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Standardsituationen der Technologiebegeisterung

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Standardsituationen der Technologiebegeisterung
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12
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72
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Das fehlende Gegenstück zu Passigs 2009 im "Merkur" erschienenen Text "Standardsituationen der Technologiekritik". Ob Eisenbahn, Maschinengewehr, Radio, Telefon, Fernsehen oder Internet: Es findet sich immer jemand, der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Weltfrieden für quasi automatisch eintretende Folgen der neuen Technologie hält. Wir machen uns gemeinsam über diese Gestalten lustig und tun so, als hätten wir nicht selbst schon das halbe Internet mit solchen Behauptungen gefüllt.
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Robot
ACT <Programm>BlogLecture/ConferenceMeeting/Interview
PICA <Bibliotheksinformationssystem>Parameter (computer programming)Lecture/Conference
Parameter (computer programming)InternetMeeting/Interview
InternetKommunikationWeightVelocityWeizenbaum, JosephPOWER <Computerarchitektur>Spring (hydrology)InternetAgreeablenessZusammenhang <Mathematik>KommunikationstechnikPredictionCalculationTwitterComputer animation
PredictionPredictionSlide ruleComputer animation
KommunikationForceSound <Multimedia>Coin <Programmiersprache>LagmakeMoment (mathematics)Beat (acoustics)RadiusArmKommunikationStrahlTwitterInternetPredictionSpring (hydrology)Computer animation
TOUR <Programm>Motion (physics)EDISONJames <Programm>makePACEStructural loadKommunikationMaxima and minimaVon Neumann, JohnInternetInformationTwitterInternetZusammenhang <Mathematik>Systems <München>PredictionDirection (geometry)MittelungsverfahrenALT <Programm>EckeFinite setComputer animation
InternetInternetHausdorff spaceSet (mathematics)CompuServeSmartphoneParameter (computer programming)LaptopGraphics tabletEnergy levelDisplayState of matterLecture/ConferenceMeeting/Interview
Inheritance (object-oriented programming)Zusammenhang <Mathematik>WordComputer animation
SineError messageInternetPredictionPositionMathematicsMoment (mathematics)Direction (geometry)MittelungsverfahrenPoint (geometry)TwitterAerodynamicsComputer animation
PICA <Bibliotheksinformationssystem>Robot
Transcript: German(auto-generated)
Ich habe 2009 diesen Artikel im Mercure veröffentlicht, der hieß Standartsituationen der Technik, der Technologiekritik.
Und das war, ich habe ihn gerade noch mal gelesen, ein lustiger Artikel, der ist viel zitiert worden. Das sollte einem denke ich auch immer ein bisschen misstrauisch stimmen, wenn man was behauptet, wo alle dafür sind. Ich bin dann im Laufe der letzten zwei Jahre zu dem Schluss gekommen, dass das zwar lustig, aber nicht
vollständig richtig war. Deshalb möchte ich jetzt zum Ausgleich das Gegenteil behaupten. Was jetzt folgt sind nicht die allerbahnbrechendsten Erkenntnisse, nur schon mal zur Warnung.
Also falls Techniksoziologen, Technikphilosophen im Saal sind, man kann jetzt auch einfach noch einen Kaffee trinken gehen, bevor wir in die Schlussrunde gehen, ich sage das eben zum Ausgleich für diesen fahrlässig veröffentlichten Artikel und zweitens auch, weil ich selbst erst in den letzten zwei, drei Jahren begriffen habe, dass es ganz so einfach nicht ist mit der Technikkritik und weil ich davon ausgehe, dass gerade
hier auf der Republika vielleicht noch ein, zwei andere sind, die da auch etwas, die da ähnlich begriffsstutzig sein könnten wie ich. Würde mich also freuen, falls Technikhistoriker im Saal sind, dass nicht dann höhnisch in den Blogs geschrieben wird, dass Katrin Passich jetzt auch auf dem Forschungsstand von 1800 angekommen ist, das wäre sehr nett.
Damit, weil den Artikel vielleicht nicht jeder gelesen hat und auch nicht jeder heute Nachmittag bei Felix Schwenzl war, der ihn glaube ich auch noch mal zusammengefasst hat, fasse ich ihn jetzt auch noch mal zusammen. Punkt eins in dieser Abfolge der Standardargumente der Technikkritik ist, dass man noch nicht versteht, wozu das neue Ding gut sein soll.
In diesem Zitat geht es um die Bahn zwischen Berlin und Potsdam und der damalige Generalpostmeister hat noch nicht so ganz verstanden, wozu man eine Bahn brauchen könnte. Der zweite Schritt in dieser Standardabfolge der Argumente, wer will denn so was haben?
Das ist nicht komplett nutzlos, aber man kann sich auch nicht vorstellen, dass es Leute gibt, die so was haben möchten. Gefolgt von Punkt drei. Ok, es gibt also Leute, die so was haben möchten, aber das sind zweifelhafte Gestalten.
Je nachdem um welche Technik es geht, sind es nur Männer oder wie hier bei Hanno Kühnert. Wenn das Internet sich nicht ändert, wird es zerfallen 1997, die Gefahr ist vielleicht noch nicht vor dem Tisch, aber zumindest ist es nicht daran zerfallen, dass es zu wenig Frauen enthält.
Der vierte Schritt. Ok, es wird von ziemlich vielen Leuten genutzt, aber könnte ja immer noch sein, dass es bald wieder verschwindet.
Dann sieht man ein, dass es vielleicht auch nicht verschwinden wird. Also es bleibt da, aber mit etwas Glück bleibt ja trotzdem alles beim Alten. So wie hier durch das Maschinengewehr, das zu dem Zeitpunkt auch schon ungefähr 40 Jahre alt war. Man braucht nicht zu glauben, dass diese Schritte sich zwischen Montag und Freitag vollziehen.
Nämlich entweder, weil das Neue nur ein Spielzeug ist, ein sehr häufiger Vorwurf hätte an dieser Stelle die Auswahl zwischen 20 verschiedenen Zitaten oder weil man damit kein Geld verdienen kann, wie hier über Flugzeuge und die Radioaktivität behauptet wird.
Falls es um Kommunikationstechniken geht, dann sieht es erstmal nicht so aus, als ob die Beteiligten einander was zu sagen hätten. Hier geht es um den Telegrafen, in letzter Zeit ging es in dem Zusammenhang eher um Twitter oder Social Media generell.
Oder das Neue hat sich einigermaßen etabliert, das wird wahrscheinlich auch nicht wieder weggehen, aber trotzdem muss man noch dringend Artikel darüber veröffentlichen, warum es empörend mangelhaft an ganz vielen Stellen ist.
Hier ging es um das frühe Internet, ich weiß gar nicht, was sind da so die aktuellen Beispiele. Liquid Democracy, als Sascha vorgestern hier gestanden hat, beklagte er
die übermäßige Komplexität von Liquid Democracy vielleicht das aktuelle Beispiel. Schwächere als ich, in der Regel sind das Kinder, oft ist es auch die arme Unterschicht, die auch nicht so genau weiß, wie sie mit dem Neuen umzugehen hat.
Und dann gefolgt von einem Punkt, der eigentlich mehr so ein allgemeiner Einwand ist. Leute, ich weiß gar nicht, ob das noch aktuell ist. Also ich war jetzt wegen dieser Aussage schon sehr lange nicht mehr im Nest, vielleicht ist das inzwischen ganz anders.
Sie haben ja jetzt auch einen Coworking Space eingebaut, hab ich gelesen. Weiß nicht, ob man da jetzt auch mittags den Rechner abschalten muss. Und der letzte Punkt in dieser Abfolge, falls das Neue irgendwie mit Denken, Schreiben oder Lesen zu tun hat,
dann verändert das ganz sicher unsere Denkschreibe und Lesefähigkeiten zum schlechteren. So, hier die Schreibmaschine. Über den Kugelschreiber ist das übrigens auch behauptet worden, da gibt es schöne Kugelschreiber-Zitate dazu. Es kommt aber, es kommt aber leider auch vor, wie man dann klar wurde,
und zwar wurde mir das aus einem wissenschaftlichen Standardwerk klar, das hieß so ähnlich wie die tausend lustigsten falschen Prophezeiungen, dass auch das über die neue Technik, was pessimistisches gesagt wird, was sich später als richtig erweist
und das kommt genauso vor, dass optimistische Vorhersagen sich als falsch erweisen. Was ein Problem bei der Vorbereitung dieses Vortrags war, es war gar nicht so leicht, falsche optimistische Prophezeiungen zu finden.
Ich hatte so die naive Vorstellung, dass das Netz voll damit sein müsste. Es erwies sich dann als mühsame Arbeit. Eine der besseren Quellen ist diese Wiki-Quote-Liste gewesen, die voll ist mit lustigen pessimistischen Irrtümern und recht arm an optimistischen.
Und wegen dieses Mangels konnte ich jetzt nicht diese schöne historische Abfolge nach Argument 1 kommt, Argument 2 konstruieren, sondern nur eine Slide. Das sind die Thesen, warum es von den optimistischen Prophezeiungen im Netz weniger gibt als von den pessimistischen.
Entweder ist der Mensch ein pessimistisches Wesen und behauptet für eine optimistische Vorhersage zehnmal, dass die Technik die Welt schlechter machen wird. Oder er hat damit häufiger Unrecht.
Oder aber es macht einfach mehr Spaß, falsche pessimistische Vorhersagen zu zitieren. Unterhaltungswert ist höher, man kann dann, so wie ich das ja auch gemacht habe, auf den Technikpessimisten so ein bisschen herabschauen. Oder aber, nachdem ich ja keine ordentliche Quellenrecherche betrieben, sondern nur so einen Nachmittag im Internet herumgegoogelt habe,
es könnte auch einfach sein, dass das ein netzspezifisches Problem ist, weil es von Leuten wie uns vollgeschrieben wird, ist es eben voller mit den pessimistischen Irrtümern als umgekehrt. Die wiederkehrenden Vorhersagen, die ich da jetzt mit Mühe herausdestilliert habe aus den Fundsachen,
das ist zum einen, dass die Menschen sich miteinander verbrüdern, dass der Weltfrieden hergestellt wird, und zwar entweder automatisch durch die Verbesserung der Kommunikation oder dadurch, dass auf irgendeine Weise Mitleid und Einsicht hergestellt werden. Dass Lernen keine Mühe mehr macht wie bisher, sondern in irgendeiner Nürnberger Trichterartigen Weise sich praktisch von alleine vollzieht.
Dass irgendwas in Überfluss vorhanden sein wird, wenn nicht gleich kostenlos zu haben. Und dass die Rede und Meinungsfreiheit mit der neuen Erfindung praktisch garantiert wird.
Es folgt eine Sammlung von Beispielen zu diesem Thema. Ach ja, die Überwindung des Todes, das stimmt, das habe ich extra für Plom-Lom-Pom eingebaut. Auch ein beliebtes Argument. Ich habe das jetzt mal in eine historische Abfolge, in eine zeitliche Abfolge gebracht, das ist das älteste dieser Zitate von 1770.
Da hatte man noch diese aus heutiger Sicht sehr rührende Vorstellung, dass es genügt, die Schreie von Verwundeten vorzuspielen, damit der Kriegslöster eine Fürst auf die Idee kommt, dass der Krieg vielleicht keine so gute Idee ist. Mäßig erfolgreich bisher die Eisenbahn.
Weil sie die Reichen und die Armen gemeinsam befördert wird, sie zu einem Lehrmeister der Gleichheit und der Brüderlichkeit. Das finde ich insofern ein erstaunliches Zitat, weil wenn man sich Twitter anguckt und was da so aus der Bahn getwittert wird, dann findet da alles Mögliche statt, aber nicht die Verbrüderung der Menschheit.
Dann wird hier der Weltfrieden hergestellt durch die verbesserte Kommunikation via Telegrafie.
Eins von vielen Beispielen Kriegsgerät wird auch immer von mindestens irgendjemanden angepriesen mit der Begründung, dass damit jetzt das Ende des Krieges in Reichweite ist, weil es angesichts der Möglichkeiten zur gegenseitigen Vernichtung sinnlos wird.
Das Argument hat sich gut gehalten. Das Telefon verstehe ich eigentlich gar nicht genau mit der Common Language. Warum muss man, wenn man das Telefon benutzt?
Vielleicht sind sie davon ausgegangen, dass alle Englisch lernen müssen. Diese Prophezeiung gab es öfter, auch schon als das Radio neu war, dass die Völkerverständigung dadurch hergestellt wird, dass alle Menschen einfach zwangsläufig die gleiche Sprache lernen müssen und dadurch die Verbrüderung hergestellt wird. Noch mal Krieg.
Von dieser Sorte Zitate gerade über das Maschinengewehr gibt es mehrere. Dann hat man auch auf die Abschreckungswirkung gesetzt. Auch das Flugzeug, so wie die Telegrafie, überbrückt wieder die Entfernungen, bringt die Menschen näher zusammen und stellt Frieden und Wohlwollen zwischen den Menschen her.
Das habe ich reingenommen, weil das eines der seltenen Zitate ist, wo es tatsächlich um die Überwindung des Todes geht, und zwar in diesem Fall dadurch, dass man einfach Filmaufzeichnungen seiner verstorbenen Angehörigen ansehen kann,
und es dann praktisch so ist, als wären sie gar nicht tot. Allgemeine technologische Verbesserungen werden automatisch dazu führen, dass der Mensch den Menschen umbringt.
Das U-Boot wird den Frieden bringen. Das muss so ein Zitat auch über den Torpedo geben, das konnte ich aber leider nicht ausfindig machen. Viele schöne Prophezeiungen über das Radium, in diesem Fall als Waffe gegen Kriegsschiffe,
wobei, wenn ich diesen Text richtig verstanden habe, es noch gar nicht darum ging, irgendwelche Atombomben auf die Kriegsschiffe abzuwerfen, sondern ich habe den Eindruck, die Vorstellung ist die, dass man einen radioaktiven Strahl auf dieses Schiff richtet.
Das war der Stand der Dinge 1910. Die drahtlose Bildübertragung. Wenn man dieses Zitat heute liest, dann denkt man, es hat was mit Überwachungsfantasien und Kameras an jeder Ecke zu tun. Darum ging es in dem Fall aber noch gar nicht. Es ging darum, dass man ein Foto eines Verbrechers
ans andere Ende der Welt faxen und mit dessen Hilfe dann dort festnehmen kann, was zweifellos dazu führt, dass ein Jahrhundert der Moralität anbricht durch das Faxgerät.
Das ist eines von zwei oder drei Filmzitaten, das ich reingenommen habe, weil speziell wegen dieser letzten Stelle, dass man sich also nicht die Mühe machen muss, so wie bisher, sich mühsam durch viele Bücher durchzulesen und dann verwirrt zurück zu bleiben, weil immer noch nicht klar ist, was wirklich passiert ist, sondern man guckt sich einen Film an in einem scientifically prepared room,
drückt einen Knopf und dann sieht man, was passiert ist und dieses ganze mühsame Lernen und Verstehen wird überflüssig. Hier nochmal, der Film wird die Schulbücher überflüssig machen, im Zusammenhang mit dem Computer und dann auch mit dem Internet
auch wieder ein recht beliebtes Argument. Das Radio oder der Funk wird den Krieg lächerlich machen und Frieden auf Erden durchsetzen, das wiederholt sich recht stark diese Vorstellung und das Auto wird dazu führen,
auch wieder wie die Bahn vorhin, dass unterschiedliche Menschen mehr Zeit miteinander verbringen und diesmal wird dadurch der Krieg in den Dingen der Unmöglichkeit, jedenfalls on a large scale, unterschätzt das Weltverbesserungselement Architektur Proper Housing will solve our problems
die Steuerprogression wird den Unterschied zwischen Reich und Arm einibnen, das Fernsehen wird das machen, was die Telegrafie und das Radio
und die Hälfte der anderen bisher zitierten Dinge noch nicht geschafft haben, aber das Fernsehen diesmal wirklich Understanding and Peace on Earth, das kann jetzt nicht mehr lange dauern, die Atomkraft führt dazu, dass Strom praktisch kostenlos aus der Steckdose kommt,
die Raumfahrt ersetzt den Krieg, weil sie so aufregend ist, dass man jetzt nicht mehr nur das Spaßes halber in den Krieg ziehen muss und außerdem führt sie die Völker zusammen und zwei Menschen, die gemeinsam im Weltall waren, werden nicht danach gegeneinander Krieg führen wollen,
der Computer wird dann die totalitären Systeme zum Einsturz bringen, das Internet und an der Stelle ist es jetzt natürlich ein bisschen unverschämt von falsch optimistischen Prophezeiungen zu sprechen,
wenn es natürlich theoretisch alles nächste Woche noch passieren könnte, sondern vielleicht, man soll da ja nicht zu voreilig sein, das ist vielleicht eine Frage der Zeitskalen, vielleicht sind diese ganzen Prophezeiungen richtig und liegen nur in der Prophezeiung des Eintrittenszeitpunkts um 5.000 Jahre daneben,
das weiß man ja nicht, also das Internet jedenfalls überwindet den Nationalismus zweifellos ganz von alleine und Twitter ist ein todsicheres Mittel gegen den Völkermord, weil das bisher nur passieren konnte, weil die Leute nicht so genau wussten,
was da vor sich geht und kaum wird über einen Genozid ordentlich getwittert, dann hat sich das Problem praktisch von allein erledigt, wenn man,
irgendwas wird man daraus lernen können, vermutlich, und zwar Entschuldigung, ich greife vor, irgendwas wird man daraus lernen können und zwar wahrscheinlich vor allem, dass der Mensch allgemein
zu recht unpräzisen Einschätzungen in die eine wie in die andere Richtung neigt, irgendein kluger Mann hat mal erklärt, dass Vorhersagen schwierig sind, speziell wenn sie die Zukunft betreffen und vielleicht hilft es, wenn man versucht, daraus zu finden, warum diese Prophezeiungen
derartig schlecht sind. Das liegt zum einen daran, dass das Neue dem Alten ein bisschen ähnlich sieht, dass wir das Neue betrachten, also erst das Alte in Grün. Das ist insofern auch nicht falsch, als das Neue ja nicht aus dem Nichts entsteht, sondern meistens tatsächlich aus dem Alten heraus, aber es ist gleichzeitig
gerade die Ähnlichkeit des Neuen mit dem Alten, die die Erkenntnis behindert. Um nochmal auf den alten Artikel zurückzugreifen, Friedrich Küppersbusch ist darin mit einigen sehr schönen Zitaten aus den 90er Jahren vertreten, denen man entnehmen kann, dass es eben nicht hilfreich ist, das Internet als Weiterentwicklung
des Telefons zu deuten und als Weiterentwicklung des CB-Funks oder der interaktiven Sie können uns doch anrufen Fernsehsendung. Dem schönen Titel Wer nichts wird, wird virtuell. Das ist kein Fehler, ich will mich gar nicht über Friedrich Küppersbusch lustig machen,
der sicher sonst ein kluger Mensch ist. Ich gehe mal wohlwollend davon aus. Ich erinnere mich noch ganz gut daran, wie man mir zum ersten Mal das Internet gezeigt hat in den frühen 90ern, damals noch mit diesen Bildchen, mit der Ampel, die von Rot auf Grün schaltete, ich weiß gar nicht mehr, was das war, AOL oder CompuServe
und ich guckte mir das so an und dachte mir, das wird jetzt auch wieder so eine Art BTX sein und dann guckten wir uns irgendwas anderes an. Und auch die Nutzungsabsichten oder die Vorstellungen, wie man das neue nutzen könnte, sind erst mal vom Vorgänger abgeleitet.
Ich weiß nicht, ob das hier anwesenden so gegangen ist oder nur unseren Eltern, dass man diese häufige Situation, dass Leute in den Laden gehen oder gingen in den 90ern, frühen nuller Jahren, um sich dort ein Handy zu kaufen mit der Begründung, wir wollen damit gar nicht telefonieren, wir wollen nur erreichbar sein
oder dann später mit einem Smartphone. Ich will damit gar nicht ins Internet, ich will nur, was weiß ich, was kann man mit so einem Smartphone außer Internet? Das größere Display, keine Ahnung. Es dauert dann noch ein bisschen, bis die tatsächlich innovativen Fähigkeiten des Geräts tatsächlich genutzt werden,
aber früher oder später gewöhnt man sich dran, es sind Übergangsgeräte. Man konnte mit dem Handy noch ganz normal telefonieren, so von zu Hause aus, so tun, als wäre es an der Wand festgeschraubt, man kann mit dem Smartphone so tun, als wäre es ein ganz normales Handy. Man kann mit dem Internet noch Bücher lesen,
man kann mit einem Tablet viel von dem machen, was man am Laptop machen konnte. Das ist immer ganz schön, um einen so ein bisschen in die neue Technik hinein zu schulöffeln, aber es geht halt nicht mit allen Geräten, man kann keine Eisenbahn, man kann kein Flugzeug bauen, das gleichzeitig auch noch eine Eisenbahn ist, damit die Leute sich nicht allzu sehr umstellen müssen.
Fehlende Geschichtskennnisse, den Punkt habe ich reingeschrieben, weil es mir so ging, weil ich einfach 2009, als ich den anderen Text schrieb, nicht wusste, dass das umgekehrt genauso, dass es eine mittelgroße Menge genauso schöner Argumente gegen den Technikoptimismus gibt.
Die abgegriffenheit, speziell dieser Weltfriedens- und Völkerverständigungsidee war mir ziemlich neu und ich bin im Nachhinein ganz dankbar, dass Trägheit mich davon abgehalten hat, einen Artikel zu schreiben, den ich über Jahre hinweg immer schreiben wollte, dass das Internet so eine völkerverständigende Wirkung ganz automatisch mitbringt.
Und drittens, Eigennutz oder Wunschdenken. Es gibt, glaube ich, Gründe dafür, dass es eine Tendenz gibt, die technikoptimistischen Positionen in jüngeren Jahren zu vertreten
und die technikpessimistischen in älteren, vielleicht, bin ich gar nicht klüger geworden zwischen 2009 und jetzt, sondern nur drei Jahre älter, das ist nicht auszuschließen. Solange man selbst noch an die schönen Positionen der Macht und des Status ran möchte, hat man durch das Neue tendenziell
eher was zu gewinnen und dann später wird es leichter, das als Bedrohung wahrzunehmen, es wachsen neue Tierchen von unten nach mit neuen seltsamen Techniken. Entsprechend ist dieser Technikoptimismus eben auch oft einfach ein Optimismus, der sagt, für meinen privaten Berufsweg ist es ganz gut, dass es jetzt
neue Dinge gibt, die 50-Jährige in ihrem Job nicht so ganz begreifen. Und ein letzter Grund, das Entstehen des Neuen ist relativ leicht sichtbar. Plötzlich laufen Leute mit Handys herum und telefonieren auf der Straße und man denkt erst noch, sie reden mit sich selbst
oder Leute fotografieren mithilfe ihrer Tablets, was so ein bisschen merkwürdig aussieht. Das ist alles leicht feststellbar. Was nicht so leicht feststellbar ist, ist, dass in der gleichen Zeit irgendetwas anderes verschwunden ist. Als Beispiel dafür habe ich vor 10 Jahren mal
Untertitel für Fernsehserien, für DVDs übersetzt. Oft Fernsehserien für so eine ungefähr 16-jährige Zielgruppe und ich war ja damals auch schon nicht mehr 16, das ist dann immer ein bisschen schwierig rauszufinden. Man in der Regel auch ein kurzes Wort braucht
für irgendwas, was der englische Seriendarsteller da sagt. Muss man halt entscheiden, ist das irgendwas, was die 16-Jährigen jetzt albern finden oder nicht? Für mich sieht das alles ungefähr, vielleicht mit Ausnahme von gebongt, ich sage alles unauffällige Begriffe. Ich habe das dann testhalber,
das ist der Stand von vor zwei Jahren, vielleicht stimmt es nicht mehr, aber ich habe es damals testhalber meinem 18-jährigen Cousin vorgelegt, der das für mich aufgeschlüsselt hat. So sieht es aus. Die Grünen sind noch okay, die Roten sind verrottet, aber ich kann das mit meinem Kopf nicht wahrnehmen und man kann das auch nicht einfach wieder...
Es ist einfacher im Zusammenhang mit so Dingen wie Mode. Man ist zwar vielleicht noch der Meinung, dass die Mode von vor 20 Jahren ganz toll war, aber es gibt sie einfach nicht mehr zu kaufen. Man wird durch H&M davor bewahrt, allzu schlimme Dinge zu machen. Das ist bei Wörtern leider ganz anders und wenn man sein Geld in irgendeiner Weise mit Wörtern verdient, ein echtes Problem.
Jetzt kommt der konkrete Selbsthilfeteil. Man kann, um ein bisschen seltener
in diese Fallen hineinzutappen, einfach mal versuchen, den Gebrauch dieser Standardbehauptungen in beide Richtungen zu vermeiden. Das heißt jetzt nicht, dass man nicht die Finger von der Vorhersage generell lassen muss, aber zumindest, wenn sie in irgendeiner Weise davon handelt, also von den neuen am Anfang angeführten Punkten oder davon handelt, dass sich Völkerverständigung und
Weltfrieden einstellen oder Dinge kostenlos vorhanden sein werden und so weiter, dann lohnt es sich wahrscheinlich noch ein zweites Mal drüber nachzudenken, ob man das jetzt gerade wirklich, insbesondere öffentlich behaupten muss. Also nicht, vielleicht nicht täglich behaupten,
dass das Internet demokratisch macht oder dass Twitter jetzt den Krieg abschaffen wird. Verlernen, eine mittelpraktikable Lösung, weil es eigentlich nicht funktioniert, sehe diese Wörter.
Solange kein Blitzdings erfunden wird und dann aber wirklich die Probleme der Menschheit löst, muss man sich irgendwie anders behelfen, dass die tatsächlich funktionierende Alternative von der Evolution seit langer Zeit erfolgreich eingesetzt ist, sterben und dann wächst jemand Neues nach.
Das ist eigentlich kein lustiger Punkt, ich weiß nicht, ich hoffe, ihr lacht jetzt darüber, dass es andere, aber ich meine, es ist tatsächlich so, dass man die falschen Ideen, die man im eigenen Kopf aufbewahrt, die hauptsächlich dadurch durch Neue ersetzt werden, dass man den Kopf abschafft.
Das hat auch damit zu tun, dass man auf der Basis seiner eigenen Erfahrungen zu stark Verallgemeinerungen vornimmt. Friedrich Kuppersbusch am Ende dieses zitierten Artikels
wird gefragt, warum er nicht so richtig an das Internet glauben will und erklärt dann das einfach, er sagt, ich habe nur keinen Bock in Enttäuschungen reinzulaufen, die ich mit 15 hatte. Also ich gedacht habe, wenn ich eine Schülerzeitung gründe, dann könnten 15.000 Schüler mitmachen. Mit einer Jugend-Talkshow habe ich das später
noch einmal versucht. Die Leute hatten alle Möglichkeiten und haben nichts draus gemacht, den Frust hole ich mir nicht jede Woche. Umgekehrt heißt das halt auch, dass man sich vor Frust bewahren kann und auch davor in der zweiten Lebenshälfte ein Internetskeptiker zu werden und dicke Bücher darüber zu schreiben, dass das Internet jetzt doch gar nicht so eine gute Sache ist,
indem man sich schon von der ersten Position, dass dadurch jetzt automatisch irgendwas passiert, zum Guten fernhält. Einsehen, dass der Mensch generell schlecht im Vorhersagen ist, dass wir über
das Neue nicht viel wissen und dass das auch kein individuelles Problem ist. Insbesondere, wenn man ab und zu öffentlich gebeten wird, sich zum Neuen zu äußern und gefragt wird, wozu es jetzt führen wird, dass die Eisenbahn Leute von A nach B
befördert, dann ist das eine leider von Journalisten nicht gerne gesehene, aber realistische Position zu sagen, keine Ahnung. Weiß man noch nicht. Vielleicht in 500 Jahren nochmal nachfragen. Wenn man kein Journalist ist, dann oder nicht zu Fragen
der Technik und Zukunft von Journalisten befragt wird, dann darf man das ungestraft tun und sollte davon auch Gebrauch machen. Dann gibt es noch, Moment, da war noch ein Punkt. Ach so, ne, jetzt weiß ich wieder. Vorbildlich hier in dieser Hinsicht der
Flugpionier Wilbur Wright, der nachdem er prophezeit hatte, dass es noch 50 Jahre dauert, bis der Mensch fliegen wird und dann zwei Jahre später den erfolgreichen ersten Flug hingelegt hatte, sich dann den Rest seines Lebens behauptet, er hier zumindest von Prophezeiungen ferngehalten hat. Von Wilbur Wright lernen, nein,
ich sage es nicht, ihr denkt es euch einfach. Hier fehlt die unterste Zeile der Aero Club de France oder so ähnlich sollte da stehen und das war irgendwann in den 20er Jahren. Und um auch noch so den konkreten Ratschlag mit auf den Weg zu geben,
man kann diesen Wikipedia-Eintrag ergänzen um falsche optimistische Prophezeiungen. Ich war jetzt auch zu träge, das während der Vorbereitung zu tun, aber ich habe es fest vor und vielleicht kann das sicher noch irgendjemand fest vornehmen, um so ein bisschen dieses Ungleichgewicht zu beheben. Durch Technik verändert sich wahrscheinlich
überhaupt nichts von allein, weder zum Schlechten noch zum Guten. Was man relativ sicher von den neuen Technologien sagen kann, ist, dass die andere Menschen nach oben spülen. Dass durch das Auftauchen neuer Technologien die Leute, die bisher
Berufe ausgeübt haben, die mit den älteren Technologien zu tun hatten, schlechter gestellt werden und wer das Neue beherrscht, etwas besser gestellt wird. Man kann auch angesichts dieser Zitat, dieser Quellenlage mit relativ großer Sicherheit sagen, dass diese neuen Menschen, wenn sie dann mal an den Schalthebeln der Macht sitzen,
nicht an denselben notwendiger Weise, aber an so ähnlich aussehenden, sich genauso schlecht benehmen und genauso großen Quatsch reden wie die, die vor ihnen dran waren. Das hat viele Gründe, aber einer davon ist vermutlich die Überzeugung, dass die Dinge ganz von alleine besser werden, ohne dass man sich selbst besonders
viel Mühe machen muss, weil die Technik das schon irgendwie regeln wird. Weil wir so, wie wir hier sitzen, unter Umständen diese anderen Menschen sind, vielleicht nicht hauptberuflich und ganztags, man ist ja selten hauptberuflich der neue Mensch, aber wenigstens in manchen Lebensbereichen und an manchen
Stellen unseres Lebens, glaube ich, wäre es hilfreich, ein bisschen aus dieser Geschichte der falschen Vorhersagen zu lernen. Vielen Dank.