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Warum Lügengeschichten so gut funktionieren

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Formale Metadaten

Titel
Warum Lügengeschichten so gut funktionieren
Serientitel
Teil
8
Anzahl der Teile
188
Autor
Lizenz
CC-Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland:
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Herausgeber
Erscheinungsjahr
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Inhaltliche Metadaten

Fachgebiet
Genre
Abstract
Die Psychologie hinter Fakes: Wie wütende User und obskure Blogs Unsinn im Netz verbreiten, wieso dies so wirkungsvoll ist und was wir dagegen tun können.
HypermediaMicrosoftGewicht <Ausgleichsrechnung>XMLComputeranimationVorlesung/Konferenz
Lokales MinimumVorlesung/Konferenz
Vorlesung/Konferenz
FacebookVorlesung/Konferenz
INGA <Programm>Haar-MaßWeb logVorlesung/Konferenz
Web logInternetVorlesung/Konferenz
IBMInternetSoftwareentwicklerVorlesung/Konferenz
IBMOffene MengeVorlesung/KonferenzComputeranimation
RichtungWort <Informatik>BaumechanikWeb logVorlesung/KonferenzComputeranimation
IBMNeWSInhalt <Mathematik>RollbewegungGesetz <Mathematik>Quelle <Physik>InformationBaumechanikComputeranimationVorlesung/Konferenz
IBMWeb logVorlesung/Konferenz
IBMWort <Informatik>Vorlesung/Konferenz
IBMMilan <Programmiersprache>Vorlesung/Konferenz
Apple <Marke>InternetInformationKognitionswissenschaftVorlesung/Konferenz
Wort <Informatik>RegelungZusammenhang <Mathematik>Besprechung/Interview
InformationVorlesung/KonferenzBesprechung/Interview
InformationZusammenhang <Mathematik>Vorlesung/KonferenzBesprechung/Interview
InternetVorlesung/Konferenz
IBMTwitter <Softwareplattform>Soziale SoftwareComputeranimationBesprechung/Interview
InternetInformationVorlesung/KonferenzBesprechung/Interview
StellenringFacebookInternetRandVorlesung/KonferenzBesprechung/Interview
Head-mounted DisplayVorlesung/Konferenz
IBMSIMA-DialogverfahrenTyp <Informatik>Vorlesung/KonferenzBesprechung/Interview
Vorlesung/Konferenz
Besprechung/Interview
InformationHöheVorlesung/KonferenzBesprechung/Interview
IBMNetzwerk <Graphentheorie>TRAMO <Programm>InformationVorlesung/KonferenzBesprechung/Interview
TOUR <Programm>Toter WinkelGebiet <Mathematik>MomentenproblemInformationVorlesung/Konferenz
DatensatzInformationSoundverarbeitungVorlesung/KonferenzBesprechung/Interview
GravitationsgesetzVorlesung/Konferenz
GRADESoundverarbeitungVorlesung/Konferenz
NeWSInformationVorlesung/Konferenz
IBMComputeranimation
InformationVorlesung/Konferenz
IBMLokales MinimumKAM <Programm>TINA <Telekommunikation>TOUR <Programm>Vorlesung/Konferenz
BiproduktAuswahlaxiomVorlesung/Konferenz
IBMVorlesung/KonferenzComputeranimation
Wort <Informatik>EckeFacebookVorlesung/KonferenzBesprechung/Interview
LinieGravitationsgesetzVorlesung/Konferenz
Inhalt <Mathematik>FacebookVorlesung/Konferenz
IBMPICA <Bibliotheksinformationssystem>Lösung <Mathematik>InternetSpur <Informatik>Vorlesung/KonferenzBesprechung/Interview
IBMMicrosoftVorlesung/KonferenzJSONXML
Transkript: Deutsch(automatisch erzeugt)
Hallo, liebes Republikapublikum. Schön, dass ihr alle so zahlreich da seid. Wie wütende User Unsinn im Netz verbreiten, warum dies so wirkungsvoll ist und was wir dagegen tun können, das interessiert euch offensichtlich. Darum seid ihr hier und das ist gut so. Ich freue mich sehr,
die gleich die Bühne an Ingrid Brodnik zu übergeben. Sie ist Redakteurin für das Nachrichtenmagazin Profil aus Österreich. Und letzte Woche ist ihr neues Buch erschienen, Hass im Netz. Das darf ich euch auch schon mal zeigen. Man kann es überall bestellen.
Ich freue mich sehr, dass Ingrid heute hier ist und übergebe für ihren Vortrag nichts als die Wahrheit, warum Lügengeschichten so gut funktionieren. Etwas ist neu in der digitalen
Debatte und ich vermute, deswegen sind wir auch alle hier. Nämlich seit mehreren Monaten erleben wir ein Ausmaß an Falschmeldungen und Lügengeschichten, die es im deutschsprachigen
Raum so bisher nicht gegeben hat. Das Faszinierende an diesen Lügengeschichten ist, wie ungeheuer erfolgreich sie sind und wie gut sie es schaffen, das politische Klima zu giften. Ich möchte von einem Telefonat erzählen, das mich sehr zum Nachdenken gebracht hat. Es war
ein Telefonat mit einer sogenannten besorgten Bürgerin. Ich habe zum Thema Lügenpresse recherchiert und Menschen kontaktiert, die sich besonders kritisch gegenüber Medien äußerten. Am Apparat hatte ich dann eine zweifache Mutter, eine Österreicherin, die anonym
bleiben wollte und der die Angst regelrecht in der Stimme lag. Sie erzählte mir, ich stehe in der Früh mit Zweifeln auf und lege mich abends mit Zweifeln nieder. Ihre Zweifel werden auch auf Facebook genährt, denn neben klassischen Medien konsumiert sie dort auch einige islamkritische
bis islamfeindliche Seiten. Sie folgt zum Beispiel Pegida, den selbsternannten patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendslandes. Sie folgt dem umstrittenen Info Direct Magazin oder einer Seite, die sich nennt Der Infokrieger und dort erhält die Frau
dauernd erschreckende Geschichten, bekommt sie auch eingeblendet, die sie sonst nicht liest. Zum Beispiel erfuhr sie dort, dass es allerlei schlimme Meldungen aus Skandinavien gibt, wonach beispielsweise blonde Frauen in Schweden sich die Haare schwarz färben würden, aus Angst,
sonst von Muslimen vergewaltigt zu werden. Rechte Blogs schreiben generell gerne über Schweden, dass es die Hölle auf Erden sei. Wirklich, Hölle auf Erden ist ein echtes Zitat. Solche Horrorgeschichten sind natürlich ein Unsinn. Schweden ist eines der sichersten Länder der Welt und ich zum Beispiel kenne auch einige Schwedinnen, die ganz normale blonde Haare
haben, aber solche krasse Behauptungen, die wirken und zwar nicht nur bei der besorgten Bürgerin, die ich dann am Apparat hatte. Sie wirken aufgrund der Wiederholung. Menschen bekommen diese Nachrichten immer wieder eingeblendet und sie fragen sich, wenn ich
so oft lese, ist da nicht etwas dran? Ganz nach dem Motto, wo Rauch ist, ist da nicht auch Feuer? Das Internet ist nicht die Ursache dafür, dass es Falschmeldungen gibt. Es ist auch nicht die Ursache, dass wir eine Polarisierung in der Gesellschaft beobachten können. Wohl aber ist es bei vielen Entwicklungen wie ein Katalysator. Es treibt diese noch
weiter an und wir können sehen, dass im Internet Mechanismen, menschliche und technische Mechanismen dazu führen, dass Lügengeschichten besonders gut verbreitet werden. Ich will in diesem Vortrag zum einen diese Mechanismen ein bisschen anreißen und beschreiben und zum anderen dann auch Lösungsvorschläge liefern. Was wir tun
können, wenn uns das nicht behakt. Als erstes einmal ein Beispiel. Viele werden das auch schon selbst beobachtet haben, aber ich finde, es illustriert die Thematik sehr schön oder auch schön. Im vergangenen Herbst kursierte im Netz die Meldung, dass Bürgerkrieg in Schweden ausgebrochen sei. Mir fiel sie zum Beispiel am 23. November bei der Seite asylterror.com auf.
Dort lautete die Überschrift, man kann sie auch hier lesen, Schweden auch von einem Bürgerkrieg wegen der Flut an islamischen Migranten ausgebrochen. Und im Text stand dann, es ist tatsächlich passiert, wovor alle Bürger die Politik
gewarnt hatten. In Schweden ist quasi eine Art Bürgerkrieg ausgebrochen. Also diese Seite behauptet, die wirklich Krieg ist in Schweden. Und wer näher hinschaut, den Beitrag Lars, der sah, dass die überhaupt nicht recherchiert hatten, sondern die einfach die Meldung kopiert hatten von einer anderen Seite. Dort findet man nämlich VortiTent die gleiche
Meldung. Es handelt sich um die Seite brdschwindel.org und die geht genau in die Seite. Wenn man dann weiterklickt, die liest wieder eine neue Quelle auf, findet man das schweizmagazin.ch, eine Schweizer Seite, die hat diese Meldung auch VortiTent. Und die hat das
aber auch nicht selbst recherchiert, sondern die hat das von einer englischsprachigen Seite übernommen und einfach übersetzt und dann eben quasi auch kopiert. Und zwar von powdered rig society. Das ist ein englisches, ein amerikanisches Blog, das recht rechts ist. Und dieses Blog sprach eben vom Civil War in Sweden. Ich zeige das hier. Wir gehen also
einen Schritt weiter. Powdered rig society. Und wenn man dorthin geht, ist es noch immer nicht die ursprüngliche Quelle und die haben das auch immer nicht recherchiert, sondern man geht dann noch eins weiter. Hier. Man geht noch eins weiter und dann kommt man zum Jewsnews. Jewsnews ist eine israelische Seite, die islamfeindliche Inhalte verbreitet,
oft auch Sachen, die dann so nicht stimmen. Und die haben diese Meldung von Civil War in Sweden, Civil War in Sweden erupts in die Welt gesetzt. Und wenn man sich fragt, wo haben die diese Informationen her, Quellen wären da keine genannt, aber wenn man dann Ausschnitte googelt, die dann vorkommen, dann findet man einen Artikel von RT.com, Russiatoday.com.
Da lachen Menschen immer. Ich möchte jetzt aber fair sein und sagen, Russiatoday.com hat einen total okayen Artikel geschrieben, der ist nicht so schlimm, da kommt nie das Wort Bürgerkrieg vor, sondern die haben einen Artikel geschrieben, dass es arg ist, nämlich,
dass so viele Brandanschläge jetzt auf schwedischer Asyleinrichtungen stattgefunden haben. Und das muss man sich immer durch den Kopf gehen lassen. RT.com, eine vom russischen Staat finanzierte Seite, macht einen durchaus okayen Beitrag, der nicht wahnsinnig tendenziös oder so war, muss ich echt sagen. Aber die schreiben über rechte Gewalt und das
islamfeindliche Blog. Juice News macht dann daraus die Geschichte, dass Bürgerkrieg ausgebrochen ist. In meinen Augen werden da Flüchtlinge vielleicht zweimal unfair und von gemeinsten Methoden behandelt, nämlich zuerst werden ihre Flüchtlingsheime angezündet und dann heißt es, sie hätten einen Bürgerkrieg ausgelöst, den es gar nicht gibt. Hier wird
versucht, rechte Gewalt als Aufstand von Bürgern darzustellen. Das ist schon ziemlich perfide. Und wir können an diesem Beispiel wunderbar erkennen, wie Desinformation um den Globus reißt. Wenn dann ein Bürger, nämlich in Deutschland, die Worte Schweden und Bürgerkrieg
eintippt, dann findet er hunderte Ergebnisse und denkt sich, wow, in Schweden muss die Situation wirklich furchtbar sein. Ich brauche kurz Hilfe mit dem Mikro, wenn das geht. Okay,
danke. Ich habe versucht, das jetzt seit fünf Minuten zu lösen, aber es funktioniert nicht so gut. Passt, danke. Gut, das Beispiel zeigt, wie aus einer Meldung, wo quasi rechte
Gewalt thematisiert wird, eigentlich geht das genaue Gegenteil gemacht wird, nämlich, dass es auf einmal heißt Bürgerkrieg. Und wir sehen hier, wie Desinformation im Internet funktioniert, wie Panikmache im Internet funktioniert mit dem Copy-Paste-Prinzip.
Die Frage ist aber, warum ist das denn so effizient? Warum funktioniert die Wiederholung so ungeheuer gut? Und da können wir sehr interessante Antworten in der Kognitionswissenschaft finden, nämlich der Psychologe Donald Hepp hat schon in den
1940er Jahren festgestellt, wie Menschen lernen, nämlich mit der Wiederholung. Unser Hirn feuert Neuronen ab, wenn es Ideen verarbeitet. Wenn wir mehrere Eindrücke gleichzeitig wahrnehmen, wenn zum Beispiel in einem Satz mehrere Worte enthalten sind, dann feuern mehrere Neuronen gleichzeitig ab. Und zwischen diesen Neuronen entstehen
sogenannte synaptische Verbindungen. Und je öfters diese Worte zum Beispiel in einem Zusammenhang gebracht werden, desto stärker sind die synaptischen Verbindungen. Das heißt, insgesamt wird das bezeichnet als Heppsche Lernregel. Und im Englischen gibt es einen schönen Merksatz dafür, Neurons that fire together wire together. Neuronen,
die gemeinsam losfeuern, die verbinden sich auch. Jeder kennt das aus der Schulzeit, wenn man sich nicht merken kann, wann was passiert, zum Beispiel, dass die französische Revolution im Jahr 1789 war, dann sagt man das fünfmal, hundertmal auf und irgendwann weiß man es dann. So funktioniert Lernen. Und je öfter ich zum Beispiel höre, dass Bürgerkrieg
in Schweden sei, je öfter ich die Information Bürgerkrieg und Schweden miteinander in Verbindung bekomme, desto geläufiger ist diese Information auch in meinem Hirn, desto mehr sickert sie bei mir ein. Und das ist dann aber problematisch, wenn Menschen nur sehr einseitige Informationen erhalten, wenn sie zum Beispiel hören, in Schweden
ist Bürgerkrieg, aber sie niemanden kennen, der ihnen von Schweden wirklich erzählt oder auch keine Artikel lesen, wo das aufgeklärt wird. Dann gerät diese Information nämlich in den Hintergrund. Dazu gibt es ein spannendes Buch von der deutschen Linguistin Elisabeth Wehling namens Politisches Framing und sie schreibt darin, ich lese kurz vor,
je häufiger Ideen sprachlich in einen Zusammenhang gestellt werden, umso mehr werden diese Zusammenhänge Teile unseres ganz alltäglichen unbewussten Denkens, unseres Common Sense. Und eine Information, die wir hingegen kaum noch hören oder gar nicht mehr, die kann als gedankliche Alternative gar nicht mehr bestehen. Das war schon
immer so, das hat nichts mit dem Internet zu tun, nur im Netz beobachten wir etwas Besonderes. Wir können beobachten, dass es zu einer digitalen Abschottung kommt, dass manche Bürger mit manchen Ideen und Fakten nicht mehr in Kontakt geraten und eigentlich ist das irgendwo traurig. Denn eine der wunderbarsten Facetten des Internets
ist ja, dass ich mich total in meine Leidenschaft hineinsteigern kann. Ich möchte ein Beispiel geben. Das ist eigentlich der Vorwand gewesen, dass ich Katzenbilder herzeigen kann. Das ist die Seite Emergency Kittens, eine meiner Lieblingsseiten auf Twitter. Die Idee ist, wenn man sich gerade nicht so gut fühlt oder irgendwie die Arbeit
nervt oder was auch immer, dann kommt eine wunderbare Katze und es geht einem schon emotional viel besser, kann ich bestätigen. Aber das Ganze zeigt, für jeden Geschmack, für jedes Interesse gibt es irgendwo im Netz eine dazugehörige Seite, oftmals ein Social Media Account. Und dort findet man dann auch oft auch Gleichdenkende. Das ist
ja genau das, was das Internet oft zu so einem schönen Erlebnis macht. Nicht mehr so schön ist die Sache allerdings dann, wenn es zur digitalen Abschottung kommt. Wissenschaftler nennen das die Echo-Kammer. Das sind digitale Räume, in denen Menschen Information beziehen, die genau ihrem Weltbild entspricht und
sich mit Menschen auch anderen Personen austauschen, die das genau gleich sehen. In diesen Echo-Kammern halt eben auch die eigene Meinung wie ein Echo zurück. Und gerade in den sozialen Medien, wo jeder User seinen eigenen Feed zusammen bastelt, ist diese Angst vor der Echo-Kammer aktueller, denn je. Es ist sogar so, dass wir die schon messen können. Italienische
Forscher vom Labor für Computational Social Science in Luca haben in einer groß angelegten Untersuchung aufgezeigt, dass es diese Echo-Kammer gibt. Sie haben dabei Facebook analysiert, konkret 32 Fanpages, die Verschwörungstheorie verbreiten und 35 Seiten, die Wissenschaftsneuigkeiten
verbreiten. Und sie haben analysiert in den letzten fünf Jahren, welche Beiträge diese Seiten verbreiten und dann auch, welche User dort gepostet haben, wer geliked hat und ob diese User mit anderen Nutzern in Kontakt kamen. Und es zeigte sich, das passiert kaum. Die Anhänger von Verschwörungstheorien beispielsweise bleiben großteils unter sich. Sie haben
auch wenig Kontakt mit den Anhängern von Wissenschaftsnews. Und ein lustiges Detail am Rande, kommen diese Gruppen dann doch zusammen, das kann man sogar messen, verstehen sie sich überhaupt nicht gut. Im Internet wäre der Andersdenkende zwar nur einen Mausklick entfernt, aber dieser
Mausklick passiert oft nicht. Und das macht das Netz so ungeheuer attraktiv für Menschen, die auch mit Halbwahrheiten und mit Falschmeldungen hantieren wollen. Denn wir können im Netz auch Echo-Kammern der Wut und der
Gemeldungen und oftmals Falschmeldungen wunderbar zirkulieren. Ich habe ihm ein Buch über den Hass im Netz geschrieben und im Rahmen dieses Buch habe ich auch zwei Typen von problematischen Nutzern vorgestellt, die für den meisten Frust im Netz verantwortlich sind. Das eine sind
die klassischen Trolle, das sind User, die provozieren wollen, die naiv scheinende oder total verletzende Wortmeldungen beispielsweise verfassen, mit der Absicht, dass Menschen gar nicht anders können, als sich gekränkt oder wütend zu fühlen. Sie fühlen sich dann emotional erhaben. Trolle sind oftmals auch von Sadismus getrieben, fand eine
kanadische Studie heraus namens Trolls just want to have fun. Aber wenn wir von den Falschmeldungen reden, wenn wir von den Falschmeldungen reden, ist eigentlich eine andere Gruppe, die zweite Gruppe, die
total von einer Sache eingenommen sind, die einen fast schon religiösen Eifer rund um eine Thematik besitzen. Das kann ein politisches Thema oder eine Verschwörungstheorie sein. Oftmals glauben sie, eine Bedrohung erkannt zu haben, die der Rest der Menschheit noch nicht so verstanden hat. Das kann beispielsweise sein, dass angeblich der große Austausch der
Bevölkerung stattfände, wo die Bürger zunehmend von Muslimen quasi ausgetauscht werden. Eine andere These ist, dass die Kondensstreifen am Himmel von Flugzeugen in Wirklichkeit ein Komplott der Chemieindustrie und der Politik sein, um uns alle zu vergiften. Die sogenannte Chemtrails
Theorie. Diese vermeintlichen Bedrohungen rechtfertigen es in den Augen dieser Nutzer aber eben auch so vehement und aggressiv aufzutreten. Ein regelrecht martialisches Diskussionsverhalten zu zeigen, drum nenne ich sie Glaubenskrieger, bei dem sie andere oft auch wegpöbeln. Und viele kennen das sicher aus Diskussionen. Wenn man diesen Nutzer
dann widerspricht, heißt es, man sei ahnungslos, naiv oder gleich selbst ein Lügner. Im Rahmen meiner Recherche für das Buch habe ich mich dann aber auch gefragt, naja, ist nicht jeder von uns ab und zu ein Glaubenskrieger? Ist nicht jeder von uns manchmal ein bisschen unfair oder macht sich vielleicht argumentativ zu einfach? Da ist schon was dran. Im Grunde
sind die Menschen nicht so neutral, wie sich das jeder von uns einredet. Zum einen ist es so, Psychologen haben das festgestellt, dass wir Menschen eine selektive Zuwendung haben. Das heißt, wir suchen eher Information, die unserem Weltbild entspricht. Selective Exposure auf Englisch. Wenn wir dann
Information gefunden haben, werten wir Informationen, die unserem Wissen, das ist der Confirmation Bias. Im Gegensatz dazu, eine Information, die uns nicht so ganz passt, die wird von uns auch nicht so ganz ernst genommen. Das ist der Disconfirmation Bias. Und dann gibt es noch einen Überbegriff für
all diese Vorgänge, bei denen wir so quasi nicht so ganz sachlich vorgehen. Das heißt Motivated Reasoning, motiviertes Denken. Diese Vorgänge passieren unbewusst und sie passieren jedem von uns. Das wirklich Interessante ist, wir können uns aber trainieren, dass wir nicht ganz so unsachlich und nicht ganz so unfair mit Informationen umgehen.
Das Wichtigste ist, sich die Fähigkeit zu behalten, noch mit Andersdenkenden diskutieren zu können. Dazu gibt es zwei sehr interessante Studien, die der Kommunikationswissenschafter Dieteram Schreufele von der University of Wisconsin durchgeführt hat. Die erste breit angelegte Untersuchung zeigt, wie wichtig
heterogene Netzwerke sind. Bürger beispielsweise, die auf ihrem Arbeitsplatz oft mit Andersdenkenden in Kontakt kommen. Die kennen sich inhaltlich oft besser aus. Sie konsumieren mehr klassische Medien und sie bringen sich auch politisch häufiger ein. Die Studie trägt den schönen Titel
Democracy Based on Difference, Demokratie basierend auf Unterschieden. Das zweite Experiment von Dieteram Schreufele und seinen Kollegen ist noch umso interessanter, wenn man dies bedenkt, nämlich da mussten Studienteilnehmer sich auf eine Diskussion vorbereiten. Ihnen wurde gesagt, sie würden in Kürze dann mit anderen Menschen
diskutieren zum Thema Nanotechnologie und das eine Drittel der Probanden bekam die Information, sie würden mit Gleichdenkenden sprechen. Das zweite Drittel bekam die Information, sie würden mit Andersdenkenden sprechen und die Dritten bekamen dann gar keine Information. Die Forscher haben gesehen, sie haben die Menschen an einen
Computer gesetzt und einfach geschaut, wie die sich vorbereiten, was sie dann konsumieren und besonders interessant waren diejenigen, die sich darauf mental einstellt, mit Andersdenkenden zu sprechen, denn diese User, die lasen dann vor allem am Computer Texte von Menschen, Kommentare von Menschen, die eine andere Meinung haben.
Sie stellten sich quasi mental auf Gegenargumente ein und wollten sich inhaltlich gefasst machen. Je mehr wir also damit rechnen, sachlich mit Andersdenkenden diskutieren zu müssen, desto mehr denken wir auch die Punkte und die Argumentation des anderen durch und desto mehr kommen wir letztlich, und das ist das Wichtige daran, auf unsere eigenen blinden Flecken.
Sicher kennt das jeder, ab und zu diskutiert man vielleicht mit einem Arbeitskollege und er bringt irgendeine Information, die man nicht kennt. Generell findet man, dass dieser Arbeitskollege immer Dinge total falsch sieht, aber der bringt eine neue Information und im ersten Moment denkt man sich, aha, noch nie gehört und dann kann man gar nicht kontern und
abends liest man dann zum Beispiel auf der Web-Kibete nach und denkt sich, dann hätte ich das sagen können oder stimmt, das ist irgendwie, na ja. Und wenn dieser Kontakt aber nicht mehr stattfindet, also wenn ich mich selbst nicht mehr herausfordern muss, dann besteht die Gefahr, dass es mir argumentativ auch immer leichter macht. Wir machen es uns ja nicht absichtlich so einfach. Wir tun es, weil wir müssen, weil wir in Kontakt
mit Andersdenkenden sind und weil im Face-to-Face- Umgang man den anderen nicht immer sofort als Lügner verblendet oder naiv bezeichnen kann. Das Problem ist eben, dass in den digitalen Umgangs-Echo kann man dieser Austausch selten stattfindet und wenn er stattfindet, extrem konfliktgeladen ist. Das sehen wir beispielsweise, wenn Menschen
dann die Korrektur einer Falschmeldung erhalten. Nämlich wir sehen dann, dass manche Menschen dieser Korrektur einfach nicht mehr glauben wollen. Dann kommt es zu Sätzen wie, das hätte aber wahr sein können oder für mich stimmt die Nachricht weiterhin. Das ist schon richtig schlimm, wenn Menschen nicht mehr auf richtig Stellung eingehen
können, aber im schlimmsten Fall geht es sogar noch einen Schritt weiter. Nämlich manchmal passiert es, dass Menschen, wenn sie mit der Korrektur einer Falschmeldung konfrontiert sind, dass sie dann umso mehr die Falschmeldung glauben. Das nennt sich der Backfire-Effekt. Der Schuss geht sozusagen nach hinten los.
Es gibt etliche Untersuchungen, die das schon aufgewiesen haben, die das aufzeigen, dass es diesen Effekt gibt. Eine besonders interessante fand zum Thema Impfen statt. Jeder kennt das oder wahrscheinlich haben viele davon schon gehört. Es gibt extrem viele Gerüchte rund um das Thema Impfen, beispielsweise, dass Impfungen
Autismus bei Kindern auslösen würden, was nicht stimmt. Der Politologe Brandon Nehan hat mit Kollegen eine Untersuchung gemacht. Mehr als 1700 amerikanische Eltern wurden mit Informationen versorgt, mit triffliger Information, mit Bildern, mit Aufklärungsmaterial über Impfungen.
Sie haben dann geschaut, wie das die Einstellung dieser Eltern verändert. Das Spannende ist, gerade die überzeugtesten Impfgegner haben darauf mit umso mehr Weigerung und umso mehr dem gegenteiligen Effekt reagiert. Es war nämlich so, jene Väter und Mütter, die Impfungen schon vorher
ablehnten, die waren nachher umso weniger bereit, ihre Kinder impfen zu lassen. Und das ist eigentlich richtig schockierend, wenn man darüber nachdenkt, dass es ja darum geht, dass Kinder geimpft werden sollen, dass sie zum Beispiel nicht sterben. Und je mehr Kinder auch geimpft sind, desto niedriger ist die Wahrscheinlichkeit in der Gesamtpopulation, dass dies passiert.
Angesichts all der Mechanismen, die ich jetzt beschrieben habe, stellt sich die Frage, was können wir tun? Offensichtlich funktioniert ja die Verbreitung von Lügen im Netz wunderbar, wirklich herausragend gut. Das Erste, wenn ich diese Sachen erzähle, werde ich oft gefragt, heißt das, wir sollen gar keine Korrekturen mehr verfassen? Das wäre total falsch, denn
dieser Backfire-Effekt betrifft vor allem total überzeugte Menschen. Und ein großer Teil der Bürger sind ja noch nicht total von der Impfrhetorik eingenommen oder von anderen Themen, viele Bürger sind noch erreichbar und gerade für die sind diese Korrekturen und Falschmeldungen ja sinnvoll. Aber wenn man Korrekturen verfasst, gibt es handwerkliche
Fehler, die man vermeiden sollte. Ich möchte auf etwas eingehen, nur zur Illustration. In den USA gibt es zum Beispiel das Gerücht, das hartnäckige Gerücht, dass Barack Obama ein Moslem sei. Das ist natürlich ein Unsinn. Und die erste Reaktion
vieler Menschen auf diese Information oder auf diese Falschmeldung ist, zu sagen, nein, Barack Obama ist kein Moslem, das ist naheliegend. Aber es ist besser, auf eine Falschmeldung mit dem Satz zu antworten, nein, Barack Obama ist Christ. Denn wenn ich so antworte, wiederhole ich die Falschmeldung in
meiner Korrektur nicht noch einmal. Die Gefahr ist, wenn ich die Falschmeldung auch nur in einer Verneinung wiederhole, dass Menschen sich genau die falsche Sache merken, nämlich die falsche Aussage, die ja wiederholt wird darin. Deswegen richtig Stellung sollte man affirmativ formulieren. Wenn es zum Beispiel heißt, der Großteil der Vergewaltigungen wird von Flüchtlingen
durchgeführt, dann kann man sagen, nein, der Großteil der Vergewaltigungen wird von deutschen oder österreichischen Staatsbürgern durchgeführt, was ja auch stimmt. Die zweite Lösung ist dann schon etwas komplexer. Wie schon gesagt, gibt es einen Teil der Bürger, die in manchen Fragen eben nicht erreichbar sind für Information. Was machen wir mit denen? Eine
richtig gute Strategie gibt es da nicht, aber so die Idee einer Gegenstrategie. Es ist offensichtlich, dass wir manche Menschen in manchen Fragen eben nicht inhaltlich ansprechen können. Aber vielleicht ist in einer Demokratie gar nicht das wichtigste, dass alle Menschen alles thematisch immer gleich sehen, sondern vielleicht ist das
wichtigste in einer Demokratie, dass wir uns bei den ganz wichtigen Fragen zumindest noch auf Kompromisse einigen können. Dazu ein weiteres Beispiel. In den Bürger, vor allem Republikaner, die nicht glauben, dass es den Klimawandel gibt, geschweige denn,
dass Menschen diesen Klimawandel mitverursacht haben. Vor allem republikanische Wähler sind davon betroffen. Es gibt aber moderate republikanische Politiker, die sehr wohl an den Klimawandel glauben und die schon versuchen, ihre Wähler davon zu überzeugen, dass es sinnvoll ist, in umweltschonende Technologie zu investieren. Wie machen die das? Die sprechen
nicht von Climate Change, die versuchen, dieses Wort total zu vermeiden. Das ist für die eigene Wählerschaft toxisch. Stattdessen reden sie dann davon, dass die Chinesen in Zukunft ja Technologie kaufen werden in umweltschonende und wenn nicht wir die Technologie machen, dann machen das die Deutschen und damit die Deutschen nicht ihre Produkte verkaufen, müssen jetzt
die Amerikaner diese Produkte entwickeln. Was diese Politiker also machen, ist sie appellieren an Werte, die republikanischen Wählern wichtig sind, wie Wettbewerb, Innovation, Reichtum. Und so kann man, das ist diese Gegenstrategie, vielleicht manchmal doch einen Konsens herstellen, nicht weil man in allen Fragen rund um
Fakten einer Meinung ist, aber weil es verbindende Werte gibt oder weil manchmal eben unterschiedliche Werte zu einem Konsens führen können. In dem Beispiel zum Konsens, dass auch Republikaner es einsehen, wenn umweltschonende Technologie gefördert wird. In der Flüchtlingsdebatte könnte ein solcher
Konsens zum Beispiel sein, dass egal wie man zum Thema Flüchtlinge steht, dass es zumindest quasi common sense sein sollte, dass man Gewalt ablehnt. Ich glaube, wenn wir solche Mindestgrundsätze noch behalten können, dann ist schon viel erreicht. Das führt mich zum dritten Ratschlag,
nämlich es gibt dann schon Untergriffe, die sind so bösartig und so verletzend, dass man die nicht einfach so gehen lassen kann. In diesen Fällen sollte man juristische Schritte ergreifen. Dazu ein recht aktuelles Beispiel aus Österreich, das ist Eva Glavischnik, die Parteichefin der
österreichischen Grünen und über diesen vergangenen Sommer und Herbst immer mehr so Lügengeschichten aufgetaucht, vor allem so erfundene Zitate, die sie in ein ganz ein schlechtes Licht rücken. Dieses Zitat sagt beispielsweise, Schutzsuchende müssen das Recht haben, auf Mädchen loszugehen. Alles andere
wäre rassistisch Flüchtlingen gegenüber. Hier wird also der Eindruck vermittelt, dass diese Spitzenpolitikerin es vollkommen in Ordnung findet, wenn Flüchtlinge Mädchen vergewaltigen. Das Problem ist, viele Nutzer glaubten das tatsächlich und man kann sich vorstellen, wie die Debatte dann auf Facebook lief, das war wirklich ganz übel. Ihr wurde selbst mit Gewalt gedroht, ihr
wurde gewünscht, dass weiß Gott, was mit dir passiert, es vielen schlimmste Worte. Die Grünen sind dagegen juristisch vorgegangen. Insgesamt laufen in Österreich 27 Verfahren gegen 15 Bürger und in den Fällen, die bisher entschieden worden sind, haben die Grünen alles gewonnen, denn sie haben nur die eindeutigsten Fälle quasi angezeigt.
Interessanterweise sah man bei diesen Sujets auch, dass ein Teil aus der rechten und rechtspopulistischen Szene kam, also das kommt oft nicht von ungefähr oder von irgendwo, das kommt schon aus einem gewissen Spektrum. Es geht bei diesen Klagen also auch darum, eine rote Linie
zu ziehen. Es geht darum, dass es nicht in Ordnung sein soll, Politik mit Lügen zu machen. Ich halte diese Form der juristischen Notwehr für absolut richtig. Wenn ich Lügen als Waffe einsetze, soll der Betroffene sich auch wehren können und juristisch ist die Situation absolut klar. Niemand hat das Recht, mit Unwahrheiten andere Menschen
fertig machen zu dürfen. Es braucht dementsprechend auch eine Justiz, die diese Themen ernst nimmt und es braucht IT-Unternehmen, die schwer verletzende strafrechtlich relevante Inhalte tatsächlich zeitnah entfernt, wenn sie gemeldet werden. Ich spreche hier natürlich von Facebook, das eine große
Verantwortung in dem Bereich hat. Zum Schluss noch eine Frage. Angesichts all dem, was ich erzählt habe und auch den Lösungen darauf, stellt sich ja die Frage, werden wir diese Lügengeschichten im Netz irgendwann los? Und da muss ich sagen, das bezweifle ich, denn dass solche Falschmeldungen kursieren, dass damit auch Angst
und Politik gemacht wird, das ist ja nichts Neues. Das ist nicht erst seit dem Internet da, sondern wahrscheinlich sogar sehr menschlich. Sehr wohl aber, glaube ich, dass wir das nicht so hinnehmen müssen, wie es jetzt ist. Wir können besser werden, wir können es den Fälschern zumindest eine Spur schwerer machen.
Danke.