Diskussionspanel „Erfolgreiches Krisenmanagement -– lokal-regionale Erfahrungen und best practices im Umgang mit der Pandemie aus Sicht der Raumentwicklung"
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Identifikatoren | 10.5446/53542 (DOI) | |
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Besprechung/Interview
Transkript: Deutsch(automatisch erzeugt)
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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Name ist Thilo Lang. Ich bin Abteilungsleiter am Leitungsinstitut für Länderkunde in Leipzig. Ich habe die Ehre und die Freude, das Diskussionspanel zum Abschluss unseres Raumwissenschaftlichen Kollegiums heute moderieren zu dürfen. Erfolgreiches Krisenmanagement, lokal-regionale Erfahrungen
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und best practices im Umgang mit der Pandemie aus Sicht der Raumentwicklung. Das ist das Thema, das wir hier auf dem Podium und gemeinsam mit Ihnen diskutieren möchten. Ich begrüße dazu ganz herzlich Frau Vera Moosmeier, Leiterin der Unterabteilung Raumordnung im BMI,
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Studium Architektur, Stadtentwicklung und Urban Design. Frau Moosmeier ist seit 2003 im Ministerium tätig und verantwortet aktuell die grenzüberschreitende regionale Krisenkooperation und hat unter anderem das Corona-Dashboard des BBS R mit ins Leben gerufen.
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Die Corona-Pandemie wirkt als turbo-bestehender, bislang eher langsam voranschreitender räumlicher Entwicklungen und als Brennglas für Stärken und Schwächen unserer Gesellschaft, sagt Vera Moosmeier. Herzlich willkommen. Oliver Ibert, wir haben ihn heute Morgen schon kennengelernt,
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Direktor des Leipniz-Instituts für Raumbezogene Sozialforschung und Professor für Raumbezogene Transformations- und Sozialforschung an der BTU Cottbus, hat Geografie, Germanistik und Politikwissenschaften studiert und leitet seit 2009 am IAS in Erkner die Forschungsabteilung Dynamiken von Wirtschaftsräumen.
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Er forscht seit einigen Jahren unter anderem zu Krisen in einer globalisierten Welt mit dem Fokus auf den Krisenbegriff, die Räumlichkeit von Krisen sowie die Rolle von Beratung in Krisen. Seit dem Ausbruch der Pandemie leitet er am IAS den Krisenstab.
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Corona ist keine Singularität, sondern Ausdruck unserer durch Disruptionen geprägten Zeit, sagt Oliver Ibert. Herzlich willkommen. Einen schönen guten Tag auch an Jan Kamel, Geschäftsbereichsleiter der Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH. Herr Kamel hat Volkswirtschaftslehre studiert
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und ist seit etwa 15 Jahren in der Wirtschaftsförderung tätig. Bei der WFE betreut er seit März 2020 die Corona-Hotline und hat damit das Ohr sozusagen an der unternehmerischen Realität. Die Menschen wird es auch in Zukunft verstärkt in progressive Provinzen mit Gestaltungswillen ziehen.
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So die Prognose von Jan Kamel. Herzlich willkommen. Und schließlich begrüßen wir als Vierte in dieser Runde Sabine Baumgart, Architektin und Stadtplanerin, Mitinhaberin des Stadtplanungsbüros BPW, ist 2018 Universitätsprofessorin für Stadt- und Regionalplanung
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an der TU Dortmund, aktuell Präsidentin der Akademie für Raumentwicklung in der Leibnizgemeinschaft und assoziiertes Mitglied des Instituts für Public Health an der Universität Bremen. Bei der ARL hat sie zuletzt den Ad-hoc-Arbeitskreis zu Lerneffekten der Pandemie für die Raumentwicklung geleitet.
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Die Pandemie könnte als eine Chance wahrgenommen werden, wenn nachhaltige Entscheidungen offen ausgehandelt und dann mutig getroffen werden, sagt Sabine Baumgart. Herzlich willkommen. Ich stelle mir die Diskussion nun so vor, dass wir in einer ersten Runde auf dem Podium
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relevante räumliche Entwicklungen aus den konkreten oder vor dem Hintergrund der konkreten Erfahrungen unserer Gäste diskutieren. Das ist sozusagen eine Art Bestandsaufnahme. In der zweiten Hälfte dieser wahrscheinlich sehr knapp werdenden Stunde wollen wir den Blick auf Chancen und Potenziale dieser Entwicklungen richten, sozusagen als breitere Einordnung.
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Nutzen Sie bitte gerne den Chat für Kommentare und Fragen in gewohnter Art. Mein Co-Moderator, Wladimir Skibnev, wird das dann jeweils zum Ende jeder Runde für uns zusammenfassen und die ein oder andere Frage auch direkt an Personen auf dem Podium richten.
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Er hat sich gerade auch noch mal per Video dazugeschaltet. Lassen Sie uns gleich beginnen. Das Thema ist ja durch die Diskussion bisher bereits gesetzt. Wir starten mit Frau Moosmeier. Frau Moosmeier, das Corona Dashboard. Was ist das eigentlich genau?
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Warum haben Sie das ins Leben gerufen? Und was können wir daraus ablesen? Ganz herzlichen Dank. Auch herzlichen Dank für die Einladung zu dieser Diskussionsrunde. Das Bundesinstitut für Baustadt- und Raumforschung BBSR macht seit sehr viel langer Zeit Raumbeobachtung
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und erhebt alle möglichen Daten über die räumliche Entwicklung von verschiedenen Trends und Fragestellungen. Und als die Corona-Krise uns überrollte, muss man ja schon sagen, haben wir uns zusammengesetzt mit dem BBSR. Frau Millbert ist auch anwesend und haben uns überlegt,
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wie wir die räumliche Auswirkungen dieser Pandemie darstellen könnten. Und dann hat das BBSR im August 2020 dieses Dashboard konzipiert. Das Dashboard ist ja von der Definition her eine interaktive Anwendung, das verschiedene vorhandene Informationen zusammenführt und benutzerfreundlich aufbereitet, sodass man als kommunaler Akteur oder regionaler Akteur sehen kann.
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So hatten wir uns jedenfalls gedacht, welche Maßnahmen greifen wie und lassen sich irgendwelche Rückschlüsse ziehen auf die räumliche Entwicklung der Pandemie, aber auch die Auswirkungen der Einschränkungsmaßnahmen natürlich.
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Und dieses Dashboard gibt es. Das verknüpft jetzt für verschiedene Datenbänke, zum Beispiel vom Robert-Koch-Institut und die DIVI-Zahlen, über die Intensivbetten und legt es übereinander mit Altersgruppen, Geschlechtsgruppen, regionalen Landkreisen und so weiter. Und gibt also ein Bild, wie sich die Pandemie räumlich ausbreitet.
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Es ist ganz interessant. Man kann es im BBSR im Grunde live angucken. Ich meine, das wird alle paar Tage auch aktualisiert. Also ist immer sehr aktuell und zeigt eben auch, was sich da momentan tut.
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Was tut sich denn momentan? Und würden Sie sagen, diese ursprüngliche Intention, wurde die bestätigt? Oder haben wir jetzt einfach viele Daten gesammelt und wissen lediglich, dass es die Unterschiede, die wir anfangs erwartet haben, gar nicht so gibt? Also erst mal wurden sehr viele Daten gesammelt
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und eben anschaulich im Karten dargestellt und in Diagramen und allen möglichen Vergleichsmöglichkeiten aufbereitet. Ich glaube, es ist noch zu früh, jetzt abschließend zu sagen, wie sich das alles entwickelt hat. Aber was man sagen kann, ist, dass es im Grunde wenig Überraschungen gibt. Also als man zunächst drauf geguckt hat, hat man überlegt oder hat man angenommen,
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dass die großen Ballungsräume wahrscheinlich stärker betroffen sein würden, schon in der Dichte der Bevölkerung und ländlichen Kreise vielleicht ein bisschen weniger. Das hat sich nicht bewahrheitet. Also es gab mal nach der zweiten Welle im Herbst 2020 kurz eine Zeit, da ist es ein bisschen in die Richtung gegangen, hat sich aber schnell wieder angeglichen.
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Also die Entwicklung der Pandemie innerhalb der verschiedenen Siedlungstypen ist sehr analog. Also da gibt es lange fast keine maßgeblichen Unterschiede zu beobachten. Aber natürlich gibt es Unterschiede bei den Regionen hinsichtlich der Auswirkungen der Einschränkungen.
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Also da ist natürlich ganz zuvor, dass die Regionen, die starke Cluster haben mit Gastronomie, Tourismus, den Branchen, die eben besonders betroffen waren von den Einschränkungen, das sind meistens auch die Strukturschwächeren, die eben vom Tourismus leben und keine große Industrie haben.
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Die sind natürlich stärker gebeutet jetzt bei den Zahlen, was der Rückgang der Arbeitskräfte, der Arbeitsplätze angeht. Ja, aber ich glaube ein abschließendes Bild dafür wäre es noch zu früh. Aber wir haben zumindest mal ein Tool, um diese räumliche Entwicklung zu beobachten. Meistens geht es ja querbeet, also man guckt eher in Sektoren.
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Aber was unsere bzw. die Aufgabe von BBSR ist, ist eben immer zu schauen, lässt sich das irgendwie räumlich festmachen? Ist eine Region benachteiligt? Muss man hier gegebenenfalls planerisch nachsteuern? Wie hält sich das mit der Resilienz? Wie können wir als Raumentwicklung, Raumplanung da eventuell eingreifen? Und da ist unsere Rolle zuvorderst momentan tatsächlich die des Beobachters und die des zur Verfügung stellenden von diesen Informationen.
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Für andere dann damit zu arbeiten. Sie haben in der Vorbereitung auch gesagt, dass Sie eine Reihe an räumlichen Entwicklungen sehen, die durch Corona jetzt beschleunigt stattfinden, die man jetzt sicherlich noch nicht so aus dem Dashboard rauslesen kann.
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Da ist ja eine andere Intention dahinter. Aber so aufgrund Ihrer Erfahrungen in der Krisenkooperation, was sind denn das für Entwicklungen, die jetzt quasi den Turbo bekommen haben durch die Pandemie? Ja, vielen Dank auch für die Frage. Das ist jedenfalls meine Einschätzung der Situation aufgrund der uns zur Verfügung stehenden Daten,
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dass die Corona-Pandemie zweierlei tut. Sie zeigt Schwächen in der Verwaltung gnadenlos auf. Also wo wir Probleme haben mit der Zersplitterung von Zuständigkeiten. Das wird sehr stark in den Fokus genommen. Aber es zeigt eben auch, dass bestimmte Entwicklungen, die meines Erachtens schon da waren
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und seit einiger Zeit zu beobachten waren, die haben in den ordentlichen Schub gekommen. Und einer der hauptsächlichen ist natürlich der Trend in die suburbanen Gebiete. Ich bin noch nicht so ganz sicher, ob man ländliche Räume sagen kann. Aber aufgrund der Wohnkostensituation und auch aufgrund der Verkehrsverhältnisse in den großen Ballungsräumen
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gab es schon deutliche Tendenzen dafür, dass Leute vor allen Dingen, die sich leisten können, wie sie leider sagen, dann hier in Berlin zum Beispiel vom Prenzlauer Berg rausziehen, in die Umlandgemeinden, eher bislang in die Speckwürtelgebiete,
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wo auch sehr großzügig Wohngebiete ausgewiesen werden. Und diese Tendenz hat sich natürlich jetzt beschleunigt, dadurch, dass Homeoffice möglich gemacht wird. Also gerade in den Bereichen, wo Homeoffice möglich ist. Und das ist laut BWSR 45% oder 14,8 Millionen aller Erwerbstätigen,
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die sozialversicherungsmäßig erfasst sind. Die haben halt die Möglichkeit, jetzt das tatsächlich zu tun und überlegen dann vielleicht auch gut, jetzt lohnt es sich tatsächlich, jetzt muss ich nicht mehr jeden Tag reinpendeln und eine Stunde im Stau stehen, vorwärts und eine Stunde rückwärts, sondern kann auch von zu Hause arbeiten, jetzt tue ich den Schritt und ziehe raus.
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Also ich glaube, in der Hinsicht hat die Pandemie auch nochmal einen Schub gegeben. Ja, vielen Dank für diese Einschätzung. Ich würde das Thema auch gerne nutzen, zu Oliver Ibert überzuleiten. Wir haben heute früh in deinem Beitrag gelernt, dass wir die Corona-Pandemie als eine multiple Krisensituation begreifen sollten.
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Und von daher würde ich dich gerne fragen, wie können wir die Pandemie in der einen oder anderen Dimension als Game-Changer begreifen müssen, begreifen sollten und wo du grundlegende Veränderungen jetzt schon siehst?
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Gut, die Schuhe an und die Jacke. Die Frage des Game-Changing ist natürlich eine Frage, die uns ein bisschen in diesen Bereich hineinführt, wo Stefan Siedentop heute Vormittag ja zu Recht gesagt hat.
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Wir bewegen uns da sozusagen von einer wissenschaftlichen Evidenzbasis hin zu mehr oder weniger gut begründeter Spekulation irgendwo. Weil wir natürlich dann ja doch auch viele Annahmen einfließen lassen. Aber es gibt, glaube ich, so zwei Bedingungen,
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die es wahrscheinlicher werden lassen, dass man wirklich mit Game-Changing reden kann. Und das eine ist, das eine ist eben tatsächlich, dass es dort, wo eine solche Unterbrechung, ich sage Bonheiten-Trends verstärkt, die ohnehin schon da sind.
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Da ist die Wahrscheinlichkeit natürlich sehr viel stärker, dass wir dort eben auch nachhaltigeren oder langfristig wirksameren Wandel erleben. Dazu kommt vielleicht noch eine zweite Größe, die damit zu tun hat, aber nicht direkt daran gekoppelt sein muss.
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Nämlich die Frage, ob es Akteure gibt, die darauf vorbereitet sind, die Gelegenheit, die sich jetzt durch diese Unterbrechung der Routine, durch dieses hohe Maß an Unsicherheit, was jetzt ausgebrochen ist, durch die Delegitimierung von bestehenden Institutionen,
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die sozusagen bereit sind und gut vorbereitet sind, in diese Bresche reinzuspringen. Und ich glaube, da wo diese beiden Dinge zusammenkommen, da kann man doch mit einer ziemlich gut begründeten Spekulation sozusagen sagen, da erleben wir wahrscheinlich gerade Game Changes.
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Kann man das vielleicht noch ein bisschen ausführen? Gibt es Bereiche, die dir da besonders vorschweben, wo diese Faktoren zutreffen? Ja, ich denke, dass der eine Bereich ist auf jeden Fall der Einzelhandlung,
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wo ich wirklich, wo man ja schon vor der Pandemie sozusagen ein bisschen Krisen-Symptomen oder auch Infektionsprobleme befassen konnte. Also die klassischen Warenhäuser, K-Stratoten und Konsorten,
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die haben ja schon mehrere sozusagen Krisen hinter sich. Die Innenstädte, in denen der Einzelhandel ja auch konzentriert ist, die Innenstädte haben auch schon mehrere Runden an Anpassungs-Fekten hinter sich. Inderaber getriebene Geschäfte tun sich immer schwerer.
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Und diese Gruppe von Aktuellen ist jetzt natürlich durch die Krise hart getroffen. Und man wird das in ein paar Monaten irgendwie sehen, wie viele Firmenplatten man da zu konstatieren haben wird.
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Und auf der anderen Seite gibt es dort eben auch die gut vorbehalteten Akteure, also Amazon als den großen Krisengewinder. Und ja, der Online-Handel, der sozusagen bereitwillig in diese Lücke reinspringt. Und jetzt diese Nachfrage nach kontaktlosem Konsum und ja, schon problemlos erfüllen kann.
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Und ich glaube, dort werden wir wahrscheinlich ziemlich starke Veränderungen schon relativ schnell. Ich meine, an den Innenstädten, in kleineren und mittelgroßen Städten, sieht man ja auch, dass, sag ich mal, Nutzungsbrachen dort eben auch nicht so einfach durch andere Nutzungen aufgefangen wird.
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Dass man dann einfach sagen kann, ja, dann wandelt man das dort um in Wohn- oder Bewohnutzung und dann ist alles wieder gut. Also man sieht ja, man hat ja dort schon Probleme mit verödelten Innenstädten. Und ich sehe noch so einen anderen Raumtypus auf uns zukommen.
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Das sind so die bisherigen Gamechanger im Einzelhandel, so die Shopping-Malls und die großen Einkaufszentren in Stadtrandlagen. Wenn die sozusagen massive Probleme kommen, dann hat man nochmal, sag ich mal, brachen Herausforderungen von einer ganz anderen Dimension und von einer anderen Komplexität als in den Innenstädten.
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Das ist so ein Bereich, wo ich diese beiden Faktoren, bestehende Trends und gut vorbereitete Akteure, die diese Krise sofort für ihre Zwecke nutzen konnten, die zusammenwirken. Den Punkt würde ich gerne gleich mal mit Ihnen, Herr Kammel, weiter diskutieren. Sie betreuen jetzt seit einem guten Jahr das Corona-Sorgentelefon, sag ich mal, der Wirtschaftsförderung Erzgebirge.
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Das Erzgebirge ist ja selber auch eher durch kleine und Mittelstädte geprägt. Also die großen Shopping-Malls haben wir da so nicht. Aber dieser erste Typus von Unternehmen, den Oliver Ebert angesprochen hat, der ist ja relativ präsent in Ihrer Region.
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Sind das denn auch hauptsächlich die Klienten, sag ich mal, die bei Ihrer Hotline anrufen? Oder wie kann man das rupieren? Vielleicht was für Typen von Unternehmen rufen da so an und welche Sorgen haben die? Da möchte ich zunächst erstmal mit einem herzlichen Glück auf nochmal in die Runde starten.
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Ja, danke für die Überleitung. Ich bin heute der einzige Nichtraumplanungs- und Entwicklungsexperte, sondern als Wirtschaftsförderer eher der Exut. Aber so verstehe ich auch meine Rolle. Um jetzt zu Ihrer Frage zu kommen, was hat mich die letzten Monate an Feedback aus der regionalen Wirtschaft erreicht?
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Was ist auch die Spezifik unseres Erzgebirgskreises? Da kann ich gleich mal mit einer Spezifik, die vielleicht auch im raumplanerischen Sinne oder im Raumentwicklungssinne relevant ist. Ja, wir haben eine Wirtschaftsregion, die absolut geprägt ist von einer kleinteiligen Betriebslandschaft.
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Das ist völlig korrekt, aber das ist gleich so eine Besonderheit, was viele völlig unterschätzen. Das Erzgebirge ist nicht nur Urlaubsregion und Herkunftsland von diversesten Holzweihnachtsschmuck, sondern das Erzgebirge ist ganz besonders eine Industrieregion,
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insbesondere massig viele Zuliefererbetriebe, die in der Automobil-Lieferkette oder auch in der Maschinenbau-Lieferkette ihre Position haben. Und natürlich auch Tourismus, gar keine Frage und ein starkes Handwerk, da sind wir in allen Bereichen auch im sächsischen Vergleich weit vorn dran.
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Und was habe ich jetzt seit einem Jahr ungefähr in meiner betrieblichen Aufgabe, die sich sonst um Fördermittelberatung zu Investitionsprojekten dreht oder zu Erweiterungsvorhaben oder Technologie-Projekten, was habe ich erlebt in diesem einen Jahr?
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Da werden jetzt sicher keine Überraschungen dabei sein, das werden Sie sicher eins zu eins auch von Kollegen aus den Kammern oder anderen Wirtschaftsförderungen hören können. Aber ich möchte vielleicht doch mal ein paar Dinge in Ihrer Besonderheit zum Ausdruck bringen. Thema Nummer eins logisch von Beginn an Liquidität.
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Das war natürlich das erste Thema, was viele, die in ihrem Geschäftsmodell massiv eingeschränkt waren, als allergrößte Sorge umgetrieben hat. Das ging aber weiter mit dem Thema Mitarbeiterverfügbarkeit, Mitarbeiter, die aus ganz verschiedenen Gründen, sei es, weil sie selber erkrankt waren,
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sei es, weil sie unter Quarantäne gestellt wurden oder Aufgaben in der Kinderbetreuung mit den Schul- und Kitaschließungen anstanden. Diese Mitarbeiterverfügbarkeit war schlicht einfach nicht mehr so gegeben, so planbar, wie man das gewohnt war als Unternehmensvertreter. Eine ganz besondere Herausforderung, die uns in dem Bereich ereilt hat, als Landkreis an der deutschen Außengrenze zu Tschechien,
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waren die zweimaligen Grenzschließungen im Jahr 2020 von tschechischer Seite veranlasst, im Frühjahr 2021 von deutscher Seite veranlasst.
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Mit quasi keinem Zeitfenster zum Handeln, sondern man muss sich das vorstellen, wir haben ja durchaus Betriebe, die im Schichtenmodus ein Drittel der Belegschaft aus Tschechien haben und die wurden am Freitagnachmittag in Kenntnis gesetzt, dass diese tschechischen Mitarbeiter
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ab Sonntag 0 Uhr nicht mehr als Tagespendler die Grenze übertreten dürfen. Und die hatten genau 24 Stunden Zeit, eine Interims-Lösung mit einer Einquartierung in einer deutschen Pension zu finden. Und wir reden immer noch über Menschen, nicht über Produktionsfaktoren. Also das war eine echte Hausnummer, die viel Kopfzerbrechen hier bei uns gebracht
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hat und die auch das Thema EU-Arbeitnehmer-Freizügigkeit ein Stück weit konterkariert hat. Andere Aspekte, die mit zur Sprache kamen, gerade jetzt ganz aktuell, finde ich besonders spannend. Wir haben ja gerade im Industrie-Sektor doch eine recht schnelle Erholung wieder zu verzeichnen im Vergleich zu vielen anderen Sektoren.
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Und man spürt sofort, wie die Lieferketten, wie auch die Vorleistung, die Materialverfügbarkeit sich im Einkaufsmarkt, im Einkaufspreis niederschlägt.
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Und schieben gerade in allen Bereichen die Rohstoffpreise in die Höhe. Und das macht viele, viele Geschäftsmodelle, viele, viele Lieferverpflichtungen und Beziehungen. Das bringt die gerade wirklich an die Grenze. Letzter Punkt, den ich auch noch mit anreisen möchte und das zahlt ein Stück weit auch ein auf das, was Herr Ibert gerade angesprochen hat,
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auch das Thema stationärer Einzelhandel, der ja schon weit vor Corona, vor Riesenherausforderungen stand. Das, was ich ein Stück weit aus den Gesprächen an unserer Corona-Hotline
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der Wirtschaftsförderung mitnehme und was mir mittel- und langfristig extrem große Sorge macht, das ist das ganze Thema Einschränkung der Gewerbefreiheit aus pandemischen Gründen. Und gleichzeitig aber keine Kompensation wie eigentlich im Infektionsschutzgesetz angelegt für individuelle Schließungen oder Quarantäneverfügung,
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sondern man muss es so drastisch sagen, die Erklärung zum Bittsteller um Förderung. Es gibt reichhaltige Förder- und Unterstützungsprogramme für Unternehmen. Das möchte ich hier in keinster Weise verschweigen.
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Das ist toll, was da Deutschland aufgebaut hat. Aber die psychologische Komponente hinter dieser Situation, dass der Staat dem Unternehmer das Geschäft zuschließt und im selben Atemzug zum Bittsteller erklärt. Bei Förderprogrammen, bei Rettungsprogrammen oder in der letzten Option auf Hartz IV verweist.
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Das ist für den kleinen Unternehmer, für den Gewerbetreibenden psychologisch bedingt motivierend, wenn ich das mal vorsichtig formuliere. Und wir machen ja auch, wird Sie nicht überraschen, als Wirtschaftsförderung, Gründerseminare, Unternehmensnachfolgen, Beratungen und dergleichen.
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Mein allergrößtes Problem momentan ist, Menschen für eine unternehmerische Tätigkeit, für eine Selbstständigkeit überhaupt zu motivieren, nach dem, was in vielen Branchen dort im eigenen privaten Umfeld oder bei Bekannten erlebt wurde.
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Das wird Deutschland insgesamt ein ganzes Stück Potenzial kosten. Das muss man zusammenhaben. Ja, vielleicht erst mal dazu. Ganz herzlichen Dank auch für diesen Rundumschlag, der ja auch gerade aufgrund der Grenzlage Ihres Wirkungsgebiets doch noch mal ein paar Parallelen zu Themen aufgemacht hat, die wir heute früh schon gehört haben.
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Frau Baumgart, wir versuchen noch mal ein bisschen raus zu zoomen, stärker auf die Raumentwicklung insgesamt zu blicken. Förderung ist ein Thema, das Herr Kammerl jetzt schon angesprochen hat. Ich denke, Sie haben mit dem Arbeitskreis von der ARL gute Grundlagen erarbeitet, die auch dafür relevant sind.
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Vielleicht können Sie zum Einstieg noch mal kurz zusammenfassen, was wir denn aus der Pandemie für die Raumentwicklung lernen können. Die wirklich wichtigsten Punkte aus Ihrer Sicht.
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Ja, mache ich sehr gerne. Vielleicht möchte ich vorhin oder ich möchte vorhin noch mal ganz kurz darauf eingehen. Ein Arbeitskreis, ein Atop-Arbeitskreis arbeitet in der ARL relativ kurz, also so ein halbes bis ein Jahr. Und die Mitglieder werden dort berufen. Also es gibt dann keinen Call for Membership und so haben wir in diesem Arbeitskreis, wie auch eigentlich bei den meisten Arbeitskreisen,
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aber hier noch vielleicht noch stärker, sehr inter- und transdisziplinäre Zusammensetzung gehabt. Also von Gesundheitswissenschaften, von Krankenkassen, von Wirtschaftsexpertise, von Verkehrsentwicklung, Stadtentwicklung, Umweltplanung.
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Also wirklich ein sehr breites Spektrum. Und das ist alles darin eingeflossen in ein Positionspapier, was Sie auch gerne auf der Homepage der Akademie herunterladen können. Das ist das Positionspapier 118. Und wir haben uns relativ schnell darauf verständigt, dass wir und wir haben im letzten, also mehrschwerpunktmäßig im zweiten Quartal,
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nein im zweiten Halbjahr 2020 gearbeitet, haben uns schnell verständigt darauf, dass wir nicht nur schauen wollen, was alles schon passiert, sondern wir wollen schauen, was könnte man denn für Handlungsprinzipien entwickeln, an denen wir auch in die Zukunft schauen wollen.
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Und da haben wir drei Prinzipien in den Vordergrund gestellt, die heute eigentlich aber alle auch schon genannt wurden. Das erste ist, dass wir gesagt haben, es muss um Gleichwertigkeit gehen, mit Blick auf verschärfte Ungleichwertigkeiten. Da haben wir vor allem auf die Finanzen und auf deren Verteilung
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und Prioritätsentscheidungen geschaut und wie das politisch sozusagen auch zu diskutieren wäre. Dann haben wir als zweites Prinzip Resilienz im Sinne einer räumlichen Risikovorsorge als strategischen und integrativen Ansatz gewählt oder diskutiert,
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wie sich das vor allem auch in die Planungspraxis umsetzen lässt. Und wie wir das auch sozusagen mit Blick auf diese Ungleichwertigkeiten oder Ungleichheiten, also wir haben ja vorhin auch von, ich glaube es war Thomas Kistemann, der Pandemic Injustice angesprochen hatte.
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Die Frage eben, wie können wir auch vulnerable Strukturen, sensible oder sensitive, benachteiligte Bevölkerungsgruppen hier ganz besonders in den Blick nehmen und hier zu schauen, welche Auswirkungen haben dann auch pandemische oder insgesamt auch solche Risikoentwicklungen und wie kann man dem mit Resilienz entgegentreten.
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Und da war eben ein ganz wichtiger Begriff, den wir als Planer und Planerinnen alle kennen, nämlich Abwägung. Wie können wir Abwägungsprozesse auch datenbasiert formulieren? Und wenn wir vorhin gehört haben, die Resilienz überformt, die Nachhaltigkeit, das war auch sozusagen nicht so formuliert,
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aber im Grunde genommen definiert sich ja daraus auch ein normativer Korridor, den ich ja auch heranziehen möchte. Und das dritte Prinzip war das Integrations- und Kooperationsprinzip.
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Und das ist natürlich eins, was wir als Planer und Planerinnen schon sehr lange immer wieder formulieren und auch in den Mittelpunkt stellen, aber wo wir jetzt feststellen, wir müssen da noch viel stärker schauen, wie können wir vernetzen. Und das Dashboard, was Frau Musmayer angesprochen hat, ist sicherlich ein ganz wichtiges, die Datenvernetzung,
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um erst mal Überblick zu bekommen und Daten verfügbar zu machen für Argumentationsketten und Argumentationslinien. Aber wir haben auch gesagt, wir müssen im Grunde genommen vorbereitet sein auf Pandemien oder auch solche disruptiven Ereignisse,
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wie vorhin schon gesagt, und müssen dafür auch schauen, was heißt das denn auch, wenn wir unsere Instrumente auf allen Ebenen, und wir haben Empfehlungen formuliert von der Kommune bis zur EU, also Ebenen spezifisch, was heißt das dann für unsere Instrumente, wenn wir die sozusagen auf Resilienz hin überprüfen wollen und ja eigentlich auch müssen.
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Ganz herzlichen Dank für die kurze Zusammenfassung dieser komplexen, umfassenden Arbeit. Wer möchte, kann sich das gerne nachlesen auf der Homepage der ARL. Auf einige Punkte wollen wir gleich in der zweiten Runde noch mal näher eingehen.
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Die Frage der Benachteiligungen, sozialer Art, räumlicher Art, die Frage der Kooperationsmöglichkeiten, Chancen und Potenziale in dem Bereich. Das sind Themen, die wir gleich noch mal hier auf dem Podium diskutieren wollen. In der Zwischenzeit möchte ich aber kurz den Blick ins Publikum
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schweifen lassen in die anonyme Welt hinter den Schreibtischen mit ausgeschaltender Kamera. Und mein Kollegen Vladimir, es gibt eine Bitte mal kurz zusammen befassen oder die eine oder andere Frage in den Vordergrund zu stellen. Ja, im Chat geht auf jeden Fall was.
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Es gibt schon mehrere Fragen und wahrscheinlich wird nicht die Zeit reichen, alle Fragen durch zu beantworten. Deswegen würde ich vielleicht eine Frage sozusagen synthetisieren aus den Chats heraus, nämlich ausgehend von der Anmerkung von Frau Hasenkamp zur Frage der Co-Präsenz.
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Und nämlich vielleicht auch würde ich in dem Zusammenhang Sie an Herrn Ibert richten, nämlich welche Rolle die Co-Präsenz für Lösungsstrukturen in der Krise bieten kann oder wie die Krisenanfälligkeit vielleicht auch durch den Mangel an Co-Präsenz beeinträchtigt ist.
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Mit der Bitte um eine möglichst kurze Antwort, dass wir vielleicht noch ein, zwei weitere Fragen bearbeiten können. Ja, ich glaube, wir erleben ja gerade, dass Co-Präsenz heute nicht mehr physisch nur gedacht werden muss,
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sondern es wäre jetzt auch virtuelle Co-Präsenz hier ab und dass erstaunlich viel geht im virtuellen Co-Präsenz. Das ist eine der Haupt-Werneffekte, die wir an die Ost ziehen können. Plus, dass man virtuelle Co-Präsenz vielleicht nicht nur als ein Substitut für physische Co-Präsenz betrachtet,
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sondern eigentlich sogar als eine eigenständige Form des Austauschs, die eigene Nachteile, aber eben auch eigene Vorteile hat und auch unser Spektrum erweitert. In dem Moment, wo wir physische Co-Präsenz wieder leben dürfen im Augenblick, müssen wir halt die Vorteile und die Nachteile gleichzeitig haben.
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Stichwort Kommunikationsverhalten. Was haben wir noch, Vladimir? Vielleicht dann in Richtung von Frau Baumgart, wie das Lernen in Co-Präsenz und ohne Co-Präsenz in peripherisierten Räumen denn funktionieren kann, um zum Beispiel Resilienz zu befördern?
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Ich denke generell mangelt es bei uns an wirklich guten Formen, dass man gemeinsam lernt und Lernprozesse auch aushält und auch mal ein Scheitern aushält.
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Und das ist natürlich, je weniger Dichte ich an Wissen und Know-how habe und auch an finanziellen Ressourcen habe, je schwieriger ist das natürlich. Und das ist in peripheren Räumen natürlich noch viel stärker der Fall.
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Also von daher, denke ich, gilt es da, Strukturen aufzubauen oder zu stärken, zum Beispiel in Form von interkommunalem Austausch, dass also auf der kommunalen Ebene, wo ja die Entscheidungen in hohem Maße getroffen werden, dass hier sozusagen auch ein gemeinsames Lernen und übergreifende Austauschprozesse
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noch stärker unterstützt werden, als sie das vielfach schon getan werden. Weil gerade in solchen Räumen ist ja die einzelne Akteure auch in der Verwaltung häufig gar nicht so in der Lage, das in der ganzen Breite der unterschiedlichen Wissens- und Denksysteme zu erfassen
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und dann auch schon gar instrumentell in Handeln und politische Entscheidungsprozesse zu übertragen. Das ist ein Lauberei. Gut, wir gehen wieder zurück aufs Podium. Wir sammeln weiterhin.
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Wir wollen zum Abschluss noch mal die Möglichkeit zur Diskussion auch aus dem Publikum heraus eröffnen. Frau Baumgart hat eben schon das Integrations- und Kooperationsprinzip angesprochen. Frau Mosmayer, Sie begleiten ja unter anderem die regionale Krisenkooperation,
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sind da in vielen Gremien unterwegs und von daher die Frage an Sie. Was haben Sie denn jetzt schon aus diesem Krisenmanagement gelernt und welche positiven Entwicklungen sehen Sie, von denen Sie glauben, dass die auch nachhaltig wirken?
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Ja, vielen Dank auch für diese Frage und da würde ich gerne anknüpfen und das, was Herr Kammer vorhin gesagt hat, auch als Krisengrenzregionen, als Betroffene. Wir haben als Raumordner, als wir hier neu aufgestellt wurden, in der Heimatpolitik des Bundesministeriums, das In- und für Bau und Heimat vor drei Jahren,
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ein neues Referat für Grenzregionen geschaffen. Das hatte damals überhaupt noch nichts mit Corona zu tun, sondern unser Ansatz war, dass man perifere Regionen, die Strukturschwächen haben, stärkt, indem man die Grenzlage im Grunde als etwas starkes umdefiniert und diese Grenze in die Mitte rückt und sagt,
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auf der anderen Seite ist auch großartig, dass das da entsteht und wenn man das stärker vernetzt, dann haben beide Seiten was davon. Dann haben wir mit diesem Referat Kooperationen aufgesetzt, also grenzüberschreitende regionale Dialogformate und dann kam Corona und dann hat sich relativ schnell herausgestellt,
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dass die Grenzen ein Problem sind, sobald man sie schließt, was hier lange nicht mehr der Fall war. Also Europa war lange, lange Zeit davon ausgegangen, dass es den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr gibt und war teilweise, wie Herr Kammer ja auch richtig sagt, wirklich sehr überrascht, dass man diese Grenzen überhaupt noch zumachen kann, also auch ganz physisch.
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Es war einfach ein Problem, wir mussten erst mal Karten machen, wo überhaupt noch Grenzübergänge sind, die man überhaupt noch schließen kann, wenn man denn möchte oder zumindest kontrollieren kann. Testen kann die Menschen, die da ein- und ausgehen. Und dadurch hat sich diese bestehende, also in keinem bestehende grenzüberschreitende Kooperation zu etwas gemausert, was ich glaube,
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was auch nach Corona beibehalten werden sollte, nämlich der direkte Austausch zwischen den Regionen. Was ist wirklich vor Ort das Problem und den Bundesländern, also der Bundesebene sowohl auf österreichischer, französischer, deutscher, tschechischer Seite, die nachher Gesetze machen, die ja alle, wenn man das mal vergiskanemäßig betreffen,
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dass man diese Zusammenarbeit kurzschließt. Dass man die Regionen an einen Tisch setzt, auf Augenhöhe mit denen, die nachher die Gesetze machen. Weil nur so könnte man auch wenigstens in Ansätzen die schlimmsten Sachen verhindern, die für die Grenzpendler einfach der Tod gewesen wären. Also es gibt ja Bereiche, wo man einfach
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täglich rein und raus hüpft oder mal ein Land quert und in anderes wieder eingeht, wenn ich dann dreimal testen muss und fünfmal verschiedene Formulare vorzeigen muss, geht es halt irgendwann nicht mehr. Und ich glaube, da haben sich diese Dialogformate, die waren natürlich alle Telefonkonferenzen und Videokonferenzen, die haben sich sehr bewährt
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und die Akteure kennen sich inzwischen, vertrauen sich inzwischen, tauschen sich auf einer sehr guten Ebene aus und ich denke, das sollte und wird über die Corona-Krise hinaus Bestand haben, weil es sich auch für andere Dinge trefflich anwenden lässt. Also es gibt ja nach der Krise vor der Krise irgendwases immer, weswegen man sprechen muss
38:02
und ich glaube, da bewährt es sich, diese eingeübten Gremien oder auch informellen Formate zu haben, damit man dann weiß, wen muss ich denn anrufen, wenn ich ein Problem habe bei der Bundespolizei, wen muss ich anrufen, wenn es um lokale Testmöglichkeiten geht oder um Industrie- und Handelskammerfragen und so was. Und ich glaube, das wird sich hoffentlich
38:21
über die Krise hinaus erhalten und weiterentwickeln. Wir möchten jedenfalls gerne dafür sorgen, dass das so ist. Das ist ein ganz spannender Punkt, den ich auch gerne gleich an Herrn Kamel zurückspiele. Frau Mosmayer, Sie hatten im Vorgespräch auch gesagt, das ist nicht nur die transnationale Kooperation, die gestärkt wurde, sondern auch die Landkreisebene.
38:41
Jetzt direkt die Frage an Herrn Kamel. Haben Sie das Gefühl, Sie sind mit Ihren tschechischen Nachbarn und Nachbarinnen näher zusammengerückt oder doch weiter auseinander und stärker fokussiert auf den Landkreis? Also alleine die Grenzschließung, nicht Verfügbarkeit der Grenzpendler,
39:02
was, wie Frau Mosmayer gerade sagte, fast unvorstellbar war bis dahin. Alleine das hat ja allen vor Augen gehalten, wie man aufeinander angewiesen ist. Und ich meine, das hat auch entsprechend noch mal die Bedeutung für alle Beteiligten aufgezeigt,
39:21
dass auch die grenzüberschreitende Kooperationsbetrifft im Übrigen nicht nur Grenzpendler, es betrifft auch viele andere Themen. Es betrifft den Warnverkehr. Es betrifft Kinder, die grenzüberschreitend in den jeweils anderen Kindergarten gehen. Es betrifft kulturelle Fragen, soziale Fragen.
39:40
Wir haben Städte, die sind quasi nur durch den Grenzbach geteilt, aber haben eben eine gemeinsame Identität irgendwo als Kommune. Und dort sind auch gewisse Dinge dann erst mal so richtig auffällig geworden, was einem da verlustig geht mit so einer völlig unvorstellbaren,
40:01
auch wenn sich über die Inzidenzzahlen und die Nachrichtenlage so was angedeutet hat, dass das eine Option sein könnte für staatliches Handeln. Aber unter Endkonsequenz war es eben wirklich etwas, was uns komplett umgehauen hat. Und ich möchte noch eine kleine andere Geschichte
40:20
auch noch mit zu dem Thema anbringen, weil ich eine Chatfrage gesehen hatte, die auch ein Stück weit an mich adressiert war. Thema Gastronomie, Hotellerie, Tourismus in Ganzen. Wie sehen wir das als auch Urlaubsdestination? Was wird dort passieren in den nächsten Jahren?
40:42
Wir müssen vor allem eins festhalten. Corona, das kam heute auch bei den Eingangsvorträgen, insbesondere von Herrn Professor Schmidt zum Ausdruck, ist eine Herausforderung neben anderen schon bestehenden Herausforderungen. Und die allergrößte Herausforderung, die nahezu jeder ostdeutsche Flächen-Landkreis
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vor der Brust hat, das ist das Demografie-Thema. Und wenn in einer Branche wie Hotellerie, Gastronomie der Arbeitsmarkt eh schon komplett ausgekehrt ist und Gastronomen heute nicht darüber entscheiden, ob sie ein Restaurant eröffnen möchten oder nicht, sondern das entscheidet der Arbeitsmarkt
41:21
für gastronomische Mitarbeiter, dann kann man sich vorstellen, was jetzt mit diesem langen Lockdown den dazugehörigen Kurzarbeitergeld schicksalen, so möchte ich das mal ausdrücken, was da ungefähr abgeht. Nämlich, das sagt uns der DEHOGA-Verband wöchentlich, dass in Größenordnungen die ehemaligen Mitarbeiter
41:42
in der Gastronomie die Branchen wechseln, weil das schlicht nicht mehr durchzustehen ist, ein Jahr bei 60 oder 70 % vom Nettoeinkommen in der Gastronomie zu leben. Und diese Leute wird unsere Gastronomielandschaft nicht mehr zurückgewinnen aus anderen Dienstleistungssektoren oder aus dem Industriebetrieb.
42:02
Ja, das wird auch für diesen Sektor und auch für die Lebensqualität im Übrigen in der Region noch gravierende Einschnitte mit sich bringen. Also vielleicht trotzdem noch mal den Sommerurlaub überdenken und in der Wirtschaftsregion Erzgebirge planen kann vielleicht helfen. Letzte Frage mit der Bitte um eine kurze Antwort an Sie, Herr Kammer.
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Kooperationen sind ja angesprochen worden, neue Kooperationen. Welche neuen räumlichen Strategien und Kooperationen sehen Sie denn bei den Unternehmen? Und wie nachhaltig, glauben Sie, sind diese? Also wird jetzt stärker regional zusammengearbeitet und wird das bleiben? Ich würde es in zwei Handlungsstränge
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differenzieren wollen, wenn ich vor allem von der Industrie ausgehe, die uns nun mal besonders prägt in der Region. Das eine sind die vielfach thematisierten Lieferketten-Themen. Regionalisierung, Lieferantensicherheit, alles die Schlagworte,
43:01
die jetzt im Kontext der Corona-Zeit aufgekommen sind. Dort wird viel davon gesprochen, dass man sich ausfallsicherer, dass man sich auch vor dem Hintergrund CO2-Thematik mit kürzeren Lieferwegen und dergleichen beschäftigt. Aber, und jetzt kommen wir zur Realität, klassischer Automobilzulieferer,
43:20
der ein Blechrohteil bekommt und das hier zusammenschweißt und zum nächsten schickt. Für den sind solche Fragen spätestens in den Vertragsverhandlungen mit dem VW oder BMW oder dem nachgelagerten großen Zulieferer Schall und Rauch. Das Einzige, was dort zählt, ist der Preis.
43:41
Da muss man nicht naiv sein. Da wird sich zumindest in dem Sektor nicht wirklich viel nachhaltig verbessern. Dagegen habe ich einen anderen Bereich, wo ich großer Hoffnung bin. Das ist das ganze Thema Innovation, Kooperation mit Forschungseinrichtungen mit Hochschulen.
44:01
Dort spüren wir ganz deutlich, auch aus den genannten demografischen Herausforderungen, dass sich unsere regionale Industrie anders aufstellen muss. Sie muss innovativer werden, sie muss mehr kooperieren mit entsprechenden Einrichtungen, um werthaltigere Produkte schlussendlich herzustellen zu können,
44:22
Eigenentwicklung voranzutreiben. Und dort bin ich sehr guter Dinge, dass diese Art der Kooperation für die nächste Zeit nicht nur stabil ist, sondern dass die auch noch mal weiter deutlich ausgebaut wird. Und insgesamt sehen Sie die Zukunft Ihrer Wirtschaftsregion
44:41
ja trotz allem positiv. Ich glaube nicht zuletzt auch aufgrund der Hoffnung, dass die nicht-metropolitaren Räume an Attraktivität gewinnen. Auch das Thema würde ich gerne nutzen, um zu Oliver Ebert nochmal überzuleiten. Gerade diese Frage veränderte Arbeitspraktiken statt Landverhältnis, Homeoffice,
45:03
Pendlerverkehre. Wir hatten es vorher schon, wir sind im spekulativen Bereich. Aber kann man denn nicht, wenn man den großen Umfang dieser Prozesse, wie stark sie sich verbreitet haben, aus einer innovationstheoretischen Perspektive
45:20
nicht doch sagen, das eine oder andere hat mittlerweile ein Level erreicht, wo das nicht mehr wegzudenken ist. Also die Frage, innovationstheoretisch betrachtet, welche Prozesse werden vermutlich bleiben in diesem Feld? Danke für die Frage.
45:45
Es ist richtig, wenn man wenig Daten hat, dann können vielleicht Theorien oder grundsätzliche Verständnisse von Prozessabläufen so ein bisschen helfen, weiter in die Zukunft zu gucken,
46:00
als man das sonst so könnte. Was man aus der Innovationsforschung schon weiß, ist, dass es so kritische Schwellenwerte gibt, wenn die überschritten werden, dass es dann auch häufig kein Zurück mehr gibt zu einem vorherigen Status.
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Ich glaube, was man jetzt in Bezug auf Arbeitspraktiken schon sagen kann, ist, dass die Hemmschwellen sich mit virtuellen Konferenztools zum Beispiel zu beschäftigen überhaupt kein Thema mehr sind
46:40
bei der Zielgruppe für diese Tools. Ich würde sagen, dass es vor eineinhalb, zwei Jahren eine kleine Minderheit diese Tools wirklich selbstverständlich im Alltag benutzt hat, während es heute eigentlich bei allen Leuten, die grundsätzlich dafür in Frage kommen,
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breite Erfahrungen damit gibt. Das ist also die Schwelle von den sogenannten technikaffinen Early Adopters hin zu der breiten Masse ist hier also eindeutig überschritten. Das wird in Zukunft dazu führen,
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dass diese Technologien nicht mehr aus dem Alltag verschwinden werden und sich weiter durchsetzen werden. Was das dann wiederum für freundliche Implikationen hat, da wird es dann wieder sehr spekulativ. Da kommen wir zu diesem viel veräßelten multikosalen Baum, den Stefan Siedentopf heute an die Wand geworfen hat.
47:42
Da wird es eben jetzt wirklich spannend. Also ich hatte ja vorhin davon gesprochen, wenn es so Trends gibt, die sowieso schon da sind und die dann durch eine Krise oder durch eine Disruption verstärkt werden und es sind Akteure da, die auch vorbereitet sind um ihren Plan sozusagen zur Stelle stehen und das die Gelegenheit nutzen können,
48:01
dann hat man es mit ziemlicher Sicherheit mit so einem Game-Changing zu tun. Aber die anderen beiden Konzentrationen sind eigentlich viel interessanter, nämlich einmal so Akteure, die sozusagen überraschend jetzt Gelegenheit bekommen haben, die aber nicht vorbereitet sind, wo man jetzt nicht genau weiß, wie verhalten die sich, was machen die da draus? Und das andere ist vielleicht auch,
48:21
da sind wir vielleicht, da sind wir näher beim Thema Nachhaltigkeit, Akteure, die eigentlich sehr wohl vorbereitet sind und die sehr genau wissen, was sie wollen, die aber bisher von den Trends nicht unbedingt begünstigt waren. Die könnten natürlich jetzt auch so eine unentschiedene Situation nutzen. Da sind wir dann vielleicht näher dran bei dem Thema, was Frau Baumgart oder auch was Stefan Siedentopf heute Vormittag thematisiert hat.
48:42
Also die große Frage, können wir eben dieses, also gibt es so ein Bounce forward, also nicht nur zurück zum alten Status quo, sondern kann die Überwindung der Krisen, der Krise irgendwie in einem neuen, besseren Zustand führen.
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Und da haben wir auf jeden Fall was die Nachhaltigkeit angeht, haben wir viele, glaube ich, ganz gut vorbereitete Akteure, die bisher von dem Trend nicht allzu gut begünstigt wurden und die vielleicht jetzt ihre Gelegenheit nutzen. Und das, finde ich, sind die spannenden Felder, wo man auch wirklich Forschung jetzt nötig ist, wo es sehr, sehr offen ist, wie die Situation sich momentan entwickelt.
49:22
Ich interpretiere das jetzt mal eher positiv, auch im Sinne der Diskussion, die vorher im Raum 1 geführt worden ist, zu ländlichen Räumen als mögliche Profiteure der Pandemie. Ich glaube, die sind auch schlecht vorbereitet, aber haben jetzt, vielleicht jetzt sozusagen ein bisschen so eine Gelegenheit in den Schoß.
49:40
Und ich glaube, die meisten sind schlecht vorbereitet, aber einige vielleicht auch besser. Schlecht vorbereitet, aber der Trend ist da und das Fenster, das Gelegenheitsfenster ist irgendwie offen. Frau Baumgart, Sie sind da ja eher skeptisch und vertreten eher die Position, dass die aktuelle Pandemie bestehende sozioökonomische und räumliche Ungleichheiten
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und Krisen eher weiter verstärkt und die gesellschaftliche Spaltung noch sichtbarer wird. Wie sind denn Ihre Schlussfolgerungen dahingehend und inwiefern haben wir die Möglichkeit, dagegen zu steuern? Ja, es ist ja schon sichtbarer geworden.
50:20
Also wir haben ja eigentlich, ich kann mich jedenfalls kaum erinnern, dass wir jemals so viel über sozioökonomische Ungleichheiten auch im politischen Raum diskutiert haben, auch sehr kleidräumig diskutiert haben, dass gesellschaftliche Arbeitsteilung so breit in den Medien auch präsent war. Das ist sozusagen das Positive
50:42
an der Pandemie, dass das jetzt da sozusagen so ein Schlaglicht aufgeworfen wurde. Aber ich denke, die Ressourcen, die ja dieser Ungleichheit zum Grunde liegen und der gesellschaftlichen Spaltung, die daraus folgt, die müssten ja strukturell
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verbessert werden. Und es ist heute Morgen schon darauf hingewiesen worden, so ein wichtiges Thema, was für uns ja als Plannerin von hoher Bedeutung ist, ist, was heißt das jetzt für Wohnen? Für Wohnsituation, für bezahlbaren Wohnraum,
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Klammer auf, der ist nicht in den Innenstädten durch die Umnutzung von Büroräumen zu schaffen. Das wird kein bezahlbarer Wohnraum. Das wird sehr teuer. Erkauf der Wohnraum. Dennoch ist es ein Lösungsweg, aber der würde nicht auch die Frage der sozioökonomischen Ungleichheiten und schlechten Grundbedingungen antworten. Klammer zu.
51:41
Aber die Frage eben stellt sich, wie können wir mit der Dominanz der Wirtschaft und der wirtschaftlichen Tragfähigkeit von Infrastruktur, von Grund und Boden, wie kann das irgendwie ausgehebelt werden oder zumindest eingeschränkt werden? Aushebeln will ich gar nicht, sondern einschränken in stärker in Richtung
52:01
Gemeinwohlorientierung. Das Bündnis Bodenerwende ist ja auch schon erwähnt worden. Da ist die Akademie, also die ARL, auch Kooperationspartnerin, denke ich, spielt da eine ganz wichtige Rolle. Aber es ist nicht nur Boden und Bodenspekulation. Es sind auch Fragen der Gesundheitsversorgung, der Krankenhausplanung, die ja auch immer unter dem wirtschaftlichen
52:21
Klimat stehen. Und da, oder Mobilität über MV hatten wir eben auch in der Teilgruppe. Das sind ja Fragen, die oder die Dominanz der wirtschaftlichen Tragfähigkeit, die ist ja nach wie vor gegeben und wird sich auch jetzt nicht
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flachartig ändern. Und da müssen wir schauen, wie wir da mit Instrumenten auch arbeiten können. Für die Planung auf den Raum bezogen, da haben wir durchaus viele Instrumente, die wir auch einsetzen können. Baurecht und beispielsweise. Also gibt es viele Möglichkeiten, die auch in dem Papier zur Bodenwende auch gut
53:00
dargestellt sind. Aber grundsätzlich glaube ich, müssen wir eben sozusagen schauen, wie können wir überhaupt neue Gestaltungsansätze auch für den Raum entwickeln. Also auch das Instrumentarium, die Zuständigkeiten, die Frau Mussmeier vorhin ansprach, ist ja ein großes Problem. Wer jemals auf der kommunalen
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oder regionalen Ebene gearbeitet hat, weiß, dass wie stark die Beharrungskräfte da sind. Und das Instrumentarium flexibler zu machen. Und ein Plan, der einen Seite soll er rechtssicher sein, auf der anderen Seite soll er Optionen offenhalten. Das ist ja eine große Herausforderung, die wir im Grunde genommen noch kaum wirklich
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lösen können. Und da sehe ich, ja, da sehe ich große Hemmschwellen. Aber gleichwohl denke ich, das sind natürlich auch Fragen und Themen, mit denen wir uns befassen müssen. Nahe Zukunft. Aber da sprechen wir eigentlich über das Bohren von ganz dicken Brettern. Daher auch nochmal die Frage
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zurück an Sie mit der Bitte um eine kurze Antwort. Sehen Sie denn diese Themen ausreichend adressiert im gesellschaftlichen und politischen Diskurs Richtung Gemeinwohlorientierung? Die großen Fragen, die Sie gerade angesprochen haben. Wir haben ja bald Wahlkampf. Also müssen wir unsere Stimme da lauter werden lassen
54:21
oder findet das schon statt? Es findet in Ansätzen statt. Also besagtes Bündnis Bodenwende, das hat ja Wahlprüfsteine entwickelt. Da richtet sich schon deutlich auch an die Wahlkampfsituation. Aber insgesamt finde ich es doch einigermaßen erschreckend, wie wenig unsere Disziplin,
54:40
also in ihrer ganzen Breite, auch in den tagespolitischen Themen berücksichtigt oder auch präsent ist. Also da, glaube ich, ist noch viel zu tun. Wir müssen viel stärker auch in Richtung Wissenschaftskommunikation gehen, denn Erkenntnisse haben wir viele,
55:00
aber wir müssen ins Handeln kommen. Das adressiert natürlich die Politik, die aber ganz andere Handlungslogiken zu unterlegt bei ihren Entscheidungen. Also vielleicht ist das ein Impuls, der von dieser Veranstaltung noch mal ausgehen kann. Sehr schön. Vielen Dank. Wir haben noch drei Minuten für ein paar Fragen
55:21
aus dem Publikum. Ich gebe dazu noch mal an Wladimir Skibnev. Wladimir, es ist nicht zu hören. Ich bitte den Technik-Support hier noch mal.
55:41
Ich bin mein eigener Support. Und die Frage nach dem Förderprogramm, die Frau Jochensen gestellt hat. Ich würde sie an Frau Moos weiterleiten, weil es ja auch in Richtung von möglicherweise gelungenen oder zukünftig gelingenden Kooperationen auch zwischen der Politik
56:01
und Wirtschaft gingen, ob sie vielleicht auch zu neuen Förderformaten ein paar gute Beispiele und Ideen haben. Ich habe die Frage jetzt nur ein bisschen buchstückhaft verstanden, aber es ging um Förderprogramme. Ich würde meine Einschätzung der Dinge,
56:21
wir haben ja auch vor kurzem die Zwischenbilanz zu den gleichwertigen Lebensverhältnissen vorgelegt, die einen Überblick gibt über die ganze Vielfalt der Fördermöglichkeiten. Da muss ich ehrlich sagen, glaube ich eher, dass es zu viel gibt, als zu wenig. Ich glaube, dass für die Regionen dieses Angebot so unubesichtlich geworden ist, dass man glaube ich Schwierigkeiten hat,
56:41
das zu finden, was man vielleicht gut brauchen könnte. Und dass die Förderprogramme, die wir bislang haben, auch zu kurzfristig sind. Wir haben immer Geld für zwei, drei Jahre und bis die Regionen sich dann aufgestellt haben, überhaupt jemanden zu haben, der einen Förderantrag stellen kann, dann ist das Programm eigentlich schon wieder vorbei. Ich würde eher dafür plädieren, dass wir längerfristige Programme haben,
57:02
auf die sich die Regionen auch gut einstellen können, dafür aber mit der notwendigen Flexibilität sich das dann rauszusuchen und das zu machen, was man auch wirklich braucht. Also was glaube ich fatal wäre, wenn durch irgendwelche Förderinitiativen ja Dinge gemacht werden, die eigentlich in der Region gar nicht wichtig sind, aber trotzdem gemacht werden, weil das Geld eben da ist
57:21
und man es nicht liegen lassen will und vor dem Gemeinderat auch nicht irgendwie erklären kann, warum man dieses Geld jetzt nicht nimmt. Was wir aber tatsächlich vorhaben ist, ein Förderinstrument aufzulegen, das aber eben mit dieser Langfristigkeit dann agiert, um die Regionalplanung zu stärken, weil da glaube ich ist noch ein Ansatz, der diese lokale Bedarfabfrage schaffen kann.
57:46
Da sind wir momentan in der Konzeption, da sind wir auch im Gespräch mit den Ländern, das geht ja auch nicht ohne die Länder, denn vieles muss natürlich auch von den Ländern gemacht werden. Wie Sie wissen, sind die zuständig für die kommunalen Planungen, bzw. die Finanzen der Kommunen und der Regionen.
58:02
Also sowas bereiten wir vor, aber ansonsten würde ich sehr dafür plädieren, diese ganze Förderlandschaft radikal zu vereinfachen und zusammenzuführen. Aber wenn wir schon von dicken Brettern reden, ich glaube, das ist auch eins, das hat man jahrelang probiert und nachher ist es einheitliche
58:21
deutsche Fördersystem dabei rausgekommen, das auch nicht wirklich viel einfacher geworden ist. Also ich glaube, das ist sehr schwierig, weil jeder sein eigenes Förderprogramm für das Allerbeste hält und auf genau das kann man leider nicht verzichten. Also von daher wird es immer mehr statt weniger. Da bin ich wenig zuversichtlich. Aber einen positiven Dreh wollte ich noch am Ende reinbringen gegen Frau Baumgart. Ich glaube, dass die Pandemie
58:41
auch durchaus große Solidarität in Europa gezeigt hat, also auch über die Grenzen hinweg und eben auch über die Landkreise hinweg und ein großes Engagement der Bürger und der Unternehmen und so. Also man ist krisenfähig und krisenfest und ich glaube, so wahnsinnig viel ändern müssen wir gar nicht,
59:01
als den Leuten das zu erlauben, eben zu agieren. Also um das vielleicht noch mal zusammenzufassen und auch gleich an die anderen PodiumsteilnehmerInnen gerichtet, Ihre persönliche Einschätzung zur Corona-Pandemie eher Krise oder eher Chance, habe ich Sie richtig interpretiert, dass Sie eher positiv
59:21
in die Zukunft blicken und glauben, dass mehr Signale in Richtung positiver Gestaltung hängen bleiben werden? Also ich glaube, es wurde ja auch schon vorher erwähnt, ich glaube, die Krise hat eben einiges sichtbar gemacht, was vorher so eher unsichtbar
59:41
im Hintergrund da vor sich hin dümpelte und das ist unter anderem, wie stark vernetzt wir sind und zwar über die Region, über die Landkreise hinaus, auch global und dass man das zur Kenntnis nimmt und eben sagt, wir können nicht irgendwie die Grenzen zumachen und sagen, wir schaffen das jetzt irgendwie alleine. Das finde ich ist eine große, also Chance, aber es ist ja, es ist nicht...
01:00:00
Nichts Positives an dieser Krise, das muss man einfach mal sagen. Leute sterben und das Leben ist zum Schleifstand gekommen, das ist alles überhaupt nicht positiv. Aber es zeigt eben auch Stärken, die man weiter ausbauen kann. Und das ist glaube ich eine davon, dass man diese Vernetzung zur Kenntnis nimmt und gestaltet. Und positiv gestaltet.
01:00:22
Ja, das ist glaube ich klar, dass wir die Krise nicht insgesamt schönreden wollen. Wir sind vor allem nicht hinsichtlich der gesundheitlichen Auswirkungen. Von daher auch wirklich die Perspektive der Raumentwicklung in diesem Fall. Herr Kammel, was überwiegt denn in dieser Dimension aus Ihrer Sicht?
01:00:41
Eher Krise oder eher Chance? Auch wenn ich wahrscheinlich in meinen Darlegungen eher die Herausforderungen benannt habe. Aber ein pessimistischer Wirtschaftsförderer ist eigentlich fehl am Platze. Von daher muss ich schon erstmal berufsoptimist sein. Und das bin ich auch.
01:01:00
Wenn ich es nochmal auf unserer Region spiege, wir haben jetzt nicht ich, aber die Generation vor mir, 800 Jahre auf und ab vor allem dem Bergbau geschuldet. Da gab es Phasen, da ging viel und da gab es Phasen, da ging wenig. Da waren auch pandemische Lagen noch mit eingebaut und es ging immer weiter in der Region. Die hat sich immer neu erfunden, die hat sich immer neue Wertschöpfungspotenziale erschlossen.
01:01:26
Die hat sich auch immer verändert auf Neuerungen hin. Und warum soll uns das auch nicht aus dieser Situation heraus gelingen? Ich kann allen Kollegen noch beipflichten, uns selber ist auch im eigenen dienstlichen Beritt
01:01:40
viel Neues begegnet in den letzten Monaten. Stellhebel, an die wir vor zwei Jahren wahrscheinlich noch gar nicht gedacht haben. Und die gilt es jetzt genauso zu greifen, um das Ganze wieder in ein ruhiges Fahrwasser zu bringen. Und innerhalb Europas genau den Stand zu haben, den wir auch vor der einen oder anderen Grenzschließung hatten.
01:02:02
Herzlichen Dank. Frau Baumgart, wie optimistisch oder pessimistisch gucken Sie in die Zukunft? Na ja, als Planerin kann ich eigentlich nicht pessimistisch in die Zukunft gucken, weil wir ja doch für uns den Anspruch haben, auch die Zukunft mitzugestalten. Und von daher sehe ich da schon auch mehr Chance.
01:02:22
Und ich denke, dass wir aus dem, was wir jetzt erfahren haben in dem letzten Jahr, dass wir da auch stärker wirklich schauen müssen, wie können wir unsere Instrumente tatsächlich schärfen und besser einsetzen und argumentativ stärker werden. Und auch insbesondere auf die Politikberatung noch stärker schauen.
01:02:43
Das ist ja auch eine Aufgabe der ARL, dass wir das substanzieller gestalten können, um da auch stärker wahrnehmbar zu sein in der Öffentlichkeit. Und Politiker schauen auf Öffentlichkeit und schauen auf öffentliche Meinungsbilder. Und von daher wäre das ein Anliegen, was ich auch gerne weiter mit verfolgen möchte.
01:03:05
Und da bin ich schon optimistisch, dass die Diskussion auch da in diese Richtung weitergeht. Dankeschön. Bei Oliver Ebert weiß ich jetzt nicht genau, ob er uns noch hört. Ob wir ihn hören können. Man hört dich.
01:03:24
Ja, dein Schlussplädoyer. Du kannst sprechen. Ich würde zu der Frage auch sagen, ich glaube, Chance oder Krise ist ein bisschen eine falsche Qualität.
01:03:41
Ich würde sagen, es ist definitiv eine Krise. Aber es kommt auch an, es kommt auch uns auch an, wenn der Krise auch Chancen liegen. Und eine wichtige Voraussetzung dafür ist, wie diese Krise von uns geframed wird oder wie die Krisen im Feld von Corona von uns geframed werden.
01:04:02
Und da habe ich jetzt ganz viel Positives oder Optimismusweckendes gehört in der Runde. Zum Beispiel, dass die Krise Probleme aufbricht, für die aber wir, also die Politik, weil wir die Gesellschaft verantwortlich sind. Das ist eigentlich für mich schon der erste Schritt, damit daraus etwas Vernünftiges werden kann.
01:04:26
Wie schlimmer wäre es, wenn man sagen würde, wenn man jammern würde und sagen würde, die Krise ist über uns geframed worden, niemand kann was dafür, dann würde vermutlich auch nicht allzu viel geschehen. Aber auch die problematischen Entwicklungen, die jetzt von der Krise aufgelegt worden sind,
01:04:42
sind zumindest keine Chancen, weil diese Probleme dadurch sichtbar geworden sind. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass man sie angeht. Herzlichen Dank Oliver Ibert, vielen Dank Vera Moosmeier, vielen Dank Jan Kammel. Herzlichen Dank auch an Sie Sabine Baumgart für Ihre Teilnahme an diese Podiumsdiskussion.
01:05:03
Wir sind am Ende angelangt. Ich hoffe, wir konnten den Sack einigermaßen zumachen und gemeinsam optimistisch in die Zukunft gucken.