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22. Vorlesung Translationswissenschaft: Kultur und Übersetzen Teil 3/3

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Formale Metadaten

Titel
22. Vorlesung Translationswissenschaft: Kultur und Übersetzen Teil 3/3
Serientitel
Anzahl der Teile
29
Autor
Lizenz
Keine Open-Access-Lizenz:
Es gilt deutsches Urheberrecht. Der Film darf zum eigenen Gebrauch kostenfrei genutzt, aber nicht im Internet bereitgestellt oder an Außenstehende weitergegeben werden.
Identifikatoren
Herausgeber
Erscheinungsjahr
Sprache
DiagrammComputeranimation
Vorlesung/KonferenzComputeranimation
Computeranimation
ComputeranimationVorlesung/Konferenz
Transkript: Deutsch(automatisch erzeugt)
Herzlich willkommen zur Vorlesung Einführung in die Translationswissenschaft. Ich bin Professor Angelika Hennecke. Heute im dritten und letzten Teil des Themas Kultur und Übersetzen wird es
um die Übersetzung Strategien für Realia, Kultureme oder kulturspezifische Elemente in Texten gehen. Auf dieser Folie sehen Sie die Skala der kulturellen Transposition. Eine Skala. Dabei bilden die
Möglichkeiten Exotismus und kulturelle Transplantation die beiden Extreme dieser Skala. Beim Exotismus handelt es sich um eine dokumentarische Übersetzung. Das heißt, der Leser merkt sofort oder merkt durchaus, dass es sich hier um eine Übersetzung handelt.
Diese Strategie wird oft bei der Übersetzung von Romanen benutzt, mit dem Ziel, den Leser direkt in diese Ausgangskultur hinein zu versetzen, also ein besonderes Ambiente zu schaffen. Daher werden also diese kulturell spezifischen Elemente in der Landessprache, Originalsprache erhalten.
Die kulturelle Transplantation hingegen stellt das andere Ende der Skala und das Gegenteil dar. Nicht nur der gesamte Text wird übersetzt, sondern die gesamte zielkulturelle Situation wird angepasst. Beispiel. Ein Roman, der ursprünglich zum Beispiel in Kolumbien
spielte, wird nach Deutschland verpflanzt. Damit werden alle Eigennamen, Ortsnamen, Personen, Handlungen und so weiter an diese neue zielkulturelle Situation angepasst bzw. adaptiert. Sehr oft wird diese Strategie bei der Übersetzung von Kinderbüchern genutzt. Aus Pedro wird dann
Peter und die Handlung spielt nicht in Madrid, sondern in Köln und so weiter. Auf dieser Folie sehen Sie ein Beispiel für so eine exotisierende Übersetzung eines Romans. Sicherlich kennen Sie auch, wie ich, die Fälle des Commissario Brunetti. Sie können die Vorlesung hier anhalten und das
Textstück in Ruhe durchlesen und dann die Frage beantworten, welche Wirkung dieser Text auf sie ausübt. In der obigen Tabelle sehen Sie die Beschreibungen bzw. Erklärungen für die einzelnen
Elemente unserer Skala. Über Exotismus und Exotismen hatten wir bereits gesprochen. Bei einer kulturellen Entlehnung gibt es kein Äquivalent in der Zielsprache, also es fehlt. Wir haben eine
Entlehnung, man übernimmt das Fremdwort, erklärt es aber für den Leser irgendwie in einer Fußnote, in einer Anmerkung oder ähnliches. Die kommunikative Übersetzung ist uns schon als Beispiel für eine instrumentelle Übersetzung bekannt. Also Sprichwörter, Zungenbrecher, Floskeln, Redewendungen werden
korrespondierend übersetzt. Also mit einer in der Zielsprache üblichen Wendung, einem anderen Reim, einem anderen Zungenbrecher und so weiter. Diese beiden Begriffe korrespondieren hier also. Und das
Gegenstück, das andere Extrem der Skala, wie wir sagten, ist die sogenannte kulturelle Transplantation. Der gesamte Kontext wird an die zielsprachliche Situation angepasst und adaptiert. Ein Beiß Spiel dafür ist die Serie oder Tele-Novella verliebt in Berlin. Die wird jetzt irgendwie wieder
ausgestrahlt. Vielleicht ist einigen unter ihnen diese Tele-Novella noch bekannt. Es ist eine Adaptation der beliebten kolumbianischen Tele-Novella Betty Lafer, Betty die Hässliche. Die Hauptperson in der deutschen Version heißt Lisa und es spielt nicht in Bogota, sondern in Berlin. Eine solche
Transplantation gab es auch in den USA, wo die Serie unter dem Titel Ugly Betty lief. Also die Serie würde wirklich gekauft und der gesamte Situationskontext, alle Personen, alle Eigennahmen, an ein Berliner Szenario angepasst. Im Folgenden schauen wir einige Beispiele für explizite und
implizite Kulturbezüge an. Auf Elias stelle ich Ihnen auch weitere Beispiele noch zur Verfügung, die Sie ergänzend dann anschauen dürfen. Zum neuen Millennium wurde in Kolumbien folgender
Slogan im Fernsehen ausgestrahlt und in riesengroßen Anzeigen in den Zeitungen ausgedruckt. Sehen Sie hier. El nuevo millennio todos en casa. Im März, also 2000. Ich diskutierte diesen Slogan
mehrfach in verschiedenen Übersetzungsseminaren mit den Studierenden. Es ist alles verständlich. Das sind ganz einfache Sätze, aber eine wörtliche Übersetzung macht überhaupt keinen Sinn. Wörtlich übersetzt heißt das ins Deutsche, das neue millennium alle zu Hause oder alle sind zu Hause.
Ein Sinn ergibt sich nur, wenn man den semantischen Inhalt des Textes auf das spezifische kolumbianische Wirklichkeitsmodell, also wirklich die kulturelle Situation in dieser Zeit, projiziert. Es handelt sich hier um einen impliziten Kulturbezug, wie das Gerken definiert hat. Es ist nicht markiert,
es ist implizit im Text vorhanden und zwar auf Satz- und Textebene, eben flexikalisch nicht erkennbar und nur über die Einbeziehung von aktuellem Wissen rekonstruierbar und interpretierbar. Ich erkläre kurz den Hintergrund. Zu dieser Zeit, also Jahr 2000, war der innere bewaffnete Konflikt
in Kolumbien zwischen der Geria und der Regierung auf einem Höhepunkt. Es gab das Phänomen der Sequestros, der Entführungen. Kolumbien führte absolut mit ganz großem Abstand weltweit die Rangliste dafür an und dieses Phänomen erfüllte den öffentlichen Diskurs und die Sorge aller
Menschen. Es wurden alle möglichen Personen von der Geria empführt, einflussreiche, reiche, aber auch welche ohne Einfluss, arme, ausländische, einheimische, sogar Tiere. Und es diente vorrangig der Durchsetzung bestimmter Forderungen der Geria oder es diente eben auch dem Gelderwerb. Es war
eine Art Geschäft und das war wirklich in dieser Zeit sehr schlimm. Und wenn wir diesen kulturellen Hintergrund als Wissensvorrat kennen, dann macht der Spot Sinn. Denn dann ist es ein Appell an die paramilitärischen und die Geriagruppen vor allem, endlich mit diesem Geschäft, mit den Entführungen
aufzuhören. Die grammatikalische Form dieses Spots impliziert ja eine Aussage, ganz neutral sozusagen die Konstatierung einer Tatsache. Es handelt sich aber nicht um eine Tatsache und eine Aussage, sondern das ist ja ein weit entfernter Idealzustand damals gewesen. Deshalb muss dieser
Spot als Aufruf verstanden werden, als Appell und dann auch vielleicht durch ein Ausrufezeichen so gekennzeichnet werden müsste. Ist es aber nicht. Vorschläge der Studierenden in diesen Diskussionen gingen zum Beispiel in folgender Richtung. Schluss mit den Entführungen im neuen Millennium, hört auf
mit den Entführungen, stoppt die Entführung im neuen Millennium. In einem ganz anderen Kontext könnte dieser Satz, der ja auf den Notarzebene eindeutig ist, wiederum etwas ganz anderes bedeuten. Im Kontext
der Pandemie könnte man das als Aufruf verstehen, dass eben alle zu Hause bleiben sollen und im Lockdown. Also das ist ein Beispiel dafür für diese impliziten Kulturspezifiker, die sich nur aus dem ganzen Textzusammenhang ergeben und es ist ein Beispiel für die Abhängigkeit von Textbedeutung
vom zeitlichen Rahmen sowie vom Ort. Der gleiche Slogan könnte durchaus an einem ganz anderen Ort, zu einer anderen Zeit auch als Werbung für eine Immobilienfirma zum Beispiel gesehen werden oder für ein Bauunternehmen für Eigenheime. Also alle sollen ihr Eigenheim kriegen zum Beispiel. Oder in einem wieder anderen Kontext
könnte man auch zum Beispiel interpretieren, dass eine Regierungsinitiative beabsichtigt, das obdachlosen Problem zu lösen. Also alle Menschen sollen ein Dach über dem Kopf haben. Also das ist sehr prägnant, glaube ich, und sollte illustrieren, wie sehr die Textbedeutung wirklich vom kulturellen Hintergrund, vom
Wissen und den impliziten darin enthaltenen Informationen abhängt. Noch ein Beispiel aus unserem Kulturraum 2014 titelte die Zeitschrift Cicero, das Boot ist voll. Sie kennen alle den Kontext, 2014 Flüchtlingskrise und schließlich die Öffnung durch Kanzlerin Merkel.
Stellen Sie sich vor, Sie müssten diesen Titel in eine andere Sprache und auch für eine andere Kultur übersetzen. Auch hier macht eine wörtliche Übersetzung wahrscheinlich keinen Sinn. Das Boot ist voll was. Also ein weiteres Beispiel für einen impliziten, das heißt semantisch
nicht markierten Kulturbezug auf Satzebene. Es existieren in der Fachliteratur verschiedene Vorschläge für Verfahren und Strategien zur Übersetzung kulturell spezifischer Elemente.
Wobei sich die beschriebenen Vorgehensweisen überwiegend auch sehr ähnlich sind. Die Strategien zur Übersetzung kultureller Spezifiker sind zum Beispiel beschrieben bei Christiane Nord 2007. Diese Klassifizierung möchte ich Ihnen im Folgenden vorstellen.
Es ist erforderlich, dass Sie sich mit diesen einzelnen Übersetzungsstrategien etwas im Studium beschäftigen und sich die Beispiele in der Tabelle dazu anschauen. Über einige hatten wir bereits gesprochen, wie zum Beispiel den Exotismus, das kulturelle Lehenwort oder die
kommunikative Übersetzung bei Floskeln und Sprichwörtern. Aber die gesamte Tabelle müssen Sie bitte noch eindringlich selbst studieren. Nord bezeichnet die kulturelle Entlehnung als die Kombination von Exotismus oder Entlehnung mit einer Erläuterung als Metatext, einer
erklärenden Fußnote oder auch einem angehängten Clossar. Neu ist bei Nord der Pleonasmus als doppelte Vokabel, also Exotismus plus deutsche Erklärung. Und dazu kommt auch die Kategorie Analogie,
wo eben ein Vergleich mit einer zirkulturellen ähnlichen Reale gezogen wird. Über die letzte Hirnetabelle aufgeführte Kategorie, die kulturelle Transplantation, hatten wir ja bereits gesprochen und auch ein Beispiel dafür gesehen. Wir können zwei grundsätzliche Richtungen bei all den
Kategorien unterscheiden. Entweder wird dem Rezipienten der ausgangssprachliche Ausdruck präsentiert, wobei dabei Konnotationen eventuell verloren gehen können, oder aber es erfolgt eine
einbürgernde Übersetzung, die in irgendeiner Art den ausgangssprachlich kulturell markierten Ausdruck oder Zusammenhang in das kulturelle Wirklichkeitsmodell des Zielsprachenempfängers einpflanzt. Also entweder so lassen oder einbürgern. Nord spricht in diesem Zusammenhang auch von der
dokumentarisch exotisierenden Übersetzung oder der instrumentellen Übersetzung. Als Fazit können wir festhalten. Es gibt also verschiedene Strategien und Verfahren zur Übersetzung von kulturell spezifischen Elementen in Texten. Für welches Verfahren sich der Übersetzer oder die Übersetzerin
letztlich entscheidet, hängt wesentlich von der Konstellation der verschiedenen Faktoren in der konkreten Situation sowie auch von der Textsorte an. Neben der Berücksichtigung des Skorpus der Übersetzung kommt dabei den empfängerseitigen Voraussetzungen, also vor allem sein angenommenen
Hintergrundwissen, eine bedeutende Rolle zu. Diese Wichtigkeit des Hintergrundwissens wollte ich Ihnen mit diesem Beispiel über das neue Millennium ein bisschen illustrieren. Damit sind wir am Ende der Vorlesungen zum Thema Übersetzen und Kultur angelangt. Ich hoffe, es hat Ihnen Spaß gemacht und Ihr
Interesse geweckt und ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche viel Spaß bei der Bearbeitung.