingeführt, das durch ein Bewertungsmodell ist, das Säulenmodell, das berühmte hier in Wien. Gleichzeitig zu anderen Städten ist aber die Stadt Wien ihren sozialdemokratischen Wurzeln oder Ideen halbwegs treu geblieben.
10:21
Es werden die Förderungen an ganz bestimmte Förderkriterien geknüpft und die Wohnungen sind immer noch mietreguliert. Das heißt, effizientes Wirtschaften, Beurteilungskriterien, Wettbewerber und Qualitätssicherung sind heute, diese liberalen Schlagworte sind heute integraler Bestandteil der Wiener Wohnbaupraxis.
10:43
Gleichzeitig mit dieser Einführung hat sich die Stadt Wien schleichend aus der Eigenproduktion verabschiedet, also der letzte Gemeindebau wurde 2004 realisiert. Also in anderen Worten hat sich die Stadt Wien oder der Wohnbau der Stadt Wien seit 1934 vom Superblock, also hier sehen sie die Stadt
11:04
Wien mit ihren Outlines, die schraffierten Flächen sind die Grünflächen der Stadt und der Rest sind die Superblocks, die bis 1934 gebaut wurde. Also die Stadt Wien hat sich vom Superblock oder der Wohnbau der Stadt Wien hat sich vom Superblock zur Überstadt entwickelt. Also hier eine
11:22
bis jetzt immer noch unvollständige Katagraphierung der Gemeindewohnung und des geförderten Wohnbaus in Wien heute. Der Status quo ist also eben ganz anders als in Berlin, dass die Stadt
11:40
Wien direkt oder indirekt die Hälfte des Wohnungsmarktes in Wien kontrolliert oder zumindest beeinflusst. Zudem ist der Wiener Wohnungsmarkt traditionell ein Mietermarkt. Also man kann sagen nur 22 Prozent der
12:01
Wohnungen in Wien sind eigentumsbasiert, also im Gegensatz zu Belgien, wo es 95 Prozent sind und es zu dem öffentlich geförderten und Gemeindewohnbau, also der Gemeinde gehört immer noch 27 Prozent des Wohnungsbestandes in Wien und 21 Prozent sind vom gemeinnützigen Genossenschaften.
12:25
Zusammenfassend kann man sagen, dass das Modell Wiener Wohnbau eine fantastische soziale Praxis ist, auch wenn vielleicht der eine oder andere hierin dem nicht übereinstimmt. Es fördert bis zu einem bestimmten Grad
12:42
räumliche soziale Durchmischung. Also es gibt in Wien keine No-Go Areas, es gibt keine Bezirke, die explizit mit Unterschicht, so wie Neukölln oder so, in Verbindung gebracht werden. Es gibt sogar im 18. Wiener Gemeindebezirk
13:02
oder im 19., also eben auch im 19., traditionell einfach auch Wohnbau. Der Wiener Wohnbau deckt ein großes soziales Spektrum der städtischen Bevölkerung ab. Also es gibt natürlich blinde Flecken nach unten, die problematisiert werden müssen, aber prinzipiell ist es eine große Bandbreite.
13:23
Es fördert stabile und leistbare Mietverhältnisse und einen extrem hohen Standard des Wohnens, also sein es jetzt Holzfenster im geförderten Wohnbau und die Quadratmeter Anzahl pro Person im Moment liegt bei 40 Quadratmeter.
13:42
Zum anderen muss diese Wohnbaupraxis in Wien heute unbedingt problematisiert werden, also ich bin nicht uneingeschränkt ein Fan dieses Teils. Auf der einen Seite ist es total anachronistisch organisiert, also zentralistisch und extrem hierarchisch. Die Politikerinnen haben
14:05
ein eigenartiges, paternalistisches Auftreten in dieser Stadt. Der Wohnungsbau scheint ausschließlich irgendwie zu einem Machtinstrument geworden zu sein, aber der wichtigste Punkt denke ich ist, dass leistbares Wohnen für bestimmte Gruppen in der Stadt und in der Gesellschaft ein
14:23
Problem geworden ist. Ich komme nun zu der Praxis der Baugruppe. Also in dieser Situation, die es jetzt gerade in Wien gibt, 50 Prozent wird von der Stadt kontrolliert oder mitbestimmt, was passiert. Die Stadt gibt ja auch die
14:44
Grundstücke her. In dieser Situation machen sich die Baugruppen im öffentlichen Diskurs in Wien immer öfter bemerkbar und proklamieren, den Wohnungsbau zu reformieren. Baugruppen, wie sie heute popularisiert werden, lassen sich folgendermaßen
15:00
meiner Meinung nach charakterisieren, nämlich erstens, es entsteht der Eindruck, als ob Baugruppen ein neues Geschäftsmodell junger Architektinnen ist. Architektinnen werden also zu Unternehmerinnen und Produzentinnen. So zum Beispiel sind die Experiment Days ausschließlich von Architektinnen initiiert und nicht von Konsumentinnen, die gerne
15:23
Bewohnerinnen werden wollen. Ich habe es am Anfang gefragt, wer denn aller Nicht-Architekt ist hier im Raum. Doch etliche, gut. Aber auch diese Bewohnerinnen, also vielleicht diese Nicht-Architektinnen hier im Raum,
15:43
werden zu Unternehmerinnen. Auf das komme ich gleich zurück, denn bei Baugruppen geht es um Neubau. Das hat zwei Implikationen, die Herr Schönig schon vorher irgendwie auch ganz gut umrissen hat in seinem Programmprojekt oder seinem Untertitel Programmprojekt und
16:03
Prozess. Nämlich erstens, dass diese Baugruppen immer um einen partizipativen Bauprozess herum organisiert sind und nicht um einen partizipativen Wohnprozess. Und zweitens, die Baugruppe ist ein Modell der Geldanlage. Also nicht immer, aber dieser popularisierte Begriff der
16:24
Baugruppe. Ganz oft hört man dann in Berlin, das ist ja Altersvorsorge. Also es geht um Mehrwertproduktion ganz allgemein. Und drittens, Ziel, Motivation und Anreiz für die individuellen Teile einer Baugruppe,
16:43
also für die zukünftigen Bewohnerinnen, ist immer das Eigenheben nach den eigenen individuellen Wünschen und Vorstellungen zu bauen, also mehr Raum für weniger Geld zu generieren. Das spiegelt meiner Meinung nach den hohen Grad der Individualisierung der
17:01
Gesellschaft wider. Diese charakteristische Unternehmertum, Partizipation und Individualisierung sind jedoch keine neuen Erscheinungen oder Phänomene, sondern sie bilden für mich oder sie haben sich eigentlich in der Architektur mit den 1960er Jahren herausgebildet, also im Übergang
17:23
von einem ökonomischen Modell, nämlich dem Fortismus hin zum Postfortismus. Also in diesem Moment beginnt die Arbeit, diffus zu werden und die vormaligen Grenzen, die wir als Architektinnen und Architekten ganz gut kennen, nämlich Arbeit, Freizeit und Wohnen, also diese modernistischen
17:44
Städtebauparatigmen, verschwimmen plötzlich. Es ist ein Moment, in dem die immaterielle Arbeit Teil unserer mehrwertproduzierenden Ökonomie wird, also ob es jetzt die Kommunikation ist, Sprichwort Networking oder auch die kreative Arbeit. Das sind beides ursprünglich bürgerliche Ideen
18:03
von Arbeit, die eher in der Freizeit angesiedelt sind. Kreative Arbeit heute irgendwie das Stichwort Creative Industries. Es ist aber auch ein Moment eben, in dem die die Arbeiterklasse scheinbar zu verschwinden anfängt und längerfristig somit auch die soziale Frage. Die
18:20
Notwendigkeit für sozialen und öffentlichen Wohnbau wird dann plötzlich im populären Diskurs immer mehr obsolet. Also es entsteht auf der einen Seite das unternehmerische Selbst in den 1960er Jahren, das ist nicht ein Begriff von mir, sondern von einem deutschen Soziologen Ulrich Bröcklin, der das in ein Buch geschrieben hat mit
18:41
dem gleichen Namen. Dieses unternehmerische Selbst übernimmt Verantwortung und wird performativ, das sieht man dann in den 60er Jahren, hier in Österreich kennen wir sie alle, Coop Himmelblau, Haushocker Co., aber auch Hans Hollein mit seiner TV-Performance Mobile Office. Also die ganzen Architekten werden plötzlich performativ und in dem
19:06
Zeitraum der Architektur. Im gleichen Moment werden auch die Kolleginnen und Kollegen in den 60er Jahren kritisch und reflektieren kritisch die Gesellschaft. Zum Beispiel Missing Link hat ganz viele Texte
19:21
geschrieben, die ganz interessant sind. Konkret auf Baugruppen zurückzuführen ist dieses unternehmerische Selbst, denke ich, am besten bei Fritz Matzinger zu sehen, einem oberösterreichischen Kollegen, ich weiß nicht ob er da ist heute, der am 26. Januar 1974 diese Annonce in den oberösterreichischen Nachrichten
19:44
lanciert hat und damit sein Erfolgsmodell der Baugruppe Le Palais Trovier initiiert hat. Diese 738.600, das sind keine Euro, sondern Schilling und das sind heute 53.000 Euros umgerechnet. Ich weiß aber nicht
20:04
genau und kann das nicht sagen, wie viel das damals wert war. Er sagt immer, er war viel viel billiger als der damals geförderte Wohnbau. Ich glaube, das stimmt, habe ich anders untersucht. Der zweite Punkt, der in den 60er
20:20
Jahren sich herausentwickelt ist eben über die Rationalisierung, die Teilhabe, die Partizipation eng mit der Rationalisierung von Arbeitsprozessen in den späten 50er Jahren und den darauffolgenden Aufwertungen von Arbeiterinnen weg vom Fließband hin zum Experten und zum Kreativen
20:43
verbunden. Damit einhergehend gibt es natürlich einen großen Schwung an Rationalisierung von Bauprozessen, der Fertigteilbau macht das Bauen billiger, man kann aber gleichzeitig auch diesen Fertigteilbau flexibilisieren.
21:02
Ich glaube, diese Partizipation macht da dann etwas anderes, eben dieses Verantwortung übernehmen, sich selbst organisieren, ist da wieder im Rückerschluss auch dieses Unternehmerisch werden. Aber zurück zur Partizipation und zu Wien. Ich glaube, der Otto Kaul, der vorletzte
21:21
Woche leider gerade verstorben ist und hier in Österreich viel zu selten und zu wenig reflektiert wurde, der hat zwischen 1973 und 1983 zum Beispiel den kommunalen Wohnbau in der Festgasse in Wiener Gemeindepizirk mit einem
21:43
partizipativen Planungsprozess begleitet und entwickelt das hier eben ein Beispiel davon. Und dieses Projekt Festgasse bringt mich zurück zu meiner eingangs erwähnten Frage, nämlich wie nun Baugruppen eine Reformbewegung, im
22:03
Besonderen für die Stadt Wien werden können und wie wir kollektiv an der Stadt bauen können. Um diese Frage zu beantworten, müssen wir noch einmal ganz kurz Aspekte der zeitgenössischen Praxis der Baugruppen problematisieren und
22:23
danach fragen, wer kann an einer Baugruppe, so wie sie im Moment in so einer Debatte steht, wirklich teilnehmen. Also wer kann sie das leisten, wer hat die Mittel dazu bei einer Baugruppe mitzumachen, wer hat den Zugang und das Wissen über die Baugruppe und den Planungsprozess, ist
22:43
dieser wirklich bottom up, wenn Architektinnen Baugruppen initiieren, wo ist dann die Hierarchie und wer hat Zeit für einen derartigen langwierigen Planungsprozess und bzw. wer kommt für diesen langen Planungsprozess auf.
23:00
Es kann nicht sein, dass, also da würde Jesko Feser total widersprechen, dass man sagt, man tut dann einfach öffentliche Funktionen integrieren in einer Baugruppe. Was damit passiert, ist eigentlich nur, dass wieder Konsum passiert und man quasi die
23:22
Stadt immer mehr outsourcen kann. Also die Frage ist dann, wer kann sie das leisten und wer kommt für diese Leistung, die wir als Baugruppen oder Wohngruppen für die Gesellschaft leisten, wie werden die auch abgegolten. Also das ist ja nicht nur so, dass das alles lustig ist.
23:42
Ein Beispiel, das quasi mir sehr am Herzen liegt, das Sie alle kennen natürlich und vielleicht die Brücke zu Berlin und Wien schlägt, ist die Kastanienallee 77, die unter anderem von Matthias Heiden initiiert wurde und aus einer Hausbesetzung heraus entstanden ist.
24:02
Das ist interessant an der Kastanienallee 77. Für mich ist es, dass es eben eine versucht, eine neue Typologie zu entwickeln, nämlich das Ein-Küchen-Haus, dass es eine flexible, zusammenschaltbare Wohneinheiten gibt und vor allem aber auch eben wieder mal das Wichtige daran ist, dass es
24:26
ein gemeinnütziger Verein war, der das dann entwickelt hat. Also die Antwort auf die Frage, wie Baugruppen eine Reformbewegung werden können, liegt darin, meiner Meinung nach, dass es kein Eigentum zu bilden und nicht an Anlageobjekten zu arbeiten, sondern gemeinnützige
24:43
Vereine gründen. Sich von der Idee des Neubaus oder zumindest der Idee des ewigen Wachstums zu verabschieden, sondern als Teil des heterogenen städtischen Kollektivs sich mit dem Bestand einlassen und mit Bestand meine ich nicht nur den räumlichen gebauten Bestand, sondern
25:00
auch den Bestand der Administration zum Beispiel hier in der Stadt. Das heißt nicht nur mit Gleichgesinnten und Gleichdenkenden und Gleichverdienenden konsensual an einem Projekt arbeiten, sondern sich auch auf die Konflikte und Friktionen der Gesellschaft einlassen. Drittens, die Antwort liegt nicht wieder in der Frage der Repräsentation der
25:23
Architektur. Es geht also nicht darum, eine derartige Ästhetik, eine Selbstbau-Ästhetik zu generieren und damit zu sagen, wir sind Baugruppe, weil es ging eigentlich meiner Meinung darum, in einer Baugruppe oder in einer Wohngruppe darum, die nicht repräsentierten Teile
25:46
der Bevölkerung mit denen was zu bauen und zu machen. Es geht also andersrum gesagt um die Organisation von Gesellschaft und von Raum. Wohngruppen, so würde ich eine derartige Organisation von Menschen
26:08
nennen, Wohngruppen beschäftigen sich damit, wie man zusammen leben und zusammen in der Stadt und im Bestand wohnen kann. Also auch, wie man Bestand uminterpretieren kann und reorganisieren. Mit solchen Wohngruppen
26:25
könnte man neue zeitgenössische Ideen und Organisationen von Wohnen realisieren. Ein Wohnen, das auf vielfältige neue Situationen flexibel reagieren kann und auch integrieren kann. Nämlich, ob es jetzt Alleinerzieherinnen sind, Singles, Pensionistinnen und daraus aus solchen
26:45
wirklich nicht nur gleichgesinnten Menschen, die gleichgesinnt an einem Projekt arbeiten, könnten auch neue soziale Dienstleistungen heraus entstehen. Das würde eine Situation der konstanten Veränderung produzieren, eine nachhaltige Veränderung und Reorganisation unserer Gesellschaft.
27:03
Wohngruppen würden ein konstanter Prozess, der sich auf immer neue Situationen anpassen kann und die immer mit dem politischen Ziel vor Augen ein emanzipiertes städtisches Kollektiv zu werden und immer zu werden.
27:21
Man ist es nicht. Das heißt, Wohngruppen würden einen Prozess in Gang setzen, in dem der Prozess die konstante Veränderung selbst nachhaltig wird. Mit der Etablierung von Wohngruppen würde eine echte Bottom-up-Initiative die Stadt von unten herauf als Ganzes ändern und nicht in Inseln von Gleichgesinnten enden. Und so könnten Baugruppen eine
27:44
Reform der Wiener Wohnbaupraxis initiieren. Von Wohngruppen würden die pragmatischen und sozialdemokratisch-sozialistischen Wohnbaupolitik in Wien und vielleicht auch anderswo reformiert werden und vor allem auch reaktualisiert werden. Danke.
Recommendations
Series of 101 media