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Grundprobleme beim Aussondern von E-Akten

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Titel
Grundprobleme beim Aussondern von E-Akten
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21
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Produktionsjahr2022

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Die öffentliche Verwaltung und die Justiz sind wichtige Partner der Archive. Mit ihnen haben alle größeren Archive intensive Gespräche über die E-Akte geführt und stehen unterschiedlich weit in der Umsetzung. Einige freuen sich schon darauf, der Presse verkünden: „Seht her, E-Akten sind jetzt Routine, wir geben schon die ältesten ans Archiv ab.“ Können wir uns guten Gewissens in das Abenteuer Aussonderung stürzen? Der Vortrag dient dazu, unsere bisherigen Arbeiten an diesem Thema zu reflektieren und Konsequenzen daraus zu ziehen. Um eine Erkenntnis vorweg zu nehmen: wir sollten uns von vornherein viel mehr mit der realen, massenhaften Umsetzung auseinandersetzen und wesentlich kritischer unsere Zusagen überprüfen, weil unsere Rolle im E-Akten-Verkehr völlig von den üblichen Szenarien im E-Government abweicht und dies auf der Gegenseite kaum zur Kenntnis genommen wird.
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Transkript: Deutsch(automatisch erzeugt)
Entschuldige mich dafür, dass die Folien nicht so ausführlich sind, wie man das sonst gewohnt ist. Im Austausch dafür kann man den Vortrag schon jetzt in meiner Skriptfassung durchlesen, vielleicht ein bisschen anders, weil das ist eine Fassung, die ich vor vier Monaten verfasst habe und dem Blog Archive 2.0 zur Verfügung gestellt habe.
So gesehen haben das vielleicht auch manche schon gehört. Die öffentliche Verwaltung und die Justiz sind wichtige Partner der Archive. Mit Ihnen haben alle größeren Archive schon intensive Gespräche über E-Akte geführt und wir stehen unterschiedlich weit in der Umsetzung. Einige freuen sich vielleicht schon darauf zu sagen bei der Presse, seht her E-Akten sind jetzt Routine, wir geben schon die Ältesten ans Archiv ab.
Aber können wir uns Verwaltung und Archive guten Gewissens in dieses Abenteuer stürzen? Ich meine, Vorsicht. Um eine Erkenntnis vorweg zu nehmen, wir sollten uns von vornherein viel mehr mit der realen massenhaften Umsetzung auseinandersetzen und wesentlich kritischer unsere Zusagen überprüfen,
weil unsere Rolle im E-Akten-Verkehr völlig vom sonstigen Tun im E-Government abweicht und die Gegenseite das vielleicht mitunter unzureichend zur Kenntnis nimmt. Hier sehen Sie, was wir jetzt gemeinsam durchgehen wollen und der erste Blog handelt von Standardgeschichte.
In grauer Vorzeit, schon im Jahr 1996, veröffentlichte das Bundesarchiv in Koblenz den ersten Aufschlag einer Lösung, das Organisationskonzept DOMEA. DOMEA war eine Struktur aus Metadaten, völlig durchdacht, um die bisherigen Wege zum Umgang mit physischen Schriftstücken in Behörden
auf digitale Objekte am Bildschirm und in Netzwerken abzubilden. In den 2000er Jahren wurde der Standard unter der Bezeichnung X-DOMEA in XML formuliert. Parallel führten Länder und Bund in einigen Arbeitsbereichen bereits E-Akten ein und schufen die Justizverwaltung des Bundes und der Länder mit X-Justiz einen weiteren XML-Standard.
X-Justiz normiert den Umgang mit Metadaten in der Justiz und seit 2017 auch in einheitlicher Form deren E-Akten. X-Justiz verwendet dabei viele Elemente des X-DOMEA-Schemas wieder. Ebenfalls im Jahr 2016 wurde dann X-DOMEA zu einem nationalen Standard erhoben.
Wer es genau nachlesen will, Katharina Ernst hat dazu einen wirklich beachtenswerten Artikel im Archivar veröffentlicht. X-Justiz und X-DOMEA bieten nur grundlegende Baupläne für E-Akten und Baukästen zur Ausgestaltung.
Ausdrücklich, wohlgemerkt, betrachten sich die Urheber beider Standards, die IT-Standards in der Justiz, die Arbeitsgruppe der Bund-Länder-Kommission für Informationstechnik in der Justiz auf der einen Seite und die AG X-DOMEA auf der anderen Seite, nicht für zuständig, wenn es um die konkrete Ausgestaltung von E-Akten-Prozessen geht.
Sie haben nur die Verantwortung dafür, die geforderten Umsetzungen möglich zu machen. Sie sehen die Verantwortung für die Ausgestaltung aber bei den Kunden der E-Aktelösungen. Und um dies zu ergänzen, letztlich nicht die Verantwortung bei den E-Akte-Herstellern, denn die Behörden können nur das bestellen, was machbar und am Markt vorhanden ist.
Wir haben als Ergebnis eine binäre, zerklüftete E-Aktenwelt vor uns. Es gibt also X-Justiz-E-Akten und X-DOMEA-E-Akten in vielen in Detail abweichenden Varianten, die von Herstellern und Kunden miteinander vereinbart worden sind.
Diese technische Zweiteilung der Archivwelt ist befremdlich, wenn wir sie vor dem Hintergrund der Vereinfachung, die ja eine Leitlinie des E-Government ist, intensiv betrachten. In technischer Hinsicht konnte eine Papierne-Gerichtsakte genauso wie eine Verwaltungsakte behandelt werden.
In der neuen digitalen Welt wird aber eine Gerichtsakte im X-Justiz-Format, wenn sie an eine Behörde überwiesen wird, ins X-DOMEA-Format überführt und damit gleichsam neu erfunden. Und das ist genauso in der Gegenrichtung.
Und derzeit wird noch nicht mal das gemacht, sondern ein PDF wechselt von der einen Welt in die andere und alle Metadaten müssen neu erfasst werden. Die Verwaltung und die Justiz nehmen sich derzeit dieses Problems an, indem sie einen Standard namens X-DOMEA-Verwaltung konzipieren. Dieser Standard löst aber nur die Vermittlungsaufgabe für ein einzelnes Verfahren oder eine einzelne E-Akte,
indem er das aus der bestehenden Metadatenstruktur links herauslöst und nur mit den allerwichtigsten Metadaten in die Reise in die Welt des Gegenüber schickt.
Und neben dieser Kluft, die hier zu sehen ist, gibt es noch eine weitere Kluft, die das Bundesarchiv gestern Abend erwähnt hat und die quer zu der vorigen Kluft verläuft. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat ja auch noch den Standard X-AEP geschaffen, der sozusagen eine sichere Umverpackung für unsere E-Akten darstellt und der meines Wissens weder zu X-DOMEA noch zu X-Justiz anschlussfähig ist.
Die Archive sind also in dieser Situation sehr gefordert. Sie haben die Verantwortung als Übersetzer so viele Akten, die erstellt werden und aus so vielen Gerichts- und Verwaltungsverfahren wie möglich A. zu bewerten und B. unter Wahrung von Authentizität und Integrität auf Dauer zu überliefern.
Sie müssen sich folgenden vier Problemen stellen und außerdem geschickt verhandeln, um als kleiner Partner von Verwaltung und Justiz überhaupt wahrgenommen zu werden. Diese Probleme sind Abstraktionen dessen, was wir in den letzten zehn Jahren
in den einschlägigen Gremien erlebt haben. Erstens das Massenproblem. Wenn die E-Akte erstmal richtig ausgerollt ist, dann bieten große Behörden und Gerichte ihrem Landesarchiv jedes Jahr einige hunderttausend Akten zur Bewertung an. Der größere Teil geht auf das Konto der Justiz, die einfach in größerem Maß als die Verwaltung Einzelfälle bearbeitet.
XML hat aber da einige Defizite, wenn es massenhaft wird. Die bisher vorliegenden Lösungen, die haben wir ja jetzt auch in dieser Konferenz gesehen, zur Bewertung und Übernahme von E-Akten verarbeiten nach meiner Kenntnis maximal 3000 E-Akten auf einmal.
Das ist gegenüber den Größenordnungen, die wir noch vor uns haben, recht wenig. Wir haben zweitens ein Mapping-Problem. Denn anders als im Szenario der AGX-Sommerverwaltung geht es bei uns nicht nur darum, die E-Akte an eine andere Stelle zu schicken, die mit der Sache völlig vertraut ist in der Regel.
Da sind ja begleitende Metadaten weniger relevant. Aber bei uns geht es um etwas ganz anderes, nämlich einer Person im Jahr 2080, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, die Möglichkeit zu geben, den Inhalt der E-Akte komplett zu verstehen. Und wir müssen dafür beliebige Bauteile einer E-Akte identifizieren und verarbeiten.
Und ich glaube, in der Endausbaustufe wird eine Genehmigungsakte für landwirtschaftliche Subventionen ganz andere Metadaten haben als eine Standardministerialakte oder zum Beispiel eine E-Akte eines Arbeitsgerichts.
Und dann sind die verschiedenen Fachbereiche des Archivs gefordert. Bei der Übernahme müssen wir Sorge tragen, dass sie als Serie angelieferten Nachrichten vereinzelt werden, damit wir separat bestellbare Einheiten haben. Bei der Erschließung müssen wir schauen, dass der Titel angemessen gemapped wird und die Verfahrenslaufzeiten abgebildet sind.
Bei der Nutzung müssen wir schauen, dass wir nicht die wichtigsten Metadaten finden im Katalogsystem, aber auch nicht alle und dann Datenschutz noch oben drauf. Bei der Bestandserhaltung müssen wir dann aber wieder schauen, dass die Metadaten so authentisch wie möglich überliefert werden, obwohl wir Formatbrüche bekommen werden über die Zeit.
Also das wird alles spannend und mein Eindruck ist, dass eventuell verschiedene Profile gebraucht werden für die Bearbeitung dieser sehr vielfältigen E-Akten. Das könnte auch anders laufen, wie wir gestern im Vortrag aus Bayern erfahren haben.
Wir haben dann als drittes Problem das Fachverfahrensproblem. In der Justiz und ich vermute auch langfristig genauso in der Verwaltung sind ja die E-Akten an Fachverfahren angebunden, die maßgeblichen Charakter haben und die diese E-Akten ergänzen. Und bei der Justiz ist es schon so, dass die Fachverfahren,
dass die E-Akten ohne die Fachverfahren letztlich aussagelos sind. Die Fachverfahrensdaten müssen also korrekterweise implementiert, komplett oder in wichtigen Teilen mitgeliefert werden. Das überfordert aber jetzt schon die Systemtechnik der Justiz,
weil Verbindungen zwischen E-Akten und Fachverfahren sehr kostspielig herzustellen sind. Und auf der Archivseite müssen wir das dann auch noch mit dem Massenproblem verheiraten, denn wir bekommen im Grunde da aus zwei Seiten Daten zugespielt. Das vierte Problem ist das Codeauflösungsproblem.
Da ist es im aktuellen Austausch zwischen Behörden angezeigt und auch richtig, dass bestimmte Sachverhalte in Codes verschlüsselt werden. Also z.B. 413 heißt Amtsgericht Puse Muckel. Wenn wir aber so einen Code ins Jahr 2080 schießen, dann ist im Jahr 2018 jemand mit diesem Code überfordert.
Und diese Codes werden zentral bei einer Stelle der COSID beim Senator für Finanzen in Bremen gelagert. Wir müssen also irgendwie dahin kommen, dass diese Codes auch in unsere Archivfassung der E-Akten reinkommen. Kommen wir zu den Lösungsmöglichkeiten.
Zum Massenproblem. Das Foto auf dieser Folie zeigt Massen an Menschen. Da stehen, wenn ich richtig gerechnet habe, ungefähr 2500 Frauen auf dem Sportplatz. Der Sportplatz reicht aber nicht mehr, wenn es darum geht, Platz für 25.000 oder 100.000 Turnerinnen zu schaffen. Wir brauchen also Aufrüstungen entweder an der technischen Kapazität
unserer Systeme oder am Standard. Wir könnten in unseren System dahin gehen, dass wir XML-codierte Daten, wenn sie zu zahlreich werden, nicht direkt bearbeiten. Denn der Arbeitsspeicher der Systeme würde dafür nicht ausreichen. Wir müssten dann alles in eine Datenbank einspielen.
So funktionieren die E-Aktesysteme. Und dann könnten wir 10.000 oder Millionen von XML-Tags verarbeiten. Aber unsere Tools sind noch nicht so weit. Also ich sage jetzt mal uns als Community. Vielleicht weiß ich auch zu wenig und irgendjemand erklärt, das ist alles schon gelöst.
Aber die Schöpfer des Standards könnten ja auch etwas tun. Und zwar wäre ein Lösungswege, das die EAG Xtomea beschließt, die Anbietungsnachrichten mit Alternativen zu ergänzen. Dass also die Anbietung gar nicht mehr über das generische XML von Xtomea erfolgt, sondern über Excel-Dateien,
CSV, SQLite. Oder aber, Hersteller und Kunden vereinbaren die Lieferung von XML-kompatiblen Strukturen nicht mehr als XML-Code, sondern in SQLite. In dieser SQLite-Datei, das wäre quasi nur ein Container für XML-konforme Daten. Und auf diesem Weg ginge auch mehr.
Dritter Vorschlag wäre, dass die EAG Xtomea präzisere Vorgaben zur Serialisierung der XML-Nachrichten macht. Dass also nur noch ein XML-Nachricht pro Minipaket übermittelt wird und der Gesamtzusammenhang an anderer Stelle hergestellt wird.
So ähnlich funktioniert übrigens E-Mail. Da gibt es seit über 40 Jahren Standards, wie E-Mail in Einzelpaketen verteilt werden können. Die Lösungen zum Mapping-Problem, da sehe ich in erster Linie eine Aufgabe der Archive. Wir müssen den Lösungen, die wir schaffen,
gewisse informierte Entscheidungen vorschalten. Also man sieht hier aus dem DMACC Ingest Tool mal so ein Mapping. Wir müssen uns darüber einig werden, wie gemapped wird. Das ist ganz allein unsere Aufgabe, wie das gemacht wird. Wir müssen darüber aber einen Nachweis führen, um die notwendigen Veränderungen,
die wir vorgenommen haben, letztlich nachvollziehbar zu machen. Also ein gemeinsamer Lern- und Bauprozess. Dann brauchen wir Lösungen zum Fachverfahrensproblem. In LABW entwickelt sich derzeit der Gedanke, dass bei der Bewertung die Fachverfahrensanbindung im Wege der XML-Nachricht nur eine Möglichkeit ist
und dass wir da eher CSV-Dateien vom Fachverfahren bekommen, um die Datenmassen in der Bewertung etwas zu minimieren. Unbestritten bleibt aber, dass später bei der Aussonderungsnachricht alle Metadaten in der Aussonderungsnachricht
mit drin sein müssen. Weil das einfach eine Anforderung an die Authentizität der E-Akten ist. Und beim Codeauflösungsproblem, da sehen wir ganz, ganz klar, oder sehe ich ganz, ganz klar,
die Notwendigkeit, dass die Behörde sich da kümmert. Es kann nicht sein, dass wir E-Akten bekommen, die im Jahr 2080 entziffert werden müssen, wie hier auf dem Bild der Stein von Rosetta im Britischen Museum. Das ist definitiv Aufgabe der abgebenden Stellen. Eine vorübergehende Lösung wäre,
dass wir ständig in unseren Archivsystemen die entsprechenden Codelisten von der COSID aus Bremen ablegen, sodass dann jemand sich, so ähnlich wie hier, die Museumsbesucherin durchwursteln kann. Schön wäre das nicht. Ich komme zum Fazit.
All diese Probleme und Lösungsmöglichkeiten sollten wir im Dialog mit den zuständigen Gremien der Behörden und Gerichte der Bundesrepublik angehen und besprechen, und nicht zuletzt mit den E-Akteherstellern, die in meinen Augen vielleicht etwas zu wenig von uns angesprochen werden.
Uns allen sind dabei einige Fehlplanungen unterlaufen, weil wir der eine mehr oder die andere weniger diese obegenannten Probleme etwas unterschätzt haben, vielleicht auch gar nicht wahrgenommen haben. Wir sollten relativ offen und ehrlich
mit diesen Fehlwahrnehmungen umgehen. Wir sollten unsere mangelnde Handlungsfähigkeit so gut es geht zugeben und gemeinsam Mittel zur Abhilfe besorgen. Und wenn die Behörden dabei ihre Aufgaben nicht erledigen, dann sollten wir zu Recht in Presse und Politik auf unsere Verantwortung hinweisen,
den Rechtsstaat in der Rückschau transparent zu halten. Aber im Vordergrund muss natürlich der fruchtbare Dialog mit diesen Stellen stehen. Soweit mein Fazit. Vielen Dank und ich hoffe, ich habe nicht überzogen.